LG Hamburg, Urteil vom 24.02.2009 - 312 O 656/08
Fundstelle
openJur 2010, 555
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, in die Löschung der Internet-Domain www. s..-u...de einzuwilligen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der dieser durch das Reservierthalten der Domain www. s..-u...de durch die Beklagte seit dem ...2008 entstanden ist und/oder zukünftig noch entstehen wird.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Einwilligung in die Löschung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 10.000,00 vorläufig vollstreckbar, wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Freigabe einer Domain wegen Namensverletzung und um Schadensersatz.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das sich mit dem überregionalen Abverkauf, Vertrieb und Lieferung von Strom und Gas und der Energieberatung befasst. Sie steht im Eigentum der Stadt U... und der Stadtwerke E... Die Eintragung der Klägerin in das Handelsregister erfolgte am 07.07.2008.

Die Beklagte ist seit dem 06.10.2007 Inhaberin der Internetdomain www. s..-u... de . Dort erschien zunächst nur ein Hinweis, dass an dieser Stelle eine Website in Vorbereitung sei. Nunmehr werden Gebäude in U... gezeigt, vgl. Anlage K 3. Enthalten ist dort auch der Hinweis

„© Copyright 20087 by Stadtwerke ? Design by Stadtwerke“.

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 08.10.2008 (Anlage K 5) ab.

Die Klägerin hat die Beklagte u.a. mit Schreiben vom 26.03.2008 (Anlage K 6) dazu aufgefordert, sie bis zum 31.03.2008 wissen zu lassen, ab wann die Klägerin über die Domain verfügen könne; mit Schreiben vom 15.05.2008 hat sie angeboten, hierfür die Stromkosten der Beklagten für ein Jahr zu tragen. Unter dem Briefkopf "J..+D..H.." wies ein Herr J..H.., vermutlich der Ehemann der Beklagten, mit Schreiben vom 19.05.2008 einen entsprechenden Rechtsanspruch der Klägerin zurück und forderte ein besseres Angebot.

Mit Schreiben vom 24.06.2008 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erneut zur Annahme des Vergleichsangebotes auf und kündigten nach Ablauf einer Frist bis zum 04.07.2008, 12 Uhr, an, der Klägerin zu gerichtlichen Schritten zu raten. Diese Frist wurde in einem weiteren Schreiben vom 19.08.2008 nochmals verlängert.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Freigabe der streitgegenständlichen Domain aus § 12 BGB zu, da der Beklagten kein eigenes Namens- oder sonstiges Zeichenrecht zustehe und es sich deswegen um eine Namensanmaßung von Seiten der Beklagten handele.

Sie beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, in die Löschung der Internet-Domain www.s..-u...de einzuwilligen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der dieser durch das Reservierthalten der Domain www. s..-u...de durch die Beklagte seit Rechtshängigkeit entstanden ist und/oder zukünftig noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass sie beabsichtige, die Geschichte der Bauwerke der Stadt U... im Internet bereit zu stellen. Bauwerke der Stadt würden auch als „Stadtwerke“ bezeichnet.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Klägerin könne an der Begriffskombination „Stadtwerke“ und „U...“ kein Namensrecht zustehen. Auch ein anderweitiger Schutz könne ihr nicht gewährt werden, da diese Begriffe für sich gesehen nicht schützbar seien. Von den angesprochenen Nutzern werde nicht automatisch der von der Klägerin geltend gemachte Namenszweck mit ihr aufgrund eines Alleinstellungsmerkmals unmittelbar verbunden. Die Klägerin sei auch nicht an die Bezeichnung ihrer Unternehmung als „Stadtwerke“ gebunden, da bereits zahlreiche Fantasiebezeichnungen privater Konkurrenten bestünden. Die Klägerin verfolge keinen Zweck, der etwas mit dem ursprünglichen öffentlich-rechtlichen Zweck von „Stadtwerken“ zu tun habe.

Sie vertritt die Ansicht, ihr stehe aufgrund der vor Gründung der Klägerin erfolgten Registrierung der Domain zu ihren Gunsten ein besseres Recht an dieser Domain zu.

Sie ist der Auffassung, dass es an einer Zuordnungsverwirrung aufgrund der klaren und deutlichen Internetauftritte der Parteien fehle. Außerdem werde ein potentieller Besucher zumeist eine Internetsuchmaschine benutzen und dort bereits grob über den Inhalt der Suchergebnisse unterrichtet.

Weiter sei aufgrund fehlender Branchenähnlichkeit der Tätigkeiten der Parteien keine Verwechslungsgefahr gegeben.

Schließlich sei auch die Verwendung der streitgegenständlichen Internetdomain durch die Klägerin keineswegs zwingend. Andere Stadtwerke verwendeten Buchstabenkombinationen, die Stadtwerke M... etwa s.. ( www. s... de ).

Von einem in der mündlichen Verhandlung am 06.01.2009 geschlossenen Vergleich mit Rücktrittsvorbehalt trat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20.01.2009 zurück.

Wegen der Einzelheiten des Vorbingens der Parteien wird auf die Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.01.2009 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Freigabe der Internetdomain gegen die Beklagte zu.

1. Der Klägerin steht ein Namensrecht gemäß § 12 BGB an der Bezeichnung „Stadtwerke U... GmbH“ zu, da dies ihre Firma ist. Name im Sinne des § 12 BGB ist auch die Firma. Hierzu hat der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 1954 ausgeführt (BGHZ 14, 155):

„Jeder Kaufmann hat nach § 12 BGB und § 16 UnlWG Anspruch auf Schutz der von ihm befugt geführten Firma als des Namens, dessen er sich bei Ausübung seines Handelsgewerbes bedient. Die in der älteren reichsgerichtlichen Rechtsprechung (z.B. RGZ 59, 286 und 109, 213) noch nicht allgemein anerkannte Anwendbarkeit des § 12 BGB auf den Schutz jeder Firma ist in der neueren Rechtsprechung, auch des Bundesgerichtshofes (BGHZ 4, 167 und 11, 214) ohne Einschränkung bejaht worden. Der Schutz erstreckt sich auch auf unterscheidungskräftige Firmenbestandteile, denen Namensfunktion zukommt.“

Der Name der Klägerin ist auch unterscheidungskräftig. Bei Worten der Umgangssprache, Sach- oder Gattungsbezeichnungen sowie geographischen Bezeichnungen kann diese zwar fehlen. Mehrere nicht unterscheidungskräftige Worte können aber – wie hier – zu einer einprägsamen Neubildung zusammengefasst werden (vgl. OLG Schleswig, SchlHA 1994, 16 – Stadtsparkasse Flensburg; vgl. auch Hanseatisches OLG Hamburg, Urt. v. 04.05.2000 – 3 U 197/99 – juris, dort insbes. Rn. 13-16).

2. Die Beklagte verwendet den Namen der Klägerin unbefugt.

a. Die streitgegenständliche Domain, die die Beklagte verwendet, lautet „s..-u...de“. Der Begriff s..-u.. ist teilidentisch und verwechslungsfähig mit der Firma der Klägerin. Weder die Verwendung eines Bindestrichs statt eines Leerzeichens noch der Zusatz „.de“ führen dazu, dass ein mehr als unerheblicher Unterschied zwischen beiden Bezeichnungen bestünde. Das Leerzeichen kann ohnehin technisch in Domainnamen nicht verwendet werden, während eine Top-Level-Domain wie etwa „.de“ zwingend erforderlich ist. Eine Rechtsformbezeichnung wie etwa die in der klägerischen Firma enthaltene „GmbH“ entfaltet ebenfalls keine besondere Kennzeichnungs- oder Unterscheidungskraft.

b. Es ist auch nicht das Recht der Gleichnamigen direkt oder entsprechend anzuwenden (vgl. hierzu BGH NJW 2002, 2031 - shell.de). Es kommen nämlich nicht mehrere berechtigte Namensträger für einen Domain-Namen in Betracht, wie es etwa dann der Fall wäre, wenn die Beklagte mit Nachnamen „Stadtwerke-U...“ hieße.

Da die Beklagte sich nicht auf ein eigenes Namensrecht berufen kann, ist ihr die sonst grundsätzlich mögliche Berufung auf das Prioritätsprinzip versagt. Es spielt somit keine Rolle, dass die Domain früher auf sie eingetragen wurde, als die Klägerin im Handelsregister registriert wurde.

c. Es steht der Beklagten auch nicht deswegen ein besseres Recht gegenüber dem Namensrecht der Klägerin zu, weil sie im Internet über Stadtwerke in U... informieren möchte.

aa. Der Vortrag der Beklagten, dass sie im Internet über die Bauwerke der Stadt U..., mithin über „Stadtwerke“, informieren möchte, ist ersichtlich an den Haaren herbeigezogen, mindestens aber ein sprachliches Missverständnis. Bauwerke einer Stadt werden nicht als „Stadtwerke“ bezeichnet. Laut Internetnachschlagewerk Wikipedia ( http://de.wikipedia.org/wiki/Stadtwerke ) bezeichnet man als Stadtwerke lediglich

„ein kommunales Unternehmen oder zumindest einen gemeindenahen Betrieb, der die Grundversorgung der Bevölkerung mit Strom, Wasser und Gas und oft auch die Abwasser-Entsorgung abdeckt“.

Dies deckt sich mit den Erfahrungen der Mitglieder der Kammer zum Sprachgebrauch.

bb. Bereits grundsätzlich ist ein privat genutzter Domainname, der mit der Top-Level-Domain „.de“ endet und ansonsten nur die prägenden Teile eines Unternehmenskennzeichens wiedergibt, auf entsprechenden Klagantrag des Unternehmens zu löschen, denn wenn ein fremder Name als Internet-Adresse benutzt wird, liegen die Voraussetzungen der Namensanmaßung regelmäßig vor (BGH NJW 2007, 682, 683 - solingen.info mwN).

Selbst wenn jemand eine streitgegenständliche Bezeichnung seit einigen Jahren im Internet und zuvor in anderen elektronischen Netzwerken als Aliasnamen benutzt, führt dies nicht zu einer eigenständigen namensrechtlichen Berechtigung als Gleichnamiger. Hierfür wäre erforderlich, dass unter dem Aliasnamen Verkehrsgeltung erlangt worden wäre, vergleichbar mit einem Schriftsteller oder Künstler, der unter einem Pseudonym veröffentlicht oder in der Öffentlichkeit auftritt (BGH NJW 2003, 2978, 2979 - maxem.de). Dies ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

3. Es kommt durch die Namensverwendung zu einer Interessenverletzung der Klägerin aufgrund einer Zuordnungsverwirrung. Von dem Gebrauch eines Namens im Sinne des § 12 BGB ist nicht nur bei einer namens- oder kennzeichenmäßigen Benutzung der Bezeichnung durch einen Dritten auszugehen, sondern auch bei einer Verwendungsweise des Namens, durch die der Namensträger zu bestimmten Einrichtungen, Gütern oder Produkten in Beziehung gesetzt wird, mit denen er nichts zu tun hat. Dabei genügt, dass im Verkehr der falsche Eindruck entsteht, der Namensträger habe dem Benutzer ein Recht zur entsprechenden Verwendung des Namens erteilt (BGH WM 2006, 1954 - Stadt Geldern; BGHZ 119, 237, 245 f. - Universitätsemblem; BGH, GRUR 2002, 917, 919 - Düsseldorfer Stadtwappen; BGHZ 161, 216, 221 - Pro Fide Catholica).

Der gewöhnliche Internetnutzer erwartet bei Eingabe der streitgegenständlichen Domain in die Adresszeile seines Internetbrowsers, auf eine Website der Klägerin zu stoßen. Diese Erwartung wird enttäuscht. Ob er darüber durch den Inhalt der Website schnell aufgeklärt wird, spielt keine Rolle (vgl. BGH NJW 2002, 2031, 2033 - shell.de).

Hiergegen spricht auch nicht, dass ein Teil der Besucher über eine Internetsuchmaschine die Website der Klägerin suchen wird und schon deswegen nicht auf die Seite der Beklagten gelenkt wird. Es kommt hier auf den jedenfalls nicht völlig zu vernachlässigenden Teil der Besucher an, die direkt auf die Website zugreifen wollen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten spielt eine Branchenähnlichkeit der Tätigkeiten der Parteien hier für die Frage der Verwechslungsgefahr bzw. Zuordnungsverwirrung keine Rolle.

Ebenso wenig muss die Klägerin darauf verwiesen werden, sich eine andere Domain, evtl. unter Verwendung einer anderen Top-level-domain wie .eu, zu suchen.

4. Bereits die Registrierung einer Domain ist namensrechtlich eine Verletzungshandlung (BGH NJW 2002, 2031, 2033 f. - shell.de; BGH NJW 2003, 2978 – maxem.de).

II.

Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Feststellungsanspruch zu. Das Namensrecht ist ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Seine schuldhafte Verletzung löst daher dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch aus.

Die Beklagte ist spätestens seit Zustellung der Klagschrift ein schuldhafter, nämlich fahrlässiger Verstoß gegen das Namensrecht der Klägerin vorzuwerfen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.