OLG Zweibrücken, Urteil vom 25.02.2010 - 6 UF 39/09
Fundstelle
openJur 2010, 274
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 F 261/06
Tenor

I. Auf die Berufung des Antragstellers und die Anschlussberufung der Antragsgegnerin wird Ziff. 2. des Verbundurteils des Amtsgerichts – Familiengericht – Landau in der Pfalz vom 22. September 2009 geändert:

Es wird festgestellt, dass der Rechtstreit durch den im Sühne- und Erörterungstermin des Senats vom 8. Oktober 2009 geschlossenen Vergleich erledigt ist.

II. Der Antragsteller trägt die weiteren Kosten des Rechtstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten (jetzt noch) um die Beendigung ihres Rechtstreits über den nachehelichen Unterhalt durch den Abschluss eines Prozessvergleiches.

Die am 25. Oktober 1986 geschlossene Ehe der Parteien wurde durch Verbundurteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 2. Februar 2009, im Scheidungsausspruch rechtskräftig seit 16. Juni 2009, geschieden. In der Folgesache betreffend den nachehelichen Unterhalt hat die Antragsgegnerin in erster Instanz Zahlung eines monatlichen Betrages in Höhe von 1.922,15 € einschließlich Altersvorsorgeunterhalt begehrt. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des genannten Verbundurteils verwiesen.

Das Familiengericht hat ihr in Ziff. 2. des genannten Verbundurteils monatlich 509,00 €, davon 102,00 € als Altersvorsorgeunterhalt, befristet bis einschließlich 31. Dezember 2012 zuerkannt. Auf die Gründe des Urteils vom 2. Februar 2009 wird Bezug genommen.

Die Parteien haben gegen dieses Urteil Berufung und Anschlussberufung eingelegt. Der Antragsteller verfolgt seinen erstinstanzlichen Antrag auf Abweisung des Unterhaltsbegehrens weiter. Er hält den Anspruch für verwirkt und greift ihn auch der Höhe nach an. Die Antragsgegnerin macht mit ihrer Anschlussberufung monatliche Beträge von 770,00 € bis September 2009 und 1.000,00 € ab Oktober 2009 geltend und ist der Ansicht, der Unterhaltsanspruch sei nicht zu befristen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat die Sache der Berichterstatterin gemäß § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO zur Vornahme eines Sühne- und Erörterungstermins übertragen. In diesem Termin am 8. Oktober 2009 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, mit dem der Antragsteller sich verpflichtet hat, zur Abgeltung des Anspruchs der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt für die Zeit bis Dezember 2012 einen Betrag von insgesamt 20.200,00 € einschließlich Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen. Außerdem sind die Parteien sich darüber einig, dass für die Zeit ab 1. Januar 2013 ein nachehelicher Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin nicht mehr besteht. Dem Antragsteller blieb vorbehalten den Vergleich zu widerrufen, sofern er den Nachweis erbringt, dass ihm der geschuldete Betrag nicht kreditiert wird.

Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2009, bei Gericht eingegangen am 21. Oktober 2009, hat der Antragsteller den Vergleich fristgemäß widerrufen. Er trägt vor, er habe von seiner Bank zwar am 20. Oktober 2009 und nochmals am 17. November 2009 insgesamt drei Finanzierungsangebote erhalten, jedoch zu unzumutbaren Bedingungen.

Die Antragsgegnerin beantragt nunmehr die Feststellung, dass der Rechtstreit durch den Vergleich vom 8. Oktober 2009 beendet sei.

Der Antragsteller beantragt, den Rechtstreit fortzusetzen und entsprechend seinem ursprünglichen Antrag den Unterhaltsanspruch abzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel des Antragstellers führt ohne inhaltliche Überprüfung des angefochtenen Urteils zu der Feststellung, dass der Rechtstreit durch den Prozessvergleich vom 8. Oktober 2009 beendet ist. Der Prozessvergleich ist wirksam.

Der Prozessvergleich hat nach herrschender Auffassung eine Doppelnatur. Er ist einerseits Rechtsgeschäft des bürgerlichen Rechts gemäß § 779 BGB und andererseits Prozesshandlung (OLG Oldenburg, OLGR 2008, 435 ff m.w.H.). Macht eine Partei die fehlende Rechtsbeständigkeit des Vergleichs geltend, so ist dieser Streit im bisherigen Verfahren fortzuführen, wenn sich der behauptete Grund für die fehlende Wirksamkeit (zumindest auch) auf die Prozessfunktion des Vergleichs auswirkt. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Vergleich widerrufen oder angefochten wird.

1. Der Antragsteller hat den Vergleich zwar innerhalb der ihm im Vergleich nachgelassenen Frist widerrufen. Der Widerruf ist jedoch nicht rechtswirksam, da die im Vergleich vereinbarten Voraussetzungen, unter denen dem Antragsteller ein Widerrufsrecht zustehen sollte, nicht erfüllt sind. Das Recht zum Widerruf sollte dem Antragsteller nach der Vereinbarung der Parteien nur dann zustehen, wenn ihm der Vergleichsbetrag nicht kreditiert wird. Eine solche Vereinbarung ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil Prozesshandlungen – hier der Widerruf – bedingungsfeindlich sind und ihre Wirksamkeit deshalb nicht von einem außerprozessualen Ereignis abhängig gemacht werden darf. Denn mit der genannten Vereinbarung ist nicht der Widerruf als solcher unter eine Bedingung gestellt worden, sondern es wurden lediglich die Voraussetzungen festgelegt, unter welchen ein wirksamer Widerruf (bedingungslos) erklärt werden darf (BGH NJW 1972, 159 ff, zulässige Vereinbarung einer außerprozessualen auflösenden Bedingung für den Prozessvergleich als solchen).

Der Antragsteller hat mehrere Finanzierungsangebote seiner Bank vorgelegt. Der Senat ist nicht der Ansicht, dass die dem Antragsteller unterbreiteten Finanzierungsangebote unzumutbare Bedingungen enthalten.

Zumutbar erscheint vielmehr das Angebot der Volksbank R... vom 17. November 2009 über einen Auszahlungsbetrag von 20.200,00 € zuzüglich Restkreditversicherungsbeitrag für den Todesfall in Höhe von 581,20 €. Dieser Betrag ist bei einer Gesamtlaufzeit von drei Jahren und einem Monat bis 31. Dezember 2012 zuzüglich Zinsen in Höhe von insgesamt 3.435,46 € zurückzuzahlen, so dass sich der Gesamtkreditbetrag auf 24.216,66 € beläuft, die in monatlichen Raten von rund 637,00 € zurückzuzahlen sind. Vergleicht man diese Zahlungsmodalitäten mit dem vom Antragsteller geschuldeten Unterhaltsbetrag, der durch die Vergleichssumme abgegolten wird, dessen Zahlung der Antragsteller sonach erspart, so ist festzustellen, dass eine Unverhältnismäßigkeit nicht vorliegt.

Die Parteien hatten vor Abschluss des Vergleichs nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage und unter Abwägung aller für und gegen die Einwendungen der Parteien zu Grund und Höhe des geschuldeten Unterhaltsanspruchs Einvernehmen darüber erzielt, dass der Antragsgegnerin ein nach-ehelicher Unterhaltsanspruch für die Zeit von Rechtskraft der Scheidung, also dem 16. Juni 2009, bis zum 31. Dezember 2012 in Höhe von monatlich 553,00 € zusteht. Dies ergibt für 43,5 Monate einen Gesamtzahlbetrag von 24.055,50 €. Zum Vergleichsabschluss über den Abgeltungsbetrag kam es, weil beiden Parteien daran gelegen war, die Unterhaltsangelegenheit abschließend zu regeln, um für die Zukunft wirtschaftlich frei disponieren zu können. Die Antragsgegnerin war zur Erreichung dieses Zieles bereit, neben dem errechneten Abzinsungsbetrag zusätzlich auf einen erheblichen Teil ihrer Zahlungsforderung zu verzichten, während der Antragsteller in Kauf nahm, dass er einer Finanzierung des Abfindungsbetrages mit der Folge einer Zinsbelastung bedurfte. Da, wie dargelegt, der letztlich vom Antragsteller bei Annahme des Finanzierungsangebotes seiner Bank zu zahlende Gesamtbetrag nur unwesentlich höher ist als die Addition der geschuldeten monatlichen Unterhaltsbeträge erscheinen die Kreditbedingungen des dem Antragsteller von seiner Bank unterbreiteten Finanzierungsangebotes nicht unzumutbar. Für den zusätzlichen Abschluss und die Finanzierung einer kostenaufwendigen Restkreditversicherung für die Fälle von Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit besteht angesichts des krisensicheren Berufs des Antragstellers mit sozialer Absicherung und der kurzen Laufzeit des Kredits kein anerkennungswürdiges wirtschaftliches Interesse. Damit sind die dem Antragsteller eingeräumten Voraussetzungen für einen Widerruf des Vergleichs nicht erfüllt. Ungeachtet dessen liegt das Risiko für die Konditionen der Finanzierung allein beim Antragsteller.

Der Vergleich ist damit nicht rechtswirksam widerrufen worden.

2. Der Prozessvergleich ist auch nicht durch Anfechtung rückwirkend unwirksam geworden. Dem Antragsteller steht nämlich ein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht zu. Es kann dahinstehen, ob – wie der Antragsteller behauptet – die Antragsgegnerin ihre Vermögenssituation, insbesondere den Kauf eines neuen Autos im Jahr 2008, im Rechtstreit unrichtig oder unvollständig dargestellt hat. Darauf kam es nämlich für die Bemessung des streitgegenständlichen Unterhaltsanspruchs nicht an. Zudem beruht die

– in der mündlichen Verhandlung vor Abschluss des Vergleichs aufgestellte – Behauptung der Antragsgegnerin, sie sei so arm, dass sie nicht einmal einen Steuerberater mit der Anfertigung ihrer Steuererklärungen beauftragen könne, ganz wesentlich auf dem subjektiven Empfinden der Antragsgegnerin, die

– was auch dem Antragsteller während des Zusammenlebens nicht verborgen geblieben sein kann – einen überdurchschnittlichen Lebensstil gewohnt ist und offenbar noch nicht realisiert hat, dass sie ihren Lebensstandard künftig mit wesentlich weniger Mitteln bestreiten muss. Ein arglistiges Verhalten ist darin nicht zu erkennen.

3. Der Prozessvergleich ist damit rechtswirksam zustande gekommen und nicht durch Anfechtung erloschen, so dass sich der Rechtstreit durch den Vergleich erledigt hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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