LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.01.2010 - 6 TaBV 39/09
Fundstelle
openJur 2010, 308
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 BV 13 b/09
Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats (Beteiligter zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 06.08.2009 – 3 BV 13 b/09 – wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Tenor wie folgt gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Betriebshof in E., R.-Str. 6, um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit handelt.

Der Widerantrag des Betriebsrats wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Betriebsratsfähigkeit einer Betriebsstätte.

Die Beteiligte zu 3) erhielt im Jahr 2005 die Konzession für den Stadtverkehr in E.. Im selben Jahr gründete sie die Beteiligte zu 1) als 100%-ige Tochtergesellschaft. Gesellschaftszweck ist die Personenbeförderung und die Vermittlung von Beförderungsangeboten. Geschäftsführer der Beteiligten zu 1) sind die Herren S. und F.. Herr F. ist hauptberuflich als Leiter des Finanz- und Rechnungswesens bei der V. AG, der Konzernmutter, beschäftigt. Herr S. ist gleichzeitig Leiter des Betriebshofs E., und zwar auch für die Beteiligten zu 3) und 4).

Die Beteiligte zu 3) hat ihren Sitz in Sch. und beschäftigt ca. 640 Arbeitnehmer. Die Beteiligte zu 4), eine weitere Tochtergesellschaft der Beteiligten zu 3) und das Zeitarbeitsunternehmen H. beschäftigten bis Juli 2009 etwa 270 Arbeitnehmer. Diese Arbeitnehmer haben in der Zwischenzeit Arbeitsverträge mit der Beteiligten zu 3) geschlossen. Bei der Beteiligten zu 1) sind 27 Arbeitnehmer, sämtlich Busfahrer, angestellt.

Der Beteiligte zu 2) ist der von allen wahlberechtigten Arbeitnehmern der Beteiligten zu 1), 3) und 4) im Jahr 2006 gewählte Betriebsrat (Betriebsrat).

Vom Betriebshof E. aus wird mit Fahrzeugen der Beteiligten zu 3) der Stadtverkehr in E. durchgeführt. Außerdem werden dort Reparaturen erledigt. Auf dem Betriebshof E., den es bereits seit 1985 gibt, arbeiten nicht nur die Mitarbeiter der Beteiligten zu 1), sondern auch solche der Beteiligten zu 3), insgesamt etwa 70. Bei den 44 dort tätigen Arbeitnehmern der Beteiligten zu 3) handelt es sich um 34 Busfahrer und 10 Werkstattmitarbeiter. Die Busfahrer der Beteiligten zu 1) fahren von E. aus gelegentlich Dienste der Beteiligten zu 3). Mitarbeiter der Beteiligten zu 3) mit Arbeitsort E. arbeiten bei Bedarf auch von Sch. aus und umgekehrt.

Die räumliche Entfernung zwischen den Betriebstätten in E. und in Sch. beträgt etwa 28 km. Die Fahrzeit mit dem PKW beläuft sich auf ca. 30 Minuten. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln benötigt man für Hin- und Rückfahrt mindestens 143 Minuten.

Die Arbeitnehmer der Beteiligten zu 1) werden unter Beteiligung von Mitarbeitern der Beteiligten zu 3) in Sch. eingestellt. Die Dienstpläne werden ebenfalls durch diese Mitarbeiter erstellt. Sie legen Beginn und Ende der Dienste, die Lage der Pausen und Wendezeiten sowie Ankunft und Abfahrt von an/von den Haltestellen fest. Dagegen werden die konkrete Dienstplaneinteilung (Zuweisung der Dienste an die Fahrtdienstmitarbeiter) und die Urlaubsplanung von E. aus vorgenommen.

Die Beteiligten zu 1), 3) und 4) haben gemeint, bei der Beteiligten zu 1) handele es sich um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit. Der Betriebsteil sei nach Aufgabengebiet und Organisation eigenständig. Zudem sei die Betriebsstätte in E. von der in Sch. räumlich weit entfernt. Für die einfache Fahrt benötige man mit öffentlichen Verkehrsmitteln 97 Minuten.

Die Beteiligten zu 1), 3) und 4) haben beantragt,

festzustellen, dass es sich bei der Beteiligten zu 1) um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit im Sinne des § 18 Abs. 2 BetrVG handelt und folglich die Mitarbeiter der Beteiligen zu 1) berechtigt sind, bei den anstehenden Betriebsratswahlen im Jahre 2010 einen eigenen Betriebsrat zu wählen.

Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen

und widerklagend

festzustellen, dass der Betriebshof in E., R.-Str. 6, keine betriebsratsfähige Organisationseinheit darstellt.

Die Beteiligten zu 1), 3) und 4) haben beantragt,

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den Widerantrag als unzulässig zurückzuweisen.

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Der Betriebsrat hat gemeint, der Betriebshof E. sei ein unselbständiger Teil des Betriebs Sch.. Die beiden Geschäftsführer der Beteiligten zu 1) übten keine Arbeitgeberfunktionen aus. Alle unternehmerischen Belange würden von Sch. aus wahrgenommen werden. Die Beteiligte zu 1) sei nur eine juristische Person und damit nicht betriebsratsfähig. Die räumliche Entfernung von gut 28 km hindere die ordnungsgemäße Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Interessen der Arbeitnehmer der Beteiligten zu 1) von Sch. aus nicht. Die beiden freigestellten Betriebsratsmitglieder könnten regelmäßig Betriebsteilversammlungen in E. durchführen und bei

Bedarf die Betriebsstätte aufsuchen. Öffentlicher Nahverkehr würde von den Arbeitnehmern so gut wie gar nicht benutzt werden.

Das Arbeitsgericht hat nach den Anträgen der Beteiligten zu 1), 3) und 4) erkannt.

Bei der Beteiligten zu 1) handele es sich um einen Betriebsteil, der wegen seiner räumlichen Entfernung zum Hauptbetrieb als selbständiger Betrieb gelte. Das erforderliche Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb in Sch. ei gegeben. Denn die Beteiligte zu 1) verfüge über mindestens 27 eigene Arbeitnehmer sowie zwei Geschäftsführer, die Arbeitgeberfunktionen ausübten. In E. würden Abmahnungen und Kündigungen direkt von der Beteiligten zu 1) ausgesprochen. Außerdem finde dort die Urlaubsplanung und Diensteinteilung statt. Der Betriebsteil E. sei räumlich weit vom Hauptbetrieb in Sch. entfernt. Für die Beurteilung komme es auch auf die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln an, denn es sei nicht sichergestellt, dass jeder Arbeitnehmer der Beteiligten zu 1) jederzeit und dauerhaft einen PKW zur Verfügung habe.

Gegen den ihm am 26.08.2009 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Betriebsrat am 08.09.2009 Beschwerde eingelegt und diese am 23.09.2009 begründet.

Der Betriebsrat rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Beteiligte zu 1) keine betriebsratsfähige Organisationseinheit sei. Als solche komme hier nur der Betriebshof E. in Betracht. Der Betriebsrat behauptet, Mitarbeiter der Beteiligten zu 1) würden auch von Sch. aus tätig. Das belege, dass die beiden Betriebshöfe eine betriebliche Einheit bildeten. Der Betriebshof E. sei nicht betriebsratsfähig. Das Arbeitsgericht habe nicht auf die lange Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln abstellen dürfen, weil sie praktisch keine Rolle spiele. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht den Widerantrag als unzulässig zurückgewiesen. Der betriebsverfassungsrechtliche Status des Betriebshofs E. müsse geklärt werden.

Unter Änderung ihres im ersten Rechtszug gestellten Antrags beantragen die Beteiligten zu 1), 3) und 4):

Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Betriebshof in E., R.-Str. 6, um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit handelt.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 06.08.2009 – 3 BV 13 b/09 – abzuändern und den Antrag der Beteiligten zu 1), 3) und 4) auch in der geänderten Form zurückzuweisen.

Ferner stellt der Betriebsrat den Widerantrag

festzustellen, dass der Betriebshof in E., R.-Str. 6, keine betriebsratsfähige Organisationseinheit darstellt.

Die Beteiligten zu 1), 3) und 4) beantragen,

die Beschwerde und den Widerantrag zurückzuweisen.

Sie sind der Ansicht, der Betriebshof E. sei ein betriebsratsfähiger Betriebsteil. Der Betriebshof sei räumlich weit vom Hauptbetrieb in Sch. entfernt. Nicht entscheidend sei, dass dort in der Vergangenheit kein eigener Betriebsrat gewählt worden sei.

II.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

Die Beschwerde ist unbegründet. Bei dem Betriebshof E. handelt es sich um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit.

I. Der von den Beteiligten zu 1), 3) und 4) in der mündlichen Anhörung vor der Berufungskammer gestellte Feststellungsantrag ist zulässig. Es handelt sich um einen Feststellungsantrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG über die Zuordnung eines Betriebs. Die Antragsänderung in der Beschwerdeinstanz ist zulässig.

1. Die Antragsänderung im Beschwerderechtszug ist zulässig, § 87 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 81 Abs. 3 ArbGG. Der Betriebsrat hat der Antragsänderung im Anhörungstermin zugestimmt.

2. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

a) Nach § 18 Abs. 2 BetrVG kann bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, u. a. jeder beteiligte Arbeitgeber eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts kann außerhalb und ohne Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl herbeigeführt werden. Gegenstand und Ziel des Verfahrens nach § 18 Abs. 2 BetrVG bestehen nicht nur darin, Streitigkeiten über die Zuständigkeit eines gewählten oder noch zu wählenden Betriebsrats oder Meinungsverschiedenheiten über den Umfang von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats, die zum Teil von der Anzahl der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abhängen, zu entscheiden. Das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG dient gerade auch dazu, die Voraussetzungen für eine (künftige) ordnungsgemäße Betriebsratswahl zu schaffen. Die gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG klärt daher eine für die gesamte Betriebsverfassung rundsätzliche Vorfrage, indem sie für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung in der Tatsacheninstanz verbindlich festlegt, welche Organisationseinheit als der Betrieb nzusehen ist, in dem ein Betriebsrat gewählt wird und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann (BAG 07.05.2008 – 7 ABR 15/07NZA 2009, 328; 17.01.2007 - 7 ABR 63/05 -, BAGE 121, 7; 09.04.1991 - 1 AZR 488/90 - BAGE 68, 1). Für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 18 Abs. 2 BetrVG kommt es nicht darauf an, in welchen betrieblichen Organisationseinheiten bereits Betriebsräte gewählt sind.

b) Die Beteiligten zu 1), 3) und 4) haben das erforderliche Interesse an einer Feststellung nach § 18 Abs. 2 BetrVG, weil zwischen den Betriebspartnern streitig ist, ob für mehrere Betriebsratsstätten des Unternehmens ein gemeinsamer Betriebsrat zu wählen ist - so der Betriebsrat - oder ob die Betriebsratsstätte E. neben der in Sch. für sich genommen betriebsratsfähig ist – so die weiteren Beteiligten.

II. Der Antrag ist begründet. Der Betriebshof in E. ist eine betriebsratsfähige Organisationseinheit. Bei dem Betriebshof handelt es sich um einen Betriebsteil, der wegen seiner räumlichen Entfernung vom Hauptbetrieb nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG als selbständiger Betrieb gilt.

1. Die Betriebsstätte in E. ist ein Betriebsteil im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betrieb i. S. d. BetrVG eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden (BAG 29.05.1991 - 7 ABR 54/90 - BAGE 68, 67 ; 19.02.2002 - 1 ABR 26/01 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13; 21.07.2004 - 7 ABR 57/03 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15; 07.05.2008 – 7 ABR 15/07NZA 2009, 328). Ein Betriebsteil ist dagegen auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert, ihm gegenüber aber organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt (BAG 21.07.2004 - 7 ABR 57/03 – a. a. O.; 07.05.2008 – 7 ABR 15/07 – a. a. O.). Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb i. S. v. § 1 BetrVG. Für das Vorliegen eines Betriebsteils i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügt bereits ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG 29.05.1991 - 7 ABR 54/90 - BAGE 68, 67; 20.06.1995 - 7 ABR 59/94 AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 8; 19.02.2002 – 1 ABR 26/01NZA 2002, 1300; 21.07.2004 - 7 ABR 57/03 – a. a. O.; 07.05.2008 – 7 ABR 15/07 – a. a. O.). Die Weisungsrechte müssen sich nicht auf alle mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten beziehen (BAG 19.02.2002 – 1 ABR 26/01NZA 2002, 1300). Unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG gilt ein Betriebsteil als eigenständiger Betrieb. Liegen die oraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG nicht vor, gehört der Betriebsteil betriebsverfassungsrechtlich zum Hauptbetrieb.

b) Die Betriebsstätte E. bildet im Verhältnis zum Hauptbetrieb in Sch. einen Betriebsteil. Der dortige Betriebshof ist ein räumlich und organisatorisch unterscheidbarer Betriebsbereich, der bestimmten Aufgaben zu erfüllen hat, aber in die gesamte Organisation des Hauptbetriebes Sch. eingegliedert ist.

aa) Hauptbetrieb i. S. v. § 4 Abs. 1 BetrVG ist der Betrieb, in dem Leitungsfunktionen des Arbeitgebers für den Betriebsteil wahrgenommen werden. Dies entspricht dem Grundsatz, dass die Mitbestimmung dort ausgeübt werden soll, wo die mitbestimmungsrelevanten unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden (BAG 09.12.1992 - 7 ABR 15/92 – zit. nach JURIS; 07.05.2008 – 7 ABR 15/07 – a. a. O.).

bb) Im Hauptbetrieb in Sch. werden für die Betriebsstätte E. maßgebliche Arbeitgeberentscheidungen in betriebsverfassungsrechtlich relevanten Angelegenheiten getroffen. Die dortige Personalabteilung ist an den Einstellungen für E. beteiligt. Das berührt zentrale Fragen der Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten. In Sch. werden zudem die Dienstpläne erstellt, was die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten betrifft. Folglich ist die Zentrale in Sch. in Bezug auf die Betriebsstätte E. der Hauptbetrieb i. S. v. § 4 Abs. 1 BetrVG.

Der Betriebshof E. ist von der Betriebstätte in Sch. organisatorisch abgrenzbar und zumindest relativ verselbständigt. Denn der Betriebshof E. verfügt mit Herrn S. über einen eigenen Betriebshofleiter. Zudem ist die in E. ansässige Geschäftsführung der Beteiligten zu 1) unstreitig für die Dienstplaneinteilung und die Urlaubsplanung der der Betriebsstätte E. zugeordneten ca. 70 Arbeitnehmer zuständig. Ob vor Ort auch Abmahnungen und Kündigungen ausgesprochen werden, wie das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen festgestellt hat, und was der Betriebsrat nicht angegriffen hat, ist danach nicht entscheidend. Der Annahme, dass es sich bei dem Betriebshof E. um einen Betriebsteil des Hauptbetriebs Sch. handelt, steht nicht entgegen, dass an beiden Standorten der gleiche Betriebszweck verfolgt wird. Denn es ist nicht erforderlich, dass im Betriebsteil ein anderer arbeitstechnischer Zweck als im Hauptbetrieb selbst verfolgt wird. Vielmehr kann der Zweck sogar mit diesem identisch sein (vgl. Richardi, BetrVG 12. Aufl., § 4 Rn. 9).

2. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG liegen vor. In E. beschäftigt allein die Beteiligte zu 1) 27 und damit mehr als fünf wahlberechtigte und drei wählbare Arbeitnehmer. Insgesamt sind in E. ca. 70 Arbeitnehmer tätig. Die Betriebsstätte E. erfüllt daher die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Die Würdigung des Arbeitsgerichts, die Betriebsstätte E. sei räumlich weit von dem Hauptbetrieb in Sch. entfernt, ist nicht zu beanstanden.

a) Betriebsteile sind i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG vom Hauptbetrieb räumlich weit entfernt, wenn wegen dieser Entfernung eine ordnungsgemäße Betreuung

der Belegschaft des Betriebsteils durch einen beim Hauptbetrieb ansässigen Betriebsrat nicht mehr gewährleistet ist (BAG 24.02.1976 - 1 ABR 62/75 - AP BetrVG

1972 § 4 Nr. 2; 17.02.1983 - 6 ABR 64/81 - BAGE 41, 403; 14.01.2004 - 7 ABR 26/03 – a. a. O.; 07.05.2008 – 7 ABR 15/07 – a. a. O.). Der Zweck der Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG besteht darin, den Arbeitnehmern, die in Betriebsteilen beschäftigt sind, eine effektive Vertretung durch einen eigenen Betriebsrat zu ermöglichen, wenn wegen der räumlichen Trennung vom Hauptbetrieb die persönliche Kontaktaufnahme zwischen einem dortigen Betriebsrat und den Arbeitnehmern im Betriebsteil so erschwert ist, dass der Betriebsrat des Hauptbetriebs die Interessen der Arbeitnehmer nicht mit der nötigen Intensität und Sachkunde wahrnehmen kann und sich die Arbeitnehmer nur unter erschwerten Bedingungen an den Betriebsrat wenden können (BAG 21.06.1995 - 2 AZR 783/94 -, a. a. O.; 14.01.2004 - 7 ABR 26/03 -, a. a. O.; 07.05.2008 – 7 ABR 15/07 – a. a. O.) oder Betriebsratsmitglieder, die in dem Betriebsteil beschäftigt sind, nicht kurzfristig zu Sitzungen im Hauptbetrieb gelangen können. Maßgeblich ist sowohl die leichte Erreichbarkeit des Betriebsrats aus Sicht der Arbeitnehmer wie auch umgekehrt die Erreichbarkeit der Arbeitnehmer für den Betriebsrat. Eine Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs allein nach Entfernungskilometern kommt daher nicht in Betracht. Es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller für die Erreichbarkeit des Hauptbetriebs in Betracht kommenden Umstände vorzunehmen (BAG 23.09.1982 - 6 ABR 42/81 - BAGE 40, 163; 14.01.2004 - 7 ABR 26/03 – a. a. O.; 07.05.2008 – 7 ABR 15/07 – a. a. O.).

b) Das Arbeitsgericht hat zu Recht nicht ausschließlich auf die Erreichbarkeit des Hauptbetriebs mit dem PKW abgestellt, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass allen Arbeitnehmern dauerhaft ein PKW zur Verfügung steht, um bei Bedarf kurzfristig den Betriebsrat in Sch. aufsuchen zu können und auch kein Zubringerdienst von E. in die Zentrale in Sch. eingerichtet ist. Der Betriebsrat hat zwar behauptet, die Mitarbeiter würden den öffentlichen Nahverkehr praktisch nicht nutzen. Er ist aber auch im Anhörungstermin dem Vortrag der Beteiligten zu 1), 3) und 4) nicht entgegengetreten, dass sich Mitarbeiter zu Fahrgemeinschaften zusammengeschlossen haben. Das bedeutet, dass nicht jeder Arbeitnehmer mit seinem privaten PKW die Betriebsstätte E. aufsucht. Nicht jeder Mitarbeiter kann daher den Betriebsrat mit dem PKW aufsuchen. Zu bedenken ist auch, dass die Betriebsstätte E. für die Betriebsratsmitglieder in Sch. erreichbar sein muss. Dass alle Betriebsratsmitglieder Busfahrer sind, die mit ihrem PKW zur Arbeit fahren, hat der Betriebsrat nicht behauptet. Das Arbeitsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass es auch auf die Erreichbarkeit der Zentrale mit öffentlichen Verkehrsmitteln ankommt. Der Zeitaufwand für die Fahrt von E. nach Sch. und zurück beträgt mit öffentlichen Verkehrsmitteln mindestens 143 Minuten, nach der Berechnung der Beteiligten zu 1), 3) und 4) sogar 194 Minuten.

Danach ist die ordnungsgemäße Betreuung der Belegschaft in der Betriebsstätte E. durch den Betriebsrat des Hauptbetriebs in Sch. nicht mehr gewährleistet. Die Erreichbarkeit des im Hauptbetrieb in Sch. bestehenden Betriebsrats per Post oder Telefon oder mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel ist für die Beurteilung der Frage unerheblich, ob der Betriebshof E. räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt ist. Denn § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG stellt allein auf die räumliche Entfernung des Betriebsteils vom Hauptbetrieb ab. Dadurch soll eine jederzeitige persönliche Erreichbarkeit des Betriebsrats für die Arbeitnehmer und der Arbeitnehmer für den Betriebsrat gewährleistet werden. Deshalb kommt es entgegen der Auffassung des Betriebsrats auch nicht darauf an, ob für die in E. beschäftigten Arbeitnehmer bei Teilbelegschafts- und Belegschaftsversammlungen die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem Betriebsrat besteht.

c) Nicht entscheidend ist schließlich, dass die in E. beschäftigten Arbeitnehmer in der Vergangenheit stets den Betriebsrat des Hauptbetriebs mit gewählt haben. Das schließt nicht aus, dass die Beteiligten die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nunmehr anders beurteilen.

III. Der Widerantrag des Betriebsrats ist zulässig aber unbegründet.

1. Zwar handelt es sich bei dem Antrag um eine leugnende Feststellungswiderklage, mit der der Betriebsrat die Feststellung des Gegenteils von dem erstrebt, was die Beteiligten zu 1), 3) und 4) festgestellt wissen wollen. Dennoch ist das Rechtsschutzinteresse des Betriebsrats zu bejahen. Aus der Befriedungsfunktion des Beschlussverfahrens folgt, dass jeder Beteiligte unabhängig von den Anträgen der übrigen Beteiligten die Entscheidung über ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis verlangen kann (vgl. BAG 30.06.1981 – 1 ABR 30/79BAGE 35, 352).

2. Der Widerantrag ist unbegründet. Das ergibt sich aus den Ausführungen zum Antrag der Beteiligten zu 1), 3) und 4).

IV. Die Rechtsbeschwerde war gem. §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Die Entscheidung beruht auf den Umständen des Einzelfalls und wirft keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf.