LG Aurich, Beschluss vom 12.08.2009 - 12 Qs 90/09
Fundstelle
openJur 2012, 49383
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beschwerde des Pflichtverteidigers wird als unbegründet verworfen.

2. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 55 Abs. 2 RVG).

Gründe

I.

Unter dem …2008 erhob die Staatsanwaltschaft Aurich Anklage gegen den Angeklagten, die mit Beschluss des Amtsgerichts Leer vom …2008 zur Hauptverhandlung zugelassen wurde. Nachdem der Angeklagte dem Termin am …2009 fernblieb, beantragte die Staatsanwaltschaft Aurich den Erlass eines Strafbefehls nach § 408 b StPO. Der Angeklagte wurde mit Verfügung vom …2009 zum Erlass des Strafbefehls und zur Pflichtverteidigerbestellung angehört, ohne dass eine Reaktion erfolgte.

Am ...2009 erließ das Amtsgericht den Strafbefehl und bestellte zugleich mit Beschluss vom ...2009 den Pflichtverteidiger gemäß § 408 b StPO für das Strafbefehlsverfahren. Dem Beschluss wurde zudem der - an den Pflichtverteidiger ebenfalls zugestellte und unter Hinweis auf Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 408 b Rn 5 erfolgte - Zusatz beigefügt, dass die Bestellung nicht für eine mögliche Hauptverhandlung gelte und es mit dem Angeklagten abzusprechen sei, ob nach einem Einspruch eine Wahlverteidigung auf Kosten des Angeklagten erfolgen solle.

Strafbefehl und Beschluss wurden dem Pflichtverteidiger am ...2009 förmlich zugestellt, woraufhin der Pflichtverteidiger Akteneinsicht beantragte. Ein Einspruch erfolgte nicht. Der Strafbefehl wurde am ...2009 rechtskräftig.

Mit Antrag vom ...2009 beantragte der Pflichtverteidiger unter Geltendmachung der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG und der Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG sowie der Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG die Festsetzung seiner Vergütung auf insgesamt 314,16 €.

Das Amtsgericht hat die Grundgebühr nach Nr. 4100 RVG abgesetzt und die Verfahrensgebühr nach Nr. 4302 RVG bemessen, weil sich die Tätigkeit des Pflichtverteidigers auf eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4302 VV RVG beschränkt habe.

Der Amtsrichter hat der Erinnerung des Pflichtverteidigers nicht abgeholfen, die Beschwerde aber zugelassen.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Pflichtverteidiger den ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag - auch unter Berufung auf die Entscheidung der Kammer vom 28.4.2009 zum Az. 12 Qs 41/09 - weiter.

II.

Die Beschwerde ist - obwohl der Beschwerdewert von 200,- EUR nicht erreicht ist - nach den §§ 56 Abs. 1, 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 RVG zulässig, da das Amtsgericht die Beschwerde im angefochtenen Beschluss zugelassen hat.

Sie ist in der Sache allerdings unbegründet, da das Amtsgericht im vorliegenden Falle die zu erstattenden Kosten mit zutreffender Begründung - auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird - festgesetzt hat.

Die Gebühren nach Nr. 4100 und 4106 VV RVG sind nicht angefallen.

Es erfolgte nur eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4302 VV RVG, welche eine Verfahrensgebühr in Höhe von 108,- EUR entstehen lässt.

Die Beiordnung des Pflichtverteidigers erfolgte gemäß § 408 b StPO ausdrücklich nur für das Strafbefehlsverfahren.

Hintergrund dieser Auslegung des § 408 b StPO ist insbesondere der Umstand, dass ansonsten derjenige Angeklagte besser gestellt wäre, gegen den zunächst nur ein Strafbefehl erlassen wird, als derjenige gegen den von vornherein Anklage erhoben würde und der nur unter den Voraussetzungen des § 140 StPO Anspruch auf eine Pflichtverteidigerbestellung hat (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 2002, 390, 390 mit ausführlicher Begründung).

Eine spezielle Gebührenvorschrift für das Strafbefehlsverfahren existiert allerdings nicht, so dass die Tätigkeit des Pflichtverteidigers von den bestehenden Gebührentatbeständen zu erfassen ist.

Im vorliegenden Falle erfolgte die Bestellung des Pflichtverteidigers zu einem Zeitpunkt als der Strafbefehl bereits erlassen war, so dass der Pflichtverteidiger zwangsläufig vor Erlass des Strafbefehls keine Tätigkeit mehr entfalten musste und konnte.

Die Tätigkeit des Pflichtverteidigers erschöpfte sich bei lebensnaher Betrachtung ausschließlich in der Prüfung, ob gegen den bereits erlassenen Strafbefehl Einspruch eingelegt werden sollte. Dass eine darüber hinausgehende, anderweitige anwaltliche Tätigkeit entfaltet wurde, ist weder erkennbar noch nachvollziehbar dargelegt.

17Die im vorliegenden Falle erfolgte, isolierte Prüfung einer Einspruchseinlegung stellt eine Einzeltätigkeit dar. Sie ist beispielsweise vergleichbar der isolierten Fertigung einer Revisionsbegründung oder einer Revisionseinlegung, die anerkanntermaßen Einzeltätigkeiten im Sinne von Nr. 4302 VV RVG darstellen.

Insoweit liegt ein Sachverhalt vor, der von demjenigen, der der Entscheidung vom ...2009 in 12 Qs 41/09 zugrundelag, entscheidend abweicht.