LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.11.2009 - L 8 SO 172/07
Fundstelle
openJur 2012, 49752
  • Rkr:

1. Das Vorliegen einer Notfallsituation im medizinischen Sinne reicht für das Vorliegen eines Eilfalles im sozialhilferechtlichen Sinne nicht aus; erforderlich ist weiter, dass nach Lage der Dinge eine rechtzeitige Hilfe des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen gewesen wäre.2. Der Hilfeleistende hat ständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 121 Satz 1 BSHG noch vorliegen. Er muss versuchen, die Hilfe des Trägers der Sozialhilfe zu erreichen, sobald es möglich ist.

NZB beim BSG anhängig (B 8 SO 64/09 B)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. Juli 2007 und der Bescheid des Beklagten vom 30. Dezember 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2005 geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, die Aufwendungen der Klägerin für die stationäre Behandlung des Dr. C. am 20. und 21. Juni 2004 in Höhe von 4.549,13 € nebst 4% Zinsen ab dem 1. Mai 2005 zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat drei Viertel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die klagende Universität begehrt von dem Beklagten gemäß § 127 BSHG den Ersatz der Aufwendungen für die stationäre Behandlung des Patienten Dr. C. (W.) in ihrem Universitätsklinikum vom 20. bis 26. Juni 2004.

Der 1940 geborene W. wurde am 20. Juni 2004 wegen eines akuten Hinterwandinfarkts als Notfall vom Kreiskrankenhaus Goslar in die Universitätsklinik Göttingen der Klägerin verlegt (Aufnahme: 22.35 Uhr) und dort sogleich (23.06 Uhr) operiert (Herzkatheter, Stentlegung). Seine dortige stationäre Behandlung dauerte bis zum 26. Juni 2004. Nach dem Vorbringen der Klägerin war die Aufnahme des W. als so genannter "Selbstzahler" (privatversicherter Privatpatient) erfolgt. Dementsprechend übersandte ihm die Klägerin mit Datum vom 28. Juli 2004 die Rechnung über die Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 5.910,25 € mit Zahlungsfrist bis zum 11. August 2004. W. zahlte trotz zweifacher Zahlungserinnerungen nicht. Am 22. September 2004 wurde ein Betreuer für W. bestellt. Der Betreuer teilte der Klägerin unter dem 26. September 2004 mit, W. habe mehrere Herzinfarkte mit irreparablen Folgen erlitten und werde auf Dauer stationärer Pflege bedürfen. Er sei total überschuldet (Verbindlichkeiten über 100.000,00 € und keinerlei Vermögenswerte). Von weiteren Mahnungen möge abgesehen werden.

Unter dem 18. Oktober 2004 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Übernahme der ihr durch die stationäre Behandlung des W. entstandenen Kosten. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 30. Dezember 2004 mit der Begründung ab, der Antrag sei nicht - wie gemäß § 121 BSHG erforderlich - innerhalb einer angemessenen Frist von zwei Monaten nach Beendigung der stationären Behandlung gestellt worden. Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2005 zurück. Es habe kein Eilfall im Sinne von § 121 BSHG vorgelegen, weil hier die rechtzeitige Benachrichtigung des Sozialhilfeträgers nicht aus Gründen der Unvorhersehbarkeit und Eilbedürftigkeit der Hilfe, sondern in Folge der Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Lage des W. durch die Klägerin (Annahme einer privaten Krankenversicherung) unterblieben sei. Zudem sei der Erstattungsantrag nicht innerhalb angemessener Frist, sondern erst vier Monate nach Beendigung der Krankenhausbehandlung gestellt worden. Nach Ausbleiben der Zahlung der Behandlungskosten bis zum Fristablauf am 11. August 2004 hätte die Klägerin sich zur Wahrung der angemessenen Frist sofort an ihn - den Beklagten - wenden müssen.

Daraufhin hat die Klägerin am 1. August 2005 bei dem Sozialgericht Braunschweig Klage erhoben, mit der sie ihr Kostenerstattungsbegehren weiter verfolgt hat. Das Sozialgericht Braunschweig hat den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht Hildesheim (SG) verwiesen. Die Klägerin hat zur Klagebegründung im Wesentlichen vorgetragen, ein Eilfall könne hier nicht - wie der Beklagte es getan habe - unter Rückgriff auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Mai 2001 - 5 C 20.00 - verneint werden. Während der nur 6-tägigen stationären Behandlung des W. sei weder erkennbar noch ermittelbar gewesen, dass der als Kassenarzt tätige W. nicht in der Lage sei, die Behandlungskosten - gegebenenfalls über eine private Krankenversicherung - auszugleichen. Auch jedes Sozialamt wäre zu diesem Zeitpunkt von der Möglichkeit der Kostentragung durch W. ausgegangen. Es sei daher auch nicht möglich gewesen, die rechtzeitige Hilfe des Sozialhilfeträgers in diesen 6 Tagen zu erlangen. Selbst wenn von vorne herein bekannt gewesen wäre, dass W. sozialhilferechtlich hilfebedürftig sei, hätte eine sofortige Behandlung erfolgen müssen, ohne dass eine Entscheidung des Sozialhilfeträgers noch rechtzeitig hätte herbeigeführt werden können. Sie - die Klägerin - habe den Kostenerstattungsantrag auch innerhalb angemessener Frist gestellt. Es gebe keine feste Frist. Die Angemessenheit sei nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Hier habe sie keinerlei Anhaltspunkte dahingehend gehabt, dass ein "Selbstzahler" - wie es viele gebe - nicht in der Lage sei, die Kosten auszugleichen. Insoweit sei es nicht unüblich, dass "Selbstzahler", welche die Rechnungen zunächst bei der Beihilfestelle oder/und der privaten Krankenkasse einreichten, Zahlungsfristen verstreichen ließen, bis sie die jeweiligen Erstattungsbeträge selbst von dort erhalten haben. Sie habe frühestens mit Eingang des Schreibens des Betreuers vom 26. September 2004 davon ausgehen können, dass W. nicht in der Lage sei, die Forderung auszugleichen. Im Übrigen sei nicht erkennbar, welche Nachteile dem Beklagten dadurch entstehen könnten, dass der Kostenübernahmeantrag nicht bereits im August 2004, sondern erst zwei Monate später im Oktober 2004 gestellt worden sei. Irgendwelche ins Gewicht fallenden Interessen des Beklagten seien hier durch die Antragstellung (erst) im Oktober 2004 nicht beeinträchtigt. Der Beklagte hat die Begründung seines Widerspruchsbescheides vertieft und ergänzend im Wesentlichen vorgetragen, ein Eilfall im Sinne von § 121 BSHG setze nicht nur voraus, dass medizinisch sofort geholfen werden müsse, sondern auch, dass die rechtzeitige Benachrichtigung des Sozialhilfeträgers nicht wegen einer Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Lage des Empfängers durch den Helfer unterbleibe. Genau dies sei hier aber der Fall, wie das Vorbringen der Klägerin selbst bestätige. Einer Verfristung könne auch nicht entgegengehalten werden, dass ihm durch den späteren Antrag keine erkennbaren Nachteile entstanden seien.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 4. Juli 2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2005 verwiesen und ergänzend im Wesentlichen ausgeführt, insbesondere sei der Kostenerstattungsantrag nicht innerhalb einer angemessenen Frist im Sinne von § 121 Satz 2 BSHG gestellt worden. Es könne nicht von starren zeitlichen Vorgaben (beispielsweise zwei Monate), sondern nur von den Umständen des Einzelfalls ausgegangen werden. Daher sei zu beachten, wie die Klägerin als sorgsame Krankenhausverwalterin ihre Zahlungsgeschäfte einerseits wahren könne, andererseits jedoch auch auf die Interessen des zu behandelnden Patienten sowie des Sozialhilfeträgers Rücksicht nehmen könne. Unter Beachtung dieser Gesichtspunkte habe die Klägerin ihren Kostenantrag nicht innerhalb angemessener Frist gestellt. Wie von ihr selbst ausgeführt, habe sie über keine Negativerfahrung mit dem behandelten W. verfügt. Insofern sei noch nachvollziehbar, dass sie nach Verstreichen der ersten Zahlungsfrist nicht unmittelbar Maßnahmen zur Realisierung der Forderung ergriffen habe. Jedoch hätte nach Verstreichen der Zahlungsfrist zumindest zur Fristwahrung ein Antrag auf Kostenerstattung bei dem Beklagten gestellt werden können. Angesichts der Höhe der Forderung, der schwerwiegenden Erkrankung des Patienten und dem relativ geringen Aufwand erscheine ein solches Vorgehen der Klägerin auch zumutbar. Das Gericht folge insoweit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Mai 2001 - 5 C 20/00 -, wonach § 121 BSHG nicht das Ziel verfolge, den Nothelfer von einer Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Lage des Hilfeempfängers zu befreien. Für eine solche spreche demgegenüber im vorliegenden Fall, dass eine Rechnung an den behandelten W. einen Monat nach dessen Entlassung als reguläre Privatrechnung erstellt worden sei. Es dränge sich insofern der Verdacht auf, dass die Klägerin im Vertrauen auf die Stellung des W. als praktizierender Arzt und daraus resultierend das Eingreifen einer privaten Krankenversicherung weitere Ermittlungen unterlassen habe. Es sei der Klägerin zumutbar gewesen, sich nicht bei Verstreichen der ersten Zahlungsfrist auf Mahnungen zu verlassen, sondern - gegebenenfalls rein vorsorglich - einen Antrag bei dem Beklagten zu stellen. Dies hätte angesichts der geltend gemachten Forderung auch in ihrem eigenen Interesse gelegen.

Die Klägerin hat am 31. Juli 2007 Berufung eingelegt. Sie vertieft ihre Klagebegründung und trägt ergänzend im Wesentlichen vor: Die Forderung des SG, bereits nach Ablauf der dem W. gesetzten ersten zweiwöchigen Zahlungsfrist einen Kostenerstattungsantrag bei dem Beklagten zu stellen, verkenne die Schwierigkeiten und Zahlungsgewohnheiten der Patienten, auf welche ein sorgsamer Krankenhausverwalter Rücksicht zu nehmen habe. Ein solcher Antrag müsse erst bei Hinweisen auf einen möglichen Sozialhilfefall gestellt werden. Für den Fristbeginn sei auf die Kenntnis des Nothelfers von der wahrscheinlichen Hilfebedürftigkeit des Patienten abzustellen. Dies sei hier der Erhalt des Betreuerschreibens vom 26. September 2004. Die darauf folgende Antragstellung nach § 121 BSHG innerhalb von drei Wochen sei durchaus noch angemessen. Im Übrigen werde zu Gunsten des Nothelfers bislang akzeptiert, dass dieser die Möglichkeit haben müsse, seine Ansprüche zunächst anderweitig durchzusetzen. Nichts anderes habe sie hier bis zu dem Erhalt des Betreuerschreibens versucht.

Die Klägerin beantragt,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. Juli 2007 und den Bescheid des Beklagten vom 30. Dezember 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2005 aufzuheben,

2. den Beklagten zu verurteilen, ihr - der Klägerin - die für die stationäre Behandlung des Dr. C. in der Zeit vom 20. bis 26. Juni 2004 erbrachten Aufwendungen in Höhe von 5.910,25 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 4 % ab dem 1. Mai 2005 zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine damit überprüften Bescheide. Die Überprüfung der für die Kostensicherheit wesentlichen Umstände gehöre, soweit nach den Umständen möglich, auch bei der Aufnahme von Notfallpatienten zu den Obliegenheiten eines ordnungsgemäßen Krankenhausbetriebes; das Irrtums- und Fehleinschätzungsrisiko der wirtschaftlichen Lage eines Patienten werde dem Nothelfer durch § 121 BSHG nicht abgenommen. Es könne erwartet werden, dass sich ein Krankenhaus nach der Erbringung der unmittelbar erforderlichen medizinischen Leistungen an den Patienten wende, um die Kostentragung zu klären. Dies habe die Klägerin nach ihren eigenen Angaben ja auch getan. Denn sie habe ausgeführt, W. habe angegeben, bei einer privaten Krankenkasse versichert zu sein. Demgemäß sei W. als "Selbstzahler" aufgenommen worden. Eine Bestätigung der betreffenden Krankenkasse sei offenbar nicht eingeholt worden. Die Klägerin habe sich also auf die Angaben des W. verlassen, ohne diese kurzfristig zu überprüfen. Es sei grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass ohne Vorlage besonderer Umstände ein Patient in der Lage sei, seine Behandlungskosten ohne den Eintritt einer Krankenkasse zu begleichen. Es bleibe also dabei, dass wegen der gebotenen, von der Klägerin aber nicht durchgeführten Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des W. kein Eilfall im Sinne von § 121 BSHG vorliege.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten verwiesen. Sie sind Grundlage der Entscheidungsfindung gewesen.

Gründe

Die zulässige Berufung, über die der Senat gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet, hat in der Sache überwiegend Erfolg.

Das SG hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Die Klägerin hat gemäß § 121 BSHG einen Anspruch gegen den Beklagten auf die streitige Erstattung der ihr durch die stationäre Behandlung des W. am 20. und 21. Juni 2004 entstandenen Aufwendungen in gebotenem Umfang von 4.549,13 € (20. Juni 2004: 3.866,71 € für die Operation, 242,82 € Abteilungspflegesatz Medi 80 %, 97,46 € Basispflegesatz und 1,86 € Zuschläge; 21. Juni 2004: 242,82 € Abteilungspflegesatz Medi 80 %, 97,46 € Basispflegesatz) nebst 4 % Zinsen ab dem 1. Mai 2005. Im Übrigen, hinsichtlich des Zeitraums vom 22. bis 26. Juni 2004, besteht kein Erstattungsanspruch der Klägerin. Insoweit hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.

Die hier einschlägige Anspruchsnorm des § 121 BSHG in seiner ab 1. Januar 1994 (bis 31. Dezember 2004) geltenden Fassung lautet:

Hat jemand in einem Eilfall einem anderen Hilfe gewährt, die der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis nach diesem Gesetz gewährt haben würde, sind ihm auf Antrag die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat. Dies gilt nur, wenn er den Antrag innerhalb angemessener Frist stellt.

Die Klägerin hat hier als "jemand" (Dritter) einem "anderen", dem W., Hilfe in Gestalt der stationären Krankenbehandlung vom 20. bis 26. Juni 2004 gewährt. Der Beklagte als zuständiger Sozialhilfeträger würde - dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig - dem W. diese Hilfe bei rechtzeitiger Kenntnis des Hilfebedarfs als Sozialhilfe in Gestalt der Krankenhilfe gewährt haben, weil W. der stationären medizinischen Behandlung dringend bedurfte, aber nicht krankenversichert war und die Behandlungskosten auch nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen aufbringen konnte.

20Entgegen der Auffassung des SG und des Beklagten hat die Klägerin dem W. die Behandlungsleistungen am 20. und 21. Juni 2004 auch in einem Eilfall im Sinne von § 121 Satz 1 BSHG erbracht. Ein Eilfall im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der von beiden Beteiligten in Bezug genommen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Mai 2001 - 5 C 20/00 -, BVerwGE 114, 298 und Urteil vom 30. Oktober 1979 - 5 C 31/78 -, BVerwGE 59, 73) - der der Senat folgt - voraus, dass nach den Umständen des Einzelfalles sofort geholfen werden muss und eine rechtzeitige Einschaltung des Sozialhilfeträgers nicht möglich ist; die Notwendigkeit sofortiger Hilfe lässt in der Regel keine Zeit, den zuständigen Sozialhilfeträger zu unterrichten und zunächst dessen Entschließung über eine Gewährung der sofortigen Hilfe als Sozialhilfe abzuwarten. Das Vorliegen einer Notfallsituation im medizinischen Sinne reicht daher nach der vorgenannten Rechtsprechung des BVerwG für das Vorliegen eines Einzelfalles im sozialhilferechtlichen Sinne nicht aus; vielmehr wird weiter vorausgesetzt, dass nach Lage der Dinge eine rechtzeitige Hilfe des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen gewesen wäre.

Eine solche Situation lag hier von der Aufnahme des W. in der Uniklinik am 20. Juni 2004 bis zu seiner Behandlung auf der Station 1026 am Folgetag vor. W. bedurfte dringend sofortiger Hilfe. Schon aufgrund der Eilbedürftigkeit der Hilfe blieb keine Zeit, den Beklagten als zuständigen Sozialhilfeträger zu unterrichten und zunächst dessen Entscheidung über eine Gewährung der erforderlichen Hilfe als Sozialhilfe abzuwarten. Denn W. wurde - nach Transport durch den Rettungsdienst des Beklagten unter Begleitung eines Notarztes - am 20. Juni 2004 um 22.35 Uhr mit einem akuten Hinterwandinfarkt als Notfall in die Klinik der Klägerin aufgenommen und bereits eine halbe Stunde später (23.06 Uhr) am Herzen operiert sowie unmittelbar im Anschluss - insoweit dauerte die Eilbedürftigkeit noch an - am 21. Juni 2004 um 1.10 Uhr auf die Station 1026 verlegt. Zudem wäre der Klägerin eine rechtzeitige Hilfe der Beklagten für die Behandlung des W. am 20. und 21. Juni 2004 auch objektiv deshalb nicht zu erlangen gewesen, weil davon auszugehen ist, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme des W. in die Klinik am 20. Juni 2004 - zumal es sich bei diesem Tag um einen Sonntag handelte - um 22.35 Uhr sowie während der anschließenden Operation und der am frühen Morgen des 21. Juni 2004 um 1.10 Uhr erfolgten Verlegung des W. auf die Station 1026 die Verwaltung des Beklagten nicht tätig - und somit aus organisatorischen Gründen zu einer Hilfeleistung gar nicht in der Lage - war.

Ob die Klägerin eine Unterrichtung des Beklagten am 20. und 21. Juni 2004 auch aufgrund der fehlerhaften Annahme, W. sei privat krankenversichert oder könne die Behandlungskosten selbst tragen, unterlassen hat, kann dahinstehen. Denn selbst wenn dem so gewesen wäre, stände dies der Bejahung eines Eilfalles für die beiden genannten Tage nicht entgegen. Auf die Frage, ob und inwieweit der Hilfeleistende das Irrtums- und Fehleinschätzungsrisiko bezüglich der wirtschaftlichen Lage eines Patienten zu tragen hat, kann es erst dann ankommen, wenn eine objektive Verpflichtung zur Einschaltung des Trägers der Sozialhilfe besteht. Solange eine solche Verpflichtung des Nothelfers hingegen - wie hier für den 20. und 21. Juni 2004 - nicht gegeben ist, weil eine Hilfe des Sozialhilfeträgers ohnehin nicht zu erlangen ist, ist es unbeachtlich, aus welchen subjektiven Beweggründen dessen Einschaltung unterblieben ist (so bereits LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Dezember 2007 - L 3 SO 25/06 - juris Rdnr 24).

Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 121 Satz 1 BSHG sind ebenfalls erfüllt. Die Klägerin hat die ihr durch die stationäre Behandlung des W. entstandenen Aufwendungen nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen, und sie hat bei dem Beklagten als dem zuständigen Sozialhilfeträger einen Erstattungsantrag gestellt.

Entgegen der Auffassung des SG und des Beklagten hat die Klägerin ihren Erstattungsantrag auch - wie gemäß § 121 Satz 2 BSHG erforderlich - innerhalb angemessener Frist gestellt. Welche Frist "angemessen" ist, entscheidet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles, wobei insbesondere die Interessen des Nothelfers und der in Not geratenen Person, aber auch die Belange des Sozialhilfeträgers zu berücksichtigen sind (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/ Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 25 Rdnr 11, 12; Schönfeld in Grube/Wahren-dorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 25 Rdnr 16 mwN). Auf der Seite des Nothelfers ist zu berücksichtigen, dass dieser möglicherweise zunächst versucht, seinen Anspruch gegenüber der in Not geratenen Person oder einem eventuell vorrangig leistungspflichtigen Träger durchzusetzen. Demgegenüber geht das Interesse des Sozialhilfeträgers dahin, möglichst alsbald von dem Hilfefall unterrichtet zu werden, um gegebenenfalls seinerseits noch Vorkehrungen treffen zu können (Schönfeld, ebenda). Nach den vorliegenden Einzelfallumständen ist der Erstattungsantrag der Klägerin vom 18. Oktober 2004 innerhalb angemessener Frist gestellt. Die Klägerin durfte zunächst davon ausgehen, dass es sich bei W. um einen sogenannten Selbstzahler handelt. Ihre Annahme, W. sei als praktizierender Arzt mit Kassenzulassung privat versichert, war naheliegend. Im Übrigen wäre es bei einer durchschnittlichen Einkommens- und Vermögenssituation des W. - von der die Klägerin mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ebenfalls ausgehen durfte - nicht unwahrscheinlich gewesen, dass W. für die ihm letztlich mit 5.910,25 € in Rechnung gestellten Kosten seiner nur sechstägigen stationären Behandlung selbst hätte aufkommen könne. Dass die Klägerin von W. die Zahlung der Behandlungskosten mit Rechnung vom 28. Juli 2004 bis zum 11. August 2004 gefordert und - nachdem eine Zahlung nicht erfolgt war - noch zweimal die Zahlung angemahnt hat, liegt zeitlich und inhaltlich im üblichen Rahmen derartiger Forderungsrealisierungen durch Krankenhausträger oder Ärzte gegenüber privat versicherten Patienten. Insbesondere war die Klägerin entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten nicht gehalten, sich nach Ablauf der ersten - mit zwei Wochen relativ kurz bemessenen - Zahlungsfrist (11. August 2004) bei dem Beklagten (zumindest zur Fristwahrung) einen Erstattungsantrag zu stellen. Denn dazu bestand für die Klägerin keinerlei Anlass. Insbesondere aus dem Umstand, dass W. nicht bis zum 11. August 2004 gezahlt hatte, konnte (und musste) die Klägerin nicht auf die später festgestellte Sozialhilfebedürftigkeit des W. schließen. Vielmehr erfuhr die Klägerin - und dies fällt bei der Beurteilung der Angemessenheit maßgeblich ins Gewicht - erst mit Schreiben des (am 22. September 2004 bestellten) Betreuers des W. vom 26. September 2004 von dem die Sozialhilfebedürftigkeit des W. begründenden Umständen, sodass der nur etwa drei Wochen später am 18. Oktober 2004 bei dem Beklagten eingegangene Erstattungsantrag der Klägerin insgesamt als innerhalb angemessener Frist gestellt zu bewerten ist.

25Hingegen hat die Klägerin nicht gemäß dem hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 121 BSHG gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der ihr durch die stationäre Behandlung des W. vom 22. bis 26. Juni 2004 entstanden Aufwendungen. Insoweit lag kein Eilfall im Sinne von § 121 Satz 1 BSHG (mehr) vor, weil insoweit das den sozialhilferechtlichen Eilfall kennzeichnende Element der Unvorhersehbarkeit des Hilfebedarfs fehlt. Es wäre eine sozialhilferechtliche (Kranken-) Hilfe des Beklagten rechtzeitig möglich gewesen. Der Klägerin war es ohne Weiteres möglich, sich im Laufe des 21. Juni 2004 (Montag) wegen des Hilfebedarfs des W. ab dem 22. Juni 2004 - für den 21. Juni 2004 war im Anschluss an die Operation die Weiterbehandlungsentscheidung bereits um 1.10 Uhr morgens bei "Unerreichbarkeit" der Beklagten durch die Klinikmitarbeiter gefallen - an den Beklagen zu wenden. Die zuvor fehlende Möglichkeit einer Einschaltung der Beklagten entband die Klägerin nicht davon, die Hilfe des Beklagten ab dem 22. Juni 2004 in Anspruch zu nehmen. Das Erfordernis der fehlenden Erreichbarkeit rechtzeitiger Hilfe lag nicht mehr vor. Der Hilfeleistende darf sich nicht auf das temporäre Vorliegen dieser Voraussetzungen verlassen. Vielmehr hat er ständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 121 Satz 1 BSHG noch vorliegen. Er muss versuchen, die Hilfe des Trägers der Sozialhilfe zu erreichen, sobald es möglich ist (vgl. BverwG, Urteil vom 21. Mai 2001 - 5 C 20/00 -, aaO und LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Dezember 2007, aaO,).

Die Klägerin kann nicht mit Erfolg einwenden, sie habe von der Sozialhilfebedürftigkeit des W. nichts gewusst, sondern angenommen, die Behandlungskosten würden von einer privaten Krankenversicherung des W. oder ggf. durch W. selbst getragen, sodass kein Anlass bestanden habe, den Beklagten einzuschalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Mai 2001, aaO, 301), der der Senat folgt, wird das Irrtums- und Fehleinschätzungsrisiko hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Hilfebedürftigen dem Nothelfer durch § 121 BSHG nicht abgenommen. Unterbleibt eine rechtzeitige Benachrichtigung des Sozialhilfeträgers - wie hier über die Behandlung des W. vom 22. bis 26. Juni 2004 - nicht aus Gründen der Unvorhersehbarkeit und Eilbedürftigkeit der Hilfe, sondern infolge einer Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Lage des Hilfeempfängers durch den Helfer, so schließt dies einen "Eilfall" aus.

Der Zinsanspruch ab 1. Mai 2005 folgt aus § 44 SGB I.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. § 197a SGG ist nicht einschlägig, weil die Klägerin als Nothelferin zu dem in § 183 Satz 1 SGG genannten Personenkreis der Leistungsempfänger gehört und insoweit von der Pflicht zur Zahlung von Kosten befreit ist (vgl BSG, Urteil vom 11. Juni 2008 - B 8 SO 45/07 B -, juris, Rdnr 7ff). Da die Klägerin ausgehend von dem streitigen Erstattungsbetrag zu einem Anteil von rund drei Vierteln obsiegt, hat der Beklagte dementsprechend drei Viertel ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gerichtskosten werden nicht erhoben, weil die Klägerin - wie zuvor ausgeführt - zu dem in § 183 Satz 1 SGG genannten Personenkreis gehört, für den das Gerichtsverfahren kostenfrei ist.

Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG besteht nicht.