VG Oldenburg, Urteil vom 03.07.2007 - 1 A 5389/06
Fundstelle
openJur 2012, 46149
  • Rkr:

Im Wahlprüfungsverfahren wird der Rat vor dem Verwaltungsgericht durch den Ratsvorsitzenden vertreten. Ein Landrat darf Wahlwerbung für Mitglieder seiner Partei machen, wenn diese als private Meinungsäußerung erkennbar ist.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist dasUrteil vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl.

Bei der Wahl zum Bürgermeister der Gemeinde Garrel am 10. September 2003 entfielen von 5.671 gültigen Stimmen 2.617 auf den Wahlbewerber B. und 2.612 Stimmen auf den Bewerber K.. Weil keiner der Bewerber mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhalten hatte, war eine Stichwahl zwischen den Bewerbern erforderlich. Der Bewerber B. war von der CDU aufgestellt worden, die für ihn den Wahlkampf auch für die Stichwahl führte. Dazu erschien in dem „Cloppenburger Wochenblatt“ auf der ersten Seite eine kleine Anzeige „Am Sonntag geht es um Garrels Zukunft. Was H. E. dazu meint, lesen Sie auf Seite 7. Eure Stimme für den Bürgermeister der CDU!“ Das Interview mit H. E., dem wiedergewählten Landrat des Landkreises Cloppenburg, erschien als Anzeige auf Seite 7 des Wochenblatts. Wegen des Inhalts wird auf Bl. 16 GA Bezug genommen. In der Presse löste das Interview ein lebhaftes Echo und überwiegende Ablehnung aus, auch weil Herr E. den Gegenkandidaten K. als Leiter einer Übungsfirma bezeichnet habe. Der Bewerber K. ist Geschäftsführer einer gemeinnützigen Gesellschaft, nicht jedoch einer Übungsfirma. Auch die CDU hatte in einem internen Wahlkampfpapier Herrn K. als Leiter einer Übungsfirma bezeichnet und musste dies vor der Stichwahl über Presseerklärungen berichtigen.

Bei der Wahl am 24. September 2006 entfielen von 5.827 gültigen Stimmen 2.939 auf den Bewerber B. und 2.888 auf den Bewerber K.. Damit war der Bewerber B. zum Bürgermeister der Gemeinde Garrel gewählt. Das Wahlergebnis wurde am 28. September 2006 bekannt gemacht.

Am 12. Oktober 2006 hat der Kläger Wahleinspruch sowohl gegen die Wahl vom 10. September als auch gegen die Stichwahl eingelegt. Er rügte, der Landrat E. habe seine Neutralitätspflicht verletzt, als er sich für den Bewerber B. ausgesprochen und den Bewerber K. abqualifiziert habe. Die Werbung für Herrn B. und die Verbreitung unwahrer Tatsachen über die Tätigkeit des Bewerbers K. als Leiter einer Übungsfirma habe in unzulässiger Weise die Wahl beeinflusst. Außerdem sei anzunehmen, dass die CDU Einblick in die Unterlagen der Wahl vom 10. September 2006 gehabt habe, weil nämlich gezielt Nichtwähler angesprochen und zur Wahl des CDU-Kandidaten B. aufgefordert worden seien. Auf Nachfrage erklärte der Kläger, er könne keine Zeugen für die Behauptung der gezielten Ansprache von Nichtwählern beibringen. Die Gerüchte über derartige Vorkommnisse stammten jedoch im Wesentlichen aus dem Wahlbezirk Varrelbusch. Die Wahlvorsteherin in diesem Wahlbezirk führte dazu aus, dass kein Außenstehender während der Wahlen habe Einblick in das Wählerverzeichnis nehmen können. Nach der Wahl sei es im Rathaus verwahrt worden. Der gewählte Bewerber B. erklärte auf Anfrage, dass seine Partei in den Bezirken mit geringer Wahlbeteiligung Hausbesuche gemacht und zur Wahl des CDU-Kandidaten aufgefordert habe. Dabei seien jedoch nicht gezielt Nichtwähler angesprochen worden, sondern man habe straßenweise Wähler aufgesucht. Daneben seien auch Multiplikatoren angesprochen worden.

In seiner Sitzung vom 20. November 2006 beschloss der Beklagte, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Im Bescheid vom 1. Dezember 2006 wurde als Begründung dazu ausgeführt, dass die Wahl durch das Interview von H. E. nicht unzulässig beeinflusst worden sei. Hans E. habe sich weder in seiner Eigenschaft als Landrat für den Bewerber B. eingesetzt noch die Autorität seines Amtes in Anspruch genommen, um für den Kandidaten B. zu werben. Die Behauptung, es seien gezielt Nichtwähler aufgesucht und zur Wahl des CDU-Kandidaten bewegt worden, habe sich nicht belegen lassen.

Am 27. Dezember 2006 hat der Kläger gegen die ablehnende Wahlprüfungsentscheidung Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die Wahl unzulässig durch die Wahlempfehlung des Landrats E. zu Gunsten des Kandidaten B. beeinflusst worden sei. Herr E. habe sich als Landrat und damit als Amtsträger und nicht als Privatmann am Wahlkampf beteiligt. Er habe die Autorität seines Amtes genutzt, um die Vorzüge des Wahlbewerbers B. darzustellen, und gleichzeitig habe er den Bewerber K. disqualifiziert. Das Interview sei in der Zeitung nur sehr unzulänglich als Anzeige erkennbar gewesen, so dass der Leser davon ausgehen müsse, es handele sich um ein redaktionelles Interview mit dem Leiter der Kreisverwaltung. In dem Interview sei der Anschein erweckt worden, der Bewerber K. sei lediglich Leiter einer Übungsfirma und könne deshalb die Verwaltung einer Gemeinde nicht führen. Es sei davon auszugehen, dass bei dem äußerst knappen Wahlausgang die Meinung des Landrates durchaus für einige Wähler ausschlaggebend gewesen sei. Damit sei die Wahlbeeinflussung auch hinreichend wahrscheinlich. Die Gemeindeverwaltung hätte nicht verlangen dürfen, Zeugenaussagen zu der behaupteten gezielten Ansprache von Nichtwählern des ersten Wahlganges vorzulegen.

Der Kläger beantragt,

die Wahlprüfungsentscheidung des Beklagten vom 20. November 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Wahl von Herrn A. B. zum Bürgermeister der Gemeinde Garrel für ungültig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Seiner Ansicht nach hat das Interview die Wahl nicht unzulässig beeinflusst. Herr E. habe seine Neutralitätspflicht nicht verletzt. Auch er habe ein Recht auf Meinungsäußerung im Wahlkampf. Amtsträger seien nicht gehalten, ihre Parteizugehörigkeit und politischen Ansichten zu verbergen. Im übrigen seien Hinweise auf die Amtsstellung vom Interviewer und nicht von Herrn E. gemacht worden. Die Äußerungen zur Qualifikation des Kandidaten B. seien nicht mit der Funktion des Landrats in Verbindung zu bringen. Im Übrigen habe auch der Kandidat K. Wahlkampf durch Veröffentlichung eines Interviews gemacht, das sogar im redaktionellen Teil und nicht als Anzeige erschienen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug auf die Verfahrensakte und auf die Verwaltungsvorgänge genommen.

Gründe

Die Klage gegen die Wahlprüfungsentscheidung des Beklagten vom 20. November 2006 ist gemäß § 49 Abs. 2 Niedersächsisches Kommunalwahlgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2006 (NKWG) zulässig.

Die Klage wird als Verpflichtungsklage mit dem Ziel geführt, nach der gerichtlichen Aufhebung der Wahlprüfungsentscheidung den Beklagten zu veranlassen, die Ungültigkeit der Wahl festzustellen. Damit soll der Beklagte den Verwaltungsakt erlassen, den er bei einer rechtsfehlerfreien Beurteilung des Wahleinspruchs des Klägers nach § 48 Abs. 2 Nr. 2 NKWG hätte erlassen müssen (zum Meinungsstand vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 14. August 2003 - 2 A 4246/01; VG Lüneburg, Urteil vom 17. April 2002, 5 A 181/01; VG Osnabrück, Urteil vom 23. April 2002, 1 A 126/01). Das Gericht kann die Wahl nicht für ungültig erklären. Durch das NKWG ist ausschließlich dem Rat der Gemeinde die Befugnis erteilt worden, die Wahl ganz oder teilweise für ungültig zu erklären. Das Gericht kann zwar auf Anfechtung eine rechtswidrige Wahlprüfungsentscheidung aufheben, hat vom NKWG aber nicht das Recht erhalten, gestaltend auf das Wahlergebnis einzuwirken und seinerseits die Wahl für ungültig zu erklären und damit den Weg für Neuwahlen zu eröffnen.

15Die Klage ist gegen den Rat der Gemeinde zu richten, weil dieser gemäß § 47 NKWG in Verbindung mit § 45 a NKWG über die Gültigkeit der Wahl des Bürgermeisters beschließt. Der Rat wird durch den Ratsvorsitzenden vertreten. Die Vertretung des Rates nach außen durch den Ratsvorsitzenden ist zwar nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, aber auch nicht ausgeschlossen (zum Meinungsstand: VG Osnabrück, Urteil vom 23.04.2002, 1 A 126/01 und Niedersächsisches OVG, Urteil vom 16. März 2005, 10 LC 139/03 äußern sich nicht; Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. Januar 2007 - 10 LC 223/05 geht von Vertretung des Rates durch den Bürgermeister aus). Die gerichtliche Vertretung des Rates im Wahlprüfungsverfahren ist nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Auch wenn in § 44 NGO als Kompetenz des Ratsvorsitzenden lediglich die Sitzungsleitung und die Ordnungsgewalt in den Sitzungen des Rates aufgeführt sind, schließt das nicht aus, in Kommunalverfassungsstreitigkeiten die Vertretung des Rates durch den Ratsvorsitzenden anzunehmen. Eine Vertretung durch den Bürgermeister, der die Gemeinde gem. § 63 Abs. 1 S. 2 NGO nach außen gerichtlich vertritt und gem. § 62 Abs. 1 Nr. 2 NGO die Beschlüsse des Rates durchführt, ist wegen möglicher Interessenkonflikte zwischen Bürgermeister und Rat nicht angebracht und im Verfahren zur Gültigkeit der Bürgermeisterwahl ohnehin nicht möglich. Der Bürgermeister gehört dem Rat zwar gem. § 31 Abs. 1 S. 2 NGO kraft Amtes an. Eine Vertretung des Rates durch ihn ist aber auch wegen seiner Doppelfunktion - einerseits als Organ der Gemeinde, andererseits als Mitglied eines Organs - nicht geeignet, die Organstellung des Rates gegenüber oder neben dem Bürgermeister zum Ausdruck zu bringen. Weil es im Wahleinspruchsverfahren um originäre Rechte und Pflichten des Rates als Gemeindeorgan geht, erscheint es angebracht, den Rat durch eines seiner Mitglieder vertreten zu lassen, das vom Rat gewählt worden ist (so im Ergebnis Niedersächsisches OVG Urt. v. 14.12.2004, 10 LC 100/03; VG Oldenburg, Urteil v. 14.08.2003, 2 A 4246/01).

Die zulässige Klage kann jedoch keinen Erfolg haben. Die Wahlprüfungsentscheidung des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

17Nach § 48 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 und § 45 a NKWG ist die Wahl auf den Wahleinspruch hin für ungültig zu erklären, wenn die Wahl in unzulässiger Weise in ihrem Ergebnis beeinflusst worden ist. Der Kläger behauptet dazu, die Wahl sei durch ein Interview mit dem der CDU angehörenden Landrat des Landkreises Cloppenburg, H. E., unzulässig beeinflusst worden ist, weil der Landrat E. seine amtliche Stellung für eine Wahlempfehlung zugunsten des gewählten Bürgermeisters ausgenutzt habe, der ebenfalls der CDU angehört. Ein Einfluss des Interviews auf die Wahl mag nicht auszuschließen sein und war von der CDU sicherlich beabsichtigt. Wahlwerbung auch unter Einsatz prominenter Parteimitglieder und Amtsträger ist Einflussnahme auf den Wählerwillen, führt jedoch als solche nicht zur Ungültigkeit einer Wahl. Vielmehr ist das Werben um Wählerstimmen wesensbestimmendes Merkmal für eine demokratische Wahl als Auswahl zwischen mehreren Bewerbern. Parteien und ihre Kandidaten sprechen Wähler an und versuchen, sie zu überzeugen. Dazu werden auch prominente Parteimitglieder oder Amtsträger, die einer Partei nahe stehen, im Wahlkampf eingesetzt. Der Überzeugungsarbeit und Werbung durch Einsatz von Medien und Persönlichkeiten im Kommunalwahlkampf sind jedoch verfassungsrechtliche und landesgesetzliche Grenzen gesetzt, deren Überschreitung die Wahl ungültig macht.

Das NKWG enthält keine Definition der unzulässigen Beeinflussung des Wählerwillens. Der Inhalt des Begriffs ist aus dem Zweck des Wahlprüfungsverfahrens zu gewinnen, das dem objektiven Schutz des Wahlrechts dient. Einerseits wird durch die Möglichkeit der Wahlwerbung und der damit beabsichtigten Einflussnahme auf den Wähler das passive Wahlrecht als Wesensmerkmal der Demokratie gestärkt. Andererseits wird durch inhaltliche Begrenzung von Wahlwerbung auch das aktive Wahlrecht, nämlich die freie und ungehinderte Stimmabgabe der Wähler, geschützt. Aus diesem Spannungsverhältnis sind die Grenzen einer unzulässigen Einflussnahme auf den Wählerwillen zu bestimmen, deren Überschreitung eine Wahl ungültig macht.

Ob die Grenzen für Wahlwerbung von Trägern öffentlicher Ämter aus der Neutralitätspflicht von Amtsträgern oder aus dem Demokratieprinzip und der Chancengleichheit herzuleiten sind, ist hier nicht von entscheidender Bedeutung. Verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt ist Art. 20 Abs. 1 und 2 sowie Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG. Nicht zur Anwendung kommt Art. 38 GG, weil diese Vorschrift nur für Bundestagswahlen gilt (Oebbecke, Amtliche Äußerungen im Bürgermeisterwahlkampf, NVwZ 2007 S. 30, 31).

Die Beeinflussung der Wahl ist unzulässig, wenn die Grundsätze der Freiheit oder Gleichheit der Wahl verletzt werden. Organe der Kommunal- oder Kreisverwaltung verstoßen gegen die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl, wenn sie die Wahl in erheblicher Weise beeinflussen. Der Prozess der Willensbildung des Volkes muss staatsfrei und unbeeinflusst von Amtsträgern verlaufen. Aus dem Grundsatz der Freiheit der Wahl und dem Recht der Parteien auf Chancengleichheit wird das Verbot hergeleitet, den Wahlkampf durch eine die Form der Wahlwerbung annehmende Öffentlichkeitsarbeit etwa der Regierung zu beeinflussen. Eine Wahl ist dann ungültig, wenn Träger öffentlicher Gewalt im Vorfeld in erheblichem Maße parteiergreifend auf die Bildung des Wählerwillens einwirken, ohne dass ein Ausgleich etwa mit Mitteln des Wahlwettbewerbs besteht. Außerhalb dieses Bereiches erheblicher Verletzungen der Freiheit und der Gleichheit der Wahl führt das Einwirken von Parteien, einzelnen Wahlbewerbern, gesellschaftlichen Gruppen oder sonstigen Dritten auf die Bildung des Wählerwillens nicht zur Ungültigkeit einer Wahl (BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2001, 2 BvF 1/00, BVerfGE 103, 111).

Die durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gebotene und durch das NKWG geschützte Freiheit der Wahl setzt auch voraus, dass sich der Wähler über Ziele und Verhalten der Wahlbewerber frei von Manipulationen informieren kann. Der Wähler soll vor Beeinflussungen geschützt werden, die geeignet sind, seine Entscheidungsfreiheit trotz des bestehenden Wahlgeheimnisses ernstlich zu beeinträchtigen. Nur wenn Wahlen ohne Verletzung der Integrität der Willensbildung der Wahlbürger erfolgt sind, verleihen sie demokratische Legitimation. Es ist Staats- und auch Kommunalorganen in amtlicher Funktion verwehrt, durch besondere Maßnahmen auf die Willensbildung des Volkes bei Wahlen einzuwirken, um etwa dadurch Herrschaftsmacht in Staatsorganen oder in Organen der Selbstverwaltung zu erhalten oder zu verändern. Deshalb ist es gemeindlichen Organen untersagt, sich in amtlicher Funktion vor Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie als Amtsträger zu unterstützen oder zu bekämpfen. Die Grenzen für die zulässige Betätigung kommunaler Organe im Wahlkampf sind überschritten, wenn diese die Kraft des Amtes gegebenen Einflussmöglichkeiten in einer Weise nutzen, die mit ihrer der Allgemeinheit verpflichtenden Aufgabe unvereinbar ist (BVerwG, Urteil vom 8. April 2003, 8 C 14/02, NVwZ 2003, 983, 985). Damit ist allerdings Wahlkampf von Amtsinhabern als Privatpersonen nicht ausgeschlossen, weil auch sie sich wie andere Wahlbewerber auf die Meinungsfreiheit berufen können.

Solange Hauptverwaltungsbeamte in Gemeinden und Landkreisen von Rat oder Kreistag gewählt wurden, fand in Niedersachsen parteipolitische Einflussnahme in einem Wahlkampf nicht statt. Die Kandidaten für den Rat oder den Kreistag wurden von ihrer Partei und von ihr angehörenden bekannten Persönlichkeiten unterstützt, auch wenn diese Inhaber öffentlicher Ämter waren. Durch die Direktwahl des Bürgermeisters oder des Landrats hat die parteipolitische Bedeutung dieser Wahl erheblich gewonnen, so dass auch hier von Parteien und Persönlichkeiten Einfluss genommen wird, wenn Wahlkampf und Überzeugungsarbeit effektiv geleistet werden soll. Je mehr die Führungspositionen in Gemeinden und Kreisverwaltungen Gegenstand von Wahlen sind, desto mehr wird auch der parteipolitische Einfluss zunehmen, den es nicht zu verhindern, sondern zu begrenzen gilt, soweit Amtsträger sich an Wahlkämpfen beteiligen.

Wenn Amtsinhaber im Wahlkampf von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch machen und sie ihr Amt erkennbar werden lassen, müssen private und amtliche Äußerungen hinreichend sicher unterscheidbar sein (Oebbecke, Amtliche Äußerungen im Bürgermeisterwahlkampf, a.a.O.). Der Einsatz von Amtsträgern im Wahlkampf, die einer Partei angehören oder ihr Amt durch Unterstützung einer Partei erworben haben, ist nicht von vorneherein unzulässig und nicht nur bei Parlamentswahlen üblich. Anderenfalls hätte die Partei, der Regierungsmitglieder oder Amtsträger angehören, erhebliche Wettbewerbsnachteile, wenn ihre besonders bekannten, weil in der Verantwortung stehenden Persönlichkeiten nicht auftreten dürften.

Das Interview in dem Anzeigenblatt vermittelt nicht den offensichtlichen Eindruck, Herr E. wolle seine Stellung als Landrat nutzen, die Wähler zur Wahl des CDU-Kandidaten zu beeinflussen, wenn auch sicherlich seine Bekanntheit und sein Amt die Partei bewogen haben, das Interview mit ihm im Wahlkampf einzusetzen. An ausreichend zahlreichen Stellen wird deutlich gemacht, dass hier ein Parteimitglied seine persönliche Meinung unabhängig von seiner Amtsstellung zum Ausdruck bringt. Sein Amt als Landrat wird zwar deutlich und sollte auch erkennbar werden, jedoch nimmt Herr E. nicht seine Amtsautorität in Anspruch, um für den Kandidaten zu werben. Die angesprochenen Fragen und die Antworten waren für eine Wahlentscheidung von Bedeutung und hatten somit auch Informationswert für den Wähler. Für die Einschätzung des Interviews kommt es nicht so sehr auf Einzelaussagen, sondern vielmehr auf den Gesamteindruck an, der eine hinreichende Trennung zwischen privater parteipolitischer Meinungsäußerung und öffentlichem Amt erlaubt.

Der Einsatz von Amtsträgern kann zulässig sein, solange es Konkurrenten möglich ist, diese Einflussnahme mit den im Wahlkampf zulässigen Mitteln abzuwehren. Die Wahlwerbung durch Einsatz von Persönlichkeiten und Medien trifft auf den vom Gesetz vorausgesetzten mündigen Wähler und eine zumindest teilweise kritische Öffentlichkeit. Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass der Einsatz von Mitteln und Persönlichkeiten die Wahlen anders als geplant sogar negativ beeinflusst, wenn Wähler durch Art und Inhalt des Wahlkampfes eher abgeschreckt als angezogen werden und sich die Aussichten der Partei anders als vorhergesehen durchaus auch verschlechtern können (Hamburgischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 26. November 1998, NVwZ-RR 99 354; BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2001, 2 BvF 1/00, NJW 2001 S. 1048, Rdnr. 90). Diese Reaktion ist auch hier erfolgt. Das Presseecho auf das Interview von Herrn E. war fast ausschließlich negativ. Dadurch wird die Beeinflussung relativiert und hat viel von der beabsichtigten Wirkung verloren.

Auch mit der Rüge, im Interview sei die berufliche Tätigkeit des unterlegenen Wahlbewerbers bewusst falsch dargestellt worden, kann die Wahlanfechtung keinen Erfolg haben. In dem Interview wird der Eindruck erweckt, der unterlegene Kandidat habe keine wirtschaftliche Qualifikation, weil er lediglich Leiter einer Übungsfirma sei. Diese Botschaft des Interviews war auch Inhalt der Wahlstrategie der CDU, wie sie sich aus internen Argumentationshilfen an Parteimitglieder und Freunde ergibt. Der unterlegene Kandidat war jedoch nicht Leiter einer Übungsfirma, sondern einer gemeinnützigen Firma.

Zwar ist im Wahlkampf die Wahrheit als Bedingung für eine freie Wahlentscheidung unentbehrlich, weil sonst der freie und offene Prozess der Meinungs- und Willensbildung beeinträchtigt wird (BVerwG, Urteil vom 8. April 2003, 8 C 14/02, NVwZ 2003, 983). Es führt jedoch nicht jede von Wahlbewerbern oder Wählern missbilligte und möglicherweise auch rechtswidrige Wahlkampfpropaganda zu einer unzulässigen Wahlbeeinflussung. Dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht erschien es gerichtsbekannt, dass es bei der Wahlpropaganda nicht üblich sei, nur die Wahrheit zu sagen. Darauf hätten sich die Wähler auch eingestellt (OVG Lüneburg, Urteil vom 26. November 1957, 2 OVG A 81/057, OVGE12, 898). Eine unzulässige Wahlbeeinflussung durch unwahre Behauptungen ist anzunehmen, wenn der Wähler in bösartiger Weise durch objektive unrichtige Tatsachen und Behauptungen über die für seine Entscheidungen maßgeblichen Verhältnisse getäuscht wird, so dass eine ernsthafte Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit gegeben ist. Da aber derartige exponierte Äußerungen in der Regel nicht unwidersprochen bleiben und sich für die Partei auch als negativ auswirken können, wird die Intensität der Beeinflussung durch den Wahlwettbewerb relativiert. So ist es auch hier geschehen. Die CDU war wegen des negativen Presseechos auf ihren Wahlkampfstil und auch auf die Äußerungen von Herrn E. gezwungen, ihre falschen Behauptungen oder die unterschwellig geäußerte Disqualifizierung zu berichtigen und entsprechende Presseerklärungen abzugeben. Solange missverständlichen oder unrichtigen Äußerungen im Wahlkampf durch entsprechende Gegenmaßnahmen anderer Parteien oder Bewerber begegnet werden kann, sind sie noch nicht geeignet, eine Wahl unzulässig zu beeinflussen.

Der im Verlauf des Verfahrens immer mehr in den Hintergrund getretene Vorwurf, der CDU seien Listen zur Verfügung gestellt worden, aus denen sich die Nichtwähler ergeben hätten, so dass die CDU gezielt Nichtwähler hätte ansprechen können, ist nicht zu belegen. Der Kläger hat diese Behauptung lediglich auf Gerüchte gestützt, die er auch auf Nachfrage nicht weiter hat bestätigen können. Die Gemeindeverwaltung hat bei der Vorbereitung der Wahlprüfungsentscheidung Erkundigungen eingezogen. Danach sind die Wählerverzeichnisse aus dem ersten Wahlgang mit der Kennzeichnung der Stimmabgabe von der zuständigen Wahlvorsteherin des Bezirks Varrelbusch, wo diese Vorkommnisse stattgefunden haben sollen, immer in amtlicher Verwahrung gehalten worden. Die CDU hat sich dazu geäußert, dass keine Listen mit Nichtwählern zur Verfügung gestanden hätten. Man habe aber bis zur Stichwahl den Wahlkampf forciert betrieben und insbesondere die Bauernschaften mit geringer Wahlbeteiligung aufgesucht, um die Nichtwähler zur Stichwahl zu mobilisieren. Dabei seien ganze Straßenzüge und nicht etwa einzelne Häuser aufgesucht worden. Zusätzlich seien direkt Personen aufgesucht worden, die sich in Vereinen und Gruppen engagierten, um dadurch eine Multiplikatorenfunktion zu erreichen. Der Kläger kann seinen Vorwurf nicht weiter spezifizieren, sondern bezieht sich lediglich auf Gerüchte, die ihm zu Ohren gekommen seien. Angesichts der Aktenlage erscheint es schlüssig und glaubhaft, dass die CDU ihren Wahlkampf an der allgemein bekannten Wahlbeteiligung ausgerichtet und insbesondere die Wahlbezirke mit niedrigerer Wahlbeteiligung besonders aufgesucht hat.

Da die Klage keinen Erfolg hat, trägt der Kläger gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des gerichtlichen Verfahrens. Dem steht nicht entgegen, dass die Gemeinde gem. § 50 Abs. 7 und 8 NKWG die Kosten des Wahlprüfungsverfahrens trägt. Das kostenfreie Wahlprüfungsverfahren ist mit Erlass des Bescheides über die Wahlprüfungsentscheidung beendet. Gerichtskosten werden von der im NKWG geregelten Kostenlast nicht berührt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO. Wegen der Bedeutung der Sache wird die Berufung zugelassen.