Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 14.12.2009 - 11 ME 316/09
Fundstelle
openJur 2012, 49939
  • Rkr:

Zur befristeten Wiedereinweisung eines Mieters in die bisherige Wohnung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit bei psychischer Erkrankung.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Der 1967 geborene Antragsteller ist Mieter einer Wohnung im Haus der Beigeladenen zu 1) in der E.Straße 22 in B.. In diesem Haus wohnt auch die fast 78-jährige Mutter des Antragstellers. Dieser leidet unter einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung - einer chronischen psychischen Erkrankung - und befindet sich deswegen seit 1997 in ambulanter Behandlung im Asklepios Fachklinikum in B.. Nachdem sich andere Hausbewohner, zu denen auch die Beigeladenen zu 2) und 3) gehören, bei der Beigeladenen zu 1) über das Verhalten des Antragstellers beschwert hatten und Schlichtungsversuche erfolglos geblieben waren, kündigte die Beigeladene zu 1) dem Antragsteller mit Schreiben vom 19. September 2008 das Mietverhältnis fristlos. Einer Räumungsklage der Beigeladenen zu 1) gab das Amtsgericht B. mit rechtskräftig gewordenem Versäumnisurteil vom 29. Dezember 2008 statt. Aufgrund eines vom Antragsteller angestrengten Vollstreckungsschutzverfahrens wurde die Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Versäumnisurteil vorübergehend eingestellt. Mit Urteil vom 2. Oktober 2009 wies das Amtsgericht B. eine Vollstreckungsabwehrklage des Antragstellers ab. Dagegen hat dieser Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Nachdem der zuständige Gerichtsvollzieher im Auftrag der Beigeladenen zu 1) die Räumung der Wohnung des Antragstellers zum 17. Dezember 2009 angekündigt hatte, hat der Kläger beim Amtsgericht B. einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 765 a Abs. 3 ZPO gestellt. Über diesen ist - soweit ersichtlich - bisher nicht entschieden worden.

Mit Schreiben vom 20. März 2009 hat der Antragsteller bei der Antragsgegnerin beantragt, ihn für den Fall einer Zwangsräumung in seine bisherige Wohnung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit wieder einzuweisen. Daraufhin teilte ihm die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26. März 2009 mit, dass diesem Wunsch nicht entsprochen werden könne, da der Stadt B. (Fachdienst Wohnraumfragen) Unterkünfte in ausreichender Größe und Ausstattung zur Verfügung stünden. Als Alternative zu einer Zuweisung in eine solche Unterkunft stehe es dem Antragsteller aber auch frei, sich auf dem privaten Wohnungsmarkt nach einer Mietwohnung umzusehen. Hierzu fügte die Antragsgegnerin ihrem Schreiben eine Liste mit verschiedenen Wohnungsgesellschaften und Privatvermietern bei. Zusätzlich bot sie ihm eine frei gewordene Privatwohnung an. Damit war der Antragsteller aber nicht einverstanden, sondern rief das Verwaltungsgericht an. Neben einer Verpflichtungsklage (1 A 142/09) hat er den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Wiedereinweisung in die bisherige Wohnung im Fall der Obdachlosigkeit beantragt (Antrag zu 1.). Außerdem hat er beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, auf die Beigeladene zu 1) dahin einzuwirken, dass diese für die Aufrechterhaltung des Hausfriedens in der E.Straße 22 sorgt, indem sie insbesondere die Beigeladenen zu 2) und 3) veranlasst, sich gegenüber dem Antragsteller freundschaftlich, distanziert und frei von Drohungen, Aggressivität oder Gewalttätigkeit zu verhalten (Antrag zu 2.). Das Verwaltungsgericht lehnte die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach Durchführung eines Erörterungstermins mit Beschluss vom 11. Juni 2009 ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde, mit der der Antragsteller sein Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt, hat teilweise Erfolg.

Ein Anordnungsgrund für den Antrag zu 1) ergibt sich daraus, dass dem Antragsteller am 17. Dezember 2009 die Zwangsräumung seiner bisherigen Wohnung droht. Nach derzeitigem Erkenntnisstand hat er aufgrund der besonderen Umstände des gegebenen Einzelfalls auch einen Anspruch auf vorläufige Wiedereinweisung für den Zeitraum vom 17. Dezember 2009 bis zum 16. Februar 2010, weil anderenfalls sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip verletzt werden würde. Dahinter müssen die aus dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden Interessen der Beigeladenen zu 1) als Vermieterin der Wohnung jedenfalls vorübergehend zurücktreten. Die weitergehende Beschwerde des Antragstellers, die auf eine zeitlich unbeschränkte Wiedereinweisung abzielt, hat dagegen keinen Erfolg.

Es ist allgemein anerkannt, dass eine drohende (unfreiwillige) Obdachlosigkeit eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstellt (vgl. etwa Senatsurt. v. 25.3.2004 - 11 LC 333/03 -, NVwZ-RR 2004, 777 = DÖV 2004, 963; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl., S. 177 Rn. 84). Geht es - wie hier - darum, dass der Mieter zur Abwendung der Obdachlosigkeit wieder in seine bisherige Wohnung eingewiesen werden will, kommt als Anspruchsgrundlage die polizeiliche Generalklausel des § 11 in Verbindung mit § 2 Nr. 1 a Nds. SOG in Betracht. An die Zulässigkeit der Wiedereinweisung sind aber wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Eigentumsrecht des Hauseigentümers hohe Anforderungen zu stellen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 2.12.1996 - 1 S 1520/96 -, NJW 1997, 2832; OVG Rhl.-Pf., Urt. v. 8.12.1992 - 6 A 10998/92 -, juris; BayVGH, Urt. v. 14.8.1990 - 21 B 90.00335 -, NVwZ-RR 1991, 196; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 14. Aufl., S. 87 ff.; Ruder, Polizei- und ordnungsrechtliche Unterbringung von Obdachlosen, 1999, S. 117 ff.). Ihm dürfen keine Aufgaben überbürdet werden, die aufgrund des Sozialstaatsprinzips dem Staat und damit der Allgemeinheit obliegen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.11.2007 - 1 ZB 104/06 -, NJW 2008, 1000). Sofern - wie hier - die Obdachlosigkeit durch die Kündigung des Vermieters und eine bevorstehende Räumung droht, ist der Vermieter nicht im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne für die Obdachlosigkeit verantwortlich. Unmittelbare Ursache der Obdachlosigkeit kann in solchen Fällen etwa der Mangel einer geeigneten anderen Unterkunft oder die subjektive Unmöglichkeit des Mieters sein, eine solche zu finden. Bei der Wiedereinweisung in die bisherige Wohnung handelt es sich um einen Fall der Inanspruchnahme des sog. Nichtstörers. Die Beigeladene zu 1) kann deshalb nur unter den engen Voraussetzungen des sog. polizeilichen Notstandes in Anspruch genommen werden (vgl. § 8 Nds. SOG). Der Antragsgegnerin steht bei ihrer Entscheidung ein Ermessen zu. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist im Fall der Inanspruchnahme eines sog. Nichtstörers nur ausnahmsweise möglich. Gründe für eine derartige Ermessensreduzierung können sich aus der Bedeutung der bedrohten Rechtsgüter, der Intensität der Gefahr, ihrer zeitlichen Nähe und aus den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen ergeben. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Wertentscheidungen des Grundgesetzes, vor allem das Grundrecht des Obdachlosen auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zu berücksichtigen (vgl. etwa OVG Rhl.-Pf., Urt. v. 8.12.1992, a.a.O.; BayVGH, Beschl. v. 24.9.1999 - 4 ZS 99.2753 -, juris; Ruder, a.a.O., S. 125 ff.).

6Da die Wiedereinweisung dessen, der obdachlos zu werden droht, in die bisherige Wohnung dem Vermieter ein Sonderopfer auferlegt, fordert das Prinzip der Verhältnismäßigkeit regelmäßig ihre zeitliche und sachliche Begrenzung. Insbesondere die Dauer der Wiedereinweisung hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Die Praxis der Verwaltungsgerichte ist insoweit uneinheitlich und schwankt zwischen zwei und sechs Monaten (vgl. Götz, a.a.O., S. 88, und Ruder, a.a.O., S. 124 ff., jew. m. Nachw.). Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschl. v. 272.6.2005 - 1 BvR 224/05 -, FamRZ 2005, 1972) und des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschl. v. 22.11.2007, a.a.O.) zum Prüfungsumfang beim Räumungsvollstreckungsschutz nach § 765 a ZPO verpflichtet das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zwar die Vollstreckungsgerichte, auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen und mit den Interessen des Vollstreckungsgläubigers aus Art. 14 Abs. 1 GG abzuwägen. Diese Abwägung könne aber nur in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte Zeit einzustellen sei.

7Das Vorliegen eines vollstreckbaren Räumungstitels des Vermieters gegen den Mieter stellt grundsätzlich keinen Hinderungsgrund für die Wiedereinweisung dar, so dass die zuständige Ordnungsbehörde nicht an das entsprechende zivilrechtliche Urteil gebunden ist (vgl. dazu näher Ruder, a.a.O., S. 124 u. 138 f.; Ewer/v. Detten, Ausgewählte Rechtsfragen bei der Beschlagnahme von Wohnraum zur Obdachloseneinweisung, NJW 1995, S. 353, 357 ff.; kritisch Pieroth/Schlink/Kniesel, a.a.O., S. 177 f., Rn. 85).

8Hiervon ausgehend besteht nach der vorliegend nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage die Gefahr, dass der Antragsteller im Falle eines Verlustes seiner bisherigen Wohnung Schaden an seiner Gesundheit nehmen könnte. Eine endgültige Entscheidung darüber muss aber, gegebenenfalls nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Da eine derartige Zwangsbelegung einen erheblichen Eingriff in das Eigentumsrecht der Beigeladenen zu 1) darstellt, hat der Senat die Wiedereinweisung auf zwei Monate befristet. Dazu im Einzelnen:

Dem Antragsteller droht Obdachlosigkeit, da seine Wohnung am 17. Dezember 2009 durch den Gerichtsvollzieher zwangsweise geräumt werden soll. Wegen der Schuldunabhängigkeit der Verantwortlichkeit kommt es nicht darauf an, ob ihm hieraus ein Vorwurf gemacht werden kann oder nicht. Eine gegen ihn gerichtete Verfügung, sich selbst anderweitig Obdach zu verschaffen, dürfte jedoch nicht erfolgversprechend im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 Nds. SOG sein. Denn der Senat hat nach dem bisherigen Akteninhalt den Eindruck, dass der Antragsteller aus psychischen Gründen nicht in der Lage ist, sich rechtzeitig um eine neue Wohnung zu kümmern und eine solche auch zu finden. Da er voraussichtlich nicht selbst zur Vermeidung der Obdachlosigkeit herangezogen werden kann, ist es grundsätzlich Aufgabe der Antragsgegnerin, dieser Gefahr mit eigenen Mitteln entgegenzuwirken (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. SOG). Sie muss sich deshalb zunächst um eine anderweitige Unterbringung des Antragstellers bemühen, bevor sie die Beigeladene zu 1) in Anspruch nimmt. Dies hat die Antragsgegnerin in zureichender Weise getan. Sie hat den Antragsteller mit Schreiben vom 26. März 2009 darauf hingewiesen, dass im Einzelnen bezeichnete Unterkünfte für ihn in ausreichender Größe und Ausstattung in B. zur Verfügung stünden. Darunter befinden sich nicht nur städtische (Obdachlosen-)Unterkünfte, sondern auch Privatwohnungen. Der 42-jährige Antragsteller ist aber nicht bereit, auf dieses Angebot der Antragsgegnerin einzugehen, da er wegen seiner psychischen Erkrankung außerstande sei, seine jetzige Wohnung und sein vertrautes Umfeld zu verlassen. Seinen Angaben zufolge lebt er bereits seit Oktober 1969 in dem Haus E.Straße 22, zunächst in der Wohnung seiner Eltern und später in einer eigenen Wohnung. Es sei ihm in keiner Weise zumutbar, in ein Obdachlosenquartier der Antragsgegnerin eingewiesen zu werden oder in eine andere von der Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 26. März 2009 angeführte Wohnung zu ziehen, da diese sämtlich in "sozialen Brennpunkten" lägen. Dort könne er sich nicht zurechtfinden und auch nicht durchsetzen. Diese Befürchtungen des Antragstellers sind nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Die ihn behandelnden Ärzte des Asklepios Fachklinikums B. haben in ihren Stellungnahmen vom 15. Mai und 14. Juli 2009 darauf hingewiesen, dass es aus medizinisch-therapeutischer Sicht geraten sei, dem Antragsteller wieder die eigene Wohnung zuzuweisen. Die ganze Auseinandersetzung habe ihn äußerst mitgenommen und seine psychische Stabilität stark beeinträchtigt. Mit seiner fast 78-jährigen Mutter lebe er in einer sich gegenseitig stützenden Gemeinschaft. Von einer wohnlichen Trennung sei dringend abzuraten, da mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass der Antragsteller eine solche traumatisch verarbeite. Ähnliche Aussagen enthält die Stellungnahme von Dr. F. (Fachbereich Gesundheitsamt für die Stadt und den Landkreis B. - Fachdienst Sozialpsychiatrischer Dienst -) vom 4. August 2009. Dieser weist darauf hin, dass der Antragsteller sehr an der Wohnung hänge und dass es für ihn eine außergewöhnliche Belastung darstellen würde, wenn er aus diesem Wohnumfeld wegziehen müsste. Ein Umzug würde auch die Gefahr der Verschlechterung der psychischen Erkrankung mit sich bringen.

Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2009 hat der Antragsteller eine ergänzende Stellungnahme der ihn behandelnden Ärzte des Asklepios Fachklinikums B. vom selben Tage vorgelegt, die im Wesentlichen wie folgt lautet:

"Diese Persönlichkeitsstörung hat weitreichende Konsequenzen für Herrn A., von denen die gravierendste eine nennenswerte Beeinträchtigung in der sozialen Lebensführung darstellt. Im Rahmen dieser Beeinträchtigung der sozialen Lebensführung lebt Herr A. recht zurückgezogen in einem ihm von Kindheit an vertrauten Umfeld und nach wie vor in enger räumlicher Nähe zu seiner Mutter.

Im Rahmen des aktuellen Räumungsverfahrens zeigt Herr A. eine deutliche Beeinflussbarkeit seiner psychischen Stabilität. So konnten wir beobachten, dass er nach Androhung eines ersten Räumungstermins psychisch dekompensierte und nach Stundung bzw. Aussetzung dieses Verfahrens sich deutlich stabilisierte, d.h. dass die psychische Befindlichkeit durch dieses Räumungsverfahren direkt beeinflussbar ist. Die erneut angekündigte Zwangsräumung erlebt er als existenzielle Bedrohung.

Für seine psychische Stabilität erscheint es aus ärztlich-psychiatrischer Sicht indiziert, die Wohnsituation unverändert zu belassen. Bei einer Zwangsräumung ist zu befürchten, dass Herr A. massiv psychisch dekompensieren und längerfristig stationär behandlungsbedürftig werden könnte. Dies könnte die bisher erreichten Therapiefortschritte nachhaltig zunichte machen."

Ob der in diesen ärztlichen Stellungnahmen deutlich gewordene psychische Zustand des Antragstellers tatsächlich dem Umzug in eine andere Wohnung zwingend entgegensteht, kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden. Der Senat würde es aber im Hinblick auf das mit einer Zwangsräumung verbundene Risiko für die Gesundheit des Antragstellers für unverhältnismäßig halten, wenn er im jetzigen Zeitpunkt seine Wohnung verlassen müsste und damit auch sein Lebensumfeld, in dem er seit etwa 40 Jahren verwurzelt ist, verlieren würde.

Allerdings kann dem Antragsteller mit Rücksicht auf das Interesse der Beigeladenen zu 1) an einer uneingeschränkten Nutzung ihres Eigentums vorläufiger Rechtsschutz nur für eine Übergangszeit von zwei Monaten gewährt werden. Dieser Zeitraum dürfte nach Auffassung des Senats auch ausreichen, um gegebenenfalls gutachterlich klären zu lassen, ob dem Antragsteller tatsächlich - wie erforderlich - aufgrund eines Umzugs eine konkrete Gefahr für Leib und Leben droht. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der Antragsteller jedenfalls aus ordnungsrechtlicher Sicht nicht damit rechnen kann, längerfristig oder sogar auf Dauer in der bisherigen Wohnung zu bleiben. Es ist deshalb von ihm auch unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustands zu erwarten, dass er alles ihm Zumutbare unternimmt, selbst eine neue Wohnung zu finden. Solle er dazu nicht in der Lage sein, ist es Aufgabe der Antragsgegnerin, ihm auch gegen seinen Willen eine geeignete Wohnung, möglichst in der Nähe seiner Mutter, zuzuweisen. Die vom Senat vorgenommene Befristung soll auch dem Antragsteller Gelegenheit geben, rechtzeitig medizinische und therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um sich auf einen Wohnungswechsel vorzubereiten. Unter Umständen kommt auch eine vorübergehende stationäre Betreuung in Betracht. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen für den Antragsteller möglichst gering gehalten werden.

Die Beigeladene zu 1) wird durch die vom Senat angeordnete vorläufige Wiedereinweisung des Antragstellers nicht übermäßig belastet. Dem dient bereits die Befristung auf zwei Monate. Außerdem handelt es sich bei der Beigeladenen zu 1) um ein gemeinnütziges Wohnungsbauunternehmen, welches in B. über eine Vielzahl von Wohnungen verfügt. Ihre Situation unterscheidet sich deshalb grundlegend von derjenigen eines privaten Vermieters, der etwa auf die betreffende Wohnung dringend angewiesen ist (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 13.3.1980 - 6 S 7.80 -, NJW 1980, 2484).

Ebenso ist den Beigeladenen zu 2) und 3) für den vom Senat angeordneten Zeitraum ein weiteres Zusammenleben mit dem Antragsteller im selben Wohnhaus zumutbar. Zwar hat es zwischen ihnen in der Vergangenheit erhebliche Streitigkeiten gegeben, doch scheint sich inzwischen die Lage beruhigt zu haben. Der Antragsteller hat unwidersprochen vorgetragen, dass die nachbarschaftliche Beziehung zwischen ihm und den Mitmietern mittlerweile spannungsfrei verlaufe.

Dagegen muss dem zu 2) gestellten Antrag aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen, denen der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegengetreten ist, in vollem Umfang der Erfolg versagt bleiben.