VG Hamburg, Urteil vom 19.01.2010 - 10 K 2174/08
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis.

Die 62-jährige Klägerin reiste am 14.09.1996 aus dem Iran mit einem Visum für die Schengen-Staaten (Besuchsreise) in das Bundesgebiet ein.

Mit Bescheid vom 20.10.1997, bestandskräftig seit dem 30.01.2001, wurde ihr am 05.03.1997 gestellter Asylantrag abgelehnt.

In der Folgezeit wurde die Klägerin im Bundesgebiet geduldet.

Am 11.10.2001 heiratete sie den als Asylberechtigten anerkannten iranischen Staatsangehörigen A. M., woraufhin ihr am 18.10.2001 erstmals eine Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß § 17 Abs. 1 AuslG a. F. erteilt wurde. Diese wurde in der Folge mehrfach zu dem gleichen Aufenthaltszweck verlängert, letztmalig am 23.12.2003 bis zum 22.12.2005.

Mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek - Familiengericht - vom 04.11.2005 wurde die Ehe mit Herrn M. geschieden.

Am 06.01.2006 verlängerte die Beklagte die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin erstmals nach der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft gemäß § 31 Abs. 1 AufenthG befristet bis zum 05.01.2007. Dabei wies sie die Klägerin darauf hin, dass eine erneute Verlängerung nur in Betracht kommen werde, sofern der Lebensunterhalt der Klägerin gesichert sein werde.

Am 04.01.2007 beantragte die Klägerin erneut die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis und legte einen Bescheid der Hamburger ARGE SGB II vom 01.11.2006 vor, wonach sie vom 01.12.2006 bis zum 31.05.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 797,- € bezog.

Mit Bescheid vom 20.02.2007 lehnte die Beklagte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab, forderte die Klägerin auf, das Bundesgebiet zu verlassen und drohte ihr für den Fall, dass sie nicht bis zum 19.05.2007 ausgereist sein werde, die Abschiebung an.

Zur Begründung machte sie im Wesentlichen geltend, dass der Lebensunterhalt der Klägerin immer noch nicht gesichert sei und keine Gründe, weswegen die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen nicht zu vertreten wäre, ersichtlich seien. Da sie Leistungen nach dem SGB II erhalte, müsse davon ausgegangen werden, dass sie voll erwerbsfähig sei. Aus ihrer Stellungnahme im Rahmen der Anhörung folge, dass sie nicht zur Integration bereit sei. Es sei ihr trotz zehnjährigen Aufenthalts in Deutschland nicht gelungen, die deutsche Sprache so zu erlernen, dass sie am Arbeitsleben teilhaben könne. Eine positive Prognose könne anhand ihres ausländerrechtlichen Werdegangs nicht getroffen werden.

Mit Schreiben vom 05.03.2007 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass sie sich derzeit intensiv um einen Arbeitsplatz bemühe, bislang jedoch erfolglos geblieben sei. Aufgrund ihres Alters habe sie Schwierigkeiten, auf dem Arbeitsmarkt eine Tätigkeit zu finden, die sie in die Lage versetze, vollkommen frei von öffentlichen Leistungen zu leben. Darüber hinaus sei sie gesundheitlich angeschlagen, zum Teil auch altersbedingt eingeschränkt. Im Iran habe sie keine Lebensgrundlage mehr.

Mit Schreiben vom 05.07.2007 teilte die Klägerin mit, nunmehr als Haushaltshilfe auf 400,-- € - Basis geringfügig beschäftigt zu sein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Sie habe keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 S. 2 AufenthG. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor. Der erneuten Verlängerung stehe jedoch die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts entgegen. Auf § 31 Abs. 4 S. 1 AufenthG könne sie sich nicht mehr berufen. Für andere Rechtsgrundlagen sei weder etwas ersichtlich noch vorgetragen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid vom 13.11.2007 Bezug genommen.

Die Klägerin erhob hiergegen Klage (Az. 10 K 4111/07). Auf ihren Antrag ordnete das Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 21.12.2007 (Az. 10 E 4112/07) die aufschiebende Wirkung an, da die Beklagte das ihr nach § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt habe. Nachdem die Beklagte sich daraufhin zu einer erneuten Prüfung des Widerspruchs bereit erklärte, wurde das Klageverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.

Am 14.04.2008 beantragte die Klägerin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Wiederaufgreifen des Verfahrens beschränkt auf § 60 Abs. 7 AufenthG. Das Bundesamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17.04.2008 ab, woraufhin die Klägerin am 22.04.2008, ebenfalls am hiesigen Gericht, Klage erhob (anhängig unter dem Az. 10 A 168/08).

Nach erneuter Sachprüfung lehnte die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2008, zugestellt am 10.07.2008, ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, ein Verlängerungsanspruch ergebe sich nicht aus § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG. Es fehle an der Sicherung des Lebensunterhalts. Es sei nicht vorgetragen worden, dass die Klägerin inzwischen mehr als eine geringfügige Beschäftigung ausübe. Der weiterhin andauernde Bezug öffentlicher Leistungen nach dem SGB II stehe einer positiven Ausübung des in § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG eröffneten Ermessens entgegen. Nach ständiger Verwaltungspraxis sei die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts nur unschädlich, wenn ein atypischer Ausnahmefall vorliege. Dieser werde nach ständiger Verwaltungspraxis nur angenommen, wenn ein Ausländer die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen, die nicht auf Beitragsleistungen beruhten, aufgrund besonderer Umstände nicht zu vertreten habe. Als derartige Umstände würden etwa schwerwiegende Erkrankungen oder Behinderungen, die eine Erwerbsunfähigkeit begründeten oder eine umfassende Betreuung von Kleinkindern oder pflegebedürftigen Angehörigen anerkannt. Solche Umstände lägen hier aber nicht vor, da die von der Klägerin geltend gemachten Einwände nicht in ihrer besonderen Lebenssituation begründet seien, sondern ein Schicksal vieler Personen darstellten. Auch nach den ärztlichen Attesten sei sie nicht erwerbsunfähig.

Aus § 25 Abs. 3 S. 1 AufenthG folge kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis komme auch nicht auf Grundlage von § 25 Abs. 4 S. 1 oder 2 AufenthG in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid vom 08.07.2008 verwiesen.

Am 11.08.2008, einem Montag, hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung macht sie geltend, es sei ihr aufgrund ihres Alters trotz intensiver Bemühungen faktisch unmöglich, auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden. Sie verfüge über keine qualifizierte Berufsausbildung und sei altersbedingt gesundheitlich eingeschränkt. Sie habe Rückenprobleme und sei nicht in der Lage, jede Aushilfstätigkeit auszuüben. Derzeit sei sie in einem Restaurant auf 400,- € - Basis als Küchenhilfe tätig. Ihr Arbeitgeber habe ihr einst Hoffnung auf eine Vollzeitbeschäftigung gemacht, die sich aber bislang nicht erfüllt habe. Sie sei nach wie vor um den Erhalt einer Vollzeitstelle bemüht. In den angefochtenen Bescheiden werde ihre Situation nicht berücksichtigt. Sie leide an einer depressiven Störung und Tinnitus. Nach Einschätzung ihres behandelnden Psychiaters liege ihre Belastbarkeit durch eine Erwerbstätigkeit vorläufig unter drei Stunden pro Tag. Hinzu kämen eine Erkrankung der Wirbelsäule und Gonarthrose in beiden Kniegelenken. Aufgrund ihres Krankheitsbildes sei ihr nach Ansicht ihrer behandelnden Ärztin Dr. xxx keine Vollzeitberufstätigkeit möglich. Zudem leide sie an arterieller Hypertonie bei mittelschwerer linksventrikulärer Hypertrophie.

Seit April 2008 sei sie, nachdem ihr vorheriges Arbeitsverhältnis in einem Restaurant im Februar 2008 beendet worden sei, geringfügig als Haushaltshilfe bei einem Pflegedienst beschäftigt und erhalte neben ihrem monatlichen Verdienst von 400,- € öffentliche Leistungen in Höhe von monatlich 587,-- €. Nachdem das Arbeitsverhältnis zunächst auf ein halbes Jahr befristet gewesen sei, sei es zum 1.10.2008 unbefristet verlängert worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 08.08.2008, 21.10.2008, 10.12.2008, 15.04.2009 und vom 07.05.2009, jeweils nebst Anlagen, Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Bescheide vom 20.02.2007 und 08.07.2008 die Beklagte zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zu verlängern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 08.07.2008 und führt ergänzend an, dass kein Sonderfall im Sinne des 31 Abs. 4 AufenthG vorliege, in welchem von dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts abgesehen werden könne. Da schon kein atypischer Ausnahmefall vorliege, sei das nach § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG eingeräumte Ermessen gar nicht eröffnet. Solange eine Person bei der Arbeitsgemeinschaft SGB II geführt werde, sei sie nicht als erwerbsunfähig eingestuft, sondern auf dem Arbeitsmarkt jedenfalls mehr als drei Stunden täglich vermittelbar. Andernfalls hätte die Erwerbsunfähigkeit durch die Rentenversicherung Nord aufgrund eines zuvor durch den Ärztlichen Dienst der ARGE erstellten Gutachtens und eines entsprechenden Antrags der ARGE bei der Rentenversicherung Nord festgestellt werden müssen. Solange dies nicht geschehen sei, gehe sie nicht von einem atypischen Sonderfall aus.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 14.08.2008 und 29.08.2008 Bezug genommen.

Die Sachakten der Beklagten sind beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf diese sowie die Gerichtsakte aus diesem Verfahren Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO.

Die Klägerin kann die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nach keiner in Betracht kommenden Rechtsgrundlage beanspruchen.

1.

Eine Verlängerung nach § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG scheidet aus.

a. Insoweit sperrt bereits § 10 Abs. 3 S. 1 AufenthG.

Hiernach darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Gemäß § 10 Abs. 3 S. 3 AufenthG gilt dies nur im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht oder wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erfüllt sind.

Der Asylantrag der Klägerin wurde bereits mit Bescheid vom 20.10.1997 abgelehnt, der nach Rücknahme der hiergegen gerichteten Klage am 30.01.2001 bestandskräftig wurde. Da sich § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG im Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes befindet und die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in das Ermessen der Beklagten stellt, ist seine Anwendung auch nicht nach § 10 Abs. 3 S. 3 AufenthG möglich. An dem Ergebnis ändert auch § 10 Abs. 2 AufenthG nichts. Die Sperrwirkung des Absatzes 3 entfaltet sich auch im Falle der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, 61. Aktualisierung Dezember 2008, § 10 Rn. 20; anders wohl Discher in GK-AufenthG, § 10 Rn. 89 und 95).

b. Darüber hinaus ist aber auch der Tatbestand des § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG nicht erfüllt.

Nach § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG nicht vorliegen. Die hiernach mögliche Verlängerung des nach der Entstehung des eigenständigen Aufenthaltsrechts erteilten Aufenthaltstitels richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, zu denen auch § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (i. V. m. § 8 Abs. 1 AufenthG) zählt. Die gesetzliche Regelung dahingehend, dass die Inanspruchnahme von Sozialleistungen der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegensteht, gilt nur für die erstmalige Verlängerung nach § 31 Abs. 4 S. 1 AufenthG. Soweit im Beschluss vom 21.12.2007 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (Az. 10 E 4111/07) zur Anwendbarkeit des § 5 AufenthG im Rahmen des § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG eine andere Rechtsauffassung vertreten wurde, hält die Kammer an dieser nicht fest (vgl. zur jetzigen Rechtsauffassung bereits VG Hamburg, Beschl. v. 01.02.2007, 10 E 4110/06, Juris; ebenso: VGH München, Beschl. v. 18.06.2008, 19 CS 08.322, Juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 08.02.2007, 4 ME 49/07, Juris; OVG Berlin, Beschl. v. 03.03.2005, 8 S 8/05, Juris; vgl. auch die Gesetzesbegründung zu § 34 Abs. 4 AufenthG in BT-Drs. 15/420 S. 83; sh. auch Ziffer 31.4.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz, VV-AufenthG, vom 26.10.2009, veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt vom 26.10.2009, S. 878 ff.).

aa. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist, was nach § 2 Abs. 3 S. 1 AufenthG nur der Fall ist, wenn der betreffende Ausländer diesen einschließlich eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Sie bezieht öffentliche Leistungen nach dem SGB II, die nicht zu den nach § 2 Abs. 3 S. 2 AufenthG außer Betracht zu lassenden, auf Beitragsleistungen beruhenden, öffentlichen Mitteln zählen.

bb. Es liegt auch kein atypischer Sonderfall vor, der ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangte. Ein Ausnahmefall von der regelmäßig zu erfüllenden Voraussetzung der Unterhaltssicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG liegt vor, wenn entweder besondere, atypische Umstände vorliegen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen oder wenn die Erteilung des Aufenthaltstitels aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten ist, z.B. weil die Herstellung der Familieneinheit im Herkunftsland nicht möglich ist. Ausnahmen von der Regel sind grundsätzlich eng auszulegen (BVerwG, Urt. v. 30.04.2009, 1 C 3/08, Juris).

Soweit die Klägerin geltend macht, dass es ihr aufgrund ihres Alters schwer falle, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden, handelt es sich um ein vielfach vorkommendes Problem, dass schon keine Atypik begründen kann, da jeder ältere Arbeitnehmer hiermit zu kämpfen hat. Erst Recht kann aus diesem Umstand nicht gefolgert werden, dass das Bestehen auf der Sicherung des Lebensunterhalts grob unverhältnismäßig oder untunlich wäre. Andernfalls wäre jedem älteren Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG eine Aufenthalterlaubnis zu erteilen, soweit die übrigen Voraussetzungen vorlägen.

Gleiches gilt für die mangelnde berufliche Qualifikation der Klägerin. Hierbei handelt es sich um eine insbesondere bei älteren Frauen oft anzutreffende Situation, die auch in Zusammenschau mit dem Alter der Klägerin keinen atypischen Sonderfall zu begründen vermag. Im Übrigen führte die fehlende Ausbildung der Klägerin im konkreten Fall schon deshalb nicht zur Unzumutbarkeit der eigenen Sicherung des Lebensunterhalts, weil sie nicht kausal für deren Fehlen ist. Schließlich fand die Klägerin in der Vergangenheit bereits mehrfach Beschäftigungen als Haushalts- bzw. Küchenhilfe.

Dass die Klägerin aufgrund ihrer dauerhaften Erkrankungen möglicherweise keine ihren Lebensunterhalt sichernde Beschäftigung finden kann, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme eines Ausnahmefalls (vgl. auch VG Hamburg, Beschl. v. 01.02.2007, a. a. O. und OVG Berlin, Beschl. v. 03.03.2005, a. a. O.). Soweit die Klägerin behauptet, die ihr zumutbare Arbeitsbelastung mit der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung auf 400,-- € - Basis bereits ausgeschöpft zu haben und aufgrund ihrer Erkrankungen darüber hinausgehend nicht erwerbsfähig zu sein, ist diese Behauptung widersprüchlich und nicht substantiiert. Die Behauptung widerspricht dem Vorbringen in der Klagebegründung, wonach die Klägerin hoffte, dass ihr damaliger Arbeitgeber sie künftig mehr als nur geringfügig beschäftigen werde. Weiter führte sie aus, nach wie vor darum bemüht zu sein, eine Vollzeitbeschäftigung zu finden. Zum Anderen rechtfertigen die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste über ihre Erkrankungen nicht den Schluss, sie sei tatsächlich erwerbsunfähig. Insbesondere unterließ es die Klägerin, eine diesbezügliche Feststellung durch den Träger der Rentenversicherung durchführen zu lassen bzw. anzuregen, obwohl die Beklagte sie bereits vor über einem Jahr (vgl. Schreiben v. 29.08.2008) auf diese Möglichkeit hinwies. Aus dem Inhalt der vorliegenden Atteste ergibt sich nicht zur Überzeugung des Gerichts, dass der Klägerin die Sicherung ihres Lebensunterhalts aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar oder gar unmöglich wäre. Die aktuellsten Atteste (Dr. xxx v. 03.04.2009; Dr. xxx v. 30.04.2009) sind diesbezüglich unergiebig. Die ärztliche Stellungnahme des Dr. xxx enthält keine Aussagen zur körperlichen Belastbarkeit der Klägerin. Dr. xxx führt in ihrem Attest stichpunktartig acht Krankheiten auf und stellt abschließend fest, dass die Klägerin zurzeit nicht reisefähig sei. Angesichts dieser Oberflächlichkeit kann hierin keine fundierte Einschätzung zu der Frage, ob und in welchem Umfang die Klägerin erwerbsfähig ist, erblickt werden. Auch der Inhalt der älteren Atteste (Dr. xxx v. 07.04.2008; Dr. xxx v. 19.02.2008) führt zu keiner anderen Beurteilung, da auch hiernach nicht von der Erwerbsunfähigkeit der Klägerin auszugehen ist.

2.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG scheidet aus, da die Klägerin sich am 01.07.2007 nicht wie vorausgesetzt seit mindestens acht Jahren „ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat“.

Die Klägerin hielt sich nur von März 1997 bis Oktober 2001 „gestattet“, danach aber seit Oktober 2001 mit einer Aufenthaltserlaubnis aus „familiären“ Gründen (§ 17 AuslG a. F. und § 31 AufenthG) im Bundesgebiet auf, so dass die gesetzlichen Voraussetzungen schon nach dem Wortlaut nicht erfüllt sind.

Es kann dahinstehen, ob Aufenthaltszeiten, in denen ein Ausländer im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen war, entgegen dem Gesetzeswortlaut im Rahmen des § 104a Abs. 1 S. 1 AufenthG zumindest dann anzurechnen sind, wenn der Betroffene im maßgeblichen Zeitraum zugleich die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erfüllte (vgl. so Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, Handkommentar, 1. Auflage 2008, § 104a Rn. 8) oder während des Innehabens einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen ein paralleler Duldungsanspruch (§ 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG) bestand (so Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 104a Rn. 11). Denn der Klägerin hätte anstelle der Aufenthaltserlaubnis nach § 17 AuslG a. F. am 18.12.2001 keine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt werden können, da das Bundesamt mit seit dem 30.01.2001 bestandskräftigen Bescheid vom 20.10.1997 festgestellt hatte, dass weder die Voraussetzungen des Art. 16a GG noch die des § 60 AufenthG erfüllt waren; auch ist nicht ersichtlich, dass die Abschiebung der Klägerin bei Hinwegdenken der damals bestehenden Ehe mit Herrn A. M. unmöglich gewesen wäre.

Zwar mag auf den ersten Blick ein Wertungswiderspruch bestehen, soweit „bessere“ Aufenthaltstitel im Rahmen des § 104a Abs. 1 S. 1 AufenthG unberücksichtigt bleiben, angesichts des klaren Gesetzeswortlauts ist aber keine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf sonstige Aufenthaltstitel – wie § 31 AufenthG – angezeigt. Sinn und Zweck der Regelung in § 104a AufenthG ist es nicht, im Sinne einer Auffangregelung allen hier integrierten (was die Klägerin ohnehin nicht ist) Ausländern den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Vielmehr handelt es sich um eine Bleiberechtsregelung nur für die begrenzte Gruppe ausreisepflichtiger und geduldeter oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen versehener, aber gleichwohl integrierter Ausländer, die deren Bedürfnis nach einer dauerhaften Perspektive in Deutschland Rechnung trägt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 21.02.2008, 3 Bs 204/07 im Zusammenhang mit § 16 AufenthG).

Darüber hinaus fehlt es wiederum an der Sicherung des Lebensunterhalts, § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Gründe, aus denen nach § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG von dem Erfordernis abgesehen werden könnte, sind nicht ersichtlich.

3.

Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 AufenthG aufgrund des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG ist kein Raum, nachdem das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin ablehnte (§ 42 AsylVfG).

4.

Die Klägerin kann auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen eines unverschuldeten dauerhaften Ausreisehindernisses beanspruchen.

Sie hat nicht substantiiert dargelegt, dass ihre Ausreise aus rechtlichen (a.) oder aus tatsächlichen (b.) Gründen unmöglich wäre. Im Übrigen besteht kein Grund, von der Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG abzusehen (c.).

a. Eventuelle zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote können an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden (§ 42 AsylVfG, s. o.).

Die Klägerin ist keine faktische Inländerin, so dass Art. 8 Abs. 1 EMRK ihrer Ausreise nicht entgegen steht. Zwar hält sie sich seit über 13 Jahren im Bundesgebiet auf, jedoch ist sie weder wirtschaftlich noch sozial integriert. Ihren Lebensunterhalt sicherte sie zu keinem Zeitpunkt selbst. Noch mit Schreiben vom 08.01.2007 teilte sie der Beklagten mit, aufgrund ihrer schlechten Deutschkenntnisse bis Februar 2006 einen Integrationskurs besucht zu haben. Die Klägerin ist auch nicht von ihrem Heimatland entwurzelt. Sie verbrachte 49 Jahre ihres Lebens im Iran. Dort leben ihre Söhne, so dass nicht entgegen steht, dass aus ihrer eigenen Generation angeblich niemand mehr dort verblieben ist.

Auch Art. 6 GG steht der Ausreise vor diesem Hintergrund nicht entgegen. Die Klägerin ist nach Aktenlage alleinstehend. Zu ihrer in Hamburg lebenden Schwester pflegt sie nach eigenen Angaben keinen Kontakt. Ihre engsten Angehörigen, nämlich ihre Kinder, leben im Iran.

Die aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG folgende staatliche Schutzpflicht steht einer Ausreise der Klägerin ebenso wenig aus Rechtsgründen entgegen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, ihm Iran auf sich gestellt zu sein, keine Rentenansprüche und damit keine Lebensgrundlage zu haben, zielt dies auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ab, das aber wegen § 42 AsylVfG im hiesigen Verfahren nicht berücksichtigt werden kann.

Soweit die Klägerin mit der Vorlage des letzten Attests ihres Psychiaters Dr. xxx geltend macht, eine vertrauensvolle besondere Beziehung zu diesem aufgebaut zu haben, führt dies nicht zur Anerkennung eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses. Es ist unglaubhaft, dass die Klägerin ohne die Behandlung gerade dieses Arztes einer erheblichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt wäre. Vielmehr kann sie ebenso im Iran durch entsprechende Ärzte betreut werden.

Im Übrigen ist Dr. xxx Psychiater und behandelt die Klägerin vorwiegend medikamentös. Soweit ausweislich des ärztlichen Attests vom 03.04.2009 „daneben … therapeutische akzentuierte Gespräche vorwiegend stützenden Charakters zur Anwendung“ kommen sollen, fehlen sowohl Angaben über die Häufigkeit dieser Gespräche, als auch über die konkret zu erwartenden Folgen für den Gesundheitszustand der Klägerin im Fall des Abbruchs derselben.

b. Tatsächliche Hindernisse stehen der Ausreise ebenfalls nicht entgegen.

Soweit die Klägerin ausweislich des Attests Dr. xxx vom 30.04.2009 „derzeit nicht reisefähig“ sein soll, ist dies nicht substantiiert begründet worden und nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen auch nicht der Fall. Die Klägerin ist in der Lage, als Küchenhilfe zu arbeiten, so dass nicht nachvollzogen werden kann, weshalb sie außer Stande sein sollte, eine Flugreise zu absolvieren.

c. Im Übrigen fehlt es wiederum an der - auch im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG erforderlichen - Sicherung des Lebensunterhalts (s. o.).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.