Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 05.05.2008 - 20 AD 4/07
Fundstelle
openJur 2012, 47512
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Gründe

Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, mit dem er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 59 Abs. 2 NDiszG, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, ist begründet.

Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.4.2008 - 5 LA 200/07 -; BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Allerdings ist dem Verwaltungsgericht zuzustimmen, dass das von dem Kläger mit seinem Prüfling am Tage vor der Prüfung geführte Telefonat, bei dem es u. a. um den Inhalt der Vorbereitung auf die anstehende Prüfung ging, geeignet ist, den "bösen Schein" eines Verstoßes gegen die dem Kläger obliegende Verschwiegenheitspflicht zu erzeugen, und sein vom Verwaltungsgericht dem innerdienstlichen Bereich zugeordnetes Verhalten eine Verletzung der in § 62 Satz 3 NBG normierten Pflicht zur Folge hat. Nach dieser Vorschrift hat sich der Beamte innerhalb und außerhalb des Dienstes in einer der Achtung und dem Vertrauen gerecht werdenden Weise, die sein Beruf erfordert, zu verhalten.

5Gerade die in § 68 Abs. 1 NBG verankerte und für Gymnasiallehrer in Ziffer 5.6 der "Ergänzenden Bestimmungen zur Verordnung über die Abschlüsse in der gymnasialen Oberstufe, im Fachgymnasium, im Abendgymnasium und im Kolleg" - EB-AVO-GOFAK - speziell geregelte Verschwiegenheitspflicht ist zu denjenigen Beamtenpflichten zu zählen, die es in ihrer Eigenschaft mit sich bringen, dass die Beamten im Interesse der öffentlichen Akzeptanz des Verwaltungshandels gehalten sind, bereits den "bösen Schein" einer pflichtwidrigen Amtsführung zu vermeiden (vgl. dazu: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG/BeamtVG, Stand: April 2008, § 54 BBG, Rn. 26 sowie auch BVerwG, Urt. v. 4.4.2001 - BVerwG 1 D 19.00 -, BVerwGE 114, 140 <145>). Auch wenn der Kläger seine Verschwiegenheitspflicht im Rahmen des von ihm geführten Telefonats nicht verletzt hat, stellt sich sein Verhalten wegen der Erweckung eines "bösen Scheins" als dienstpflichtwidrig dar. Das hiergegen gerichtete Zulassungsvorbringen rechtfertigt die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils daher nicht.

Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO bestehen jedoch, soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dass zusammenfassend daraus folgt, "dass der Kläger als erfahrener Lehrer und Prüfer damit bei allem Respekt vor seinem pädagogischen Ansatz und Engagement mehr als Wissen vermitteln zu wollen und bei Schülern Vertrauen aufzubauen und Prüfungsängste zu nehmen über das Ziel hinausgeschossen ist und die Grenze zum pflichtwidrigen Verhalten im engen Zeitfenster vor der Prüfung überschritten hat und dieses auch erkennen musste."

7Demgegenüber hat der Kläger geltend macht, er habe mit dem Anruf das von ihm als wichtig angesehene Ziel verfolgt, Prüfungsangst zu vermeiden, das Selbstbewusstsein des Prüflings mittels menschlicher Zuwendung zu stärken und Mut auch noch unmittelbar vor der Prüfung zuzusprechen, weshalb sein Verhalten nicht nachvollziehbar disziplinarisch begründet werden könne.

In Anbetracht dessen spricht Überwiegendes dafür, dass das Gewicht dieses Motives für den Anruf des Klägers bei der Schülerin - auch wenn das Telefonat am Tag vor der Prüfung in Kenntnis der Prüfungsaufgabe geführt worden ist - dazu führt, dass sich der Verweis im Sinne von § 7 NDiszG bei weiterer Prüfung im Berufungsverfahren als wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der gemäß § 14 Abs. 1 NDiszG bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme zu beachten ist, rechtsfehlerhaft erweisen könnte. Ob ein dienstpflichtwidriges Verhalten disziplinarisch zu ahnden oder gegebenenfalls lediglich vom Dienstherrn im beamtenrechtlichen Sinne durch eine Missbilligung zu rügen ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Der Kläger hat vorgetragen, dass weder die Schulleitung noch Kolleginnen und Kollegen, Eltern und Schüler bisher an seiner Praxis Anstoß genommen hätten. Auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dürfte daher zunächst eine Maßnahme unterhalb des Disziplinarrechts als ausreichend zu erachten sein.

Das Zulassungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen - 20 BD 16/08 - als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 59 Abs. 2 NDiszG, § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO).

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, oder Postfach 2371, 21313 Lüneburg, einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§§ 59 Abs. 2 NDiszG, 124a Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 6 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 4 NDiszG, 152 Abs. 1 VwGO).