Niedersächsisches FG, Beschluss vom 17.07.2009 - 1 V 54/09
Fundstelle
openJur 2012, 49325
  • Rkr:
Tatbestand

I. Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Frage, ob durch die Übertragung dreier Grundstücke aus dem Vermögen der Antragstellerin in das Vermögen einer Schwestergesellschaft ein Entnahmegewinn entstanden ist.

An der Antragstellerin sind die Gesellschafter Dr. K zu 67 % und B zu 33 % als Kommanditisten beteiligt. Die Komplementärin, Fa. M. S GmbH, besitzt kein Vermögen der Antragstellerin.

Im Jahre 2006 wurde die weitere Gesellschaft XY GmbH und Co KG gegründet. An ihr sind die Gesellschafter Dr. K wiederum zu 67 % und B ebenfalls zu 33 % als Kommanditisten beteiligt. Die Komplementärin, Fa. XY Verwaltungsgesellschaft mbH, ist nicht am Vermögen der KG beteiligt. Zwischen den beiden Personengesellschaften besteht Beteiligungsidentität.

Im Betriebsvermögen der Antragstellerin befanden sich seit 1991 u. a. drei Grundstücke in ……., die mit Bürogebäuden und Produktionshallen bebaut waren und von ihr betrieblich genutzt wurden. Eines der Grundstücke wurde als Parkplatz genutzt. Die Antragstellerin war zivilrechtliche Eigentümerin der Immobilien. Die Buchwerte der Grundstücke machten etwa 195.000 € aus.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13.12.2006 übertrug die Antragstellerin diese Grundstücke ohne Entgelt auf die neu gegründete XY GmbH u. CO KG. Mit der Einlage in das Vermögen der XY GmbH u. Co KG wollten die Gesellschafter Dr. Klaus und Bernhard S ihre Kommanditeinlagen - in Höhe von zusammen 10.000 € - bei der neu gegründeten Gesellschaft erbringen. Der die Einlagen übersteigende Wert der Grundstücke sollte einer Rücklage zugeführt werden. Die XY GmbH u. Co KG wurde - wie zuvor die Antragstellerin - zivilrechtliche Eigentümerin der Grundstücke.

Die Antragstellerin entnahm die Grundstücke zu Buchwerten, zu denselben Buchwerten wurden sie im Vermögen der XY GmbH u. Co. KG eingelegt.

In einer steuerlichen Außenprüfung im Jahre 2008 sah der Prüfer die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 EStG nicht als erfüllt an, ermittelte den Teilwert der Grundstücke durch entsprechende Gutachten mit 675.000 € und gelangte so zu einem Entnahmegewinn nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG in Höhe von ca. 480.000 €. Das Finanzamt schloss sich dieser Auffassung an, änderte den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns der Antragstellerin für das Streitjahr und erfasste darin neben anderweitigen Änderungen auch den vom Prüfer errechneten Entnahmegewinn.

Gegen die Gewinnerhöhung durch die Grundstücksentnahmen hat die Antragstellerin Einspruch eingelegt, über den das Finanzamt noch nicht entschieden hat. Parallel zum Einspruch hat sie die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Feststellungsbescheides insoweit beantragt, wie darin ein Entnahmegewinn erfasst worden ist. Das Finanzamt hat den AdV-Antrag abschlägig beschieden.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr bei Gericht die AdV des angefochtenen Bescheides. Sie wendet sich dabei gegen die Erfassung eines Entnahmegewinns als solchen, nimmt dessen ziffernmäßige Berechnung allerdings nicht in Abrede. Sie ist der Auffassung, dass § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG eingreife. Die Norm sei so zu verstehen, dass das Vermögen einer Personengesellschaft bei transparenter Betrachtung dem Betriebsvermögen des Gesellschafters gleichstehe. Da Beteiligungsidentität bei beiden Gesellschaften bestehe, sei der Sachverhalt so zu würdigen, als ob beide Gesellschaften Betriebsvermögen der Gesellschafter Dr. K und B seien und sie ein Wirtschaftsgut von einem in das andere Betriebsvermögen übertrügen.

Der Antragsgegner ist dieser Auffassung entgegengetreten. Er verweist auf den Wortlaut der Regelung des § 6 Abs. 5 EStG und darauf, dass darin der streitige Sachverhalt nicht erfasst werde. Die Norm sei abschließend und ermögliche keine Buchwertübertragung  von Wirtschaftsgütern unter Schwestergesellschaften.

Gründe

II. Der Antrag, den angefochtenen Änderungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen in seiner Vollziehung teilweise auszusetzen, hat auch bei Gericht keinen Erfolg.

1. Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die AdV soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 FGO). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl. III 1967, 182; vom 18. Juni 1997 II B 33/97, BStBl. II 1997, 515).

2. Im Streitfall haften dem angefochtenen Bescheid derartige Zweifel nicht an. Der Antragsgegner hat darin zutreffend den Entnahmegewinn nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ermittelt, die stillen Reserven aufgedeckt und in Höhe dieses Betrages den festgestellten Gewinn erhöht.

14Die Norm des § 6 Abs. 5 EStG, die in den im Gesetz genannten Sachverhalten die Buchwertfortführung beim Wechsel eines Wirtschaftsgutes von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen erlaubt, greift für den Streitfall nicht ein. Da im Streitfall mit der Übertragung der Grundstücke aus dem Betriebsvermögen der Antragstellerin in das Betriebsvermögen der Fa. XY GmbH Co KG ein Rechtsträgerwechsel stattgefunden hat, kann von der Vielzahl der in der Norm enthaltenen Regelungen von vornherein, was auch die Antragstellerin einräumt, allenfalls § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG eingreifen. Diese Alternative setzt voraus, dass ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft übertragen wird. Daran fehlt es im Streitfall, weil die Grundstücke vor ihrer Übertragung Betriebsvermögen der Antragstellerin waren und somit nicht zum Betriebsvermögen eines der Gesellschafter gehörten. Der Wortlaut des Gesetzes ist nach Einschätzung des erkennenden Senats insoweit eindeutig und erlaubt keine andere Interpretation. Mit dieser Erkenntnis sieht sich das Gericht in Übereinstimmung mit der überwiegenden Mehrheit in der Literatur (vgl. Herrmann-Heuer-Raupach/Niehaus/Wilke, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftssteuer, § 6 Rdnr. 1451 b "das Wirtschaftsgut muss aus einem Betrieb des Mitunternehmers stammen, den dieser außerhalb der Mitunternehmerschaft unterhält"; Kirchhof/Söhn/Mellinghoff/Werndl, Kommentar zum EStG, § 6 Rdnr. L 32 "von der Regelung nicht erfasst sind Übertragungen zwischen zwei verschiedenen Gesamthandsvermögen, und zwar auch für den Fall von beteiligungsidenten Mitunternehmerschaften"; Frotscher - Herrmann, Kommentar zum EStG, § 6 Rdnr. 517 "die direkte Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zwischen dem Gesamthandsvermögen von Schwester-Personengesellschaften ist in § 6 Abs. 5 S. 3 EStG nicht als steuerneutraler Vorgang aufgeführt"; Littmann-Bitz-Pust/Hoffmann Einkommensteuergesetz, § 6 Rdnr. 1195 "Das UntStFG regelt nicht den Fall der Übertragung eines WG im jeweiligen Gesamthandsvermögen zwischen beteiligungsidentischen Mitunternehmerschaften (Schwestergesellschaften)").

Lediglich Schmitt/Franz (Betriebsberater 2001, 1278, 1280) und Groh (Der Betrieb 2002, 1904, 1906) vertreten die Auffassung, dass das Ziel der Norm des § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG darin bestehe, auch die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter auf eine Schwestergesellschafter zu erfassen. Dieser letzteren Auffassung vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Sie entspricht weder dem Wortlaut der Norm noch dem erkennbaren Willen des historischen Gesetzgebers. Die für das Streitjahr anzuwendende Fassung des Gesetzes beruht auf der Änderung des EStG durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, 3858). Im Gesetzgebungsverfahren hatte der Bundesrat unter dem 20.09.2001 eine Änderungsempfehlung ausgesprochen mit dem Ziel ".. bislang nicht steuerfrei mögliche Umstrukturierungsmaßnahmen ebenfalls zu begünstigen (etwa die Buchwertübertragung von Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwesterpersonengesellschaften)…" - Bundesratsdrucksache 638/1/01 vom 20.09.2001 Tz. 14. Diese Änderungsempfehlung hat sich im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht durchgesetzt. Ebenfalls nicht durchgesetzt hat sich eine Änderungsempfehlung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an den Finanzausschuss, die "vollständige Wiederherstellung der Regelungen des früheren Mitunternehmererlasses dadurch, dass die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer Schwestergesellschaft dann zum Buchwert erfolgt, wenn an beiden Mitunternehmerschaften dieselben Personen als Mitunternehmer beteiligt sind…….." - Bundestagsdrucksache 14/7343. Der Umstand, dass diese Änderungsvorschläge im Gesetzgebungsverfahren keine Berücksichtigung gefunden haben, zwingt nach Einschätzung des Senats zu der Erkenntnis, dass der Gesetzgeber die direkte Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zu Buchwerten aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in das einer Schwestergesellschaft bewusst nicht steuerlich hat ermöglichen wollen. An dieser politischen Entscheidung des Gesetzgebers ist Senat gebunden.

Folglich musste es im Streitfall bei der Aufdeckung der stillen Reserven nach näherer Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG verbleiben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

4. Der Senat hat die Beschwerde gem. § 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 FGO zugelassen. Soweit ersichtlich, liegt Rechtsprechung zum Umfang und zur Reichweite des § 6 Abs. 5 EStG noch nicht vor.