AG Hannover, Urteil vom 23.04.2009 - 414 C 6373/08
Fundstelle
openJur 2012, 48903
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagten haben es zu unterlassen die bestehende Grenzhecke (Weißdorn) zwischen den Grundstücken T.Straße 8 und T.Straße 10 in …. zu beseitigen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Zwischen beiden Grundstücken besteht eine etwa 8 bis 10 m lange etwa 1,70 m hohe Weißdornhecke. Diese besteht seit etwa 20 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt gehörten beide Grundstücke Voreigentümern.

Die Grundstückshecke ist seinerzeit vom Voreigentümer des Grundstücks der Beklagten zwischen befreundeten früheren Nachbarn errichtet worden.

Die Beklagten beabsichtigen die Weißdornhecke zu entfernen und die Klägerin aufgrund des Nds. NachbarrechtsGes. auf Einfriedung in Anspruch zu nehmen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass es sich bei der streitgegenständlichen Hecke um eine Grenzhecke handelt und behauptet hierzu, dass die Grenzhecke in ihrem Verlauf mehrfach die Grundstücksgrenze schneidet.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragen sie nunmehr,

die Widerbeklagte zu verurteilen, auf ihrem Grundstück entlang der gemeinsamen, von Norden nach Süden verlaufenden Grenze im Bereich der ca. 8 m langen Weißdornhecke eine den Eigenschaften des § 29 NdsNRG entsprechende Einfriedung zu errichten und lediglich hilfsweise eine Einfriedung nach § 28 NdsNRG.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf das Gutachten des Sachverständigen (Blatt 95 ff der Akten) Bezug genommen.

Wegen des weiteren umfangreichen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Widerklage war demgemäß abzuweisen.

16Die Klägerin hat gemäß § 922 Satz 3 BGB einen Anspruch auf Fortbestand der Hecke, da es sich um eine Grenzhecke im Sinne von § 921 BGB handelt. Hiervon ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt.

17Für die Frage, ob eine Hecke eine Grenzhecke ist, kommt es objektiv darauf an, ob die Hecke zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf der Grenze steht, das heißt, ob nunmehr einige Stämme der Hecke und zwar dort, wo sie aus dem Boden heraustreten, von der Grenze geschnitten werden (vgl. grundlegend BGHZ 143, 1 ff; Staudinger/Roth, § 923, Randziffer 2). Nicht entscheidend ist hingegen die Frage, wo die Hecke zum Zeitpunkt der Anpflanzung gestanden hat, da Hecken naturgemäß sich verbreitern, so dass auch bei einer grenznahen Anpflanzung damit gerechnet werden muss, dass Stämme in kürzerer Zeit die Grenze überschreiten werden. Hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt der Anpflanzungen in aller Regel ein exakter Grenzverlauf den Nachbarn nicht bekannt ist. Insofern eine Überschreitung der Grenze feststeht, handelt es sich objektiv betrachtet um eine Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB.

18Dass vorliegend die Grenze mehrfach von den Baumstämmen geschnitten wird, hat das Sachverständigengutachten zweifelsfrei ergeben. Der Sachverständige hat - was von den Parteien im Übrigen auch nicht angegriffen wurde - festgestellt, dass insgesamt schon von 27 Stämmlingen der Weißdornhecke die Grenze zwischen den Grundstücken T.Straße 8 und T.Straße 10 geschnitten wird und sich insgesamt die Hecke exakt im Grenzverlauf der beiden Grundstücke befindet. Angesichts dieser zweifelsfreien Feststellungen des Sachverständigen hat das Gericht keinen Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei der Hecke objektiv betrachtet nicht um eine Grenzhecke handelt.

Auch die übrigen Voraussetzungen des § 921 BGB liegen vor. Wie sich aus den Fotos des Sachverständigen zweifelsfrei ergibt, handelt es sich um eine Hecke auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Diese ist als Lärm- und Sichtschutz objektiv vorteilhaft für beide Grundstücke. Dass dieses zumindest zum Zeitpunkt der Anpflanzung auch zwischen den damaligen Grundstücksnachbarn so gesehen wurde, ist zwischen den Parteien im Übrigen auch unstreitig. Der eigene Vortrag der Beklagten Blatt 31 und 75 der Akten (Schriftsatz vom 27.06.2008 und 02.10.2008) - die auch insoweit von der Klägerin nicht angegriffen worden sind - ergibt, dass zum Zeitpunkt der Anpflanzung zwischen beiden Grundstücksnachbarn ein freundschaftliches Verhältnis bestand und daher die objektiv beiden Grundstücken vorteilhafte Hecke auch subjektiv in dem Bewusstsein errichtet worden ist, dass hiermit eine beiden Grundstücken dienende Grenzeinrichtung geschaffen wurde. Dieses ergibt sich im Übrigen auch aus dem Zeitablauf vom 20 Jahren, in welchen die Grundstückshecke gestanden hat, ohne dass während dieser Zeit diese Grenzbefestigung von den Partein in Zweifel gezogen wurde. Aber auch aus der Lebenserfahrung folgt, dass eine entsprechende Hecke zwischen zwei Grundstücken beiden Grundstücken dient, da hiermit ein Sichtschutz zwischen den Grundstücken gewährleistet ist und die Hecke auch eine Abgrenzfunktion zwischen beiden Grundstücken hat. Da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Hecke vom Rechtsvorgänger der Beklagten errichtet worden ist, kommt es auf die Frage eines Zustimmungserfordernisses nicht an. Die Klägerin ist mit der Hecke jedenfalls einverstanden, aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich auch, dass aufgrund des freundschaftlichen Verhältnisses der ehemaligen Nachbarn auch die Rechtsvorgänger der Klägerin mit der Hecke einverstanden waren. Letztlich folgt dieses allerdings auch aus der Tatsache der 20-jährigen Nutzung.

Handelt es sich bei der Hecke somit um eine Grenzhecke, kann diese nach § 922 Satz 3 nicht entfernt werden, solange der Nachbar ein Interesse an ihr hat. Ein derartiges Interesse der Klägerin ist vorliegend bereits deswegen ersichtlich, weil es sich bei der Hecke um eine nützliche Abgrenzung zwischen den beiden Grundstücken handelt.

Die Klägerin hat daher einen Anspruch, dass die Beklagten Beeinträchtigungen der Hecke unterlassen (§§ 922 Satz 3, 1004 BGB).

Hat die Klägerin einen Anspruch darauf, dass die Beklagten die Hecke nicht entfernen, so folgt hieraus zwingend, dass die Beklagten keinen Anspruch auf Einfriedung nach dem Niedersächsischen Nachbargesetz haben. Ein derartiger Anspruch ist nämlich nur dann gegeben, wenn eine Einfriedung zwischen den Grundstücken nicht vorhanden ist, dieses ist vorliegend aber der Fall. Die Widerklage war daher abzuweisen.

Der Schriftsatz, den die Beklagten erneut unter Umgehung ihres Rechtsanwaltes einreichten, hat dem Gericht keine Veranlassung gegeben, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Er enthält keine neuen Tatsachen, unterstreicht aber, dass auch die Beklagten die Hecke jahrelang als Grenzbefestigung geduldet haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.