LG Berlin, Urteil vom 27.04.2010 - 27 O 66/10
Fundstelle
openJur 2010, 530
  • Rkr:
Tenor

1. Die einstweilige Verfügung des Kammergerichts vom 25. März 2010 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig Vollstreckbar.

Der Antragsteller kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des

festgesetzten Kostenbetrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10% leistet.

Tatbestand

Der Antragsteller ist ein bekannter Comedian, der Antragsgegner ist sein Vater. Der Antragsteller hält seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Vater, der sich in der Vergangenheit gegenüber der Presse dahingehend eingelassen hatte, dass er verarmt und krank von etwas mehr als 400€ Rente lebt und Hilfe von seinem Sohn gebrauchen könnte. Unter anderem die ... hatte in ihrer Ausgabe vom 6. April 2009 darüber berichtet und sich mit der Frage beschäftigt, wann Kinder

für ihre bedürftigen Elter Unterhalt zahlen müssen. Der Antragsteller ist gegen, derartige Berichterstattungen, in denen er einen unzulässigen Eingriff in seine Privatsphäre sieht, erfolgreich vorgegangen.

Der Antragsgegner hat - nach Behauptung des Antragstellers - in einer E-Mail vom 3. Januar 2010 folgendes verlautbart:

'"Da sich ... nicht gemeldet hat, wird mein Sohn jetzt leider verklagt, (Unterhalt für Vater) ob das dann so günstig für ..... ist,?? die Presse steht schon in den Startlöcher schade, dass es so weit kommen musste."'

Mit Schreiben vom 12. Januar 2010 wandten sich die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners an die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers und teilten mit, dass sie beauftragt seinen, den Antragsteller auf Zahlung eines angemessenen Unterhalts in Anspruch zu nehmen. In diesen Schreiben heißt es u.a.:

'"Wir haben unserem Mandanten empfohlen, noch einmal auf diesem - informellen - Weg über die Bevollmächtigten eine gütliche und diskrete Einigung abseits gerichtlicher Auseinandersetzung und der Strapazierung des öffentlichen Interesses herbeizuführen. Ziel ist es, den Lebensunterhalt unseres Mandanten durch regelmäßige finanzielle Zuwendungen Ihres Mandanten, die ihn im Angesicht seiner Gesamteinkünfte kaum belasten dürften, zu sichern.
...
Sollten wir .. bis zum 26, Januar 2010 nicht von Ihnen gehört haben, müssen wir davon ausgehen, dass Ihrem Mandanten an einer gütlichen Einigung nicht gelegen ist und würden ohne weitere Korrespondenz Klage erheben, in der auch die unserem Mandanten zustehenden Auskunftsansprüche durchgesetzt werden würden. Inwieweit ein solches Verfahren von dem Interesse der Öffentlichkeit ferngehalten werden kann, steht in den Sternen."'

Die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wiesen mit Schreiben vom 12. Januar 2010 die "versteckten Drohungen", dass nunmehr auch die Bevollmächtigten des Antragsgegners an die Presse gehen wollen, zurück, und forderten den Antragsgegner zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, es zu unterlassen, sich gegenüber den Medien zu dem privaten Verhältnis zu seinem Sohn zu äußern, insbesondere zu seinen privaten Lebensverhältnissen unter Bezugnahme auf seinen Sohn. Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 wiesen die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners den Vorwurf der Drohung zurück und führten weiter aus:

'"Unsere Kanzlei hat sich - bislang stets erfolgreich - bemüht, das Interesse der Öffentlichkeit in dieser Sache gerade nicht zu strapazieren. Uns ist auch weiterhin daran gelegen, hier nicht über emotionale Umwege zum Ziel zu kommen. Ich gehe davon aus, dass dieses Missverständnis hiermit geklärt ist und Sie in Zukunft davon absehen werden mir wie auch immer geartete "Drohungen" zu unterstellen.

Ihre Abmahnung ist zu unbestimmt, als dass dazu derzeit Stellungnahme erfolgen könnte. Ich stelle anheim, dass Sie unter Mitteilung eines konkreten Tatvorwurfes eine hinreichend bestimmte Abmahnung formulieren, zu der dann ggf. Stellung genommen werden kann..."'

Dieses Schreiben hat der Antragsteller mit seinem Antrag vom 26. Januar 2010 nicht eingereicht. Er hat die einstweilige Verfügung des Kammergerichts vom 25. März 2010 erwirkt durch die dem Antragsgegner unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden ist,

sich gegenüber Medien zu dem Umstand zu äußern, dass ihm der Antragsteller keinen Unterhalt zahlt/oder sich zu einem Unterhaltsverfahren gegen den Antragsteller zu äußern.

In der Zeitschrift "neue woche" Nr. 7 vom 12. Februar 2010 war zwischenzeitlich ein Artikel erschienen, der sich mit dem Verhältnis der Parteien zueinander befasst und auch die finanzielle Situation des Antragsgegners thematisiert, der mit den Worten "Mein Sohn müsste rechtlich für mich aufkommen, weil er so viel verdient." zitiert wird. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage AST 7 verwiesen.

Gegen die seinen Verfahrensbevollmächtigten am 25. März 2010 zwecks Vollziehung zugestellte einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch des Antragsgegners. Er macht geltend:

Entgegen der Auffassung des Kammergerichts folge die Auseinandersetzung der Parteien nicht der Sach- und Rechtslage einer Auseinandersetzung zwischen einer Privatpartei und einem Presseorgan. Vorliegend sei sein, des Antragsgegners, Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht des Antragstellers zur Abwehr einer berechtigten freien Meinungsäußerung gegeneinander abzuwägen, wobei in diesem Fall nicht die Gefahr bestünde, dass er unwahre, diffamierende Behauptungen über den Antragsteller aufstellen würde. Ob eine Unterhaltspflicht bestehe oder nicht, habe das Kammergericht gar nicht feststellen können. Er habe auch nicht damit gedroht, an die Presse zu gehen; das Gegenteil ergebe sich aus den Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 12. und 14. Januar 2010, wonach beabsichtigt sei die Presse

herauszuhalten. Den Artikel vom 12. Februar 2010 habe er nicht veranlasst. Insbesondere habe er sich weder der "neuen woche" noch anderen Pressemedien gegenüber mit den ihm zugeschriebenen Zitaten geäußert. Der Verlag habe eine Unterlassungserklärung abgegeben und sich bei ihm entschuldigt.

Der Antragsgegner beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Er verteidigt den geltend gemachten Unterlassungsanspruch und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich bereits daraus, dass sich der Antragsgegner in der Vergangenheit erfolgreich an die Presse gewandt habe und jetzt erneut, wie der Artikel vom 12. Februar 2010 belege. Da der Antragsgegner darin wahrheitswidrig behaupte, er, der Antragsteller, schulde ihm Unterhalt, könne er sich nicht auf seine Meinungsfreiheit berufen. Im übrigen handele der Antragsgegner nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung des Kammergerichts vom 25. März 2010 ist aufzuhebenden und der Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen, weil sie nicht zu Recht ergangen ist (§§ 936, 925 ZPO).

Denn dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner aus §§ 823, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht zu, weil eine drohende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers nicht dargetan ist.

Der Antragsteller kann es dem Antragsgegner zunächst nicht grundsätzlich verwehren, sich in seinen eigenen Angelegenheiten an die Presse zu wenden, mag daran ein öffentliches Interesse auch nicht bestehen und der Antragsteller in seiner geschützten Privatsphäre davon auch reflexartig betroffen sein. Die Meinungsfreiheit ist nicht nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt und wird von dem Grundrechtsträger nicht nur gleichsam treuhänderisch für das demokratisch verfasste Gemeinwesen ausgeübt. Vielmehr gewährleistet das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann. Angesichts dessen würde es eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verkürzung darstellen, wenn dem Betroffenen allein deshalb ein Unterlassungsanspruch zuerkannt werden würde, weil dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.02.2010, 1 BvR 2477/08). Solange der Antragsgegner nicht etwa unwahre Tatsachenbehauptungen in Bezug auf den Antragsteller aufstellt, die dann von einem Presseorgan verbreitet werden, kann er nicht ohne weiteres auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, da es zunächst allein Sache des betreffenden Presseorgans ist, abzuwägen und zu entscheiden, ob ein öffentliches Berichterstattungsinteresse besteht, das das Interesse des Antragstellers am Schutz seiner Privatsphäre überwiegt (vgl. BGH NJW-RR 1997, 235, 236; Breutz, in Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, Rdz. 39.158 ff.). Erst wenn die Presse gezielt dazu eingesetzt wird, derartige Angelegenheit aus der Privatsphäre zu veröffentlichen, um z.B. öffentlichen Druck auszuüben, käme eine Inanspruchnahme des Informanten als Störer in Betracht.

Von daher erscheint es bereits zweifelhaft, ob dem Antragsteller untersagt werden kann, sich darüber zu äußern, dass der Antragsteller ihm keinen Unterhalt zahle, oder dass er einen Unterhaltsrechtsstreit mit ihm führt. Soweit der Antragsgegner in der "neuen woche" dahingehend zitiert wird, "Mein Sohn müsste rechtlich für mich aufkommen, weil er so viel verdient", läge darin keine unwahre Tatsachenbehauptung, selbst wenn der Antragsgegner sich so geäußert haben sollte. Denn es handelt sich ersichtlich um seine Rechtsauffassung.

Jedenfalls fehlt es aber an der für den materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruch erforderlichen Begehungsgefahr. Aus den früheren Veröffentlichungen kann der Antragsteller keine Wiederholungsgefahr herleiten, weil es dem Antragsgegner nicht verwehrt war, sich mit seinem Schicksal an die Presse zu wenden. Die Schreiben seiner Anwälte vom 12. und 14. Januar 2010 reichen zur Begründung einer Erstbegehungsgefahr nicht aus. Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht nur, soweit ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft in der näher bezeichneten Weise rechtswidrig verhalten (BGH NJW-RR 2001, 1483). Es müssen Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass der Betreffende den Entschluss zur Verletzung bereits gefasst hat (BGH NJW 1992, 2292). Es sind mithin auch Tatsachen erforderlich, aus denen sich die Absicht eines rechtswidrigen Eingriffs ergibt. Dafür geben die Schreiben nicht genügend her. Das Schreiben, vom 12. Januar 2010 deutet nur vage die Möglichkeit an, die Öffentlichkeit ins Spiel zu bringen, falls der Antragsteller nicht einlenken sollte. Das Schreiben vom 14. Januar 2010 gibt schon gar keine Anhaltspunkte dafür her, dass ein rechtswidriger Eingriff bevorstehen könnte. Hinsichtlich der Veröffentlichung vom 12. Februar 2010 hat der Antragsgegner glaubhaft gemacht, damit nichts zu tun gehabt zu haben. Auf die Frage, ob der Antragsteller dem Antragsgegner überhaupt Unterhalt schuldet, kommt es demnach gar nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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