LG Hamburg, Beschluss vom 03.09.2009 - 324 O 248/09
Fundstelle
openJur 2010, 189
  • Rkr:
Tenor

In dem Rechtstreit ... / ... werden

die von den Antragsgegnern an den Antragsteller nach dem Beschluss des Landgerichts vom 20.5.2009 zu erstattenden Kosten antragsgemäß

auf EUR 2.833,15

(in Worten: Euro zweitausendachthundertunddreiunddreißig 15/100)

nebst einer verzinsung von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit

dem 28.5.2009 festgesetzt.

Gründe

Eine Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG auf die im gerichtlichen Verfahren entstandene Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG hat hier auf der Antragstellerseite nicht zu erfolgen. Es war somit eine 1,3 Verfahrensgebühr nach dem vollen Streitwert festzusetzen.

Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Anrechnung der Geschäftsgebühr ist nicht mehr anwendbar, da diese auf einer unrichtigen Einschätzung der Intention des Gesetzgebers bei der Einführung des RVG beruhte. Mit der Gesetzesbegründung des Rechtsausschusses zum Entwurf der Bundesregierung hinsichtlich der Einführung des § 15a RVG (Bundestagsdrucksache 16/12717, S. 67f.) wurde eindeutig klargestellt, dass insbesondere die aus dem der Rechtsprechung zu Grunde gelegten Verständnis des Anrechnungsbegriffes resultierende Schlechterstellung des Erstattungsgläubigers sowie die Belastung des Kostenfestsetzungsverfahrens mit der materiell-rechtlichen Prüfung den Absichten des Gesetzgebers bei Einführung des RVG unmittelbar zuwider läuft.

Es bestehen insoweit auch keine Bedenken, den am 05.08.2009 in Kraft getretenen neuen § 15 a RVG auch auf noch nicht abschließend entschiedene "Altfälle" anzuwenden. Bei der Einführung des § 15a RVG handelt es sich nicht um eine gewollte Gesetzesänderung im des § 60 Ahs. 1 RVG, sondern um eine Klarstellung des Gesetzgebers zu den bisherigen Anrechnungsregeln. Hiernach kommt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Rahmen der Kostenfestsetzung nicht in Betracht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.8.2009, 8 W 339/09).

Es wird insoweit auch auf die Entscheidung des Kammergerichts Berlin, Beschluss vom 4.11.2008, 1 W 395/08 verwiesen. Das Kammergericht Berlin ist seinerzeit bereits davon ausgegangen, dass die Entstehung einer Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG auf die Entstehung der Verfahrens gebühr gem. Nr. 3100 VV RVG keinen Einfluss hat. Die im Rechtsstreit entstandene Verfahrens gebühr gehört in vollem Umfang zu den Kosten des Rechtsstreits. Eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr ist gem. Vorb. 3 Ahs. 4 VV RVG zwar anzurechnen, die Anrechnungsvorschrift bewirkt jedoch nicht, dass die Verfahrensgebühr von vorneherein nur in um den Anrechnungsbetrag geminderten Höhe entstanden ist. Es wird insoweit auf die ausführlich Begründung des Beschlusses des Kammergerichts Berlin verwiesen.

Die Anrechnung nach Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG führt nicht zu einer Verkürzung der nach § 91 ZPO festzusetzenden Kosten des Rechtsstreits. Die Kostenfestsetzung gem. § 104 ZPO ist grundsätzlich auf die Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 ZPO beschränkt. Zu diesen Kosten gehören die Gebühren, die für die vorgerichtliche Tätigkeit entstanden sind, zum Beispiel die Geschäftsgebühr, nicht dazu. Auch die Anrechnung solcher Gebühren ist nicht Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens. Die Anrechnungsvorschrift schreibt nicht vor, bei der Kostenfestsetzung auch über eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr abzurechnen. Auch insoweit wird auf die Gründe des Beschlusses des Kammergerichts Berlin verwiesen.

Bei der Auslegung der Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG in verbindung mit den §§ 91, 104 ZPO ist dies zu berücksichtigen. Da die Verfahrensgebühr bei Erfüllung des Gebührentatbestandes in voller Höhe zur Entstehung gelangt, gehört diese auch vollumfänglich zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 ZPO und ist grundsätzlich ohne weitere materiell-rechtliche prüfung festzusetzen. Eventuelle materiell-rechtliche Einwendungen aus der Anrechnungsvorschrift sind im Kostenfestsetzungsverfahren wie jede andere materiell-rechtliche Einwendung lediglich zu berücksichtigen, wenn der Grund der Einwendung tituliert ist oder anderweitig feststeht (Zöller, 27. Auflage, § 104 ZPO, Rn. 21, Kammergericht Berlin, Beschluss vom 4.11.2008, 1 W 395/08) . Dies ist hier aber nicht gegeben. Es kommt nicht nur darauf an, ob eine GeSChäftsgebühr ggf. vorgerichtlich entstanden ist, wie bisher von der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs angenommen.