VG Göttingen, Beschluss vom 13.02.2009 - 2 B 4/09
Fundstelle
openJur 2012, 48603
  • Rkr:
Gründe

Der sinngemäß gestellte Antrag,

die aufschiebende Wirkung der am 6. Januar 2009 erhobenen Klage gegen die Pfändung mehrerer beweglicher Gegenstände anzuordnen,

ist gemäß §§ 66 Sätze 2 und 3 Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetz (NVwVG) i.V.m. 80 Abs. 5 VwGO statthaft, aber unbegründet.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der vom Vollstreckungsbeamten des Antragsgegners am 19. Dezember 2008 vorgenommenen Vollstreckungshandlungen bestehen bei der in diesem Verfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht.

Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des § 3 NVwVG liegen vor. Insbesondere ist die Antragstellerin entgegen ihrer Vorbringen (Gesamt-)Schuldnerin der vollstreckten Forderung des Antragsgegners. Gegen sie ist der bestandskräftige Sozialhilferückforderungsbescheid vom 15. März 1995 ergangen, mit dem von ihr und ihrem Ehemann insgesamt umgerechnet 15.435,00 Euro zurückgefordert worden sind. Hieraus bestand im Zeitpunkt der Erteilung des Vollstreckungsauftrages am 2. Dezember 2008 noch eine Restforderung in Höhe von 5.402,06 Euro; auch gemahnt worden sind die Antragstellerin und ihr Ehemann vor der Vollstreckung mehrfach (§ 4 NVwVG).

6Ebenso wenig bestehen rechtliche Bedenken gegen das Vollstreckungsverfahren als solches; es erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 27 bis 31 NVwVG. Insbesondere hat der Antragsgegner § 31 Abs. 5 NVwVG i.V.m. den Pfändungsschutzvorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) beachtet. Der gepfändete PKW Audi A 4 der Antragstellerin ist nicht gemäß § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO pfandgeschützt, denn er ist für die Antragstellerin nicht zur Aufnahme oder Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit erforderlich. Zu Unrecht beruft sich die Antragstellerin insoweit darauf, dass sie das Fahrzeug benötige, um ihrer Beschäftigung bei den H. -Werkstätten nachgehen zu können, die ihr als Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs. 3 SGB II vermittelt worden ist. Zum einen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, warum es ihr nicht möglich sein sollte, diese offenbar in D. gelegene Beschäftigungsstelle von I. aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Zum anderen weist der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass es sich bei diesen Arbeitsgelegenheiten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die von der Kammer geteilt wird, nicht um ein Arbeitsverhältnis im Sinne einer Erwerbstätigkeit, sondern um einen Anspruch gegen den Grundsicherungsträger und damit um eine (Sozial-)Leistung nach dem SGB II geht, die zusätzlich zum Alg II gezahlt wird. Für eine solche Tätigkeit greifen die Pfändungsschutzvorschriften nicht ein.

7Schließlich ist die Pfändung des PKW auch nicht nach § 24 NVwVG wegen einer unbilligen Härte einzustellen. Unbilligkeit ist im Einzelfall anzunehmen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges Abwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden könnte, wobei eine Unbilligkeit nicht schon dann gegeben ist, wenn die Vollstreckung möglicherweise unangemessene nachteilige Folgen hat. Dabei müssen die eine Unbilligkeit begründenden Umstände zumindest über die Nachteile hinausgehen, die bei einer Vollstreckung zu erwarten sind. Die Krankheit des Vollstreckungsschuldners vermag nur ausnahmsweise eine einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung zu rechtfertigen; in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann eine Krankheit dazu führen, dass bei Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen von Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger die der Vollstreckung entgegen stehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Vollstreckungsschuldners im konkreten Fall wesentlich schwerer wiegen als die Gläubigerinteressen (vgl. Klein, AO, 8. Auflage 2003, § 286 Rn. 7, § 258 Rn. 7). Dabei hat der Vollstreckungsschuldner Anzahl, Notwendigkeit und Regelmäßigkeit der Arztbesuche, für die ein Fahrzeug benötigt wird, durch Vorlage aussagekräftiger ärztlicher Atteste glaubhaft zu machen (vgl. für die vergleichbare Vorschrift des § 765 a ZPO, LG Kaiserslautern, Beschluss vom 15.5.2006 -1 T 44/06- Rpfleger 2006, 482). Solchermaßen schwerwiegende Folgen für Leben und Gesundheit hat die Antragstellerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Sie hat nicht näher dargelegt, wie häufig sie ihren Hausarzt in D. und wie häufig den Facharzt in J. aufsucht. Ebenso wenig hat sie medizinische Gründe dafür angeführt, warum sie für diese Besuchsfahrten einen eigenen PKW benötigt; schon gar fehlt es an jeder Glaubhaftmachung durch Vorlage entsprechender ärztlicher Atteste. Schließlich kann die Antragstellerin ohne weiteres auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verwiesen werden. Von ihrem Wohnort I. aus gibt es eine regelmäßige Busverbindung nach D.; von dort kann sie mit dem Zug bequem nach J. gelangen und in Anbetracht des gut ausgebauten J. Busnetzes jeden Ort in der Stadt ebenfalls mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Nach Auskunft der Reiseauskunft der Deutschen Bahn beträgt die Fahrtzeit von I. nach J. lediglich 44 Minuten. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, warum dies für die Antragstellerin unzumutbar sein sollte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Entsprechend dem Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) beträgt der Wert 1/4 des Vollstreckungsbetrages.

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