LG Braunschweig, Urteil vom 13.01.2009 - 7 S 93/08
Fundstelle
openJur 2012, 48464
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.02.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Braunschweig (AZ: 114 C 3945/07) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 342,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2007 sowie 83,54 Euro an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird (bleibt) abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung sowie die Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

4. Der Wert des Streitgegenstandes im Berufungsverfahren wird auf 1.211,24 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht restliche Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 18.01.2007 gegen 15:40 Uhr in Braunschweig ereignete. Die alleinige Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers der Beklagten für diesen Unfall steht außer Streit.

Das unfallbeschädigte Fahrzeug wurde zum Wohnort des Klägers nach ... in die Werkstatt ... gebracht. Gegen 20:00 Uhr des Unfalltages mietete der Kläger bei der Fa. ... aus ... einen BMW 320 d als unstreitig ein dem beschädigten Fahrzeug gleichwertiges Ersatzfahrzeug (in derselben Mietwagengruppe). Den (aus Bl. 10 d. A.) ersichtlichen Mietvertrag schloss der Kläger mit der Fa. ... ursprünglich für den Zeitraum vom 18.01.2007 bis 25.01.2007. Dann wurde die Vertragslaufzeit bis zum 30.01.2007 verlängert. Das Fahrzeug wurde am 29.01.2007 vom Kläger zurückgegeben.

Die Fa. ... berechnete dem Kläger unter dem 31.01.2007 für die elftägige Nutzung des Mietfahrzeuges 2.316,07 Euro. Wegen des Inhalts der Rechnung im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung (Bl. 12 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger machte gegenüber der Beklagten unstreitigen Nutzungsausfall seines Fahrzeuges für die Dauer von 13 Tagen geltend. Die Beklagte zahlte (für 13 Tage Nutzungsausfallentschädigung) 650,– Euro. Später regulierte die Beklagte einen weiteren Betrag von 439,03 Euro, den sie wegen einer Forderungsabtretung direkt an die Fa. ... zahlte. Auf das Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 13.02.2007 (Bl. 60 d. A.) wird Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.03.2007 (Bl. 27 f. d. A.) forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Zahlung der restlichen Mietwagenkosten bis zum 10.04.2007 auf. Für dieses Schreiben verlangt der Kläger vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 186,24 Euro.

Der Kläger meint: Der Rechnungsbetrag sei zur Schadensbeseitigung als erforderlich anzusehen, da er dem ortsüblichen Preis entspreche und nur geringfügig über dem sich aus dem Schwacke Automietpreisspiegel 2006 ergebenden Betrag zuzüglich Nebenkosten (Vollkaskoversicherung, Insassenunfallversicherung, Kosten eines Zusatzfahrers, Zustellung/Abholung, Winterreifen) sowie zuzüglich eines 30-prozentigen Unfallersatzzuschlages liege. Zur Ergänzung wird auf die Berechnung in der Klageschrift (Bl. 5 – 6 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger meint des Weiteren, dass ihm keine günstigeren Tarife zugänglich gewesen wären.

Er behauptet, er sei zunächst davon ausgegangen, dass ihm seine Werkstatt ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellen würde. Erst gegen 18:00 Uhr des Unfalltages habe sich herausgestellt, dass dies nicht möglich sei. Daraufhin habe er sich an die Vermieterstationen von ... und ... in ... gewandt, die jedoch (unstreitig) nach 18:00 Uhr geschlossen waren. Zu dieser Zeit sei keine anderweitige Anmietung möglich gewesen, zumal er für die Anmietung Vorkasse leisten oder/und eine Kreditkarte vorlegen müsste, was ihm nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen habe er mit einer Vorreservierungszeit von 24 Stunden rechnen müssen, was für ihn nicht in Betracht gekommen wäre, da er am nächsten Tag um 6:00 Uhr zur Arbeit nach Braunschweig fahren musste.

Lediglich bei der Fa. ..., die einen Notdienst unterhält und keine Vorauszahlung verlangt, sei es ihm möglich gewesen, ein Ersatzfahrzeug anzumieten, das ihm zugestellt und bei ihm abgeholt worden sei.

Der Kläger meint weiter, lediglich die Zahlung von 989,03 Euro sei auf die Mietwagenkosten anzurechnen, da die Beklagte die Teilzahlung in Höhe von 650,– Euro ausdrücklich auf den Nutzungsausfall erbracht habe, welcher – unstreitig – 13 Tage andauerte. Da er das Ersatzfahrzeug nur für 11 Tage in Anspruch genommen habe, stehe ihm für weitere 2 Tage eine Nutzungsausfallentschädigung von 100,– Euro zu, wobei die geleistete Teilzahlung von 650,– Euro zunächst auf diese Forderung anzurechnen sei.

Der Kläger lässt sich als ersparte Eigenkosten 5 % der Rechnungssumme abziehen und hat mit seiner Klage Zahlung von 1.211,24 Euro nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten von 186,24 Euro verlangt.

Die Beklagte hat erstinstanzlich Klagabweisung erstrebt. Sie hat der Heranziehung des Schwacke Automietpreisspiegels 2006 widersprochen und sich darauf gestützt, dass der durchschnittliche ortsübliche Preis für die elftägige Anmietung eines mit dem beschädigten vergleichbaren Fahrzeuges 506,46 Euro betragen habe. Die Beklagte meint des Weiteren, die geleistete Zahlung von 1.089,03 Euro sei insgesamt auf die Mietwagenkosten anzurechnen.

Das Amtsgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zur Zahlung von 143,92 Euro nebst Anwaltskosten in Höhe von 41,01 Euro verurteilt. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass der durchschnittliche ortsübliche Normaltarif unter Anwendung des Schwacke Automietpreisspiegels des Jahres 2006 als geeigneter Schätzgrundlage zu ermitteln sei. Nebenkosten bzw. ein Unfallersatzzuschlag seien nicht zu berücksichtigen.

Gegen dieses ihm am 20.02.2008 zugestellte, am 13.02.2008 verkündete Urteil (Bl. 107 ff. d. A.) hat der Kläger am 05.03.2008 Berufung eingelegt (Bl. 127 d. A.), die er am 27.03.2008 (Bl. 135 ff. d. A.) begründet hat.

Der Kläger bemängelt, dass das Amtsgericht keine Nebenkosten zuzüglich zu dem Grundtarif des Schwacke Automietpreisspiegels 2006 berücksichtigt hat.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 13.02.2008 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Braunschweig, Geschäftsnummer 114 C 3945/07, die Beklagte zu verurteilen, an ihn über die ausgeurteilten 143,92 Euro hinaus weitere 1.067,32 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2007 zu zahlen sowie über die ausgeurteilten 41,01 Euro hinaus weitere 145,93 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Beklagte,

das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig aufzuheben und die Klage vollständig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung abzuweisen.

Die Beklagte wendet sich gegen die Heranziehung des Schwacke Automietpreisspiegels 2006 zur Bestimmung des "Normaltarifs" und bezieht sich auf den im Jahr 2008 herausgegebenen Marktpreisspiegel des Fraunhofer Instituts.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet. Die ebenfalls zulässige Anschlussberufung ist im Ergebnis nicht begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein (ungekürzter) Schadensersatzanspruch nach §§ 7 Abs. 1 StVG i. V. m. § 3 Nr. 1 PflVG a. F. zu. Durch die vorprozessuale Zahlung der Beklagten wurde dieser Anspruch nicht in voller Höhe erfüllt, so dass dem Kläger noch eine restliche Forderung in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zusteht.

Für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs entstandene Mietwagenkosten gehören zu Kosten der Schadensbehebung im Sinne des § 249 BGB. Der Geschädigte kann dabei gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich nur den Ersatz objektiv erforderlicher Mietwagenkosten durchsetzen. D. h. Mietwagenkosten sind vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung nur insoweit zu ersetzen, als solche reale Kosten tatsächlich zur Herstellung des Zustandes erforderlich ist, der ohne die Schädigung bestehen würde. Das sind Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (einhellige Rechtsprechung).

1. Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt und bewiesen, dass ihm kein günstigerer Tarif auf dem örtlich relevanten Mietwagenmarkt zur Verfügung stand als der in der ihm erteilten Rechnung genannte Betrag.

a) Grundsätzlich ist es Sache des Geschädigten darzulegen und zu beweisen, dass ihm auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein (wesentlich) günstiger(er) Tarif zugänglich war.

Welche Anforderungen an die Anstrengungen des Geschädigten zu stellen sind, ist jeweils Frage des Einzelfalls. Denn es kommt auf sein individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie die gerade für ihn konkret zeitlich und örtlich bestehenden Schwierigkeiten und die Zumutbarkeit von Anstrengungen an. Dazu hat der Geschädigte Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, die ihn gehindert haben, auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – keinen günstigeren Tarif erhalten haben zu können, so dass er "zwingend" auf den konkret gewählten Tarif angewiesen war.

Der Kläger hat in diesem Sinn die Nichtzugänglichkeit anderer, günstigerer Tarife nicht hinreichend dargelegt. An die Überzeugungsbildung des Tatrichters ist bei der vom Geschädigten zu beweisenden Tatsache der Nichtzugänglichkeit das Maß des § 286 ZPO anzulegen (BGH, Urteil vom 30.01.2007, NJW 2007, 1124). Dies betrifft schon die Anforderungen an die Darlegung. Maßgebend sind dabei die konkreten Umstände des Einzelfalls. Anhand dieser Umstände ist zu bestimmen, ob und inwiefern dem Geschädigten die Nachfrage nach (günstigeren) Tarifen oder gar die Einholung von Konkurrenzangeboten möglich und zumutbar gewesen sind. In diesem Kontext ist auch bedeutsam, wie schnell der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug benötigt.

Vorliegend hat der Kläger als Geschädigter nach seinen eigenen Angaben gegen 18:00 Uhr des Unfalltages mit der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges begonnen. Bis dahin ist er davon ausgegangen, dass ihm seine Werkstatt ein Mietfahrzeug zur Verfügung stellen würde. Ob sich der Kläger nach den Preisen der Fa. ... erkundigt hat, hat der Kläger nicht geschildert. Er war aber gehalten, dies zu tun.

Hätte der Kläger das Fahrzeug von vornherein ohne Nachfrage zu dem Tarif der Autovermietung in ... angemietet, hätte er die Nichtzugänglichkeit eines günstigeren Tarifs nicht dargelegt. Mietet der Geschädigte das Ersatzfahrzeug ins Blaue hinein, ohne sich nach dem verlangten Preis zu erkundigen, nimmt er in Kauf, selbst zu einem deutlich überhöhten Preis anzumieten. In diesem Falle bedürfte es eines ausführlichen, auf die konkrete Lage ausgerichteten Sachvortrages im Rechtsstreit zu der (hypothetischen) Unmöglichkeit der anderweitigen Fahrzeuganmietung.

Hätte der Kläger bei der Fa. ... nach dem Mietpreis gefragt, wäre ihm ein Preis von 2.316,07 Euro für 11 Miettage genannt worden, wie es einem Tagespreis von 210,– Euro entspricht. Dass ein solch hoher Preis für einen verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen Anlass für Zweifel an der Angemessenheit des angebotenen Tarifs geben musste, liegt auf der Hand. Dass der Kläger einen solchen Preis nicht hingenommen hätte, ohne (weitere) Erkundigungen einzuziehen, falls er für die Mietwagenkosten hätte selbst aufkommen müssen, drängt sich unabweisbar auf.

36Nach dem Prozessvortrag des Klägers soll er selbst versucht haben, bei größeren Mietwagenfirmen bezüglich eines Mietfahrzeuges nachzufragen. Eine Anmietung sei daran gescheitert, dass die angesprochenen Anmietstationen der angesprochenen Unternehmen (... und ...) in ... zu dieser Zeit bereits geschlossen waren.

37Bei den geschilderten Umstände und angesichts der besonderen Höhe des vom Kläger verlangten Miettagespreises war der Kläger jedoch gehalten, nicht lediglich in ..., sondern z. B. auch in ... nach einem Mietfahrzeug nachzufragen. Es ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, weshalb der in ... wohnende Kläger bei der Suche nach einem Mietwagen Anrufe in ... und nicht in ... getätigt hat. Die Entfernung von ... bis zu dem Standort der Fa. ... beträgt rund 30 km. Nicht viel weiter (etwas über 30 km) ist vom Wohnort des Klägers ... entfernt. In ... als einwohnerstärkeren Stadt hätte er bessere Möglichkeiten gehabt, nach 18:00 Uhr ein Fahrzeug anzumieten. Dass der Kläger ausgerechnet in ... angerufen haben will, ist zudem und im Übrigen nicht plausibel und deshalb schon in sich nicht ausreichend qualifizierter, nachvollziehbarer Sachvortrag. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass eine Fahrzeuganmietung bei ... (...) in ... rund um die Uhr erfolgen kann. Gerichtsbekannt ist darüber hinaus, dass Fahrzeuge bei ... in ... (...) rund um die Uhr angemietet werden können.

Die wirkliche Nichtzugänglichkeit eines günstigeren Tarifs hätte sich deshalb allenfalls ergeben, wenn der Kläger bei diesen Mietwagenfirmen erfolglos nachgefragt hätte oder wenn er geschildert und ggf. bewiesen hätte, dass selbst im Fall einer Nachfrage bei diesen Stationen eine Fahrzeuganmietung nicht erfolgreich gewesen wäre. Entsprechenden Vortrag hat der Kläger indes nicht gehalten.

b) Soweit der Kläger pauschal anführt, dass er aus Gründen finanzieller Knappheit nicht in der Lage gewesen sei, die regelmäßig verlangte Vorauszahlung zu erbringen, ist das Vorbringen des Klägers nicht aussagekräftig, um die Nichtzugänglichkeit günstigerer Tarife belegen zu können. Der Kläger hätte schon seine finanziellen Verhältnisse konkret offenbaren müssen, die es ihm verwehrt hätten, bei der Fahrzeuganmietung in Vorleistung zu treten.

Zwar ist es grundsätzlich Sache der Schädigerseite, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden mit eigenen Mitteln zu beseitigen. Zur Vermeidung der Entstehung eines hohen Nutzungsausfallschadens trifft den Geschädigten freilich ggf. die Obliegenheit, die Schädigerseite auf das eigene finanzielle Unvermögen zur Aufbringung von Kosten und ggf. der Erlangung eines diesbezüglichen Kredits hinzuweisen.

41Eine Pflicht des Geschädigten, zur Schadensbeseitigung in Vorlage zu treten bzw. einen Kredit aufzunehmen, gibt es im Übrigen jedenfalls ausnahmsweise. Für den Moment des Unfallgeschehens – bei sofortiger Anmietung eines Ersatzfahrzeugs ohne Überprüfung der Unfallbeteiligung und -ursachen – ist dabei Folgendes zu beachten: Die Erfüllung einer deliktischen Forderung, auch eines Direktanspruchs gegen einen Haftpflichtversicherer darf der Gläubiger gem. § 271 BGB zwar sofort verlangen. Wegen der Besonderheiten des deliktischen Ausgleichsverhältnisses ist zur Regulierung des Haftpflichtschadens der Schädigerseite, auch dem (Pflicht-) Haftpflichtversicherer aber zur Prüfung von Grund und Umfang der Eintrittspflicht eine angemessene Frist zuzubilligen. Die Länge dieser Prüffrist bestimmen die Umstände des Einzelfalles, OLG Düsseldorf vom 27.6.07, NJW-RR 2008, 114 = NZV 2008, 151 = DAR 2007, 611. Zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen in Verkehrsunfallsachen ist bei komplizierten Sachverhalten ein längerer Zeitraum zugrunde zu legen, bei "durchschnittlicher Lage" – im Normalfall – ist ein Zeitraum von 3 Wochen, allenfalls noch von 4-6 Wochen angemessen.

42Bei der sofortigen Fahrzeuganmietung muss der Geschädigte darauf Rücksicht nehmen. Deshalb ist für ihn eine Vorfinanzierung von Mietwagenkosten zu dem von ihm gewählten Fahrzeug und für die von ihm gewählte Dauer nicht "generell als unzumutbar" zu erachten. Für den verständigen und wirtschaftlich denkenden geschädigten Fahrzeugnutzer ist zumal bei einem Preisunterschied von rund 1.000,– Euro bzw. rund 75 % nahezu zwingend veranlasst, zunächst die eigenen Mittel in Anspruch zu nehmen oder sofort bei der Schädigerseite nachzufragen und einen Rat und Vorschlag von dort einzuholen. Der allgemeine klägerische Vortrag wird diesem Spezifikum nicht gerecht, so dass es hier im Einzelnen nicht auf die Frage einer primären Darlegungslast der Schädigerseite zu Umständen i. S. d. § 254 BGB und Grenzen zwischen § 249 BGB sowie § 254 BGB ankommt. Jedenfalls ist – bei Anwendung des § 254 BGB – die Klägerseite von sekundären Darlegungslasten betroffen und hat sich anschaulich und konkret zu den eigenen Verhältnissen zu äußern, die der Schädigerseite nicht bekannt sind oder sein können. Solche Darlegung hat die Klägerseite hier indessen vollkommen unterlassen und – im Termin – auch nicht verdeutlicht, dass sie sich konkret äußern möchte.

2. Der Geschädigte erhält im Fall mehrerer auf dem örtlichen Markt erreichbarer Tarife für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges innerhalb eines gewissen Rahmens im Grundsatz nur den günstigeren bzw. (objektiv, wirtschaftlich) günstigsten Mietpreis ersetzt weil er von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlichsten Weg wählen muss (BGH, Urteil vom 14.10.2008, NJW 2009, 58 m. w. N.).

a) Der von der Fa. Herrmann Autovermietung geltend gemachte Betrag ist im Sinne der BGH-Rechtsprechung zur Behebung des Schadens objektiv nicht erforderlich gewesen. Der von dieser Autovermietung in Rechnung gestellte, insofern also verlangte – aber konkret (u. U. bisher) nicht eingeforderte – Preis (2.316,07 Euro für ein Fahrzeug der Gruppe 6 im Januar 2007) entspricht nicht einem auf dem örtlichen Mietwagenmarkt üblichen und angemessenen Tarif.

Der Kläger hat sich schriftsätzlich zur Begründung der Ortsüblichkeit und Angemessenheit des von ihm in Anspruch genommenen Mietwagentarifs auf den Schwacke Automietpreisspiegel 2006 berufen. Die Kammer hält jedoch die Heranziehung dieses besagten Automietpreisspiegels zur Ermittlung des "Normaltarifs" nicht für sachgerecht und i. S. d. § 287 ZPO nicht für tragfähig.

Der BGH hat dem bei der Schadensberechnung gem. § 287 ZPO besonders freien Tatrichter gestattet, den Normaltarif anhand einer geeigneten Schätzungsgrundlage zu bestimmen (beachte insbesondere BGH vom 24.06.2008, NJW 2008, 2910 = VersR 2008, 1370 = ZfS 2008, 622 = DAR 2008, 643, und vom 14.10.2008, NJW 2009, 58). Wenn das Gericht eine nicht im Wege der Beweisaufnahme für den konkreten Rechtsstreit sachverständig erstellte Liste dazu verwendet, mit dem Maß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit seine Überzeugung von der Höhe des auf dem örtlichen Mietwagenmarkt bestehenden, gültigen Preises zu bilden, muss ohne durchgreifende Zweifel angenommen werden können, dass die Liste den tatsächlichen Gegebenheiten auf dem örtlichen Mietwagenmarkt wirklichkeitsnah entspricht. Solche Annahme ist nach Ansicht der Kammer im Falle des Schwacke Automietpreisspiegels 2006 aber nicht gerechtfertigt.

Die Problematik des Schwacke Automietpreisspiegels 2006 ist in der Rechtsprechung (s. insbesondere OLG München, Urteil vom 25.07.2008, r+s 2008, 439 = Schaden-Praxis 2008, 397 = NJW-Spezial 2008, 585) sowie in der Literatur (Nachweise im BGH Urteil vom 14.10.2008 a. a. O.) dargestellt worden.

48Erhebliche Zweifel an der Aussage- und Überzeugungskraft des Automietpreisspiegels 2006 sind für den hiesigen Bezirk aus nachfolgenden Gründen angebracht: Die einzelnen Werte sind unter Offenlegung des Erhebungszwecks gesammelt worden. Da den Autovermietern klar gewesen ist, dass von ihnen angegebene Werte für die spätere Preisbildung maßgeblich sein würden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass nicht durchgängig verlangte und bezahlte Preise tatsächlich genannt worden sind. Zu dieser Erkenntnis ist Prof. ... in dem von der Beklagten eingereichten Sachverständigengutachten, das in einem Rechtsstreit beim Amtsgericht Viechtach erstattet worden ist (Bl. 181 ff. d. A.) gelangt. Zwar können Ausführungen von Prof. ... nicht auf den hier zu entscheidenden Rechtsstreit übertragen werden, sie zeigen aber die methodische Schwäche der bei der Aufstellung des Automietpreisspiegels 2006 angewendeten Verfahrensweise.

Auf bezahlte Preise – also wirklich vereinbarte Preise – geht der Preisspiegel ohnehin nicht ein.

50Darüber hinaus sind die von der Beklagten eingereichten Internetangebote für die Anmietung eines Fahrzeuges der Mietwagenklasse 6 nicht von der Hand zu weisen. Die Kammer verkennt nicht, dass diese Angebote nicht sämtliche Nebenleistungen enthalten, die von der Fa. ... angeboten werden. Auch ist es klar, dass solche Angebote lediglich das Preisniveau am Tag ihrer Einholung (in diesem Fall im Dezember 2007) abbilden. Für die Kammer zeigt sich so jedoch, dass die eingeholten Angebote der vier größten Mietwagenfirmen in etwa (mit einer gewissen Fehlertoleranz) die Größenordnung der auf dem Mietwagenmarkt erzielbaren Preise darstellen. Einige der Angebote (vgl. Bl. 63 und 65 d. A.) enthalten zudem die Angabe, dass die angegebenen Preise bei sofortiger Buchung garantiert werden, so dass die Ausführungen des Klägers, wonach es bei den Internetangeboten jeweils um Lockvogelangebote handeln würde, neben der Sache liegen. Selbst bei einer gewissen Abweichung der tatsächlichen Preise von den Internetangeboten liegt der daraus ersichtliche Grundpreis um 100 % unter dem Grundpreis aus dem Schwacke Automietpreisspiegel 2006 (Preis laut Internet ca. 500,– Euro – Preis laut Schwacke Automietpreisspiegel 2006 – 999,42 Euro). Diese Diskrepanz begründet durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit des Schwacke Automietpreisspiegels 2006.

Den Modus der Schwacke – Liste 2006 lehnt das LG Hof (vom 7.3.2008, NZV 2008, 459) als Schätzgrundlage ab, da dies an dem am häufigst genannten Wert orientiert ist, aber nicht die Bandbreite der Angebote wiederspiegelt. Nach Ansicht der Kammer sind weder das arithmetische Mittel noch der Modus geeignete Schätzungsgrundlage im hiesigen Bezirk.

52Denn auch der von der Beklagten in Bezug genommene "Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008" des Fraunhofer Instituts gibt Anlass, die in der Schwacke – Liste ausgewiesenen Werte in Zweifel zu ziehen, soweit diese für den Streitfall ortsübliche Normaltarife wiedergeben sollen, wie im Anschluss an das OLG Köln (Urteil vom 10.10.2008, r+s 2008, 529) herauszustellen ist. Schon der einschlägige Auszug aus der Erhebung des Fraunhofer Instituts (vgl. Bl. 225 d. A.) weist aus, dass die dortigen Zahlenwerte deutlich von den Werten in dem Schwacke Automietpreisspiegel 2006 abweichen. So beträgt der Wochenpreis für die Anmietung eines Mietfahrzeuges der Mietwagenklasse 6 im PLZ-Gebiet 38 nach dem Mietspiegel des Fraunhofer Instituts 301,46 Euro und nach dem Schwacke Automietpreisspiegel 2006 636,– Euro, was einer Abweichung von über 100 % entspricht. Auch wenn die Erhebung des Fraunhofer Instituts nicht kritiklos hinzunehmen ist – worauf die Klägerseite treffend hinweist –, gibt sie doch jedenfalls eine Größenordnung vor, deren Abweichung von der Größenordnung des Schwacke Automietpreisspiegels 2006 erheblich an der Richtigkeit des Automietpreisspiegels 2006 zweifeln lässt.

53Zudem darf die Preissteigerung für den Vergleich zwischen den Werten des Schwacke Automietpreisspiegels 2003 und des Preisspiegels 2006 nicht außer Acht gelassen werden. So betrug der Wochentarif für die Anmietung eines Fahrzeuges der Mietwagenklasse 6 im PLZ-Gebiet 383 (Wohnort des Klägers) im Jahre 2003 525,– Euro und im Jahre 2006 (in dem vom Kläger herangezogenen arithmetischen Mittel) 636,– Euro, was einer Steigerung von 21,1 % entspricht. Auch in anderen Mietwagenklassen ist eine kaum erklärliche Preissteigerung zu verzeichnen. Diese beträgt in der Mietwagenklasse 1 – 24,1 %, in der Klasse 2 – 27,5 %, in der Klasse 3 – 32,8 %, in der Klasse 4 – 38,4 %, in der Klasse 5 – 51,8 %, in der Klasse 7 – 8,8 %, in der Klasse 8 – 25,3 %, in der Klasse 9 – 29,4 % und in der Klasse 10 – 29,4 %. Diese erheblichen und nicht mit der allgemeinen Preissteigerung begründbaren Differenzen verfestigen die vorstehend aufgezeigten Zweifel an der Geeignetheit des Schwacke Automietreisspiegels 2006 zur Bestimmung des ortsüblichen Normalpreises im Postleitzahlenbereich 383. Insgesamt ist deshalb die Heranziehung des Schwacke Automietpreisspiegels 2006 als Schätzungsgrundlage nicht möglich. Der Automietpreisspiegel 2006 ist für den hiesigen Bezirk nicht als ausreichend zuverlässig anzusehen. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass andernfalls (unter Verwendung des Schwacke Automietpreisspiegels 2006) erzielte Schätzungsergebnisse von den tatsächlichen regionalen (örtlichen) Marktgegebenheiten deutlich abweichen.

Die Kammer sieht die zunächst durch den Beweisbeschluss vom 22.07.2008 (Bl. 201 d. A.) angeordnete sachverständige Feststellung zu einem auf dem örtlich relevanten Mietwagenmarkt erzielbaren "Normaltarif" als nicht erforderlich an. Sie hält es für gerechtfertigt, den Schwacke Automietpreisspiegel 2003 zur Bestimmung eines (letztendlich) fiktiven Normaltarifs auf dem hier relevanten örtlichen Mietwagenmarkt heranzuziehen. Es sind der Kammer keine durchgreifenden Zweifel und keine relevante Kritik an dem Schwacke Automietpreisspiegel 2003 bekannt. Die dort angegebenen Werte wurden nach Kenntnis der Kammer vor Erscheinen der neueren Auflage des Autopreismietspiegels im Jahr 2006 selbst von den Haftpflichtversicherern durchgehend verwendet. So hat auch die Beklagte vorliegend im Rahmen der Regulierungsabrechnung ausdrücklich auf den "Schwacke-Normaltarif" des Jahres 2003 zurückgegriffen. Zudem billigt der BGH (Urteil vom 24.06.2008, NJW 2008, 2910 sowie vom 14.10.2008, NJW 2009, 58) ausdrücklich die Heranziehung dieses Preisspiegels.

Anders als LG Dortmund vom 3.7.2008, 4 S 29/08, hält es die Kammer nicht für angängig, von der Schwacke-Liste 2007 (oder 2008) auszugehen und entsprechende Werte auf die relevante Zeit "herunter zu rechnen".

Zur Bestimmung des üblichen, angemessenen, relativ günstigsten (Normal-) Tarifs an Hand des Zahlenmaterials aus dem Schwacke Automietpreisspiegel 2003 ist freilich zu beachten, dass dieser Automietpreisspiegel im Jahre 2003 entstanden ist und seitdem jährlich eine Erhöhung der Lebenshaltungskosten und damit auch des Preisniveaus zu verzeichnen war; beachte LG Dortmund vom 14.6.2007, Schaden-Praxis 2007, 397.

Die jährliche Preiserhöhung schätzt die Kammer nach den Angaben des statistischen Bundesamtes (Preissteigerung in Bezug auf die Verbraucherpreise zwischen 2003 und 2006 – 4,7% und in Bezug auf Fahrzeughandel und Tankstellen – 4,6 %) auf rund 2 % im Jahr. Des weiteren ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozent zu berücksichtigen. Da die streitgegenständliche Anmietung im Januar 2007 erfolgt ist, ist insgesamt ein Aufschlag von 9 % ((3 x 2 %) + 3 %) Mehrwertsteuererhöhung) zu berücksichtigen.

b) Der "Normaltarif" für die Anmietung eines Fahrzeuges der Klasse 6 im Postleitzahlengebiet 383 für die Dauer von 11 Tagen beträgt laut Schwacke Automietpreisspiegel 2003 im gewichteten Mittel 825,– Euro.

Zur Schätzung der Mietwagenkosten ist grundsätzlich nicht auf einen Tagestarif abzustellen bzw. auf Tagessätze unter Multiplikation mit der Zahl berücksichtigungsfähiger Miettage. Vielmehr sind Reduzierungen durch Wochen- oder auch Dreitagespauschalen im Fall einer mehrtägigen Vermietung zu berücksichtigen. Selbstverständlich kommt es dazu auf die Absehbarkeit der – mehrtägigen – Mietdauer an, wobei jeder Geschädigte auf Grund der ihn treffenden Schadensminderungsobliegenheiten – die im Zivilprozess "von Amts wegen" zu berücksichtigen sind – gehalten ist, günstige(re) Pauschalen in Anspruch zu nehmen. Nach der einschlägigen Tarifstruktur ist eine Anmietung günstiger, je langfristiger sie erfolgt. Z. B. ergeben sieben Tagestarife in der Summe 784,– Euro, während der Wochentarif nur 525,– Euro beträgt.

Zeigt sich im Einzelfall, dass eine zunächst geplante Mietzeit zu kurz oder ggf. auch zu lang eingeschätzt ist, gibt es im Regelfall keine berechtigten Belange und Interessen des Geschädigten und des ihm gegenüber abrechnenden Mietwagenunternehmens, die es ausschließen lassen, in der endgültigen Abrechnung bei Rückgabe des Mietfahrzeugs als Basis den Kostenansatz reduzierende Mehrtagestarife anzuwenden. So verhält es sich jedenfalls, wenn der Mehraufwand im Fall der Vermietung wegen eines Unfallschadens über einen pauschalen Aufschlag auf den Ausgangs-, Normaltarif erfasst wird, s. u. a. so auch LG Bonn vom 25.4.2007, NZV 2007, 362 m. w. N. und LG Düsseldorf vom 8.2.2008, 20 S 190/06.

In einem Fall wie hier sind wegen der besonderen Umständen aber nicht (wie vom Kläger für angezeigt gehalten) ein Wochentarif und ein Dreitagestarif und ein Tagestarif zu addieren. Bei den Umständen des Streitfalles ist für die individuelle Situation zwingend, dass der für eine elftägige Anmietung gewährte Tarif sowohl günstiger als eine Addition von 11 Tagestarifen sein muss als auch günstiger als die Addition des Tagestarifs mit dem Dreitagestarif und dem Wochentarif. Dieser Besonderheit der Lage muss Rechnung getragen werden, indem der Tarif für die Fahrzeuganmietung auf die Dauer von 11 Tagen ausgehend von dem Wochentarif hochzurechnen ist. Ausgehend von dem Wochentarif sind hier für die Fahrzeuganmietung pro Tag 525/7 = 75,– Euro anzusetzen, wodurch sich für die Gesamtzeit der Wert von 825,– Euro ermitteln lässt.

Auf den Anmietzeitpunkt im Januar 2007 bezogen betrug der "Normaltarif" ohne Nebenkosten deshalb 825,– Euro + 9 % = 899,25 Euro.

c) Zu diesem Wert sind Nebenleistungen hinzuzuaddieren, welche sowohl laut Schwacke Automietpreisspiegel als auch nach Kenntnis der Kammer regelmäßig gegen Aufpreis gewährt werden und unstreitig von dem von der Fa. ... angesetzten Mietpreis umfasst sind.

Hier handelt es sich insofern um Kosten einer Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 500,– Euro. Dabei kommt es nach Ansicht der Kammer nicht entscheidend darauf an, ob der Kläger sein unfallbeschädigtes Fahrzeug ebenfalls vollkaskoversichert hat oder nicht. Zu den Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf, gehören vielmehr die Kosten einer Kaskoversicherung bei der Anmietung eines Mietwagens regelmäßig, vgl. BGH vom 15.02.2005, NJW 2005, 1041 = NZV 2005, 301 = DAR 2005, 270. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass jemand, der ein fremdes Fahrzeug anmietet, einem höheren Kostenrisiko ausgesetzt ist, als jemand, der sein eigenes Fahrzeug benutzt. Im Falle der Beschädigung des Mietwagens ist unbedingt Schadensersatz zu leisten nach dem Aufwand für eine vollständige und optimale Reparatur. Beim eigenen Fahrzeug kann der Betroffene hingegen die Schadensbeseitigungskosten häufig kontrollieren. Bei lediglich oberflächlichen Beschädigungen – Dellen oder Schrammen – kann er die Reparatur aufschieben oder darauf ganz verzichten. Insofern kann der Betroffene also sein Kostenrisiko steuern und unter Berücksichtigung seiner Möglichkeiten die Entscheidung treffen, ob er eine Vollkaskoversicherung für wirtschaftlich vernünftig hält oder nicht. Solche Möglichkeit steht dem Geschädigten als Fahrzeugmieter nicht zur Verfügung. Deshalb wird er sich als verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch regelmäßig für den Abschluss einer Vollkaskoversicherung entscheiden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Benutzung des Mietwagens für den Geschädigten regelmäßig ein besonderes Benutzungsrisiko darstellt, weil er mit dem Ersatzfahrzeug nicht so vertraut ist, wie mit seinem eigenen Wagen. Auch aus diesem Grund darf der Geschädigte für das beschädigte Fahrzeug – also auch dann, wenn für das beschädigte Fahrzeug keine Vollkaskoversicherung bestanden hat – eine Vollkaskoversicherung abschließen.

Sofern das Amtsgericht die Berücksichtigung dieser Kosten mit der Begründung versagt hat, die Zusammensetzung des von der Fa. ... geltend gemachten Betrages sei nicht nachvollziehbar, teilt die Kammer die Bedenken des Amtsgerichts nicht. Die Fa. ... bietet den Abschluss der Vollkaskoversicherung mit an. Solche Leistung muss daher bei der Bestimmung des vom Leistungsumfang her vergleichbaren Normaltarifs mit berücksichtigt werden. Ein für die Gewährung einer Vollkaskoversicherung auf dem Mietwagenmarkt durchschnittlich zu zahlendes Entgelt ergibt sich, wie ausgeführt, aus dem Automietpreisspiegel 2003. Diesen – und nicht einen von der Fa. ... verlangten – Betrag kann der Kläger gegenüber der Beklagten deshalb ansetzen lassen.

Laut Nebenkostentabelle des Schwacke Automietpreisspiegels 2003 betragen die Kosten für den Abschluss einer Vollkaskoversicherung für 11 Tage im gewichteten Mittel 209,– Euro, wobei unter Berücksichtigung der genannten Preissteigerung und Mehrwertsteuererhöhung von einem Wert von 227,81 Euro auszugehen ist.

Ob u. U. in einem besonderen Fall – insbesondere bei der Abrechnung als konkrete Nebenkosten – zu der einer Vollkaskoversicherung vergleichbaren Haftungsbefreiung (ggf. unter Ausschluss jeder Selbstbeteiligung) zusätzlich entstandene Kosten nur der Hälfte nach erstattungsfähig sind, weil und wenn der Geschädigte nicht vorträgt und ggf. beweist, dass sein eigenes Fahrzeug (ggf. unter Ausschluss jeder Selbstbeteiligung) vollkaskoversichert ist oder/und ein Vollkaskoversicherung der wirtschaftlichen Vernunft entspricht (s. zum Problem näher OLG Karlsruhe vom 17.03.2008, NJW-RR 2008, 1113 = NZV 2008, 456), kann hier offen bleiben.

d) Des weiteren sind Kosten der wintertauglichen Bereifung erstattungsfähig. Eine solche Nebenleistung ist in der Nebenkostentabelle des Schwacke Automietpreisspiegels 2003 nicht enthalten. Es ist jedoch der Kammer durch Internetrecherchen bekannt, dass die Zurverfügungstellung von Winterreifen regelmäßig nur gegen zusätzliche Gebühr erfolgt. Dazu ist gerichtsbekannt, dass entstehende Kosten durchschnittlich 11,– Euro täglich betragen, so dass der Kläger vorliegend weitere 121,– Euro geltend machen kann.

e) Weitere Nebenkosten kann der Kläger dagegen nicht verlangen.

Kosten für die Einräumung der Möglichkeit, das Fahrzeug einem Zusatzfahrer zu überlassen, sind nur erforderlich, wenn die Überlassung des Mietfahrzeuges an einen weiteren Fahrer den Gepflogenheiten entspricht und real wahrscheinlich ist. Da diese Nebenleistung gemäß Schwacke Automietpreisspiegel täglich mit 10,– Euro zu Buche schlägt, würde ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mieter solche Leistung nicht bezahlen, falls mit deren Inanspruchnahme nicht zu rechnen ist.

Vorliegend hat der Kläger keinen Vortrag gehalten, der die Benutzung des Mietfahrzeuges durch einen weiteren Fahrer als wahrscheinlich erscheinen ließ. Der Kläger hat insoweit lediglich in der Berufungsbegründung vorgetragen, ihm müsse bei Anmietung eines Ersatzfahrzeuges die Möglichkeit erhalten bleiben, selbst zu bestimmen, wer das Fahrzeug fahren darf, wie er dies als Eigentümer des beschädigten Fahrzeuges tun könne. Diese Überlegung ist im Ansatz zutreffend, jedoch lässt der Kläger hierbei außer Acht, dass auch ein Eigentümer nicht immer auf die Möglichkeit angewiesen ist, sein Fahrzeug jedem weiteren Fahrer zu überlassen – ein solches Eigentümerprivileg also häufig wertlos ist. Zudem gibt es Fahrzeugversicherungen, die die Nutzung des Fahrzeugs durch andere Personen zumindest einschränken. Es oblag daher dem Kläger zumindest die nicht fernliegende Wahrscheinlichkeit darzulegen, dass er das Mietfahrzeug während der Mietzeit einer anderen Person tatsächlich überlassen würde, wie er es mit dem beschädigten Fahrzeuge gleichfalls hat tun können. Konkrete Anhaltspunkte dafür sind dem Vorbringen des Klägers aber nicht zu entnehmen.

Auch Kosten der Insassenunfallversicherung sind nicht zu berücksichtigen. Diese Kosten sind nur erforderlich, wenn der Geschädigte auch bei seinem (beschädigten) Fahrzeug eine solche Versicherung abgeschlossen hat. Andernfalls wäre der Geschädigten ohne schadensrechtlichen Grund besser gestellt. Dass der Kläger eine Insassenunfallversicherung gehabt hat, hat er nicht dargelegt.

Kosten der Zustellung und Abholung des Fahrzeuges beinhaltet nach Ansicht der Kammer der nachstehend erörterte (Unfallersatz-) Zuschlag.

Bis dahin errechnet sich der für den vorliegenden Fall maßgebliche Normaltarif wie folgt:

Grundtarif899,25 Euro                Vollkaskoversicherung227,81 Euro                Winterreifen121,– Euro                Insgesamt:1.248,06 Euro3. Von dem Grundtarif sind vom Geschädigten wegen der Benutzung eines Mietfahrzeuges ersparte Eigenaufwendungen im Wege des Vorteilsausgleichs abzuziehen. Dabei handelt es sich um ersparte Eigenkosten wie etwa Abnutzung, Wertverlust, Schmierstoffe, Wartung, Reinigung etc.

Grundsätzlich ist die Höhe des vom Geschädigten ersparten Betrages nicht zwingend von der Höhe der Mietwagenkosten abhängig – bei einer teueren Anmietung werden nicht unbedingt höhere Eigenausgaben gespart. Auf der anderen Seite sind in dem genannten Grundtarif solche Kosten eingepreist, die der Geschädigte faktisch tragen müsste, falls er sein eigenes Fahrzeug benutzen würde.

Aus Vereinfachungsgründen folgt die Kammer daher der in der Rechtsprechung vertretenen Meinung, wonach die Höhe der ersparten Eigenkosten durch einen prozentuellen Abzug von den Mietwagenkosten ermittelt wird.

Diesen Anteil schätzt die Kammer hier auf 10 % des Grundtarifs (vgl. OLG Hamm vom 20.03.2000, VersR 2001, 206 und OLG Celle v. 24.10.2007, NJW 2008, 446 = NZV 2008, 145 = DAR 2008, 205), so dass ein Abzug in Höhe von 89,93 Euro vorzunehmen ist.

Es lässt sich bis dahin insgesamt ein "Normaltarif" in Höhe von 1.158,13 Euro ermitteln.

4. Zu diesem Betrag ist ein Aufschlag wegen Mehrleistungen und -Risiken bei Vermietung im Unfallersatzgeschäft hinzuzusetzen.

Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass Tarife bei Vermietungen an Unfallgeschädigte gegenüber von Normaltarifen höher sein können, weil Besonderheiten mit Rücksicht auf die konkrete (Unfall-) Situation einen gegenüber einem sonstigen (Normal-) Tarif für Selbstzahler höheren Preis rechtfertigen, weil besondere Leistungen des Mietwagenunternehmens (Vermieters) durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH vom 25.10.2005, NJW 2006, 360 = NZV 2006, 139 = DAR 2006, 83 = VersR 2006, 133). Solche Leistungen bestehen regelmäßig in einem höheren Verwaltungsaufwand, und Zinsverlusten aufgrund längerer Zahlungsfrist. Das Vorfinanzierungsrisiko und das Risiko der Reduzierung einer Bewertung von Haftungsanteilen am Unfallgeschehen ist eher ein Problem, das den Geschädigten betrifft als ein Merkmal der Erforderlichkeit eines (höheren) Tarifs. Die Notwendigkeit, Personal rund um die Uhr zu beschäftigen, damit eine Vermietung zu jeder Tageszeit möglich ist, und die häufige Notwendigkeit, das Mietfahrzeug direkt dem Kunden zuzustellen, sind indessen zusätzlich notwendige Leistungen, die jedenfalls dann als erforderlich anzusehen sind, wenn die Fahrzeuganmietung durch Zwänge der Unfallsituation gekennzeichnet ist. Höhere Kosten sind in solchen Fällen betriebswirtschaftlich begründet und veranlasst, die Inanspruchnahme der entsprechenden Leistungen ist aus der Sicht des Geschädigten gerechtfertigt, also erforderlich.

Vorliegend entsprang die streitgegenständliche Fahrzeuganmietung einer Unfallsituation, da sie unmittelbar am Unfalltage einige Stunden nach dem Unfall erfolgt ist.

Die Fa. ... gewährte dem Kläger unstreitig bestimmte Leistungen, indem sie auf die Vorauszahlung bzw. Vorlage einer Kreditkarte verzichtete. Soweit die Fa. ... das Risiko eines Forderungsausfalls gegenüber der Schädigerseite auf sich übernommen hat, können Fragen zum Rechtsberatungsgesetz und zum Einklang mit §§ 2, 5 RDG hier auf sich beruhen. Denn es sind jedenfalls Zinsnachteile zu beachten. Zudem hat es die Fa. ... auf sich genommen, das Fahrzeug gegen 20:00 Uhr und damit zu der Zeit, in der die meisten Mietwagenstationen geschlossen sind, dem Kläger konkret verfügbar zu machen.

Den dazu möglichen pauschalen Aufschlag schätzt die Kammer auf 15 %.

Einen pauschalen Aufschlag von 30% auf den Normaltarif (so u. a. LG Mönchengladbach im Urteil vom 15.1.2008, Schaden-Praxis 2008, 112) und dann gar noch auf die Werte der Schwacke- Liste 2006, hält die Kammer für deutlich übersetzt. Die Besonderheiten einer Unfallsituation legen einen etwas höheren Mietwagenpreis als für den Selbstzahler im "Normalfall" nahe. Dann aber muss ein wirtschaftlicher Rahmen gewahrt bleiben, der nicht zu einem eigenen Mietwagengeschäftsfeld fast mit Abrechnung des reinen kalkulatorischen Interesses bestimmter spezialisierter Vermieter führt.

Ein allgemeingültiger Prozentsatz zu von in einem Unfallersatztarif gegenüber einem Normaltarif berücksichtigungsfähigen Zusatzkosten und (schadensrechtlich relevanten) Zusatzrisiken lässt sich (betriebswirtschaftlich) nicht finden und (schadensrechtlich) nicht nennen.

Sofern sich der Kläger auf das in einem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Salzgitter (AZ: 22 C 7/05) eingeholte Sachverständigengutachten der Fa. ... bezieht (vgl. Anlagenband II), ist festzustellen, dass auch der Verfasser jenes Gutachtens davon ausgeht, dass sich ein allgemeingültiger Prozentsatz der im Unfallersatztarif gegenüber dem Normaltarif zu berücksichtigenden Zusatzkosten und -risiken nicht nennen lässt (Seite 69 – 70 des Gutachtens). Im Übrigen bewegt sich der Sachverständige bei der Auswahl der im Rahmen des Zuschlages zu berücksichtigten Kosten im Bereich von Rechtsfragen, deren Beantwortung dem Gericht vorbehalten ist.

Die Rechtsauffassung des Sachverständigen, wonach etwa die von den Mietwagenunternehmen gezahlten Vermittlungsprovisionen bei der Bemessung des Zuschlages zu berücksichtigen sind (und zwar in Höhe von 10 %), teilt die Kammer nicht. Solche Vermittlungskosten sind nicht speziell durch eine Unfallsituation veranlasst. Sie kommen nicht einem Unfallgeschädigten wegen des Schadensfalles in irgendeiner Weise zugute. Sie sind originär ein Vermögensaspekt bei einem Drittbetroffenen bzw. "Dritteingeschalteten", der deliktisch kein Schadensersatzrecht hat.

5. Die erforderlichen Mietwagenkosten betrugen im vorliegenden Fall daher insgesamt 1.158,13 Euro + 15 % = 1.331,85 Euro. Diesen Betrag kann der Kläger von der Beklagten verlangen.

Dem berechtigten Schadensersatzanspruch des Klägers ist die Zahlung der Beklagten in Höhe von 989,03 Euro gegenüberzustellen. Denn die Beklagte hat zunächst an den Kläger einen Betrag in Höhe von 650,– Euro gezahlt und zwar als Nutzungsausfallentschädigung für den Ausfall des unfallbeschädigten Fahrzeuges für die Dauer von 13 Tagen. Es ist zwischen den Parteien dabei unstreitig, dass das streitgegenständliche Fahrzeug dem Kläger 13 Tage unfallbedingt nicht zur Verfügung gestand hat. Der Kläger hat letztendlich nur für 11 Tage ein Mietfahrzeug angemietet mit der Konsequenz, dass er für 2 Tage Nutzungsausfallentschädigung in (unstreitiger) Höhe von 100,– Euro beanspruchen kann. Diese Forderung des Klägers ist durch die auf die Nutzungsausfallentschädigung geleistete Teilzahlung erfüllt, so dass der entsprechende Betrag zum Zeitpunkt der Erstellung des Abrechnungsschreibens durch die Beklagte nicht mehr zu einer anderweitigen Verrechnung zur Verfügung stand.

Die restliche Schadensersatzforderung des Klägers beträgt hiernach 1.331,85 Euro – 989,03 Euro = 342,82 Euro. Zu der entsprechenden Zahlung war die Beklagte – unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils – zu verurteilen. Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Des Weiteren hat die Beklagte dem Kläger die durch den Unfall verursachten vorgerichtlichen Anwaltskosten zu ersetzen. Diese betragen bei einer berechtigten Forderung des Klägers in Höhe von 342,82 Euro insgesamt 83,54 Euro.

Die Anschlussberufung sowie die weitergehende Berufung des Klägers war dagegen aus den genannten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen. Denn die Rechtssache besitzt weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch erfordert sie die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Es geht ausschließlich um die Anwendung zwischenzeitlich anerkannter Rechtsgrundsätze im Einzelfall.