AG Gifhorn, Beschluss vom 11.04.2007 - 36 IK 51/05
Fundstelle
openJur 2012, 45693
  • Rkr:
Tenor

Die beantragte Restschuldbefreiung wird versagt.

Die Schuldnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Die Schuldnerin hat am 02.02.2005 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragt. Zugleich hat sie die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt.

In dem ihrem Antrag als Gläubigerverzeichnis beigefügten Verzeichnis (Bl. 18 d.A.) hatte die Schuldnerin insgesamt fünf Gläubiger (A. A., P.Bank, B. Bausparkasse, S.Kasse G., W. Landhandel), als Gesamtverbindlichkeiten einen Betrag in Höhe von 67.123,35 € angegeben.

Mit rechtskräftigem Beschluß vom 17.02.2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und zugleich das schriftliche Verfahren angeordnet.

Der vom Gericht bestellte Treuhänder forderte in der Folge die Schuldnerin mit Schreiben vom 23.02.2005 auf, ihm u.a. eine alphabetische Aufstellung sämtlicher Gläubiger vorzulegen (Bl. 167 d.A.). Die von der Schuldnerin daraufhin vorgelegte „Aufstellung sämtlicher Gläubiger“ enthielt neben den vorgenannten Gläubigern noch den D. I.Dienst, die LBS und das Finanzamt G. (Bl. 171 d.A.). In seinem Bericht vom 09.04.2005 (Bl. 61 d.A.) teilte der Treuhänder mit, die Schuldnerin habe im Erstgespräch die in ihrem Insolvenzantrag gemachten Angaben zur Person und zu ihren Vermögensverhältnissen bestätigt. Das gleichzeitig eingereichte Gläubigerverzeichnis gemäß § 152 InsO enthielt als weiteren Gläubiger noch den Wasserverband G.

Nachdem der Treuhänder Mitte Dezember 2005 von der Existenz des antragstellenden Gläubigers U. erfahren hatte, forderte er diesen auf, seine Forderung anzumelden, was dieser am 29.12.2005 tat.

Die Forderung wurde durch den Treuhänder nicht bestritten und im nachträglichen Prüfungstermin am 12.09.2006 in voller Höhe von 27.388,82 € zur Tabelle festgestellt.

Der Gläubiger U. beantragt nunmehr, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen und begründet diesen Antrag mit einem Verstoß gegen § 290 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 InsO. Durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner Ehefrau sowie des früheren Ehemannes der Schuldnerin hat er glaubhaft gemacht, daß es sich bei der von ihm angemeldeten Forderung um ein der Schuldnerin und ihrem früheren Ehemann gemeinsames gewährtes Darlehen handelt. Gleichzeitig hat er durch Vorlage eines Schriftsatzes seines früheren Rechtsanwaltes vom 03.12.2003 (Bl. 155 d.A.) dargelegt, daß die Schuldnerin bereits zu diesem Zeitpunkt zur Rückzahlung des Darlehens aufgefordert worden ist.

Die Schuldnerin trägt vor, sie habe deswegen keine Veranlassung gesehen, die Forderung des Gläubigers U. mitzuteilen, da sie der Ansicht gewesen sei, ihr Ehemann habe das Darlehen allein aufgenommen. Eine grob fahrlässige Pflichtverletzung könne daher nicht angenommen werden. Im übrigen habe, sie im Dezember 2005, nachdem der Gläubiger sie erneut in Anspruch habe nehmen wollen, dem Treuhänder hiervon Mitteilung gemacht. Eine Gläubigerbenachteiligung sei auch nicht feststellbar.

Weiterhin ist sie der Ansicht, der Versagungsantrag sei unzulässig, da nicht im Schlußtermin gestellt.

II.

1. Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ist zulässig

Das Gericht hat mit Beschluß vom 17.02.2005 das schriftliche Verfahren angeordnet. (§ 312 Abs. 2 InsO). Danach kann über den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung im schriftlichen Verfahren entschieden werden (BGH NJW 2003, 2167, 2169).

2. Der Antrag ist auch begründet.

Die Erteilung einer Restschuldbefreiung scheidet gemäß § 290 InsO aus, weil nach den gerichtlichen Ermittlungen ein Versagungsgrund vorliegt und die Versagung beantragt worden ist.

Die Schuldnerin hat während des Insolvenzverfahrens Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach der InsO vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO) und in den nach § 305 InsO vorzulegenden Verzeichnissen ihres Vermögens und ihres Einkommens, ihrer Gläubiger und der gegen sie gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht, (§ 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO), indem sie die Forderung des Gläubigers U. weder in dem von ihr als Gläubigerverzeichnis vorgelegten Verzeichnis angegeben hat noch umgehend dem Treuhänder hiervon Mitteilung gemacht hat.

Die Forderung des Gläubigers U. war der Schuldnerin bekannt, wie sich nicht allein aus dem anwaltlichen Schriftsatz des damaligen Gläubigervertreters vom 03.12.2003 ergibt, sondern wie auch aus dem eigenen Vortrag der Schuldnerin hervorgeht, die angibt, sie habe „mit genau dieser Begründung“, nämlich daß sie der Auffassung gewesen sei, ihr früherer Ehemann sei alleiniger Darlehensnehmer gewesen, „keinen Anlaß gesehen, die von Herrn U. geltend gemachte Darlehensforderung als Verpflichtung ihrerseits bekanntzugeben“(Bl. 178 d.A.).

a. Entgegen dieser Auffassung hätte es der Schuldnerin jedoch oblegen, selbst wenn die Auffassung der Schuldnerin, daß die Forderung des Gläubigers gegen sie nicht begründet gewesen sei, zutreffend gewesen wäre, im Insolvenzantragsverfahren im Rahmen des von ihr als Gläubigerverzeichnis vorgelegten Verzeichnisses diese Forderung des Gläubigers anzugeben.

Das Gericht teilt die Auffassung der Schuldnerin nicht, daß sich die Auskunftspflichten des Schuldners im Insolvenzantragsverfahren nur auf unstreitige Forderungen beziehen.

Die vom Schuldner im Rahmen seines Insolvenzantrages vorzulegenden Verzeichnisse sind für die Gläubiger und den Treuhänder maßgebliche Beurteilungs- und Informationsgrundlagen und deshalb sorgfältig auszufüllen. Zu beachten ist weiterhin, daß der Schuldner durch die Nichtangabe von Gläubigern u.U. die Titulierung von gegen ihn gerichteten Ansprüchen bewußt vereiteln oder zumindest erschweren kann.

Dies führt dazu, daß der Schuldner zur Überzeugung des Gerichts gehalten ist, alle gegen ihn gerichteten Forderungen im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis anzugeben, auch wenn er deren Bestand im Grunde für unberechtigt hält (vgl. LG Kassel, ZInsO 2002, 1147, LG Hildesheim, ZVI 2004, 545, zit. nach juris, HambKomm-Streck, § 305, Rz. 24 m.w.N.). Es bleibt dem Schuldner jedoch unbenommen, einen Hinweis auf die aus seiner Sicht fehlende Berechtigung der Forderung hinzuzufügen. Ob und inwieweit auch diese streitigen Forderungen an einem gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren teilnehmen, hat damit nichts zu tun. Die Ausgestaltung des gerichtlichen Plans kann auf genau diesen Umstand hinreichend Rücksicht nehmen, weswegen die diesbezügliche Argumentation der Schuldnerin, die angeblich notwendige Identität zwischen Gläubigerverzeichnis und Schuldenbereinigungsplan würde im gerichtlichen Planverfahren schlimmstenfalls zu einer Titulierung nicht existenter Forderungen führen, nicht überzeugt.

Die Schuldnerin hat auch mindestens grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich gehandelt. Grob fahrlässig handelt der Schuldner, der besonders schwer gegen die objektiv gebotene Sorgfalt verstößt und dem subjektiv ein besonderes unentschuldbares Verhalten vorzuwerfen ist, wobei der objektive Verstoß regelmäßig zumindest die grobe Fahrlässigkeit indiziert (vg. HambKomm-Streck, § 290, Rz. 39). In diesem Zusammenhang kann sich die Schuldnerin nicht darauf berufen, mangels vorliegender schriftlicher Vereinbarungen oder Unterlagen hätte sie nicht für das Darlehen haften müssen. Von der Schuldnerin ist nicht in Abrede gestellt worden, daß das Darlehen dem Zweck gedient hat, Verbindlichkeiten aus dem seinerzeit gemeinsam geführten landwirtschaftlichen Betrieb zu begleichen. Aus diesem Umstand wie auch daraus, daß der Betrag auf das gemeinschaftliche Betriebskonto geflossen ist, wären für die Schuldnerin hinreichend Anhaltspunkte für eine Mithaftung ersichtlich gewesen. Für den Treuhänder reichten diese Aspekte aus, um auf ein Bestreiten der Forderung zu verzichten. Daß im übrigen auch die Schuldnerin offenbar die Forderung als nicht so unbegründet angesehen hat, wie sie im vorliegenden Verfahren vorträgt, ergibt sich aus dem Umstand, daß auch sie bei der Prüfung der Forderung dieser Forderung nicht nach § 178 Abs. 1 S. 2 InsO widersprochen hat.

Letztlich kommt es auf die vorstehenden Erwägungen jedoch nicht an. Seit dem Schriftsatz des seinerzeitigen Gläubigervertreters vom 03.12.2003 war der Schuldnerin bekannt, daß sie aus dem Darlehensvertrag in Anspruch genommen wird. In Kenntnis dieses Umstandes hätte sie die betreffende Forderung bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt im Gläubigerverzeichnis angeben müssen. Das hat sie nach ihrem eigenen Vortrag jedoch bewußt unterlassen.

Der Prüfung einer weiteren Motivlage bedarf es nicht.

Eine die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigende Wirkung der unrichtigen Angaben ist grundsätzlich keine Voraussetzung für eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO (BGH, ZInsO 2004, 920).

b. Darüber hinaus ist auch der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfüllt.

Selbst wenn man eine Verpflichtung der Schuldnerin, verneinen wollte, einen Gläubiger, dessen Forderung der Schuldner für unbegründet erachtet, in den vorzulegenden Forderungsverzeichnissen anzugeben, so ist der Schuldner jedenfalls gehalten, dem Treuhänder nach Verfahrenseröffnung hiervon Mitteilung zu machen. Hierbei ist zu beachten, daß die Auskunftspflichten des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO keine reinen Antwortpflichten sind, sondern auch Offenbarungspflichten sein können.

Vorliegend hat die Schuldnerin jedoch auf die ausdrückliche Frage des Treuhänders nach ihren sämtlichen Gläubigern wiederum nicht die Forderung des Gläubigers U. genannt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre die Schuldnerin gehalten gewesen, Auskunft über diese Forderung, ggf. mit dem Hinweis, daß sie selbst diese Forderung für unbegründet erachtet, zu geben, damit der Treuhänder die Möglichkeit des Hinzutretens eines weiteren „Großgläubigers“ bei Ausführung seines Amtes auch zur Wahrung der Interessen der anderen Gläubiger hätte berücksichtigen können.

Daß die Schuldnerin dem Treuhänder im Dezember 2005 von sich aus Mitteilung von der Existenz dieses Gläubigers gemacht, nachdem sie erneut von dem Gläubiger in Anspruch genommen worden ist, läßt diesen Verstoß gegen die Schuldnerin treffenden Auskunftspflichten nicht mehr entfallen.

Hinsichtlich der subjektiven Tatbestandsmerkmale gelten die obigen Ausführungen entsprechend.

Die fehlende Auskunft über den Gläubiger U. hat in Anbetracht der Höhe dessen Forderung auch zu einer Gefährdung von Gläubigerrechten geführt, auch wenn diese sich im Ergebnis nicht realisiert hat. Eine derartige Gefährdung reicht jedoch für die Versagung der Restschuldbefreiung aus (HambKomm-Streck, § 290 Rz. 35).

c. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO, 91 ZPO.