SG Osnabrück, Beschluss vom 21.04.2008 - S 16 AY 15/08 ER
Fundstelle
openJur 2012, 47255
  • Rkr:

1. Eine Unterbrechung des Leistungsbezugs nach § 3 AsylbLG führt zu einem Neubeginn des Fristlaufs nach § 2 AsylbLG, wenn die Unterbrechung in Bezug auf die Integration beachtlich ist. Der Anwendungsbereich des § 2 AsylbLG ist insoweit teleologisch zu reduzieren.

2. Eine Unterbrechung ist beachtlich, wenn sich der Ausländer über einen längeren Zeitraum im Ausland aufhält (hier: 29 Monate) und dort Asylanträge stellt. Dass vor dem Verlassen des Bundesgebietes möglicherweise ein Abschiebehindernis anzuerkennen gewesen wäre, steht der Beachtlichkeit nicht entgegen, da es bezüglich der Integrationskomponente auf Verschulden nicht ankommt.

3. Die leistungsrechtliche Privilegierung aus § 2 AsylbLG ist nach der Neufassung dieser Vorschrift vom 28.08.2007 für diejenigen Leistungsempfänger, die vor der Gesetzesänderung bzw. der "Rückstufung" weniger als zwölf Monate im Bezug von Leistungen nach § 2 AsylbLG a. F. standen, weder direkt noch analog anzuwenden.

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

2. Kosten werden nicht erstattet.

3. Den Antragstellern wird für das erstinstanzliche einstweilige Rechtsschutzverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt und Rechtsanwalt F. aus Osnabrück als Prozessbevollmächtigter beigeordnet.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von privilegierten Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Die Antragsteller sind türkische Staatsangehörige. Die Antragsteller zu 2) und zu 3) reisten am 07.05.1993 mit ihrer Mutter in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihr Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) mit Bescheid vom 23.08.1993 abgelehnt (vgl. Bl. 13 der Ausländerakten der Mutter der Antragsteller - im Folgenden AA). Das dagegen angestrengte Verfahren vor dem VG Osnabrück (Az.: 5 A 594/04) blieb ohne Erfolg (vgl. Urteil vom 13.03.1996, Bl. 39 ff. der AA).

Die Antragstellerin zu 1) reise am 17.12.1993 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 05.11.1996 stellten die Eltern der Antragsteller und die Antragsteller zu 1) bis 3) einen Asylfolgeantrag (Bl. 70 ff. der AA). Mit Bescheid vom 07.01.1997 wurde seitens des Bundesamts die Durchführung eines weiteren Verfahrens abgelehnt (vgl. Bl. 74 ff. der AA). Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Az.: 5 B 14/07) blieb ebenso ohne Erfolg (vgl. Bl. 77 ff. der AA), wie das angestrengte Klageverfahren (vgl. Urteil vom 03.06.1997, Az.: 5 A 19/97, Bl. 88 der AA).

Auch der seitens der Antragsteller zu 4) und zu 5) gestellte Asylantrag wurde abgelehnt (vgl. Bescheid vom 02.06.1997, Bl. 23 ff. bzw. 35 ff. der entsprechenden AA). Auch der hiergegen erhobene Rechtsschutz blieb ohne Erfolg (vgl. Urteil vom 18.08.1997, Az.: 5 A 474/07 der jeweiligen AA).

Auch die Asylfolgeanträge vom 02.02.1998 und 21.12.1998 blieben ohne Erfolg (vgl. Bescheid vom 02.03.1998, Bl. 114 ff., Beschluss vom 26.03.1998, Az.: 5 B 111/98 und Urteil vom 15.06.1998, Az.: 5 A 214/08, Bl. 137 ff. einerseits und Bescheid vom 08.01.1999, Bl. 184 ff., Beschluss vom 29.01.1999, Az.: 5 B 15/99, Bl. 192 ff. und Urteil vom 08.03.1999, Az.: 5 A 30/99, Bl. 217 ff der AA andererseits).

Die daraufhin für den 16.03.1999 (vgl. Schreiben vom 25.02.1999, Bl. 199 der AA) geplante Abschiebung ging fehl, da die Antragsteller wahrscheinlich mittlerweile untergetaucht waren (vgl. Vermerk vom 16.03.1999, Bl. 211 der AA).

Am 10.07.2000 beantragten die Antragesteller die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Diesen Antrag wies das Bundesamt mit Beschluss vom 27.07.2000 zurück (Bl. 238 der AA). Daraufhin wurde für den 21.11.2000 eine erneute Abschiebung eingeleitet, die ebenfalls fehlschlug (vgl. Bl. 281 der AA).

Am 09.05.2001 stellte der Antragsteller zu 6) einen Asylerstantrag, der mit Bescheid vom 16.01.2002 zurückgewiesen wurde (vgl. Bl. 23 der entsprechenden AA). Das hiergegen geführte einstweilige Rechtsschutzverfahren blieb ohne Erfolg (vgl. Beschluss vom 31.01.2002, Az.: 5 B 25/02, Bl. 29 der entsprechenden AA).

Eine für den 01.03.2002 geplante Abschiebung blieb ebenfalls ohne Erfolg.

Im Juni 2002 flohen die Antragsteller nach Schweden und stellten hier ebenfalls einen Asylantrag. Das „Swedish Migration Board“ stellte daraufhin beim Bundesamt am 15.11.2002 ein Übernahmeersuchen nach dem Dubliner Übereinkommen, dem mit Schreiben vom 13.01.2003 entsprochen wurde (vgl. Bl. 310 der VA).

Daraufhin sollten die Antragsteller am 22.05.2003 von Schweden nach Deutschland überstellt werden, was ebenfalls an einem Untertauchen (des Ehemanns der Antragsteller) scheiterte (vgl. Bl. 319 der AA).

Daraufhin wurde am 04.11.2004 eine Rücküberstellung der Antragsteller (mit ihrer Mutter, aber ohne ihren weiterhin untergetauchten Vater) durchgeführt (vgl. Bl. 323 der AA).

Seitdem bezogen die Antragsteller wieder Leistungen nach § 3 AsylbLG.

Im Februar 2005 machte die Mutter der Antragsteller im Rahmen eines weiteren Asylfolgeverfahren geltend, sie sei vor der Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland drei Tage lang von der türkischen Polizei misshandelt und geschlagen worden. Mit Bescheid vom 23.05.2005 lehnt das Bundesamt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab (vgl. Bl. 462 der AA). Die dagegen erhobenen Klage blieb ohne Erfolg (Urteil vom 11.07.2005, Az.: 5 A 293/05, Bl. 477 ff. der AA).

Ab dem 01.12.2005 kürzte der Antragsgegner den Antragstellern daraufhin die Leistungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG. Dagegen richteten sich die Widersprüche der Antragsteller vom 16.05.2006 und 16.10.2007.

Mit Schreiben vom 13.10.2006 begehrte die Mutter der Antragsteller die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und berief sich diesbezüglich auf psychischen Probleme, die aus der oben beschriebenen Folter folgten. Diesen Antrag wies das Bundesamt mit Bescheid vom 14.12.2006 zurück (Bl. 580 ff. der AA). Die dagegen eingereichte Klage war erfolgreich, so dass das Bundesamt mit Urteil vom 15.10.2007 (Az.: 5 A 389/06, Bl. 597 ff. der AA) verpflichtet wurde ein Abschiebehindernis festzustellen, was mit Bescheid vom 10.01.2008 umgesetzt wurde (Bl. 624 f. der AA).

Mit Bescheid vom 23.11.2007 gewährte der Antragsgegner den Antragstellern „für die Zeit vom 01.12.2007 bis 31.12.2007“ Leistungen nach § 2 AsylbLG. Mit Bescheid vom 03.12.2007 gewährte der Antragsgegner den Antragstellern erneut für diese Zeit Leistungen nach § 2 AsylbLG. In diesem Bescheid hieß es, dass die Leistungsgewährung „ausschließlich für die Zeit vom 01.12.2007 bis 31.12.2007“ gelte. Für die weitere Leistungsgewährung (ab 01.01.2008) werde ein erneuter Bescheid ergehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2007 (Bl. 957 ff. der LA) half der Antragsgegner den Widersprüchen in der Gestalt ab, dass für den Zeitraum Dezember 2005 bis Mai 2006 und Oktober 20006 bis Oktober 2007 die Kürzung nach § 1a AsylbLG aufgehoben wurde. Im übrigen wurden die Widerspruch zurückgewiesen.

Leistungen nach § 2 AsylbLG könnten die Antragsteller deshalb nicht erhalten, da die zeitlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben seien. Dabei müsse der Leistungsbezug vor dem Aufenthalt in Schweden außer Betracht bleiben, da die Unterbrechung vor dem Hintergrund der dem § 2 AsylbLG innewohnenden Integrationskomponente beachtlich sei.

Dagegen erhoben die Antragsteller am 17.12.2007 Klage (Az.: 16 AY 29/07). Am 14.02.1008 haben sich die Antragsteller mit dem Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz an das erkennende Gericht gewandt.

Ab Januar 2008 hat der Antragsgegner erneut Leistungen nach § 3 AsylbLG gewährt.

Die Antragsteller sind der Ansicht, dass die Zeit vor der Ausreise nach Schweden ebenfalls zur Erfüllung der Frist des § 2 AsylbLG herangezogen werden müsse. Zum einen sei aus dem Gesetz bereits nicht herzuleiten, dass eine Unterbrechung des Aufenthalts in Deutschland den Fristlauf nach § 2 AsylbLG unterbreche, zudem sei diese Flucht nur erfolgt um der Abschiebung zu entgehen, die wegen der posttraumatischen Belastungsstörung der Mutter der Antragsteller nicht möglich gewesen wäre. Die Flucht sei also nur die Folge einer Fehlentscheidung der hiesigen Behörden gewesen. Dementsprechend seien die zeitlichen Voraussetzungen erfüllt.

Die Antragsteller beantragen nach ihrem schriftsätzlichem Vorbringen,

den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen Leistungen entsprechend dem Zwölften Sozialgesetzbuchs nach § 2 AsylbLG zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er hält seine Bescheide für rechtmäßig. Die zeitlichen Voraussetzungen des § 2 AsylbLG seinen nicht erfüllt.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakte, sowie die (asylbewerberleistungsrechtlichen und ausländerrechtlichen) Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Der einstweilige Rechtsschutz richtet sich im vorliegenden Fall nach § 86b. Abs. 2 S. 2 SGG (dazu unter 1). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor (dazu unter 2).

1. Bei den Bescheiden vom 23.11.2007 und 03.12.2007 handelt es sich nicht um Dauerverwaltungsakte, so dass sich eine Leistungspflicht nach § 2 AsylbLG nicht aus einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 28.01.2008 ergeben kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vorliegt, der konkrete Inhalt des Bescheides aus Sicht des Adressaten entscheidend (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2007, Az.: B 9b 1/06 R).

In beiden Bescheiden ist ein konkreter Zeitraum genannt. Zudem ist im zweiten Bescheid (vom 03.12.2007) noch ausgeführt, dass die Leistungsgewährung ausschließlich für den Monat Dezember gelte. In beiden Bescheiden ergibt sich diese Begrenzung zudem auch aus den Berechnungsbögen, die ergänzend zur Auslegung herangezogen werden können (vgl. SG Osnabrück, Beschluss vom 08.01.2008, Az.: 16 AY 24/07). In dem Bescheid vom 03.12.2007 wird zudem konkret auf eine erneute Leistungsgewährung ab Januar 2008 hingewiesen.

2. Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG liegen nicht vor.

Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ebenfalls eine einstweilige Anordnung treffen.

Hierfür bedarf es der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anord-nungsgrundes durch den Antragsteller (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 86 b, Rn. 27 ff.). Der Anordnungsgrund betrifft die Frage der Eilbedürftigkeit oder Dringlichkeit. Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs betrifft demgegenüber die Prüfung der Erfolgsaussichten des geltend gemachten Anspruchs, d.h. der Rechtsanspruch muss mit großer Wahrscheinlichkeit begründet sein und aller Voraussicht auch im Klageverfahren bestätigt werden.

Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch, also einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG, nicht hinrechend glaubhaft machen können. Ein derartiger Anspruch scheitert vorliegend an der Erfüllung des Fristerfordernisses.

Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG n. F. ist das SGB XII abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Frage des Rechtsmissbrauchs ist zwischen den Beteiligten - soweit ersichtlich - nicht streitig. Es fehlt aber an der Erfüllung der Frist des § 2 AsylbLG.

Für die Erfüllung dieser Frist kann die Zeit vor dem Aufenthalt in Schweden nicht herangezogen werden (dazu unter a), zudem ergibt sich eine Fristerfüllung auch nicht aus der Tatsache, dass den Antragstellern für den Monat Dezember bereits Leistungen nach § 2 AsylbLG a. F. gewährt worden waren (dazu unter b).

a) Für die Erfüllung der Frist des § 2 AsylbLG kann die Zeit vor dem Aufenthalt in Schweden nicht herangezogen werden. Die Frist des § 2 AsybLG kann grundsätzlich bei einer beachtlichen Unterbrechung neu beginnen (dazu unter aa); eine solche Beachtlichkeit liegt hier vor (dazu unter bb).

aa) Anhand des Wortlauts des § 2 AsylblG ("insgesamt 48 Monate") ergibt sich zwar, dass eine Unterbrechung des Leistungsbezugs grundsätzlich unschädlich ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.03.2001, Az.: 12 MA 1012/01; so auch: Hohm in: GK-AsylbLG, § 2 Rn. 41). Unterbrechungen des 48-Monatszeitraums des § 2 Abs. 1 AsylbLG führen aber zum erneuten Anlauf der Frist, wenn die Unterbrechung im Hinblick auf die der Vorschrift innewohnende Integrationskomponente beachtlich ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.03.2001, Az.: 12 MA 1012/01, VG Braunschweig, Urteil vom 23.01.2003, Az.. 3 A 60/02; VG Hannover, Beschluss vom 15.06.2004, Az.: 7 B 2809/04; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2007, L 7 AY 5480/06; so auch bereits der Beschluss der erkennenden Kammer vom 27.12.2007, Az.: 16 AY 24/07 ER).

Ob zusätzlich ein Zeitraum von sechs Monaten dieser Unterbrechung zu fordern ist (so Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.03.2001, Az.: 12 MA 1012/01; VG Hannover, Beschluss vom 15.06.2004, Az.: 7 B 2809/04, andere Ansicht: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2007, L 7 AY 5480/06) kann hier dahinstehen, da dieser Zeitraum unstreitig überschritten ist.

Dementsprechend folgt die Kammer nicht der seitens der Antragsteller zitierten Entscheidung des SG Aachen vom 12.10.2007 (Az.: 20 AY 12/07 ER) wonach jegliche Unterbrechung des Fristlaufs unbeachtlich ist, da ein Neubeginn der Frist im Gesetz keine Stütze finde.

Zwar findet sich eine Regelung zu einem Neubeginn der Frist tatsächlich nicht explizit im Wortlaut des § 2 AsybLG, dies ergibt sich jedoch aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Der Anwendungsbereich des § 2 AsybLG ist insoweit teleologisch zu reduzieren. Grund für die leistungsrechtliche Privilegierung nach einer Zeit von 48 Monaten ist in erster Linie, dass es sich bei einem Aufenthalt von über vier Jahren nicht mehr um einen rein vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland handelt, der jedoch Standardfall des Asylbewerberleistungsrechts sein soll (vgl. hierzu Hohm in: GK AsylbLG, § 2, Rn.. 33 in Bezug auf die Bundestagsdrucksache (BT-Drucks.) 13/5008, S. 15, so auch: BT-Drucks. 16/5065, S. 232).

Nach dieser zeitlichen Verfestigung sieht der Gesetzgeber einen Integrationsbedarf, der mit den erhöhten Leistungen ermöglicht werden soll. Zwar ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 28. August 2007 (Art. 6 Abs. 2 Nr. 2, BGBl I 1970 (2007)), dass ein Integrationsbedarf für Hilfsempfänger nach dem AsylbLG grundsätzlich nicht gesehen wird, jedoch macht der Gesetzgeber gerade eine Ausnahme für den Fall der zeitlichen Verfestigung, die nach der Neufassung nun nach vier Jahren gesehen wird (vgl. BT-Drucks. 16/5065, S 232).

Die zeitliche Verfestigung und der damit zusammenhängende Integrationsbedarf kann aber nicht völlig unabhängig von derartigen Unterbrechungen gesehen werden. Bei einer beachtlichen Unterbrechung des Integrationsprozesses in die deutsche Gesellschaft, kann nach einem Ende dieser Unterbrechung nicht wieder an den vorherigen Zustand der bereits eingetretenen Integration angeknüpft werden. Es bedarf also erneut einer zeitlichen Verfestigung des Aufenthalts.

bb) Eine solche beachtliche Unterbrechung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland ist hier gegeben.

Eine Beachtlichkeit wird z.B. angenommen, wenn sich der Ausländer längere Zeit in seinem Heimatland aufgehalten hat oder längere Zeit untergetaucht ist und deshalb „die Vorbereitung der Integration in die deutsche Gesellschaft abgebrochen ist“ (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 23.01.2003; Az.: 3 A 60/02; VG Ansbach, Beschluss vom 11.11.2003, Az.: AN 13 E 03.01779; VG Hannover, Beschluss vom 15.06.2004, Az.: 7 B 2809/04, so ebenfalls für ein Untertauchen in Schweden: SG Hildesheim, Urteil vom 21.08.2007, Az.: S 40 AY 41/05).

Hier haben sich die Antragsteller in der Zeit von Juli 2002 bis November 2004 in Schweden aufgehalten. Hier wurden - nach dem derzeitigen Stand der Akten - auch Asylanträge gestellt. Danach kann der Aufenthalt in Schweden nicht als reines Refugium vor der in Deutschland drohenden Abschiebung gesehen werden, dass die Antragsteller also nur abgewartet haben, bis sich die ausländerrechtliche Lage in Deutschland für sie ändert. Vielmehr wurde die Integration in der Bundesrepublik durch Stellung des Asylantrags in Schweden abgebrochen (vgl. dazu ebenfalls: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2007, L 7 AY 5480/06).

Auch wenn die seitens des VG Osnabrück mit Urteil vom 15.10.2007 festgestellte posttraumatische Belastungsstörung (die zur Feststellung eine Abschiebehindernisses nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führte, Bescheid vom 10.01.2008) bereits in der Zeit von 2002 bis 2004 vorlag (vgl. dazu die vorgelegten Attest des Herrn M. N. und des Herrn D. S.), so lag in der Zeit von 2002 bis 2004 zumindest in tatsächlicher Hinsicht keine Integration in die Deutsche Gesellschaft vor.

Die Antragsteller und Frau G. mussten zudem zwangsweise nach Deutschland zurückgeführt werden. Der Vater der Antragsteller und der älteste Bruder haben sich der Rückführung durch Untertauchen entzogen.

b) Ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass den Antragstellern für den Monat Dezember 2007 bereits Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt wurden.

Die Vorschrift des § 2 AsylbLG n. F., also das Erfordernis des Bezugs von 48 Monaten, findet auf die Antragsteller Anwendung (dazu unter aa). Zwar ergibt sich in Ermangelung einer Übergangsvorschrift wohl grundsätzlich eine planwidrige Regelungslücke, für eine analoge Anwendung des in § 2 AsylbLG privilegierten Leistungsbezuges fehlt es indes an der vergleichbaren Interessenslage (dazu unter bb).

aa) Die Vorschrift des § 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 28. August 2007 (Art. 6 Abs. 2 Nr. 2, BGBl I 1970 (2007)) findet auf die Antragstellerin Anwendung (dazu unter (1)). Ein Verstoß gegen die Verfassung kann hierin nicht gesehen werden (dazu unter (2)).

(1) Mangels einer Übergangsvorschrift gilt die Vorschrift ab dem Tag des Inkrafttretens. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Vorschrift, entgegen ihres Wortlautes, auf den Fall der Antragsteller keine Anwendung finden sollte.

Ein Bestandsschutz können die Antragsteller insoweit nicht geltend machen (so aber explizit: SG Düsseldorf, Beschluss vom 08.11.2007, Az.: 2 AY 36/07 ER; ähnlich: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2007, Az.: L 7 AY 5480/06). Ein solcher Bestandsschutz könnte sich lediglich aus höherrangigem Recht ergeben, da sich aus der einfach gesetzlichen Lage ein solcher gerade nicht ergibt. Zwar kann die fehlende gesetzliche Regelung der Übergangsfälle als Grundlage für eine Analogie herangezogen werden (vgl. dazu: SG Osnabrück, Beschluss vom 18.01.2008, Az.: 16 AY 30/07 ER für den Fall, dass bereits über 12 Monate Leistungen nach § 2 AsylbLG a. F. bezogen wurden), nicht jedoch für einen allgemeinen Bestandsschutz.

(2) Einen Verstoß gegen das Grundgesetz kann die Kammer im vorliegenden Fall nicht feststellen. Das Rückwirkungsverbot aus Art. 20 des Grundgesetztes (GG) steht der gesetzlichen Regelung - und der vorliegenden Auslegung - nach Ansicht der Kammer nicht entgegen.

Dabei ist zunächst in Betracht zu ziehen, dass der Bestandsschutz im Grundgesetz nicht absolut verankert ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann Bürger nicht grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine für ihn günstige gesetzliche Regelung in aller Zukunft bestehen bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.1978, Az.: 2 BvR 71/76). Der verfassungsrechtlich verbürgte Vertrauensschutz gebietet nicht, den von einer bestimmten Rechtslage Begünstigten vor jeder Enttäuschung seiner Erwartung in deren Fortbestand zu bewahren. Anderenfalls würde der eines Ausgleichs bedürftige Widerstreit zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Blick auf den Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung gelöst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.08.2006, Az.: 2 BvR 226/06). Grundsätzlich muss jedes Rechtsgebiet im Rahmen der verfassungsrechtlichen Gegebenheiten zur Disposition des Gesetzgebers stehen.

Im Rahmen der Prüfung, ob der Grundsatz des Vertrauensschutzes betroffen ist, ist zwischen einer sog. echten und einer sog. unechten Rückwirkung zu unterscheiden.

Die getroffene Regelung bewirkt keine sog. „echte“ Rückwirkung, da eine solche nur gegeben sein kann, wenn in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wird, die Rechtsfolge also schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten soll (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.08.2006, Az.: 2 BvR 226/06).

Dies ist vorliegend nicht der Fall, da nicht in den Leistungsbezug vor der Gesetzesänderung eingegriffen wird (ebenso zur AsylbLG-Novelle 1997: Sächsisches OVG, Beschluss vom 18. August 1997, Az.: 2 S 361/97).

Auch von einer zu beanstandenden unechten Rückwirkung kann nicht ausgegangen werden: Die Zulässigkeit einer tatbestandlichen Rückanknüpfung (sog. "unechte" Rückwirkung), bei der die Rechtsfolge an einen vor der Verkündung der Norm liegenden Sachverhalt anknüpft, ist von der Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der Bedeutung des mit der Rückanknüpfung verfolgten gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl abhängig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.08.2006, Az.: 2 BvR 226/06). Ist nach dieser Abwägung das Vertrauen in den Bestand der begünstigenden Regelung nicht generell schutzwürdiger als das öffentliche Interesse an einer Änderung, so ist die Regelung mit der Verfassung vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.05.1985, Az.: 2 BvL 24/82).

Dabei könnte bereits fraglich sein, ob eine solche tatbestandliche Rückanknüpfung überhaupt vorliegt, da für die „Rückstufung“ nicht auf spezielle Zustände in der Vergangenheit zurückgegriffen wird, sondern allgemein an den bisherigen Bezug angeknüpft wird. Auf der anderen Seite wirkt § 2 AsylbLG n. F. in der vorliegenden Auslegung auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft ein und entwertet damit wohl zugleich die betroffenen Rechtspositionen (vgl. zu dieser Definition beispielsweise: BVerfG, Beschluss vom 26.06.1979, Az.: 1 BvL 10/78). Wird dabei die Rückanknüpfung allgemein als gegeben angesehen, wenn eine Norm den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht (so beispielsweise: BVerfG, Beschluss vom 14.05.1986, Az.: 2 BvL 2/83), so ist diese auch im vorliegenden Fall gegeben.

Dies konnte die Kammer aber dahinstehen lassen, da - auch bei Vorliegen einer unechten Rückwirkung - diese zumindest nach den oben genannten Definitionen verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre: Gegen einen Vorrang der Interesses der Leistungsempfänger spricht dabei zum einen, dass die Leistungsempfänger nach der Konzeption des Gesetzes gerade keinen gefestigten Aufenthalt im Bundesgebiet haben (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 18. August 1997, Az.: 2 S 361/97).

Hinzu kommt, dass es sich bei den Leistungen nach dem AsylbLG um Leistungen zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage handelt. Der Bezug richtet sich also stets nach der gerade vorliegenden Situation. Gerade diese Konzeption der Leistungen nach dem AsylbLG spricht entscheidend gegen einen Vertrauensschutz gegen eine tatbestendliche Rückanknüpfung.

bb) Ein Anspruch auf entsprechende Leistungen nach dem SGB XII ergibt sich vorliegend nicht aus einer analogen Anwendung der in § 2 AsylbLG geregelten leistungsrechtlichen Privilegierung.

Zwar bejaht die erkennende Kammer eine solche Analogie für den Fall, dass vor der „Rückstufung“ bereits zwölf Monate Leistungen nach § 2 AsybLG bezogen wurden (vgl. SG Osnabrück, Beschluss vom 18.01.2008, Az.: 16 AY 30/07 ER), dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Im vorliegenden Fall liegt zwischen der Leistungsumstellung auf die Leistungen nach 2 AsylbLG a. F. zum 01.12.2007 und der neuerlichen Umstellung („Rückstufung“) zum 01.01.2008 nur ein Monate des Bezuges von Leistungen nach § 2 AsylbLG.

Die für eine Analogie notwendige planwidrige Regelungslücke liegt zwar auch für diesen Fall wohl vor (vgl. dazu ausführlich: SG Osnabrück, Beschluss vom 18.01.2008, Az.: 16 AY 30/07 ER); dies kann jedoch letztlich dahinstehen, da zumindest keine vergleichbare Interessenslage gegeben ist (vgl. zu dieser Voraussetzungen der Analogie statt vieler: BSG, Urteil vom 27.06.2007, Az.: B 6 KA 24/06 R).

Grund für die leistungsrechtliche Privilegierung ist - wie oben bereits erörtert - in erster Linie, dass ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr von einem rein vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen werden kann (vgl. hierzu: Hohm in: GK AsylbLG, § 2, Rdnr. 33 in Bezug auf die BT-Drucks. 13/5008, S. 15, so auch: BT-Drucks. 16/5065, S. 232).

Mit Änderung des § 2 AsylbLG hat der Gesetzgeber aber den klaren Willen geäußert, dass dies - im Gegensatz zur vorherigen Version des Gesetzes - erst nach vier Jahren der Fall sein soll. Die Interessenlage ist mit der Neuregelung also nur dann vergleichbar, wenn insgesamt schon vier Jahre Leistungen nach dem AsylbLG bezogen wurden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Den Antragstellern war trotz des abweisenden Beschlusses in der Sache selbst Prozesskostenhilfe zu gewähren, da es sich bei der Frage des Neubeginns der Frist nach § 2 AsybLG um eine Rechtsfrage handelt, die noch nicht obergerichtliche geklärt ist. Es bestanden somit hinreichende Aussichten auf Erfolg i.S.d. § 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO.

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