VG Braunschweig, Urteil vom 30.09.2008 - 2 A 50/08
Fundstelle
openJur 2012, 47963
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Verfahrenskosten einschließlich deraußergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die fürerstattungsfähig erklärt werden.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil vorläufigvollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung inHöhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht dieBeklagte oder der Beigeladene zuvor Sicherheit in gleicher Höheleistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die von dem Beigeladenen durchgeführten jährlichen Osterfeuer.

In den Jahren 2006 bis 2008 veranstaltete der Beigeladene am Samstag vor Ostern auf einer Freifläche am nordöstlichen Rand der Wohnbebauung von F., einem Stadtteil der Beklagten mit ca. 3.600 Einwohnern, ein Osterfeuer. Hierfür erteilte die Beklagte jeweils eine Ausnahmegenehmigung von dem Verbot offenen Feuers nach ihrer Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vom 03.05.2005.

Die Genehmigungen begrenzten die Menge des Brenngutes (Baum- und Strauchschnitt) auf 15 cbm und enthielten verschiedene Vorgaben, um die von dem Feuer ausgehenden Gefahren zu begrenzen sowie Zu- und Abgang und Parken zu regeln. Das Merkblatt des Landkreises Goslar für die Betreiber von Brauchtumsfeuern wurde jeweils zum Bestandteil der Genehmigung gemacht. Das Einverständnis der Bewohner des G. und des H. war vom Beigeladenen vor Veranstaltungsbeginn einzuholen.

2006 und 2007 kamen zu dem Ereignis ca. 1000 Besucher, 2008 witterungsbedingt lediglich ca. 500 Besucher. Zu den Veranstaltungen wurden ein Bierwagen, ein Getränkestand für Glühwein und alkoholfreie Getränke sowie zwei Stände zum Verkauf von Bratwurst aufgestellt, wofür gaststättenrechtliche Genehmigungen erteilt wurden. In den jeweiligen Anträgen auf Erlaubniserteilung machte der Beigeladene deutlich, dass auch Kindergärten, Elterngruppen der Kindergärten und eine Initiative Gut F. die Veranstaltung unterstützten.

Das Wohngebiet F. ist in den 80er Jahren nach Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 14 der Beklagten "I. " vom 18.11.1982 entstanden. Für den genehmigten Osterfeuer-Standort östlich eines teichartig gestalteten Regenrückhaltebeckens setzt der Bebauungsplan Nr. 110 "J. " der Beklagten vom 11.01.1997 eine öffentliche Grünfläche fest. Die zeichnerischen Festsetzungen enthalten dort zudem den Eintrag "Landschaftsgrün mit Naherholungsfunktion". Südöstlich des Standortes befindet sich ein als Rodelberg zu nutzender Wall, nordöstlich davon liegt ein Bolzplatz mit einem vorgelagerten Lärmschutzwall. Das Areal, das nach den vorliegenden Fotos den Charakter einer Parkanlage aufweist, wird nördlich durch die Kreisstraße K1 und östlich durch die Bundesstraße B 6 begrenzt. Es steht im Eigentum der Beklagten und einer Stiftung K..

Der Kläger wohnt in dem L. und damit in einer Entfernung von ca. 245 m zum Standort des Osterfeuers. Bereits 2006 erhob er Einwände gegen die Veranstaltung. Mit Schreiben u. a. vom 18.06.2007 beschwerte er sich bei der Beklagten über Störungen durch das Osterfeuer 2007.

Nachdem die Beklagte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 06.03.2008 eine Ausnahmegenehmigung für ein Osterfeuer am 22.03.2008 erteilt hatte, wandte sich der Kläger am 13.03.2008 an das Verwaltungsgericht mit der Bitte, die Veranstaltung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu untersagen (2 B 48/08). Nach dem gerichtlichen Hinweis auf die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen den Bescheid vom 06.03.2006 nahm der Kläger den Eilantrag zurück und erhob Klage in der Hauptsache. Die Beklagte ordnete auf Antrag des Beigeladenen mit Verfügung vom 19.03.2008 den Sofortvollzug an. Die Veranstaltung fand statt, ohne dass der Kläger einen weiteren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellte. Im Jahr 2009 soll erneut ein Osterfeuer an dem bisherigen Standort entzündet werden.

Zur Begründung seiner nun als Fortsetzungsfeststellungsklage betriebenen Klage trägt der Kläger im wesentlichen vor, es handele sich nicht um ein traditionelles Brauchtumsfeuer, weil es ein solches weder in dem Stadtteil noch an dem Platz neben dem Regenrückhaltebecken vor 2006 regelmäßig gegeben habe. Zuletzt habe ein Osterfeuer in F. 1988 stattgefunden. Das Aufstellen von Verkaufswagen und -ständen verstoße gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans. Die Fläche an Rückhaltebecken und Rodelberg werde durch das Osterfeuer teilweise dauerhaft seiner Nutzung entzogen, da ein großer Brandfleck das ganze Jahr über sichtbar bleibe.

Der Kläger macht darüber hinaus geltend, in den verkehrsberuhigten Straßen im angrenzenden Wohngebiet parkten die Besucher auch außerhalb der vorgesehenen Parkflächen. Dort - wo auch er lebe - werde alles zugeparkt. Der Parksuchverkehr sei ebenso störend wie die in der Regel nach 22:00 Uhr abfahrenden PKW. Ein Umkreis von ca. 300 - 400 m des "Reinen Wohngebiets" werde unzumutbar durch artfremdes Verkehrsaufkommen belästigt. 2007 seien etwa 100 bis 150 Fahrzeuge gekommen, für die im Wohngebiet in zumutbarer Entfernung vom Osterfeuer nur ca. 30 Parkplätze zur Verfügung stünden.

Bis weit in die Nacht hinein verursache die Veranstaltung zudem ruhestörenden Lärm durch abwandernde Besuchergruppen. Oft gingen diese erst weit nach Mitternacht. 2007 habe er zwischen 23:00 Uhr und 2:30 Uhr vor seinen drei Schlafzimmerfenstern, die nur sechs Meter vom M. entfernt lägen, 12 Gruppen Jugendlicher gezählt, die lärmend vorbeigezogen seien. In seinem Schreiben vom 18.06.2007, auf das er ergänzend verweist, hatte der Kläger erläuternd davon gesprochen, die Jugendlichen hätten drei Mal unter lautem Knall die Laterne ausgetreten, zwei Glasflaschen ("1 x Wodka, 1 x Bier") zertrümmert und unter lautem Gejohle einen Einkaufswagen mit Leergut vorbeigefahren. Der Hauptweg Richtung Südwesten zur N. führe an seinem Haus vorbei. Durch Parken und Besucher werde gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen.

Rauchwolken und Ascheteilchen seien ferner 2006 bei Ostwind direkt in die Wohnbebauung gezogen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die dem Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 06.03.2008 zur Durchführung eines Osterfeuers am 22.03.2008 rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, der Kläger werde nicht in einem subjektiv öffentlichen Recht verletzt. Bis 1996 seien auf dem Gut F. Osterfeuer veranstaltet und regelmäßig von Bewohnern des neu entstandenen Stadtteils F. besucht worden. Danach seien mehrere Versuche die Brauchtumspflege in Form eines Osterfeuers zu erneuern, aus organisatorischen Gründen gescheitert (zuletzt 2003). Es bestehe zweifellos ein Bedarf, dieses Brauchtum zu pflegen, was die beteiligten Organisationen und Einrichtungen sowie die hohe Besucherzahl belegten. Der Standort sei in enger Abstimmung mit verschiedenen Fachbereichen der Beklagten, Polizei und Feuerwehr bestimmt worden. Dabei sei auf die angrenzenden Straßen K 1 und B 6 wie auch auf die Nachbarschaft, gerade im Hinblick auf die meist vorherrschende Windrichtung (West), Rücksicht genommen worden. Eine andere geeignete Fläche stehe nicht zur Verfügung. Die zugelassene Brenngutmenge sei mit 15 cbm geringer als bei anderen Brauchtumsfeuern. Ein Verstoß gegen das öffentliche Baurecht liege mangels fester Verbindung mit dem Erdboden hinsichtlich der Verkaufswagen und -stände nicht vor.

Zur Bewältigung des PKW-Verkehrs zu dem Feuer enthalte die Genehmigung verschiedene Auflagen (u.a. zu Ordnern). Widerrechtliches Parken könne nicht dem Veranstalter zugerechnet werden, wenn es mehrere hundert Meter entfernt im Wohngebiet stattfinde. Das gleiche gelte für Lärm verursachende Fußgänger. Der Kläger könne bei Bedarf die Polizei rufen. In den vergangenen Jahren habe es außer von dem Kläger keine Beanstandungen gegeben.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich der Argumentation des Beklagten angeschlossen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

Gründe

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Das Feststellungsinteresse folgt wegen der Absicht des Beigeladenen, 2009 ein weiteres Osterfeuer an dem Standort Regenrückhaltebecken durchzuführen, aus einer Wiederholungsgefahr (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Die Klage ist allerdings unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Die Genehmigung vom 06.03.2008 zur Durchführung eines Osterfeuers am 22.03.2008 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie war nur im Hinblick auf subjektiv-öffentliche Rechte des Klägers zu überprüfen. Insoweit ist die Genehmigung rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Erlaubnis, die Veranstaltung Osterfeuer durchzuführen, ist § 10 der Verordnung der Beklagten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt Goslar vom 03.05.2005 (Amtsblatt des Landkreises Goslar Nr. 8/2005 v. 26.05.2005 - VO -). Danach kann von dem in § 9 VO statuierten Verbot, offene Feuer außerhalb der dafür vorgesehenen Feuerstellen zu entzünden und zu unterhalten, (vorbehaltlich anderer, hier nicht ersichtlicher Regelungen), eine Ausnahme zugelassen werden, wenn dies im Rahmen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zulässig oder erforderlich ist.

Nicht die gleichzeitig eingeholte gaststättenrechtliche Erlaubnis, sondern die nach dieser Satzung erteilte Genehmigung ist der rechtliche Ansatzpunkt für die von dem Kläger vorgetragene Beschwer. Er beruft sich vorrangig auf in der Vergangenheit eingetretene und deshalb zukünftig zu befürchtende Störungen durch Kraftfahrzeuge, Besucher und Rauch. Nicht nur das Verbrennen von Gartenabfällen, sondern die gesamte Veranstaltung Osterfeuer wurde von der Beklagten auf der Grundlage des § 10 VO genehmigt. Die Ausnahmegenehmigung nach dieser Verordnung bildet die Basis für die Genehmigung der gastronomischen Einrichtungen. Die von dem Kläger beklagten Missstände könnten zudem auch bei einem Osterfeuer mit sich selbst versorgenden Besuchern auftreten. Der klägerische Hinweis auf den Einkaufswagen mit Leergut belegt diese Befürchtung.

Den Kläger schützende immissionsschutzrechtliche Vorschriften werden durch das Osterfeuer nicht verletzt. Bestimmungen, welche eine Beschränkung der Emissionen einer öffentlichen Veranstaltung auf ein für Anwohner zumutbares Maß vorsehen, sind Teil der in § 10 VO als Grenze benannten "öffentlichen Sicherheit". Insofern ist - wie im Baurecht - an den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) anzuknüpfen. Betreiber genehmigungsbedürftiger und nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen müssen schädliche Umwelteinwirkungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG verhindern. Diese werden in § 3 BImSchG definiert als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

26Das Immissionsschutzrecht verlangt also nicht, sämtliche Einwirkungen durch Lärm, Staub, Gerüche etc. zu vermeiden, sondern nur "erhebliche" Nachteile und Belästigungen. Einen geeigneten Maßstab für die Erheblichkeit von Lärm, um den es vorrangig geht, bildet die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm v. 26.8.1998, GMBl. S. 503 = 6. Allg. VV zum BImSchG), die nach der niedersächsischen Freizeitlärm-Richtlinie (Gem.Rd.Erl. v. 808.01.2001, Nds. MBl. 2001, 201) auf Freizeitanlagen mit geringen Abweichungen anzuwenden ist (Ziff. 2.). Freizeitanlagen sind nach Ziff. 1. der Richtlinie auch Grundstücke, Plätze oder Flächen, auf denen im Freien Feuerwerke, Jahrmärkte, Stadteilfeste usw. stattfinden. Zu den damit vergleichbaren Veranstaltungen gehört auch ein öffentlich zugängliches Osterfeuer mit Verkauf von Speisen und Getränken (bloße Gaststätten sind vom Anwendungsbereich ausdrücklich ausgenommen, s. Ziff. 1. a. E.). Die TA Lärm ist eine normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen (Nds. OVG, Beschl. v. 11.07.2008 - 1 ME 120/08 - ).

In der Genehmigung fehlt ein Bezug auf die Immissionsrichtwerte der TA Lärm. Lärmmessungen haben nicht stattgefunden. Das ist angesichts der von dem Kläger vorgetragenen geringen Beeinträchtigungen unschädlich. Neben der TA Lärm gibt es andere Maßstäbe für die Bewertung der Erheblichkeit von Störungen, die seinem Vorbringen gerecht werden.

28Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 26.09.2003 (V ZR 41/03, NJW 2003, 3699) zur Anwendung der LAI-Freizeitlärm-Richtlinie (Länderausschuss für Immissionsschutz, auch LAI-Hinweise, NVwZ 1997, 469) zur Wesentlichkeit von Immissionen nach § 906 BGB Grundsätze entwickelt, auf die im vorliegenden Fall zurückzugreifen ist:

"Volks- und Gemeindefeste, Feiern örtlicher Vereine, traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen gehören zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass sie oftmals in der Nähe zur Wohnbebauung durchgeführt werden müssen und zwangsläufig zu Beeinträchtigungen der Nachbarschaft führen. Da solche Veranstaltungen für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft von großer Bedeutung sein können, dabei auch die Identität dieser Gemeinschaft stärken und für viele Bewohner einen hohen Stellenwert besitzen, werden die mit ihnen verbundenen Geräuschentwicklungen von einem verständigen Durchschnittsmenschen bei Würdigung auch anderer Belange in der Regel in höherem Maß akzeptiert werden als sonstige Immissionen. Das kann bei der Beurteilung, ob eine Lärmentwicklung als wesentlich anzusehen ist, vor allem dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn es sich um ein sehr seltenes Ereignis handelt, das weitgehend das einzige in der Umgebung bleibt. In einem solchen Fall können auch Lärmimmissionen, die die Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten, ausnahmsweise noch unerheblich sein (so auch VGH Kassel, GewArch 1997, 162).

Die kommunale Bedeutung kann einem Ereignis nicht deshalb abgesprochen werden, weil Veranstalter nicht die Gemeinde, sondern ein privater Verein ist. Maßgeblich ist, dass das Ereignis von einem Großteil der Ortsbevölkerung getragen und akzeptiert wird. Unerheblich für die Frage der Wesentlichkeit der Immissionen ist ferner, ob der Nutzung eines Grundstücks als Festplatz eine langjährige Übung zugrunde liegt. Bei der vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung, ob Geräuschimmissionen wesentlich sind, kann zwar dem Traditionscharakter einer Veranstaltung besonderes Gewicht zukommen. Umgekehrt steht der Annahme einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung aber nicht entgegen, dass eine Veranstaltung erst seit kurzer Zeit stattfindet. Andernfalls würden Gemeinden gehindert, eine kommunale Festivität zu begründen, wo Traditionsveranstaltungen fehlen, oder die Abläufe bei Festen zu ändern, die auf eine langjährige Übung zurückgehen. …

31Bei nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltungen von kommunaler Bedeutung können selbst Lärmeinwirkungen unwesentlich sein, welche die für die Abend- und Nachtzeit aufgestellten Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten. Zwar gebührt nach 22:00 Uhr dem Schutz der ungestörten Nachtruhe grundsätzlich der Vorrang vor dem Interesse der Bevölkerung, Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen zu besuchen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 70 - Volksfestlärm). Insbesondere in Krankenhäusern oder sonstigen Kliniken, aber auch dort, wo die Bewohner der Umgebung bereits tagsüber einem höheren Lärmpegel als üblich ausgesetzt sind, ist eine Störung der Nachtruhe meist eine erhebliche Einwirkung auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden und damit eine wesentliche Immission. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Nachtruhe nicht generell geschützt wird. Dort, wo ruhestörende Tätigkeiten zur Nachtzeit durch landesrechtliche Normen ausdrücklich verboten sind, hat der Gesetzgeber zugleich Ausnahmen für den Fall vorgesehen, dass ein Vorhaben im Einzelfall Vorrang vor den schutzwürdigen Belangen Dritter hat (z.B. § 5 LärmVO Hamburg, § 8 LärmVO Berlin). Vorrang kann insbesondere Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen zukommen, wenn sie auf historischen oder kulturellen Umständen beruhen oder sonst von kommunaler Bedeutung sind, und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiegt (vgl. § 9 Abs. 3 LImSchG NW, § 4 abs. 4 LImSchG Rh.-Pf., § 10 Abs. 4 LImSchG Brandenburg).

Eine solche Abwägung widerstreitender Interessen sieht auch das Gaststättengesetz vor….(zu den "erleichterten Voraussetzungen" nach § 12 Abs. 1 GastG)

In welchem Umfang Lärmbeeinträchtigungen von Veranstaltungen mit besonderer historischer, kultureller oder kommunaler Bedeutung noch als unwesentlich angesehen werden können, ist weitgehend eine Frage des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere Bedeutung und Charakter der Veranstaltung, ihr Ablauf, Dauer und Häufigkeit, die Nutzungsart und Zweckbestimmung sowie die Gesamtbelastung des beeinträchtigten Grundstücks während der Veranstaltung und durch andere seltene Störereignisse, ferner die zeitlichen Abstände dieser Ereignisse. Je gewichtiger der Anlass für die Gemeinde oder Stadt ist, desto eher ist der Nachbarschaft zuzumuten, an wenigen Tagen im Jahr Ruhestörungen hinzunehmen…."

Nach dem BGH ist ferner eine über die Zeit nach Mitternacht hinausgehende erhebliche Überschreitung der LAI-Richtwerte in der Regel nicht hinzunehmen. Der zu gewährende Schutz erhöhe sich außerdem, wenn ein anderer, ebenso geeigneter, die Anwohner insgesamt deutlich weniger beeinträchtigender Standort zur Verfügung stehe.

35Die Grundsätze des BGH zur Vermeidung von Immissionen nach § 906 BGB können auf Anfechtungsklagen Dritter sowie den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch übertragen werden (vgl. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 21.06.2007 - 8 K 3694/06 - juris; Ketteler, Die Beurteilung von Geräuschimmissionen bei Freizeitanlagen, DVBl. 2008, 220, 226).

36Danach hat der Kläger die insgesamt geringen Störungen hinzunehmen, weil das öffentliche Interesse an dem Osterfeuer überwiegt. Der Kläger bezieht sich im Wesentlichen auf wegfahrende PKW und zu laute Besucher, jeweils nach 22:00 Uhr. Insoweit sind Störungen angesichts der Lage des Grundstücks O. an dem Hauptzugang zum Gelände am Regenrückhaltebecken, dem P., ohne weiteres nachvollziehbar. Südwestlich vom Osterfeuerplatz im Wohngebiet parkende PKW sowie nach Hause gehende Besucher - auch lärmende Jugendliche - sind der Veranstaltung entgegen der Auffassung des Beklagten zuzurechnen. Störungen auch im Umfeld von einigen hundert Metern gehören zu den typischen Begleiterscheinungen einer öffentlichen Veranstaltung, wenn sie auf Besucher zurückzuführen sind.

Im Rahmen der wertenden Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass das Osterfeuer nur einmal jährlich stattfindet. Immissionen von ähnlichen Veranstaltungen wird der Kläger nicht ausgesetzt. Das Wohngebiet F. ist auch nicht tagsüber einer besonderen Lärmbelästigung ausgesetzt.

Die Veranstaltung Osterfeuer wird neben dem Beigeladenen auch von anderen Einrichtungen wie den Kindergärten in F. unterstützt und - soweit erkennbar - von den Bewohnern des Stadtteils allgemein akzeptiert und befürwortet. Bei Osterfeuern ist von einer ganz überwiegenden Teilnahme nur der Bewohner des benachbarten Wohngebiets auszugehen, denn die Besucher erwarten, dort Nachbarn und Freunde zu treffen. Bei ca. 3.600 Einwohnern in F. nimmt also - günstige Witterung vorausgesetzt - ein beachtlicher Teil der Bevölkerung an der Veranstaltung teil, so dass von einem Fest von kommunaler Bedeutung gesprochen werden kann. Auf die Frage, ob es sich um ein "Brauchtumsfeuer" handelt, kommt es aus den aufgezeigten Gründen nicht an (s. o. BGH). Dem Kläger ist allerdings zuzugeben: Ein auf einer alten Tradition beruhendes Fest ist das Osterfeuer weder an dem heutigen Standort noch überhaupt im Bereich F..

Der Ablauf der Veranstaltung ist nicht geeignet, die Anwohner erheblich zu stören. So steht das Abbrennen des Feuers im Mittelpunkt. Lediglich Getränkestände und ein bescheidenes Speisenangebot (nur Bratwurst) bereichern das örtliche Treffen. Hintergrundmusik wird nach den Angaben des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung in geringer Lautstärke gespielt. Darüber hat sich der Kläger auch nicht beklagt. Das Feuer wird erst nach Einbruch der Dunkelheit gegen 19/20:00 Uhr entzündet und brennt - je nach Windstärke - nur bis gegen 23:00 Uhr. Spätestens dann verlassen die meisten Gäste bereits den Platz.

Beschwerden anderer Anwohner sind der Beklagten und dem Beigeladenen nicht bekannt geworden. Der Kläger berichtet nur von Nachbarn, die - was verständlich ist - den Lärm von Jugendlichen ebenfalls nicht angenehm finden, sich aber nicht ausdrücklich gegen die Veranstaltung als solche wenden.

Ein anderer, ebenso geeigneter Standort stünde nur auf oder nahe dem Gut F. zur Verfügung. Darauf muss sich der Beigeladene als Stadtteilverein angesichts einer an das Wohngebiet angrenzenden, gut geeigneten Fläche, die der Öffentlichkeit allgemein zugänglich ist, nicht verweisen lassen, zumal auch das Gut verlassende Gäste durch die am nördlichen Rand liegenden Straßen nach Hause gehen würden. Am nordwestlichen Rand des Wohngebiets befinden sich im Übrigen nur Ackerflächen (und ein kleiner Teich). Alle anderen, F. umgebenden Flächen bergen das Risiko, bei Westwind die Wohnbebauung in Mitleidenschaft zu ziehen. Nach den o.g. Grundsätzen hat der Kläger zudem auch bei bestehenden Alternativen keinen durchgreifenden Abwehranspruch, sondern nur eine verbesserte Rechtsposition, die hier im Ergebnis ebenfalls nicht zur Annahme erheblicher Störungen im Sinne des § 3 BImSchG führen würde.

Soweit der BGH einschränkt, nach Mitternacht sei wiederum von engeren Voraussetzungen auszugehen, führt auch dieser Umstand hier nicht zu einer anderen Bewertung der Zumutbarkeit des von dem Osterfeuer ausgehenden Lärms. Denn nur wenige Besucher bleiben nach dem Ende der Veranstaltung noch bis nach Mitternacht auf dem Platz. Dass darunter dann auch Jugendliche sind, die sich häufig lauter verhalten, liegt in der Natur der Sache. Das ist bei allen öffentlichen Veranstaltungen dieser Art so und vom Kläger jedenfalls in dem von ihm geschilderten Umfang hinzunehmen. Außerdem schwanken die Besucherzahlen und damit auch die Störungen. 2008 sind Jugendliche nach der Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung schon gegen 23:30 Uhr an seinem Haus vorbei gezogen.

Soweit sich der Kläger gegen falsch parkende Fahrzeuge in der Umgebung seines Wohnhauses wendet, legt er nicht dar, inwiefern er selbst dadurch in irgendeiner Form in der Nutzung seines Grundstücks eingeschränkt ist. Eine nennenswerte Belastung durch Abgase der PKW schildert er ebenso wenig.

Rauch und Ruß stellten zwar 2006 nach seinen Angaben eine reale Belästigung dar, in den beiden vorangegangenen Jahren hingegen nicht. Angesichts der unbestritten vorherrschenden westlichen Windrichtung resultiert daraus für die Zukunft nur eine geringe Immissionsgefahr für das klägerische Grundstück.

Weitere Beanstandungen sind von vornherein nicht geeignet, in Rechte des Klägers einzugreifen (angeblich liegen gebliebenes Schnittgut etc.).

Aus denselben Gründen steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Unterlassung des Osterfeuers gegen die Beklagte aus §§ 1004, 906 BGB analog zu.

Ein baurechtlicher Abwehranspruch wegen planwidriger Nutzung der Fläche am Regenrückhaltebecken besteht bei jährlich nur einmaliger Nutzung entgegen den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht. Zwar kann jeder Grundstückseigentümer in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Wohngebiet verlangen, dass die Festsetzungen des Plans hinsichtlich der Art der Nutzung eingehalten werden (BVerwG, Beschl. v. 02.02.2000 - 4 B 87.99 - NVwZ 2000, 679). Das gilt jedoch nur innerhalb eines festgesetzten Baugebiets im Sinne der BauNVO (§ 1 Abs. 2). Baugebietsübergreifend besteht ein Anspruch auf Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme (Roeser, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Loseblattsammlung, Stand: April 2008, § 30, Rn. 22). Entsprechend kann auch Kläger nur verlangen, dass auf der durch den Bebauungsplan Nr. 110 "J. " festgesetzten "Öffentlichen Grünfläche" keine Nutzung aufgenommen wird, die sich ihm gegenüber als rücksichtslos erweist. Davon kann hier nach den vorstehenden Ausführungen indessen nicht die Rede sein. Selbst wenn man darüber hinaus die Festsetzungen des Bebauungsplans als nachbarschützend auszulegen würde, weil diese beabsichtigen könnten, über den Bolzplatz hinaus eine anders geartete störende Inanspruchnahme des Plangebiets zu verhindern, kann der Kläger das Osterfeuer nicht verhindern, weil er nur in einer verhältnismäßigen und insgesamt hinnehmbaren Weise ein Mal im Jahr gestört wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig erklärt worden.