VG Hannover, Urteil vom 01.10.2008 - 11 A 4732/07
Fundstelle
openJur 2012, 48192
  • Rkr:

1. Der Nachweis eines GVO-Besatzes von Saatgut ist erbracht, wenn eine Untersuchung nach dem Standard der guten wissenschaftlichen Praxis und mit einer anerkannten Analysemethode (hier: Polymerasekettenreaktion) mit der mit dieser Methode zu erreichenden Wahrscheinlichkeit ein positives Ergebnis erbringt. 2. Ein Anspruch auf die Untersuchung einer Rückstellprobe ("B-Probe") besteht nicht.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhedes zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagtezuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine gentechnikrechtliche Anordnung.

Der Kläger ist Landwirt in D.. Er erwarb im Jahr 2007 Saatgut für konventionellen Raps der Sorte TAURUS mit der Kennzeichnung D/BN 3237/318 und drillte ihn auf einer Fläche von etwa 4,80 ha aus. Die Herstellerin des Saatguts, die E. AG (F.) mit Sitz in Lippstadt (Nordrhein-Westfalen), hatte das Saatgut noch vor der Saatgutanerkennung in den Handel gebracht.

Im Zuge der Saatgutanerkennung stellte das Staatliche Veterinäruntersuchungsamt (SVUA) Arnsberg als zuständiges Überwachungslabor in einer Partie dieses Raps-Saatgutes geringe Anteile des gentechnischen Konstruktes P35S/pat fest, das auf die gentechnisch veränderte Rapslinie FALCON GS 40/90 bzw. deren Nachkommen hinweist. Ein Teil der durch das SVUA Arnsberg vermahlenen Probe wurde vom Chemischen- und Veterinär-Untersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe erneut untersucht; dieses bestätigte das Analyseergebnis des SVUA Arnsberg. Eine quantitative Bestimmung des Anteils des Genkonstrukts im verprobten Saatgut war nicht möglich, weil der Anteil unter der für eine quantitative Bestimmung maßgeblichen Grenze von 0,1 % lag.

Daraufhin ließ die F. ihre Rückstellprobe des Raps-Saatgutes von drei unterschiedlichen, jeweils zertifizierten Laboren im In- und Ausland auf Spuren von Genkonstrukten untersuchen. In diesen Untersuchungen wurden weder qualitativ noch quantitativ Bestandteile eines Genkonstruktes im Saatgut nachgewiesen.

Nach erfolgter Anhörung ordnete der Beklagte mit Verfügung vom 17.09.2007 unter Androhung eines Zwangsgeldes das Verbot des Inverkehrbringens und der Aussaat des Rapssaatgutes, für den Fall der bereits erfolgten Aussaat die Vernichtung der Pflanzen sowie die Mitteilung der betreffenden Flächen und schließlich die Dokumentation derjenigen Saatguteinheiten an, die bereits an den Händler zurückgesandt worden waren. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, in dem betreffenden Rapssaatgut sei ein Genkonstrukt nachgewiesen worden, das nicht zum Anbau zugelassen sei. Das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen ohne entsprechende Genehmigung nach § 14 Gentechnikgesetz sei unzulässig. Neben dem formellen Verstoß gegen das Gentechnikgesetz begründe das Freisetzen und/oder Inverkehrbringen des Saatgutes die Gefahr, dass sich bei der Blüte des Rapses das verunreinigte Saatgut unkontrollierbar verbreite und so andere Felder mit nicht gentechnisch veränderten Rapssamen verunreinige. Im Rahmen der Ermessensausübungen nach § 26 Gentechnikgesetz sei die Anordnung auf ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Die angeordneten Maßnahmen seien geeignet, die Verstöße gegen das Gentechnikgesetz zu beheben. Mildere Mittel kämen nicht in Betracht. Das wirtschaftliche Interesse des Klägers müsse auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er von der Verunreinigung nichts gewusst habe, gegenüber der Gefahr einer Verbreitung gentechnisch veränderten Rapses zurücktreten.

Gegen die Anordnung hat der Kläger am 25.09.2007 Klage erhoben.

Er macht geltend, die Anordnung sei formell rechtswidrig. Die erfolgte Tatsachenermittlung durch die Beklagte rechtfertige lediglich einen Gefahrenverdacht, weil nicht ausgeschlossen sei, dass das Analyseergebnis ein falsch positives sei. Ob dies der Fall sei, hätte mit der Untersuchung der Rückstellprobe festgestellt werden können, die nicht stattgefunden habe. Er habe jedoch einen Rechtsanspruch auf eine solche "B-Probe" des betreffenden Rapssaatgutes. Diesem Anspruch stünden auch statistische Erwägungen nicht entgegen. Denn wahr sei nur, was einem Falsifikationsbeweis zugänglich sei. Im Übrigen stelle habe er mit dem Ausdrillen des konventionellen Saatguts, das angeblich Spuren eines Genkonstruktes enthalte, keine gentechnischen Organismen freigesetzt im Sinn des Gentechnikgesetzes, da er bei Ausbringen des Saatguts keine Kenntnis von einer (angeblichen) Verunreinigung gehabt habe. Sowohl die Freisetzungsrichtlinie als auch der deutsche Gesetzgeber seien von der gezielten Freisetzung, mithin von der Freisetzung in Kenntnis der gentechnischen Veränderung des Saatgutes, ausgegangen. Das Gentechnikgesetz sei auf eine unbewusste Freisetzung nicht anwendbar. In einem Fall wie dem vorliegenden müsse auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht zurückgegriffen werden. Für eine polizeirechtliche Anordnung fehle es indes an einer Gefahr. Eine Gefahr für Leib und Leben bestehe schon nicht aus dem Blickwinkel des Gentechnikgesetzes, weil dieses vom Konzept der präventiven Einzelfallkontrolle und nicht vom gentechnischen Basisrisiko ausgehe. Im vorliegenden Einzelfall sei eine solche Gefahr ausgeschlossen, weil es für das in Rede stehende Genkonstrukt FALCON GS 40/90 eine Freisetzungsgenehmigung gebe und im Rahmen dieser Genehmigung festgestellt worden sei, dass ein Gesundheitsrisiko nicht bestehe.

Nachdem der Kläger am 05.10.2007 die mit dem Rapssaatgut bestellten Flächen umgebrochen hatte, um eine alternative Fruchtbestellung vorzunehmen, hat er die zunächst erhobene Anfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt und trägt nunmehr vor, sein Feststellungsinteresse ergebe sich zum einen aus der Wiederholungsgefahr und zum anderen daraus, dass möglicherweise ein Amtshaftungsprozess zu führen sein werde.

Der Kläger beantragt nunmehr

festzustellen, dass die mit der Anordnung der Beklagten vom September 2007 u.a. ausgesprochene Vernichtung des Aufwuchses von Raps der Sorte TAURUS der Partie D/BN 3237/318 wegen angeblicher Verunreinigung von Spuren eines nicht genehmigten gentechnisch veränderten Organismus rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt zur Begründung im Wesentlichen aus, der Sachverhalt sei abschließend untersucht worden. Die Verunreinigung mit dem fraglichen Genkonstrukt sei nachgewiesen, ein bloßer Verdacht liege nicht vor. Das Ergebnis der Untersuchungen werde durch die von der Saatgutherstellerin F. nachträglich veranlassten Untersuchungen nicht in Frage gestellt. Diese Untersuchungen seien nämlich einem anderen Prüfplan als die Untersuchungen gefolgt, die die nordrhein-westfälischen Labore durchgeführten hätten. Die Ergebnisse seien folglich nicht vergleichbar, das staatliche Untersuchungsergebnis sei nicht widerlegt worden. Dass nur eine geringe Verunreinigung festgestellt worden sei, stehe der erlassenen Anordnung nicht entgegen. § 14 Gentechnikgesetz setze keinen Grenzwert für die Freisetzung gentechnisch verunreinigten Saatgutes voraus.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der beigezogenen Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stade zu dem dort anhängig gewesenen Verfahren mit dem Aktenzeichen 6 B 1283/07 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.

Der Kläger hat die zunächst erhobene Anfechtungsklage auf eine gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Dadurch, dass der Kläger den einzelnen Anordnungen der streitgegenständlichen Verfügung des Beklagten Folge geleistet hat, hat die Verfügung ihre Regelungswirkung verloren und sich damit erledigt. Der Kläger kann sich auch auf ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung berufen. Das Feststellungsinteresse des Klägers ist gegeben, weil er mit einer Wiederholung der erledigten Verfügung rechnen muss. Eine Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn in absehbarer Zeit bei in wesentlichen gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen mit einer gleichartigen negativen Entscheidung zu rechnen ist oder sich die in Bezug auf den erledigten Verwaltungsakt kontroversen Rechtsfragen zwischen den Beteiligten in anderer Weise erneut stellen werden. Nach diesen Maßstäben besteht hier, ohne dass der Kläger zu dieser Frage gesondert vorgetragen hätte, eine Wiederholungsgefahr. Die Kammer geht davon aus, dass insbesondere bei konventionellem Rapssaatgut auch in Zukunft immer wieder Genkonstrukte bei der Überprüfung festgestellt werden. Raps birgt - bedingt durch das kleine Tausendkorngewicht, die Rieselfähigkeit der Samen, die starke Keimkraft, die lange Dormanz, die Durchsetzungskraft und schließlich die Fähigkeit, stabile Populationen zu bilden - ein Risiko, ein Transgen aus der eigenen Gattung aufzunehmen und über Kreuzungsbrücken in alle Arten der Gattung und verwandte Gattungen hineinzutragen. Aus diesem Grund muss auch in Zukunft davon ausgegangen werden, dass etwa wegen Freisetzungsversuchen mit genmodifiziertem Raps Genkonstrukte konventionellen Raps besetzen und das entsprechende Saatgut in den Handel und damit wieder an den Raps anbauenden Kläger gelangt.

Da bereits auf Grund einer Wiederholungsgefahr von einem Feststellungsinteresse des Klägers auszugehen ist, kann dahinstehen, ob die vorgetragene Absicht, einen Amtshaftungsprozess gegen die Beklagte vorzubereiten, hier ein Feststellungsinteresse der Kläger begründen könnte.

II.

Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die streitgegenständliche Verfügung vom 17.09.2007 war im Zeitpunkt ihrer Erledigung rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

1. Der Beklagte hat seine Anordnungen auf § 26 Abs. 1 Satz 1 Gentechnikgesetz (GenTG) gestützt. Anwendbar ist das Gentechnikgesetz in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 16.12.1993 (BGBl. I S. 2066), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.12.2007 (BGBl. I S. 2930).

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG kann die zuständige Landesbehörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verfügung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz, gegen die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes notwendig sind. Für die den Kern dieses Rechtsstreits ausmachende Vernichtungsanordnung des Beklagten hinsichtlich der vom Kläger mit dem betreffenden Saatgut bestellten Ackerfläche (Ziff. 2 der streitgegenständlichen Verfügung) sowie die Nebenanordnungen unter Ziff. 3 bis 5 der streitgegenständlichen Verfügungen ist dies die einschlägige Rechtsgrundlage.

Hinsichtlich der vorsorglichen Untersagung einer weiteren Aussaat und des Inverkehrbringens des Rapssaatgutes (Ziff. 1 der streitgegenständlichen Verfügungen) weist das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 07.03.2008 (- 13 ME 11/08 - NVwZ 2008, 802) zutreffend darauf hin, dass für diese Anordnungen § 26 Abs. 4 und 5 GenTG spezielle Regelungen gebundener Verwaltungsentscheidungen enthalten, deren tatbestandsmäßige Voraussetzung für den Fall der Verunreinigung des in Frage stehenden Saatgut mit GVO vorliegen.

2. § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG setzt ebenso wie § 26 Abs. 4 und Abs. 5 GenTG einen festgestellten Verstoß u.a. gegen das Gentechnikgesetz voraus. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GenTG bedarf eine Genehmigung der zuständigen Bundesoberbehörde, wer gentechnisch veränderte Organismen (GVO) freisetzt. Sowohl der Begriff des GVO als auch der der Freisetzung sind legaldefiniert: Ein GVO ist ein Organismus, dessen genetisches Material so verändert wurde, wie es unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt (§ 3 Nr. 1 Halbsatz 1 GenTG, Art. 2 Nr. 2 Satz 1 RL 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt - FreisetzungsRL -, ABl. L 108, S. 1, zuletzt geändert durch die RL 2008/27/EG, ABl. L 81, S. 45). Eine Freisetzung ist nach § 3 Nr. 5 GenTG das gezielte Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt, soweit noch keine Genehmigung für das Inverkehrbringen zum Zwecke des späteren Ausbringens in die Umwelt erteilt wurde.

Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger eine Genehmigung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GenTG gebraucht hätte und diese Genehmigung nicht vorliegt.

3. Das Rapssaatgut der Herstellerin F. war mit dem Genkonstrukt FALCON - GS 40/90 oder dessen Nachkommen verunreinigt. Nachkommen stehen nach § 3 Nr. 3 Halbsatz 2 GenTG dem GVO gleich.

Die Feststellung des Beklagten, der hierfür die Darlegungs- und Beweislast trägt, beruht auf den Untersuchungen des SVUA Arnsberg und des Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamtes Ostwestfalen-Lippe in Nordrhein-Westfalen, die einer guten wissenschaftlichen Praxis entsprechen (3.1. und 3.2.). Diese Untersuchungen sind zulässige Beweismittel (3.3.). Das Ergebnis dieser Untersuchungen kann der Kläger mit den von der Saatgutherstellerin F. in Auftrag gegebenen Untersuchungen nicht in Frage stellen (3.4.) noch könnte er es mit einer Untersuchung der beim SVUA Arnsberg vorhandenen Rückstellprobe (3.5.).

283.1. Ein GVO-Besatz ist festgestellt und verbleibt nicht im bloßen Bereich der konkreten Gefahr, wenn mittels einer anerkannten Analysemethode ein qualitativer Nachweis innerhalb der Vertrauenswahrscheinlichkeit erzielt wird. Die Kammer geht dabei davon aus, dass dem Gesetzgeber bei Erlass der §§ 14 Abs. 1, 26 Abs. 1, 4, 5 GenTG bekannt war, dass die anerkannten Analysemethoden keinen absoluten Nachweis des Vorhandenseins von GVO-Spuren im Saatgut zulassen.

Nicht nur bei phänotypischen Nachweisverfahren, bei denen aus dem Erscheinungsbild des Produktes wie der Form, Farbe oder aus der Proteinzusammensetzung auf Veränderungen der Erbsubstanz geschlossen wird, sondern auch bei genotypischen Analyseverfahren wie der vorliegend in allen Untersuchungen angewandten Polymerasekettenreaktion (PCR) ist der Nachweis, dass ein Produkt gentechnisch veränderte DNA enthält, technischen Grenzen unterworfen (vgl. hierzu Ostertag, GVO-Spuren und Gentechnikrecht, Baden-Baden 2006, S. 51 ff., m.w.N.). Dies gilt zum einen für die Nachweismöglichkeit. Diese setzt voraus, dass die gentechnischen Veränderungen jedenfalls teilweise bekannt sind und im Erzeugnis noch hinreichend intakte Erbsubstanz vorhanden ist. Zum anderen liegt die technische Nachweisgrenze für die qualitative Analyse bei etwa 0,01 % GVO-Anteil (sog. Nachweis- oder Erfassungsgrenze). Theoretisch können auch deutlich geringere Spuren (im Bereich von bis 0,001 %) nachgewiesen werden; diese hohe Sensibilität scheitert jedoch an der Praxis an verschiedenen Faktoren, u.a. an der dazu benötigten Probenmenge. Die durch die analytische Methode in der Praxis vorgegebene Erfassungsgrenze von 0,01 % verschiebt sich im jeweiligen Einzelfall abhängig von der Menge der verprobten Körner. Der quantitative Nachweis (sog. Bestimmungsgrenze) ist noch höher; erst ab einem GVO-Anteil von ca. 0,1 % kann auch eine quantitative Analyse vorgenommen und der Prozentsatz ungewollter GVO-Beimengungen im Produkt festgestellt werden. D.h., dass zwischen einem GVO-Anteil von 0,01 % und 0,1 % nur gesagt werden kann, dass gentechnisch verändertes Material nachweisbar ist, jedoch nicht wie viel.

Schon bei der qualitativen Analyse enthält das Ergebnis eine gewisse Unsicherheit, da der Prüfwert üblicherweise mit einer Vertrauenswahrscheinlichkeit von (nur) 95 % wiedergegeben wird. Auch die technische Nachweisgenauigkeit der Analysen ist begrenzt. Obwohl die Beprobungsverfahren für die jeweilige spezifische gentechnische Veränderung („Event“) aller in der EU zugelassenen und für viele der weltweit angebauten GV-Pflanzen standardisiert und validiert sind - so auch für das Genkonstrukt FALCON GS 40/90 -, weist der gesamte Analyseprozess gewisse Unsicherheitsfaktoren auf, die zu nicht unerheblichen Messabweichungen oder -fehlern führen können. Sind GVO-Beimengungen etwa nicht homogen in der Charge verteilt, sind unterschiedliche Messergebnisse bei verschiedenen Proben nicht auszuschließen. Aber auch das analytische Verfahren ist offenbar mit einer Vielzahl möglicher Fehlerquellen ausgestattet; jedenfalls bei der quantitativen Bestimmung sind nach Validierungsstudien Abweichungen im Bereich von 25 % bis 40 % möglich. Diese Messunsicherheit muss daher bei jeder Analyse mit der validierten Methode angegeben werden (Ostertag, a.a.O., S. 53, m.w.N.).

Dies zugrunde gelegt kann von dem Beklagten auch nicht mehr verlangt werden, als dass er das Vorhandensein des Genkonstrukts FALCON GS 40/90 im von den Klägern erworbenen Saatgut mit der mit anerkannten Methoden zu erreichenden Wahrscheinlichkeit nachweist.

323.2. Bei der rechtlichen Überprüfung der vom Beklagten vorgelegten Analyse orientiert sich die Kammer am Maßstab der guten wissenschaftlichen Praxis.

Die Kammer geht davon aus, dass die gute wissenschaftliche Praxis sich etwa aus dem "Konzept zur Untersuchung von Saatgut auf Anteile gentechnisch veränderter Pflanzen" des Unterausschusses Methodenentwicklung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Gentechnik (LAG) mit Stand vom März 2006 sowie aus der Empfehlung der Kommission 2004/787/EG vom 4. Oktober 2004 für eine technische Anleitung für Probennahme und Nachweis von gentechnisch veränderten Organismen und von aus gentechnisch veränderten Organismen hergestelltem Material als Produkte oder in Produkten im Kontext der Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 (ABl. Nr. L 348, S. 18) ergibt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass beide Dokumente nur Empfehlungen enthalten und keine rechtsverbindlichen Standards setzen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Empfehlung 2004/787/EG auf den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 1830/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über die Rückverfolgbarkeit von aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln sowie zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG (ABl. L 268, S. 24) abstellt. Die nicht genehmigte Freisetzung und das nicht genehmigte Inverkehrbringen von mit Zufalls-GVO besetztem Saatgut fällt nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung. Diese gilt nach Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1830/2003 in jeder Phase des Inverkehrbringens für a) aus GVO bestehende oder GVO enthaltende Produkte, die gemäß dem Gemeinschaftsrecht in Verkehr gebracht werden, b) aus GVO hergestellte Lebensmittel, die gemäß dem Gemeinschaftsrecht in Verkehr gebracht werden und c) aus GVO hergestellte Futtermittel, die gemäß dem Gemeinschaftsrecht in Verkehr gebracht werden. Saatgut ist weder ein Lebens- noch ein Futtermittel, so dass der Sachverhalt nicht unter Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und c VO (EG) Nr. 1830/2003 fällt. Auch Art. 2 Abs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 1830/2003 ist nicht anwendbar, weil die Herstellerin F. das Rapssaatgut gemeinschaftsrechtswidrig in Verkehr gebracht. Denn bei der Weitergabe an die Zwischenhändler fehlte noch die Saatgutanerkennung nach der Saatgutverordnung, mit der der deutsche Gesetzgeber u.a. die hier einschlägige Richtlinie 2002/57/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über den Verkehr mit Saatgut von Öl- und Faserpflanzen (ABl. L 193, S. 74; zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/117/EG, ABl. L 14 S. 18) umgesetzt hat.

Da das Konzept der LAG und die Empfehlung 2004/787/EG hinsichtlich der aufgestellten Grundsätze der Untersuchung, der Vorgaben zur Auswahl und Umfang der Saatgutproben und schließlich hinsichtlich der GVO-Saatgutanalytik verständlich und transparent sind, hält die Kammer die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Überprüfung des von der Beklagten herangezogenen Verfahrens nicht für erforderlich.

Das Konzept des LAG empfiehlt zwei Prüfpläne, wobei wegen der hier gegebenen Erfassungsgrenze von 0,03 % und weniger als 0,1 % nur der zweite empfohlene Prüfplan maßgeblich sein kann. Danach wird aus der Laborprobe einer Untersuchungsprobe mit mindestens 2995 Samen gewonnen. Ist in der Untersuchungsprobe keine transgene DNA-Sequenz nachweisbar, liegt der Gehalt des Saatguts an transgenen Samen mit einer Vertrauenswahrscheinlichkeit von 95 % unter 0,01 %. Bei einem positivem Ergebnis der Untersuchungsprobe sollte geklärt werden, ob dieses Ergebnis durch gentechnisch veränderte Bestandteile, die nicht einem GVO im Sinne des Gentechnikgesetzes entsprechen, verursacht wird. Dazu ist anschließend an der Rückstellprobe das Subsamplingverfahren, d.h. die Untersuchung von drei Untersuchungsproben mit je 1000 Samen, anzuwenden. Aus dieser Empfehlung folgt, dass das an die eigentliche Untersuchung angeschlossen Subsamplingverfahren dazu dient auszuschließen, dass bei der Untersuchung konstruktspezifische DNA-Sequenzen entdeckt wurden, die keine GVO im Sinne des Gentechnikgesetzes entsprechen. Das sind Verunreinigungen durch gentechnisch veränderte Bestandteile, die nicht keimfähig sind, z. B. Stäube aus GVO oder mit GVO-Materialien verunreinigte Beize (LAG, Konzept, S. 4 Fn. 2).

Die Empfehlung 2004/787/EG führt zur analytischen Prüfung unter V.4. folgendes aus:

"[…] Es ist möglich, dass mehrere Prüfkonzepte gleichermaßen zuverlässige Ergebnisse liefern. Diese können folgende Komponenten oder eine Kombination dieser Komponenten umfassen:

a) Qualitative Verfahren, die spezifisch für bestimmte Transformationsereignisse, Konstrukte oder genetische Elemente sein können.

b) Quantitative Verfahren, die spezifisch für bestimmte Transformationsereignisse, Konstrukte oder genetische Elemente sein können.

Um feststellen zu können, ob GVO vorhanden sind oder nicht, kann es angemessen sein, zunächst ein Screening durchzuführen. Bei einem positiven Testergebnis sollten spezifische Verfahren für ein genetisches Konstrukt und/oder ein Transformationsereignis durchgeführt werden. Sind verschiedene GVO mit demselben genetischen Konstrukt auf dem Markt, wird ein ereignisspezifisches Verfahren nachdrücklich empfohlen. Die Ergebnisse der quantitativen Analyse sind anzugeben als prozentuales Verhältnis der Anzahl der gv-DNA-Kopien zur Anzahl zieltaxonspezifischer DNA-Kopien, bezogen auf haploide Genome. Die Laboratorien sollten möglichst ein nach international anerkannten Kriterien (z.B. ISO 5725:1994 oder ein harmonisiertes IUPAC-Protokoll) validiertes Verfahren anwenden und, wenn möglich, zertifiziertes Referenzmaterial verwenden."

Die vom SVUA Arnsberg durchgeführte Analyse entspricht dem in der Empfehlung 2004/787/EG empfohlenen Prüfplan und weitgehend, wenn auch nicht vollumfänglich, dem Konzept der LAG.

Nach der Homogenisierung einer Teilmenge der von der F. als Herstellerin eingereichten Saatgutprobe von etwa 10000 Samen erfolgte die DNA-Extraktion von zwei Teilproben des Homogenisats und eine weitere Teilung der zwei DNA-Proben in jeweils zwei Teilproben (Subsampling). Diese vier Teilproben wurden für die PCR-Untersuchung vorbereitet, die in drei Schritten durchgeführt wurde. Bei einer Erfassungsgrenze von 0,03 % wurde das Material auf für GVO spezifische Übergangsbereiche getestet und der für das Genkonstrukt FALCON GS 40/90 spezifische Übergang 35 S/pat in allen vier Teilproben nachgewiesen. Im zweiten Schritt erfolgte die Untersuchung auf den qualitativen Nachweis eventspezifischer DNA-Sequenzen bei einer Erfassungsgrenze von 0,1 % mit dem Ergebnis, dass das Genkonstrukt FALCON GS 40/90 oder Nachkommen in zwei von vier Teilproben nachgewiesen wurde. Die im dritten Schritt durchgeführte quantitative Bestimmung mittels Real-Time PCR bei einer Bestimmungsgrenze von 0,1 % erbrachte das Ergebnis, dass der Anteil unter der Bestimmungsgrenze lag und damit nicht quantifizierbar war.

Der Einwand des Klägers, der Untersuchungsaufbau durch die staatlichen Labore, auf deren Ergebnis sich der Beklagte stützt, entspreche nicht vollumfänglich der Empfehlung der LAG, ist zutreffend. Die zweite Untersuchung (Kontrolluntersuchung) durch das Chemische- und Veterinär-Untersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe wurde nämlich nicht an der Rückstellprobe, sondern am selben Material wie die erste Untersuchung und nach dem Homogenisieren der Probe durchgeführt. Dieses Vorgehen ist aus laborfachlicher Sicht nicht zu beanstanden. Zum einen ist eine erneute Verprobung der einmal untersuchten Probe erforderlich, um das Ergebnis zu bestätigen (s. Kruse, Gutachterliche Stellungnahme zur Gestaltung von Probenahmenplänen für einen Saatgutschwellenwert für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) von 0,1 % vom 14.06.2007, S. 24). Zum anderen dient das Subsampling, also die Verprobung der Rückstellprobe, nach dem Konzept des LAG dazu, Verunreinigungen durch Nicht-GVO im Sinne des Gentechnikgesetzes auszuschließen. Der Beklagte hat hinreichend dargelegt, dass eine solche Verunreinigung der Probe ausgeschlossen ist (vgl. in den Parallelverfahren Nds. OVG, Beschl. v. 07.03.2008 - 13 ME 11/08 - NVwZ 2008, 802, 803; VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 07.11.2007 - 1 B 33/07 - Juris Rn. 81; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20.03.2008 - 3 M 177/07 - n.v.). Im Jahr 2007 wurden - was unstreitig ist - in dem SVUA Arnsberg, wo die Probe aufbereitet wurde, keine gentechnisch veränderten Rapssamen verwendet. Auch wurden dort im Jahr 2007 vor Bearbeitung der streitigen Saatgutpartie 26 andere Saatgutproben bearbeitet, in denen keine Anteile gentechnisch veränderter Rapspflanzen nachgewiesen wurden. Dafür, dass eine Verunreinigung durch Nicht-GVO i.S.d. GenTG ausgeschlossen ist, spricht auch der Umstand, dass nur zwei von vier Untersuchungsproben des SVUA Arnsberg positive Ergebnisse bei einer Untersuchung auf das Genkonstrukt FALCON GS 40/90 zeigten. Hierauf weist das LAG-Konzept unter Ziff. 3.1.1 hin: "Wenn nur einige der Untersuchungsproben positive Ergebnisse aufweisen, kann weitgehend ausgeschlossen werden, dass das Saatgut gentechnisch veränderte Bestandteile, die nicht einem GVO im Sinne des GenTG entsprechen, enthält." Demgegenüber hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen die Untersuchungsergebnisse falsch positive sein könnten, sondern sich auf allgemeine statistische Ausführungen zu in Ringversuchen bekannt gewordenen Fehlerhäufigkeit beim PCR-Verfahren beschränkt.

Dass der Untersuchungsaufbau vom Konzept des LAG abweicht, lässt damit nicht den Schluss zu, dass das von den staatlichen Laboren in Nordrhein-Westfalen durchgeführten Analysen nicht einer guten wissenschaftlichen Praxis entsprechen. Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ist das Gegenteil der Fall.

Auch ist die Probenvorbereitung nicht zu beanstanden. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, das positive Ergebnis der Untersuchung der Saatgutprobe durch das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe sei nicht aussagekräftig, weil das SVUA Arnsberg die Proben nicht getrennt vorbereitet hat. Das SVUA Arnsberg hat vielmehr - abgesehen von der Rückstellprobe - die gesamte Saatgutprobe gewaschen und vermahlen und erst danach eine Teilprobe an das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe abgegeben. Es trifft zwar zu, dass bei einer derartigen Vorgehensweise eine erst im SVUA Arnsberg erfolgte Verunreinigung mit dem GVO durch die Verprobung durch das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe nicht hätte aufgedeckt werden können (so auch Nds. OVG, a.a.O.). Eine derartige Verunreinigung hält die Kammer jedoch, wie bereits ausgeführt, für ausgeschlossen.

3.3. Die durch die staatlichen Labore in Nordrhein-Westfalen durchgeführten Untersuchungen sind als Beweismittel zulässig.

Der EuGH hat in der Entscheidung Steffensen (Urt. v. 10.04.2003 - Rs. C-276/01 - Slg. 2003, S. I-3735 = EuZW 2003, 666 ff. m. Anm. Schaller) für einen lebensmittelrechtlichen Fall entschieden, dass Analyseergebnisse zum Nachweis eines Verstoßes des Herstellers gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen als Beweismittel ausgeschlossen sein können, wenn andernfalls das Recht auf ein faires Verfahren verletzt würde (EuGH, a.a.O., Rz. 78 ff.). Dabei ist der EuGH von der Rechtsprechung des EGMR ausgegangen, nach dem die Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 EMRK an ein faires Verfahren nur dann erfüllt seien, wenn es sich bei dem Recht für die betroffenen Parteien, sich vor dem Gericht zu einem Beweismittel zu äußern, um eine echte Möglichkeit wirksamer Stellungnahme zu dem Beweismittel handele. Eine Prüfung dieses Punktes sei insbesondere dann geboten, wenn das Beweismittel aus einem technischen Bereich stamme, in dem das Gericht nicht über Sachkenntnis verfüge, und geeignet sei, die Würdigung der Tatsachen durch das Gericht maßgeblich zu beeinflussen (EuGH, a.a.O., Rz. 77, mit Hinweis auf EGMR, Urt. v. 17.02.1997 - Mantovanelli/Frankreich - Slg. 1997-II, § 36).

In der Rechtssache Steffensen ergab sich das Recht des Herstellers des Lebensmittels auf Einholung eines Gegengutachtens indes ausdrücklich aus einer europarechtlichen Regelung. Nach Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 89/397/EWG - der aufgrund der genannten Entscheidung in § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz - LMBG - (jetzt: § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände und Futtermittelgesetzbuch - LFGB -) umgesetzt worden ist - treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorkehrungen, damit die Betroffenen gegebenenfalls ein Gegengutachten einholen können. Aus dieser Regelung folgerte der EuGH, dass sich der Hersteller eines Lebensmittels gegenüber den zuständigen innerstaatlichen Behörden auf ein Recht zur Einholung eines Gegengutachtens berufen könne, wenn diese Behörden aufgrund einer Analyse von im Einzelhandel entnommenen Proben seiner Erzeugnisse die Auffassung vertreten, dass diese nicht den nationalen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen entsprächen (EuGH, a.a.O., Rz. 52).

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Fall Steffensen zum Beweisverwertungsverbot wegen Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Einen vergleichbaren Anspruch auf Durchführung einer erneuten Untersuchung der beim SVUA Arnsberg vorhandenen Rückstellprobe ("B-Probe") hat der Kläger nicht. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus europäischen noch aus nationalem einfachen Recht noch aus Grundrechten.

Zwar enthält die oben genannte Empfehlung 2004/787/EG unter I.5. folgenden Grundsatz:

"Beteiligte, bei deren Produkten Proben und Analysen durchgeführt werden, sollten Anspruch auf eine zweite Beurteilung haben. Amtliche Stellen sollten eine ausreichende Zahl von Rückstellproben für Bestätigungs- und Schiedszwecke entnehmen, um das Recht der Beteiligten auf Einspruch und eine zweite Beurteilung entsprechend der einzelstaatlichen Rechtslage zu gewährleisten."

Dieser Grundsatz ist indes nur eine Empfehlung und kein Rechtssatz. Hinzu kommt, dass die Empfehlung, wie oben dargelegt, auf das hier vorliegende Rapssaatgut nicht anzuwenden ist. Der Grundsatz ist vielmehr im Kontext der VO (EG) Nr. 1830/2003 zu lesen, die vorsieht, dass die Bestimmungen über die Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von GVO in Produkten nicht angewandt werden, wenn bestimmte Schwellenwerte nicht überschritten werden und die GVO-Spuren zufällig oder technisch nicht zu vermeiden sind (Art. 5 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1830/2003). Für Saatgut gibt es derartige Schwellenwerte nicht; hier gilt der Grundsatz der Nulltoleranz. Für andere Produktgruppen wie Lebensmittel und Futtermittel, in denen der Gesetzgeber Toleranzgrenzen im Hinblick auf die Unvermeidbarkeit von GVO-Spuren festsetzt, erscheint es zweckmäßig, bei Analyseergebnissen am oder um den Grenzwert eine zweite Beurteilung zu ermöglichen. Entsprechend bestimmt auch die EN ISO 24276:2006 "Lebensmittel - Verfahren zum Nachweis von gentechnisch modifizierten Organismen und ihre Produkte - Allgemeine Anforderungen und Definitionen" unter Ziff. 5.6, dass die Ergebnisse aus allen Untersuchungsproben übereinstimmen müssen und die Analyse zu wiederholen sei, wenn mindestens eine Untersuchungsprobe ein positives und mindestens eine ein negatives Ergebnis liefere. Weiter heißt es dort: "Falls mindestens zwei Wiederholungen des Verfahrens (beginnend mit der Nukleinsäureextraktion) zu unklaren Ergebnissen führen, wie z.B. ein positives und ein negatives Ergebnis, sollte im Untersuchungsbericht angegeben werden, dass die Probe bei der Nachweisgrenze, wie sie in ISO 21569 und ISO 21570 definiert ist, negativ ist." Auch diese EN-Norm, auf die sich der Kläger ebenfalls beruft, ist hier nicht anwendbar, weil das Rapssaatgut kein Lebensmittel ist und damit die Schwellenwerte der VO (EG) Nr. 1829/2003 nicht gelten.

53Eine dem Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 89/397/EWG entsprechende Rechtspflicht der Behörde, eine Gegenprobe zuzulassen, ist weder dem Gentechnikgesetz oder anderen einfachgesetzlichen nationalen Vorschriften noch der Richtlinie 2001/18/EG zu entnehmen. Anders als für das Verfahren zum Nachweis von GVO und ihren Produkten in Lebensmitteln gibt es für Saatgut auch kein außergesetzliches technisches Regelwerk wie eine EN- oder DIN-Norm, die der dargestellten EN ISO 24276:2003 vergleichbar wäre, auf die der Kläger sich beruft.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Heranziehung der Untersuchungsergebnisse der staatlichen Labore als Beweismittel bestehen auch nicht aus anderen Gründen. Insbesondere sieht die Kammer hierdurch weder das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG noch die Garantie des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG noch sein darüber hinausgehendes Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK, das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG Verfassungsrang genießt (statt vieler BVerfGE 93, 99, 113), verletzt. Insbesondere hatte der Kläger die Möglichkeit, sich auf die von der Saatgutherstellerin F. veranlassten Untersuchungen des Saatguts auf das Genkonstrukt FALCON GS 40/90 zu berufen (hierzu sogleich unter 3.4.). Dass diese die Beweiskraft der von dem Beklagten herangezogenen Untersuchungen nicht erschüttern, ist eine Folge der beschränkten Aussagekraft von Analysen im Bereich des qualitativen Nachweises von GVO unterhalb der Bestimmungsgrenze und damit keine verfahrensrechtliche Folge. Auch eine Analyse der bei dem SVUA Arnsberg noch vorhandenen Rückstellprobe aus der im Rahmen der Saatgutanerkennung entnommenen Partie des Rapssaatguts mit einem negativen Ergebnis würde zu keiner anderen Bewertung führen (hierzu unter 3.5.). Es ist deshalb aus verfassungsrechtlichen Gründen der Kammer weder verwehrt, die von dem Beklagten herangezogenen positiven Untersuchungsergebnisse der staatlichen Labore in Nordrhein-Westfalen ihrer eigenen Entscheidung zugrunde zu legen, noch ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, eine Untersuchung der Rückstellprobe anzuordnen.

3.4. Das positive Analyseergebnis, auf das der Beklagte die streitgegenständliche Verfügung vom 17.09.2007 stützt, wird nicht durch die von der Saatgutherstellerin F. veranlassten Untersuchungen in Frage gestellt.

Die F. hat eine eigene Rückstellprobe zunächst von der PLANTON GmbH überprüfen lassen, deren Labor nach der ISO-Norm 17025 akkreditiert ist und ein Qualitätsmanagement besitzt, das der Zertifizierung nach ISO-Norm 9001 entspricht. Ausweislich des Prüfberichts stellte die F. der PLANTON GmbH eine Saatmenge von 156 g zur Verfügung. Die angeforderte Analyse war ein quantitativer Nachweis mittels Real-Time PCR. Das Ergebnis fiel negativ aus. Nach der im Prüfbericht vermerkten Beurteilung erfolgt der Nachweis in einem Messbereich von 0,1 - 2 %. Dem Beklagten ist zuzugeben, dass mit einer quantitativen Analysemethode die von den staatlichen Stellen gefundenen Analyseergebnisse unterhalb der Bestimmungsgrenze nicht widerlegt werden können. Allerdings weist die PLANTON GmbH in einer detaillierten Beschreibung des Nachweisverfahrens darauf hin, dass die Erfassungsgrenze der Analytik bereits bei 0,01 % (statistische Wahrscheinlichkeit von 65 %) beginne. Dass Spuren von GVO im Bereich zwischen 0,01 und 0,1 % - mithin unterhalb der Bestimmungsgrenze nicht gefunden worden sind, hat ein Vertreter der Firma in einer eidesstattlichen Versicherung erklärt.

Vergleichbares gilt auch für die Prüfung durch die Firma ScanBi. Auch das Labor von ScanBi ist nach ISO 17025 zertifiziert. Ausweislich des Prüfberichts vom 31.08.2008 wurden an dieses Labor 169 g Rapssaatgut versandt und zwei DNA-Extraktionen sowie zwei PCR-Analysen durchgeführt. Auch diese Untersuchung wurde mittels Real-Time PCR durchgeführt. Die Nachweisgrenze der Untersuchung (limit of detection, LOD) liegt ausweislich des Berichts bei 0,1 %. Auch in diesem Fall liegt eine eidesstattliche Versicherung vor, nach der das Labor bis zu einer Grenze von 0,01 % Beimengungen von GVO nachweisen könne und ein solcher Nachweis im vorliegenden Fall nicht gelungen sei.

Schließlich hat die F. eine weitere Rapssaatgutprobe von einem ebenfalls zertifizierten Labor der Firma Eurofins in Nantes auf GVO-Spuren sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht untersuchen lassen. Auch im Rahmen dieser Untersuchung wurden keine GVO-Spuren nachgewiesen.

Die Richtigkeit der auf Veranlassung der Saatgutherstellerin F. durchgeführten Untersuchungen hat der Beklagte nicht bestritten. Die Untersuchungen sind indes nicht geeignet, den Beweiswert der Ergebnisse der Untersuchungen durch das SVUA Arnsberg und das Chemische- und Veterinär-Untersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe zu erschüttern. Die unterschiedlichen Ergebnisse lassen sich nämlich damit erklären, dass die Verunreinigung mit FALCON GS 40/90 im Saatgut nicht gleichmäßig verteilt war und bei der Probennahme für die Saatgutanerkennung eine verunreinigte Partie ausgewählt wurde, während die F. eine nicht verunreinigte Partie als Rückstellprobe entnahm. Dieser Schluss scheint der Kammer nahe liegend, weil die festgestellte Verunreinigung gering war.

Vor diesem Hintergrund war die Kammer nicht gehalten, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Besatz der beim SVUA Arnsberg vorhandenen Rückstellprobe mit dem Genkonstrukt FALCON GS 40/90 oder Nachkommen davon Beweis über die Verunreinigung des Rapssaatguts mit dem GVO zu erheben und insoweit der Beweisanregung des Klägers zu folgen.

613.5. Selbst wenn die Rückstellprobe gemäß der Beweisanregung des Klägers analysiert worden wäre und die Analyse bei einer qualitativen Untersuchung unterhalb der Bestimmungsgrenze keinen Nachweis eines GVO-Besatzes der Probe erbracht hätte, hätte dieses Ergebnis nach Überzeugung der Kammer die Beweiskraft der Untersuchungsergebnisse der nordrhein-westfälischen Labore nicht erschüttert.

Ist - wie im vorliegenden Fall - die Verunreinigung des Saatguts mit GVO äußerst gering und ist auszuschließen, dass die Verunreinigung erst im mit der Untersuchung betrauten Labor geschah, besteht gleichwohl eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Untersuchung der Rückstellprobe zu einem negativen Ergebnis führt (Kruse, a.a.O., S. 24: Bei einer Partie mit einer wahren GVO-Verunreinigung von 0,025 % seien etwa 53 % der Untersuchungsergebnisse positiv; bei einer derart geringen Verunreinigung liege die statistische Wahrscheinlichkeit der Bestätigung eines ersten positiven Befunds in einer zweiten Untersuchung nur bei etwa 50 %.) Der Sachverständige Kruse weist zur Erklärung auf den auch von der Kammer angenommenen Umstand der ungleichmäßigen Verteilung des GVO in den Proben hin (Kruse, a.a.O., S. 24 f.): "Wohlgemerkt beruht dies nicht auf Fehlbestimmungen der Labore oder falscher Probenahme, es beruht allein auf den Auftretenswahrscheinlichkeiten von GV-Samen in den Untersuchungsproben bei einer Zufallsprobenahme."

Dieser Befund wird durch die vom Kläger in Bezug genommene und im Auftrag des Haftpflichtversicherers der Saatgutherstellerin F. erstellte gutachterliche Stellungnahme von Dr. Becker vom 07.12.2007 bestätigt. Der Gutachter führt dort aus (S. 11): "Sollte ein positives Ergebnis in einer zweiten Messung nicht reproduzierbar sein, ist damit das erste Ergebnis aus statistischen Erwägungen nicht automatisch widerlegt, da Analysen im Bereich der Nachweisgrenze eine sehr hohe Messunsicherheit haben." Die weitergehende Schlussfolgerung des Gutachters, bei Messungen nahe der Nachweisgrenze müsse die Probenanzahl so erhöht werden, dass die statistische Möglichkeit eines falsch positiven Befunde weitgehend ausgeschlossen sei, um höhere Ergebnissicherheit zu erhalten, ist hier unbeachtlich. Denn der Gutachter geht an dieser Stelle von einem falsch-positiven Ergebnis ausgeht, dass hier ausgeschlossen werden kann.

Nach alledem trifft die Ansicht des Klägers nicht zu, der Nachweis eines GVO-Besatzes sei im Falle einer Untersuchung der Rückstellprobe mit negativem Ergebnis nicht geführt.

4. Der Beklagte ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger das mit dem Genkonstrukt FALCON GS 40/90 verunreinigte Saatgut freigesetzt hat i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 5 GenTG.

Dabei ist unbeachtlich, dass das Robert-Koch-Institut der Hoechst Schering AgrEvo GmbH mit Bescheid vom 02.06.1999 eine Freisetzungsgenehmigung für die Rapslinie FALCON GS 40/90 einschließlich Nachkommenschaften von Kreuzungen des gentechnisch veränderten Rapses mit konventionellem Raps bis zum Ablauf des Jahres 2009 erteilt hat. Diese Freisetzungsgenehmigung gilt nur für die im Bescheid genannten Standorte und stellt keine Genehmigung für das Inverkehrbringen zum Zwecke des späteren Ausbringens in die Umwelt dar.

Der Kläger kann nicht damit durchdringen, dass er von der Verunreinigung des Saatguts mit einem GVO keine Kenntnis gehabt habe und das - aus seine Sicht angeblich - verunreinigte Saatgut freigesetzt habe. Zwar spricht der der Wortlaut der Legaldefinition des § 3 Nr. 5 GenTG dafür, nur das Ausbringen von GVO in die Umwelt in Kenntnis dieses Umstandes zu erfassen. Dass es nur auf die bewusste Aussaat und nicht auf das Ausbringen in Kenntnis der Verunreinigung des Saatguts mit GVO ankommt (vgl. Nds. OVG, a.a.O.; VG Schleswig, Beschl. v. 07.11.2007 - 1 B 33/07 - Juris, Rn. 65 f.; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschl. v. 18.02.2008 - 3 MB 51/07 - n.v.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20.03.2008 - 3 M 177/07 - n.v.; Mecklenburg, NuR 2006, 229, 230), ergibt die Vorschrift.

Systematisch ist die Freisetzung aus europarechtlicher Sicht der Gegenbegriff zur gentechnischen Arbeit in gentechnischen Anlagen. Die Arbeit in gentechnischen Anlagen ist in der Systemrichtlinie 90/219/EWG (Richtlinie des Rates vom 23. April 1990 über die Anwendung genetisch veränderter Organismen in geschlossenen Systemen, ABl. L 117, S. 1) geregelt, die jeden Umgang mit GVO in einem geschlossenen System erfasst, das durch physikalische Schranken ein Entweichen des GVO verhindern soll. Ein Entweichen von GVO aus einem solchen geschlossenen System ist ein Unfall (Art. 2 lit. d RL 90/219/EWG). Der Geltungsbereich der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG ist demgegenüber eröffnet, wenn ein GVO absichtlich in die Umwelt ausgebracht werden soll. Die Gegenüberstellung der genannten Richtlinien zeigt, dass der Richtliniengeber davon ausging, dass eine absichtliche Freisetzung dann vorliegt, wenn bewusst auf spezifische Einschließungsmaßnahmen verzichtet wird, das GVO also nicht aufgrund eines Unfalls in die Umwelt gelangt. Eine Kenntnis des GVO-Besatzes etwa von Saatgut fordert diese Systematik nicht.

Auch aus einem Erst-Recht-Schluss aus § 3 Nr. 5 GenTG ergibt sich, dass das Verbringen von GVO in die Umwelt außerhalb gentechnischer Anlagen ohne Genehmigung eine Freisetzung darstellt (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20.03.2008 - 3 M 177/07 -, S. 7).

Schließlich ist es mit dem Sicherheitskonzept des Basisrisikos nicht zu vereinbaren, nur absichtliche Tätigkeiten dem GenTG zu unterwerfen, da die mit dem Ausbringen eines GVO in die Umwelt verbundenen Gefahren und Risiken unabhängig von der Intention des Anwenders sind (Mecklenburg, a.a.O., 230). Dass das Gentechnikgesetz dem Konzept des Basisrisikos folgt, ergibt sich dogmatisch aus § 1 Abs. 1 GenTG ("Schutz vor den möglichen Gefahren gentechnischer Verfahren und Produkte" (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik, BT-Drs. 11/5633, S. 22: größtmögliche Vorsorge; vgl. auch Art. 1 RL 2001/18/EG) sowie aus dem Grundsatz der strikten formellen Vorabkontrolle (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Der Ansicht der Kläger sowie einiger Stimmen aus der Wissenschaft (vgl. Dederer, NuR 2001, 64 ff.; Linke, NuR 2003, 154 ff.), nach der das Gentechnikgesetz gerade nicht (oder nicht mehr) vom Basisrisiko ausgeht, sondern eine reine Einzelfallkontrolle vorsieht, folgt die Kammer nicht und schließt sich insoweit vollumfänglich der Argumentation des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 07.11.2007 (a.a.O.) in einem ähnlich gelagerten Fall an.

Für eine weite Auslegung spricht auch die Regelungstiefe des Gentechnikgesetzes. Aus den Materialien zu dem Gesetz einschließlich vier Änderungsgesetze ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber den Bereich der konventionellen Produkte, die mit Zufalls-GVO besetzt sind, ungeregelt lassen und dem Anwendungsbereich des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht überantworten wollte. Vielmehr sprechen die Regelungen der Art. 47 VO (EG) Nr. 1829/2003, Art. 12 a RL 2001/18/EG und § 14 Abs. 2a GenTG zu Zufalls-GVO im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Lebens- oder Futtermittel dafür, dass nach dem gesetzgeberischen Willen auch Zufalls-GVO dem Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes unterworfen sind. Auch mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes vom 01.04.2008 (BGBl. I S. 499) hat der Gesetzgeber den Begriff des Freisetzens nicht geändert oder eine gesonderte Regelung für das Ausbringen von mit Zufalls-GVO besetztem Saatgut in Unkenntnis der GVO-Verunreinigung geschaffen und ist damit ersichtlich davon ausgegangen, den Sachverhalt bereits im Sinne der herrschenden Meinung zur Auslegung des Begriffs des Freisetzens geregelt zu haben.

5. Da die Voraussetzungen für ein Eingreifen der zuständigen Behörde nach § 26 GenTG vorliegen, ist jedenfalls das Verbot des Inverkehrbringens des Rapses und des Freisetzens des Rapssaatguts (Aussaat) nach Ziff. 1 der streitgegenständlichen Verfügung vom 17.09.2007 rechtmäßig, weil Rechtsgrundlagen für diese Anordnungen § 26 Abs. 5 GenTG (Inverkehrbringen) und § 26 Abs. 4 Satz 1 GenTG (Freisetzen) sind und diese Rechtsgrundlagen keinen Ermessenspielraum einräumen. Dass der Beklagte gleichwohl auch hinsichtlich der Ziff. 1 der Verfügung sein Ermessen ausgeübt hat, ist nach § 46 VwVfG unschädlich.

6. Auch die im streitgegenständlichen Bescheid vom 17.09.2008 getroffene Vernichtungsanordnung ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür ist § 26 Abs. 1 Nr. 1 GenTG, der nach seinem Wortlaut den Behörden Ermessen einräumt.

Der in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, dass das nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG eröffnete Ermessen rechtsfehlerfrei allein durch eine Vernichtungsanordnung auszuüben ist und das Ermessen damit für diesen Fall auf Null reduziert sei (VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 07.11.2007 - 1 B 33/07 - Juris, Rn. 115 ff.; Mecklenburg, a.a.O., S. 231), vermag die Kammer nicht zu folgen. Die Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich weder zwingend aus dem gentechnikrechtlichen Sicherheitskonzept des Basisrisikos noch aus dem Fehlen jeglicher Schwellenwerte. Auch Art. 4 Abs. 5 Satz 2 RL 2001/18/EG, nach dem der betroffene Mitgliedstaat im Falle einer nicht genehmigten Freisetzung von GVO oder des nicht genehmigten Inverkehrbringens von GVO sicherstellt, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Freisetzung oder das Inverkehrbringen zu beenden und nötigenfalls Gegenmaßnahmen einzuleiten, gebietet nicht in jedem Fall die Vernichtung des GVO-besetzten Produkts. Zwar ist zuzugeben, dass nach der maßgeblichen Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids ein Wertungswiderspruch zwischen einem Verzicht auf die Vernichtung GVO-kontaminierten Saatguts und dem gesetzlichen Verbot der Freisetzung und des Inverkehrbringens bestehen kann. Die für eine Ermessensreduzierung auf Null streitenden Argumente überzeugen allerdings nur dann, wenn es sich - wie vorliegend - bei dem Saatgut um eines handelt, das aufgrund der Eigenschaften der daraus entstehenden Pflanze ein besonderes Risiko birgt, ein Transgen aus der eigenen Gattung aufzunehmen und über Kreuzungsbrücken in alle Arten der Gattung und verwandte Gattungen hineinzutragen. Die Argumente sind demgegenüber nicht überzeugend, wenn es sich um Saatgut handelt, das dieses hohe Risiko nicht birgt (vgl. VG Stade, Urt. v. 02.09.2004 - 6 A 691/02 -: Mais, der mit Zufalls-GVO besetzt ist, darf jedenfalls an die eigenen Schweine verfüttert werden). Der Besonderheit des jeweiligen Saatguts ist vielmehr im Rahmen der Ermessensausübung Rechnung zu tragen.

Die Kammer folgt der Auffassung, dass es sich hierbei um ein intendiertes Ermessen handelt (so auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20.03.2008 - 3 M 177/07 -, S. 8, n.v.; VG Schwerin, Beschl. v. 26.09.2007 - 7 B 511/07 -, n.v., S. 5 f.; VG Schleswig, Beschl. v. 03.07.2001 - 1 B 35/01 - Juris). Das ergibt sich aus folgender Überlegung. Das Gentechnikgesetz beruht auf dem Prinzip der umfassenden behördlichen Kontrolle des Umgangs mit GVO. Insbesondere das Ermöglichen des Austausches mit nicht gentechnisch veränderten Pflanzen in freier Umgebung steht, wie sich aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1, 1a GenTG ergibt, unter dem Vorbehalt behördlicher Genehmigung. Fehlt eine solche, hat in den Fällen des Freisetzens oder Inverkehrbringens die zuständige Behörde dieses zu unterbinden. Weil Schwellenwerte für Saatgut fehlen, ist das Einbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt zudem grundsätzlich untersagt (§ 26 Abs. 4 Satz 1 GenTG). Angesichts dieses Kontroll- und Eingriffssystems ist eine Entscheidung für eine Vernichtungsanordnung grundsätzlich ermessensfehlerfrei, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte für besondere Umstände des Einzelfalles vor, die ein Abweichen hiervon rechtfertigen.

Nach diesem Maßstab hat die Beklagte ermessensfehlerfrei entschieden. Besondere Umstände, die eine andere als die getroffene Vernichtungsanordnung rechtfertigen, bestehen nicht. Zunächst stellt die Freisetzungsgenehmigung des Robert-Koch-Instituts für Raps der Linie FALCON GS 40/90 vom 02.06.1999 keinen solchen besondere Umstand dar, da sich die Genehmigung auf eine Versuchsanlage bezieht, die besonderen Aufsichts- und Überwachungspflichten unterliegt und damit mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar ist (so auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20.03.2008, a.a.O.). Auch war die Genehmigungsadressatin nach den Nebenbestimmungen zu dem Bescheid zu Maßnahmen verpflichtet, die eine unbeabsichtigte Verbringung gentechnisch veränderter Samen verhindern oder jedenfalls minimieren sollte (Ziff. II.5. des Bescheids). Da auch die positive Stellungnahme des Scientific Committee on Plants - SCP - der EG vom 14.07.1998 (Opinion of the Scientific Committee on Plants - SCP - regarding submission für placing on the market of the Glufosinate tolerant swede rape transformation event GS 40/90 notified by the agrevo company) im Hinblick auf eine Freisetzung auf Versuchsfeldern abgegeben wurde, kann der Kläger auch hieraus keine Rechte ableiten. Im Übrigen weist diese Stellungnahme am Ende auf die noch ungenügende Erkenntnislage zur Verbreitung des Genkonstrukts FALCON GS 40/90 auf wilde Brassica-Arten hin, empfiehlt besondere Vorsichtsmaßnahmen und bittet um Unterrichtung über Beobachtungen und Studien. Schließlich gebieten auch die im vorliegenden Fall gegebenen Umstände, dass nur ein sehr geringer Grad der Verunreinigung an der Nachweisschwelle festgestellt worden ist und es aufgrund der von der F. veranlassten negativen Proben anzunehmen ist, dass das Genkonstrukt FALCON GS 40/90 nicht gleichmäßig in der ausgelieferten Charge verteilt war, kein Absehen von der Vernichtungsanordnung. Der Gesetzgeber hat nämlich bislang für Saatgut keine Schwellenwerte vorgesehen (zu entsprechenden Bemühungen Ostertag, a.a.O., S. 135 ff.). Die Nulltoleranz in diesem Bereich ist als gesetzliche Vorgabe zu respektieren und kann nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass eine geringe Verunreinigung unterhalb der Bestimmungsschwelle einen besonderen Umstand im Rahmen der Ermessensbetätigung bei intendiertem Ermessen darstellen kann.

7. Auch die weiteren Anordnungen unter Ziff. 3 bis 5 des Bescheids vom 17.09.2007 sind auf der Grundlage des § 26 Abs. 1 GenTG rechtmäßig ergangen. Ermessensfehler sind nicht erkennbar.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

IV.

Die Berufung war gem. § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die vorliegende Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, denn mit der Frage, ob eine Verunreinigung eines Produkts mit einem Genkonstrukt nur dann nachgewiesen ist, wenn der einmal getroffene Befund durch die Untersuchung einer weiteren Probe des Produkts ("B-Probe") bestätigt wird, wirft sie eine Rechtsfrage auf, die noch nicht endgültig geklärt ist. Die aufgeworfene Rechtsfrage hat über den vorliegenden Fall hinaus praktische Bedeutung, so dass eine Klärung aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung im allgemeinen Interesse liegt.