VG Hannover, Urteil vom 05.06.2009 - 1 A 2303/08
Fundstelle
openJur 2012, 49194
  • Rkr:

Zur Frage der hauptsächlichen Erschließung eines Hinterliegergrundstücks im Straßenreinigungsgebührenrecht bei Erschließung durch mehrere Straßen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu Straßenreinigungsgebühren ab dem 01.01.2005.

Die Kläger sind Eigentümer des Reihenhausgrundstücks E. (Flurstück 3/59), des Flurstücks 3/69 (KFZ-Einstellplatz) sowie Miteigentümer der Flurstücke 3/53 (Abstellplatz Abfallcontainer) und 3/54 (Wegegrundstück) in F. im sog. G.. Das Hausgrundstück (Flurstück 3/59) liegt als sog. Hinterliegergrundstück zwischen der H. im Westen und dem I. im Osten in einer Reihenhaussiedlung und hat seinen Zugang über das private Fußweggrundstück 3/54, welches die H. mit dem I. verbindet. Die zur H. gewandte Längsseite des Reihenhausgrundstücks misst 24 m. Die Flurstücke 3/69 (4,50 Meter) sowie 3/53 und 3/54 (anteilig zusammen 0,5 m) liegen am I..

Zur Verdeutlichung wird auf den dem Urteil angehängten Lageplan verwiesen, auf dem die Grundstücke der Kläger grün markiert sind.

Die H. wurde mit Beschluss des Rates der J. vom 28.09.1960 für den allgemeinen Verkehr gewidmet und in das Straßenverzeichnis aufgenommen. Sie ist in die Reinigungsklasse I (Reinigung 3 x wöchentlich, monatl. Gebühr 1.56 Euro/Frontmeter) eingeteilt. Der I. wurde mit Beschluss des Verwaltungsausschusses der J. vom 11.01.2007 gewidmet und wird seit dem 01.02.2008 durch den Beklagten gereinigt. Er ist in die Reinigungsklasse III (Reinigung 1 x wöchentlich, monatl. Gebühr 0,52 Euro/Frontmeter) eingeteilt. Dem entsprechend hat der Beklagte auch mit Wirkung vom 01.02.2008 das Straßenverzeichnis als Anlage zur Straßenreinigungsverordnung geändert.

Mit im Auftrag des Beklagten erlassenen Bescheid der J. vom 25.03.2008 wurden gegen die Kläger erstmals Straßenreinigungsgebühren für das Reihenhausgrundstück ab dem 01.01.2005 in Höhe von 449,28 Euro pro Jahr (Reinigungsklasse I, 24,00 m Frontlänge x 1,56 Euro Monatsgebühr/Meter x 12 Monate; Monatsgebühr = 37,44 Euro) sowie ab dem 01.02.2008 zusätzlich in Höhe von 31,20 Euro pro Jahr für den KFZ-Einstellplatz sowie anteilig das Wegegrundstück und den Abfallcontainer-Abstellplatz (Reinigungsklasse III, 5,00 m Frontlänge x 0,52 Euro Monatsgebühr/Meter x 12 Monate; Monatsgebühr = 2,60 Euro) festgesetzt.

Hiergegen haben die Kläger am 24.04.2008 Klage erhoben.

Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, die Einstufung der H. in die Reinigungsklasse I sei erst ab Baubeginn des sog. K. erfolgt und rein willkürlich. Zuvor sei sie in die Reinigungsklasse III eingeteilt gewesen, am Verschmutzungsgrad habe sich jedoch nichts geändert. Darüber hinaus werde auch nach den Angaben des Beklagten in der HAZ vom 07.04.2008 die H. nur einmal in der Woche richtig gekehrt und im Übrigen nur nach Bedarf gereinigt. Dies belegten auch die vom Beklagten vorgelegten Wochenreinigungspläne/Wochenarbeitsberichte. Eine Reinigungsklasse "1 bis 3 mal wöchentlich" gebe es aber nicht. Die Kläger würden zu Leistungen herangezogen, die der Beklagte nicht erbringe, die Heranziehung verstoße daher gegen das Äquivalenzprinzip. Schließlich gehe der Beklagte unzutreffend davon aus, dass das Wohngrundstück der Kläger von der H. erschlossen werde. Tatsächlich erfolge die Haupterschließung über das private Wegeflurstück 3/54 durch den I., an dem sich sowohl der im Miteigentum der Kläger stehende Abstellplatz für Abfallcontainer als auch ihr KFZ-Einstellplatz befinden und über den auch der sonstige Liefer- und Versorgungsverkehr zum klägerischen Wohngrundstück abgewickelt werde. Jedenfalls habe der Beklagte § 7 Abs. 3 S. 5 Straßenreinigungssatzung nicht beachtet, wonach bei Grundstücken, die von zwei Erschließungsanlagen erschlossen würden, bei gleicher Erschließungssituation die Gebühr für alle Straßen berechnet und durch die Anzahl der erschließenden Straßen geteilt werden müsse.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 25.03.2008 insoweit aufzuheben, als darin Straßenreinigungsgebühren festgesetzt worden sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, die H. sei seit mindestens 1999 und damit bereits erheblich vor Baubeginn des K. in die Reinigungsklasse I eingeteilt gewesen. Dabei sei es vorliegend geblieben, obwohl durch die neue Bebauung Verkehrsaufkommen und Reinigungsbedarf weiter gestiegen seien. Grundsätzlich finde die dreimalige wöchentliche Reinigung ausweislich der Reinigungsprotokolle auch statt. Dabei variiere der tatsächliche Arbeitsaufwand bei der Reinigung nach dem Grad der Verschmutzung. Insbesondere im Herbst und im Winter sei dieser durch Laub und schlechtere Straßenverhältnisse höher als im Hochsommer. So würden je nach Bedarf an manchen Tagen auch manuelle Teilreinigungen ohne Einsatz einer Kehrmaschine durchgeführt. Diese saisonalen Unterschiede seien jedoch gebührenrechtlich unerheblich.

Soweit die Kläger ihre straßenreinigungsgebührenrechtliche Zuordnung zur H. statt zum I. rügten, werde gemäß § 7 Abs. 3 der Straßenreinigungssatzung bei mehrfach erschlossenen Hinterliegergrundstücken die Gebühr nach der Straße berechnet, von der aus das Grundstück seine hauptsächliche Erschließung erhalte. Hauptsächlich erschlossen werde das Grundstück durch die Straße, zu der unmittelbar der Weg führe, an dem das Grundstück seinen Hauptzugang hat. Dies sei regelmäßig die nächstgelegene Verbindung des Grundstücks zur öffentlichen Straße und die bestehe vorliegend zur H.. Neben der reinen Weglänge sei auch eine baulich gestalterische Trennung durch einen kleinen verbreiterten Platz im Verlauf des Stichweges zwischen den Grundstücken der H. und denen des L. vorgenommen worden, von dem aus der Stichweg jeweils abknickend verlaufe.

Die straßenreinigungsgebührenrechtliche Erschließungssituation entspreche vorliegend der postalischen Zuordnung.

Aus den o. g. Gründen liege auch keine gleiche Erschließungssituation i. S. v.     § 7 Abs. 3 S. 5 der Straßenreinigungssatzung vor.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der von der J. im Auftrag des Beklagten erlassene Straßenreinigungsgebührenbescheid vom 25.03.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Die Rechtsgrundlagen für die Heranziehung der Kläger zu den streitigen Straßenreinigungsgebühren für das Wohngrundstück E. (Flurstück 3/59) sowie den KFZ-Einstellplatz am I. (Flurstück 3/49) und die im Miteigentum der Kläger stehenden Flurstücke 3/53 (Abstellplatz Abfallcontainer) und 3/54 (Wegegrundstück) ergeben sich aus § 52 Abs. 3 Nds. Straßengesetz i. V. m. den Vorschriften der Satzung über die Straßenreinigung in der J. (Straßenreinigungssatzung - StrS -) vom 20.03.1986 ( Abl. RBHan. 1986, S. 383 - i.d.F. der von der Verbandsversammlung des Beklagten am 16.11.2004 beschlossenen und am 01.01.2005 in Kraft getretenen Änderungssatzung - Abl. RBHan. 2004, S. 551) sowie § 3 der ebenfalls am 16.11.2004 beschlossenen Verordnung über Art und Umfang der Straßenreinigung in der J. (Straßenreinigungsverordnung) - Abl.RBHan. 2004, S. 552 -.

Nach § 52 Abs. 3 S. 1 NStrG gelten für die der Reinigung unterliegenden Straßen die Eigentümer der anliegenden Grundstücke als Benutzer einer öffentlichen Einrichtung im Sinne des kommunalen Abgabenrechts, wenn die Gemeinden die Straßenreinigung durchführen. Nach S. 2 des Absatzes 3 können die Gemeinden in der Straßenreinigungsgebührensatzung den Eigentümern der anliegenden Grundstücke u. a. die Eigentümer der übrigen durch die Straße erschlossenen Grundstücke gleichstellen.

In den §§ 6, 7 und 10 StrS ist u. a. folgendes geregelt:

§ 6

Straßenreinigungsgebühren

(1) . . .

(2) Gebührenschuldner sind die Eigentümer der Grundstücke, die an den im Straßenverzeichnis (§ 3 Abs. 2) aufgeführten öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen liegen. Den Eigentümern der anliegenden Grundstücke werden die Eigentümer der übrigen durch die Straße erschlossenen Grundstücke (Hinterlieger) sowie Nießbraucher (§ 1030 BGB), Erbbauberechtigte . . . gleichgestellt.

(3) Mehrere Gebührenpflichtige sind Gesamtschuldner.

§ 7

Bemessungsgrundlage

(1) Die Höhe der Gebühren bestimmt sich nach der Frontlänge des Grundstückes - auf volle oder halbe Meter abgerundet - und nach der Reinigungsklasse, zu der die Straße nach dem Straßenverzeichnis gehört.

(2) Frontlänge im Sinne des Absatzes 1 ist die Grundstücksseite, mit der das Grundstück an der zu reinigenden Straße anliegt. Grundstücke die an mehreren zu reinigenden Straßen oder mehreren Abschnitten derselben zu reinigenden Straße angrenzen, sind mit allen Frontlängen zu veranlagen.

Bei Grundstücken, die nicht mit der gesamten der Straße zugewandten Grundstücksseite an die Straße angrenzen, werden - zusätzlich zu den Frontmetern nach Satz 1 - auch die Frontmeter gemäß Abs. 3, Sätze 1 und 2, für den nicht anliegenden Teil der Grundstücksseite berechnet.

(3) Bei Grundstücken, die nicht an den von der Stadt zu reinigenden Straßen liegen, durch sie aber erschlossen werden (Hinterliegergrundstücke), gilt als Frontlänge die Länge der Grundstücksseite, die der zu reinigenden Straße zugewandt ist. Zugewandte Grundstücksseiten sind diejenigen Abschnitte der Grundstücksbegrenzungslinie, die zu der Straßengrenze oder deren in gerader Linie gedachten Verlängerung in einem Winkel bis einschließlich 45 Grad verlaufen.

Wird ein Hinterliegergrundstück durch mehrere Straßen erschlossen, so ist die Gebühr nach der Straße zu berechnen, von der aus das Grundstück seine hauptsächliche Erschließung erhält. Hauptsächlich erschlossen wird das Grundstück durch die Straße, zu der unmittelbar der Weg führt, an dem das Grundstück seinen Hauptzugang hat. Bei gleicher Erschließungssituation zu mehreren Straßen wird die Gebühr für alle Straßen berechnet und durch die Anzahl der erschließenden Straßen geteilt.

(4) Die im Straßenverzeichnis aufgeführten Straßen sind entsprechend der von der Straßenreinigung des Zweckverbandes aufzubringenden Leistung, die sich aus der Häufigkeit der Reinigung, der Verkehrsbelastung der Straßen und ihrem Verschmutzungsgrad ergibt, in sechs Reinigungsklassen eingeteilt, und zwar:

Reinigungsklasse I:       Reinigung i. d. R. 3 x wöchentlich

Reinigungsklasse II:      Reinigung i. d. R. 2 x wöchentlich

Reinigungsklasse III:     Reinigung i. d. R. 1 x wöchentlich

Reinigungsklasse IV:     Reinigung i. d. R. 1 x in 2 Wochen

Reinigungsklasse V:      Reinigung i. d. R. 5 x wöchentlich

Reinigungsklasse VII:    Reinigung i. d. R. 1 x täglich

§ 10

Einschränkung oder Unterbrechung der Straßenreinigung

(1) Falls die Straßenreinigung aus zwingenden Gründen vorübergehend, und zwar weniger als einen Monat, eingeschränkt oder eingestellt werden muss, besteht kein Anspruch auf Gebührenminderung.

(2) Das gleiche gilt auch, wenn der Zweckverband aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert ist, die Straßenreinigung durchzuführen.

Der in § 7 StrS bestimmte Gebührenmaßstab einschließlich der der zugewandten Seite für Hinterliegergrundstücke in § 7 Abs. 3 StrS war seit 1994 Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung in zahlreichen Verfahren der erkennenden Kammer, des Nds. Oberverwaltungsgerichts und vereinzelt des Bundesverwaltungsgerichts. In sämtlichen Entscheidungen wurde festgestellt, dass er mit höherrangigem Recht übereinstimmt ( vgl. das Normenkontrollurteil des Nds. OVG vom 24.08.1994 - 9 K 5140/93 -, NST-N 1995, S. 15; ferner das Urteil der Kammer vom 13.03.1996 - 1 A 1880/94 u.a. -, mit dem Berufungsurteil des Nds. OVG vom 14.10.1997 - 9 L 3432/96 -, juris und dem Nichtzulassungsbeschluss des BVerwG vom 31.03.1998 - 8 B 43.98 -, NST-N 1998, S. 233; das Urteil der Kammer vom 11.02.1998 - 1 A 2626/94- mit dem Berufungsurteil des Nds. OVG vom 11.05.2000 - 9 L 2479/99 -, Nds. VBl. 2001, S. 17 ff.).

Soweit die Kläger in dem in § 7 Abs. 1 bis 3 StrS geregelten Frontlängenmaßstab und dessen Übertragung auf Hinterliegergrundstücke über die der zu reinigenden Straße zugewandte Grundstücksseite nunmehr einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sehen, weil die Annahmen des Nds. OVG im o. g. Urteil vom 11.05.2000 nicht mehr zuträfen, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 09.12.1993 - 8 NB 5/93 - (veröffentl. in juris) u. a. sowohl den Frontmetermaßstab als auch die kumulative Heranziehung von Hinterliegergrundstücken unter Zugrundelegung ihrer der Straße zugewandten Grundstücksseite als mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar angesehen, zumal Art. 3 Abs. 1 GG angesichts des weiten gesetzgeberischen Ermessens bei der Entscheidung, welche Fälle im Abgabenrecht gleich und welche ungleich behandelt werden sollen, aus Gründen der Vereinfachung und der Verwaltungspraktikabilität  nicht jede Ungleichbehandlung verbietet und auch keine absolute Gerechtigkeit fordert (vgl. o. g. B. d. BVerwG v. 09.12.1993). Dass sich die den o. g. Entscheidungen zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse entscheidungserheblich geändert hätten, ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Reihenhausbebauungen mit der erschließenden Straße zugewandten Längsseiten hat es auch im Reinigungsgebiet des Beklagten schon immer gegeben.

§§ 6, 7 StrS bilden daher auch eine wirksame Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Kläger zu den streitigen Straßenreinigungsgebühren vom 25.03.2008.

44Die Kläger sind vorliegend im Hinblick auf ihr Reihenhausgrundstück als Hinterlieger den Eigentümern von Anliegergrundstücken gleichgestellt, da ihr Wohngrundstück nach Überzeugung der Kammer hauptsächlich durch die H. erschlossen wird. Sie sind daher Gebührenschuldner (§ 6 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 7 Abs. 3 StrS).

Der Beklagte hat die Kläger satzungsgemäß mit der fiktiven Frontlänge von 24 m veranlagt.

46Nach § 7 Abs. 3 S. 4 StrS wird ein Grundstück hauptsächlich erschlossen durch die Straße, zu der unmittelbar der Weg führt, an dem das Grundstück seinen Hauptzugang hat, d. h. es wird hauptsächlich von der Straße erschlossen, die den Vorteil der Inanspruchnahme des städtischen Straßennetzes in dem größtmöglichen Umfang zulässt. Anders ausgedrückt findet eine Haupterschließung über die Straße statt, von der das Hinterliegergrundstück mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen am besten, das heißt u. a. mit dem zeitlich und technisch geringsten Aufwand im Sinne einer Optimierung der Vorteilslage erreicht werden kann. Für diese Beurteilung kommt es auf eine objektive Betrachtung und nicht auf das individuelle Verhalten der Eigentümer von Hinterliegergrundstücken an. Erst wenn sich eine solche hauptsächliche Erschließung in dem definierten Sinn gemäß § 7 Abs. 3 Sätze 3 und 4 StrS nicht feststellen lässt, wird der Tatbestand der gleichen Erschließungssituation  i. S. v. § 7 Abs. 3 S. 5 StrS erfüllt (vgl. Urt. d. VG Hannover v. 11.02.1998 - 1 A 3066/94 -).

Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten Luftbildaufnahmen aus M. betrachtet, um sich ein Bild von den Örtlichkeiten zu machen.

Vorliegend stellt das Wegeflurstück 3/54 eine Verbindung zwischen der H. und dem I. her, führt also grundsätzlich zu beiden Straßen. Dabei findet eine Erschließung über den I. insoweit statt, als sich dort der KFZ-Einstellplatz der Kläger und der von ihnen genutzte Abstellplatz für Abfallcontainer befinden. Gleichwohl geht die Kammer unter Berücksichtigung aller Umstände von einer Haupterschließung des klägerischen Reihenhausgrundstücks durch die H. aus. Nach Lage der Örtlichkeiten dürften Rettungsfahrzeuge wie Krankenwagen oder Polizei- und Feuerwehrfahrzeuge das klägerische Grundstück von der H. aus anfahren, da von dieser die kürzere und gerade Verbindung zum Hauseingang der Kläger führt und eine Sichtverbindung besteht. Ein Zugang für Rettungsfahrzeuge vom I. aus erscheint demgegenüber unrealistisch, da der Hauszugang der Kläger über das nur 1,50 m breite Wegeflurstück 3/54 durch den dazwischen befindlichen Innenhof nicht einsehbar ist und die Strecke länger und umständlicher ist. Unmittelbar im o. g. Sinne stellt sich daher hier die Wegeverbindung zur H. dar, welche nach den nicht bestrittenen Messungen des Beklagten fast 8,00 m näher am Hauptzugang des klägerischen Grundstücks entfernt verläuft.

Das niedersächsische OVG hat in seinem o. g. Normenkontrollurteil vom 24.08.1994 ausgeführt, dass die Entfernung des Hinterliegergrundstücks von der erschließenden Straße bedeutsam werden kann, wenn sich im Falle einer Mehrfacherschließung die Frage stellt, durch welche Straße ein Hinterliegergrundstück "hauptsächlich" erschlossen wird und vorliegend spricht bereits dieses Kriterium für eine Haupterschließung allein durch die H..

Dafür spricht des Weiteren, dass sowohl die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr in der H. stattfindet als auch Einkaufsmöglichkeiten dort gegeben sind, z. B. auf dem am südlichen Ende der H. befindlichen L. Marktplatz.

Schließlich gibt es in der H. erheblich mehr Parkmöglichkeiten für evtl.  Besucherverkehr und auch Fahrradfahrer haben von dieser zentralen Durchgangsstraße eine direkte Anbindung an alle Richtungen.

Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen haben, dass nach dem Bebauungsplan eine Erschließung des K. über die N. vorgesehen gewesen sei, ist dies für die straßenreinigungsgebührenrechtlich relevante Erschließung als Hinterlieger auf der Grundlage von § 7 Abs. 3 StrS ohne Belang. Eine eventuelle baurechtliche Erschließung über die N. begründet keine Priorität für die Beantwortung der hier entscheidenden Frage, ob die hauptsächliche Erschließung des klägerischen Reihenhausgrundstücks i. S. v. § 7 Abs. 3 S. 3 - 5 StrS durch die H. oder den I. oder beide zusammen stattfindet.

Der Beklagte hat die Kläger auch satzungsgemäß nach der Länge der Grundstücksseite (24 m), die der H. als zu reinigender Straße zugewandt ist, nach der Reinigungsklasse I veranlagt (§ 7 Abs. 1 u. 3 StrS).

Soweit die Kläger vortragen, die H. sei erst mit der Neubebauung des K. ab 2003 unzutreffend in die Reinigungsklasse I eingeteilt worden, ist diese Auffassung falsch. Bereits mit Erlass der Straßenreinigungsverordnung der J. vom 20.03.1986 (Amtsblatt für den Reg.bezirk Hannover 1986, S. 329 ff.) und dem dazu als Anlage beigefügten Straßenverzeichnis war die H. in die Reinigungsklasse I (mindestens dreimal wöchentlich) eingeteilt (a. a. O., S. 367), und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Eine fehlerhafte Einstufung der H. in die Reinigungsklasse I ist weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen.

56Die Art und Weise, in der eine Gemeinde der Verkehrsbedeutung einer Straße für den Anliegerverkehr sowie für den inner- und überörtlichen Verkehr durch Einteilung in Reinigungsklassen Rechnung trägt, steht in ihrem weiten ortsgesetzgeberischen Ermessen. Die Entscheidung einer Gemeinde über die Einteilung einer Straße in eine bestimmte Reinigungsklasse unterliegt daher nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 VwGO ( vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 25.02.1982 - 3 OVG A 86/81 -, V.n.b.). Sachgerechte Kriterien für die Einteilung einer Straße in die jeweilige Reinigungsklasse sind in erster Linie ihre Verkehrsbelastung und der Verschmutzungsgrad ( vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 19.12.1974 - 3 OVG A 22/74 -, dng 1976, S. 278 ).

Nach diesen Maßstäben ist die seit mindestens 1986 bestehende Einteilung der H. in die Reinigungsklasse I nicht zu beanstanden, Ermessensfehler sind nicht ersichtlich und auch von den Klägern nicht substantiiert vorgetragen.

Soweit die Kläger vortragen, die H. würde statt der vorgegebenen und abgerechneten dreimaligen wöchentlichen Reinigung tatsächlich nur einmal in der Woche gereinigt, ergibt sich aus den vom Beklagten vorgelegten Wochenreinigungsplänen/Wochenarbeitsberichten der Jahre 2005 bis 2008 etwas anderes. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 22.12.2008 eine detaillierte und von den Klägern nicht substantiiert angefochtene Aufstellung (Bl. 44 GA) über die nach den Wochenarbeitsberichten durchgeführten und nicht durchgeführten Reinigungen in der H. im Zeitraum 2005 bis 2008 (bis 42. KW) vorgelegt. Danach belaufen sich die nicht aus zwingenden  oder aus von dem Beklagten nicht zu vertretenden Gründen i. S. v. § 10 StrS erklärbaren Reinigungsausfälle (z. B. aufgrund Streiks, Feiertagen o. ä.) auf einen jährlichen Prozentsatz zwischen 7,69% im Jahr 2006 und 1,28 % im Jahr 2007 bzw. 0,00 % bis zur 42. KW im Jahr 2008. Von einer die Gebührenerhebung ausschließenden oder zur Minderung der Gebühr führenden Nicht- oder Schlechterfüllung der Reinigungspflicht kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn nach Art und Umfang erhebliche Reinigungsmängel der betreffenden Straße feststellbar sind, d. h. wenn die Verunreinigung der Straße ein Ausmaß erreicht, dass sie unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit bzw. Hygiene nicht hingenommen werden kann; dabei ist bei der Beurteilung auf die Straße als Ganzes abzustellen (vgl. Urt. d. VG Düsseldorf v. 25.01.2005 - 16 K 2578/04 - veröffentl. in juris; Urt. d. OVG NRW v. 02.03.1990 - 9 A 299/88 - V. n. b.). Es kommt darauf an, ob die Reinigung der Straße im Großen und Ganzen erfolgt ist; punktuelle Mängel vor einzelnen Grundstücken, die nicht gleichzeitig Mängel der Reinigung wesentlicher Straßenteile betreffen, begründen keine gebührenrechtlich erhebliche Minderleistung (vgl. Urt. d. OVG Rheinland-Pfalz v. 09.02.2006 - 7 A 11037/05 - veröffentl. in juris).

Die Voraussetzungen einer solchen erheblichen Minderleistung über einen zusammenhängenden Zeitraum von über einem Monat (vgl. § 10 Abs. 1 StrS) sind auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Wochenarbeitsberichte vorliegend weder ersichtlich noch von den Klägern substantiiert vorgetragen. Auch ggfs. manuelle Teilreinigungen genügen der Reinigungspflicht. Es besteht kein Anspruch darauf, dass jede Reinigung unabhängig vom Verschmutzungsgrad mit der Kehrmaschine vorgenommen wird.

Soweit die Kläger mit ihrem Aufhebungsantrag auch ihre Heranziehung zu Straßenreinigungsgebühren ab dem 01.02.2008 als Eigentümer bzw. Miteigentümer der am I. gelegenen Grundstücke unter Zugrundelegung der Reinigungsklasse III anfechten, haben sie insoweit Gründe für eine rechtswidrige Beschwer nicht vorgetragen. Solche sind auch nicht ersichtlich.

Der I. ist durch Beschluss des Verwaltungsausschusses der A. vom 11.01.2007 als Gemeindestraße gewidmet worden und zum 01.02.2008 in das Straßenverzeichnis mit der Reinigungsklasse III aufgenommen worden. Damit entsteht auch die in der angefochtenen Verfügung umgesetzte Verpflichtung zur Erhebung von Straßenreinigungsgebühren.

Die rückwirkende Gebührenerhebung ab dem 01.01.2005 bewegt sich auch innerhalb der zulässigen Festsetzungsfrist von vier Jahren zum Zeitpunkt des Erlasses des Gebührenbescheides vom 25.03.2008 (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 b) NKAG i. V. m. § 169 AO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.