VG Stade, Urteil vom 22.02.2007 - 1 A 338/05
Fundstelle
openJur 2012, 45495
  • Rkr:

Befinden sich auf einem Grundstück Kampfmittel aus der Kriegszeit, handelt es sich um einen der Allgemeinheit zurechenbaren Umstand, der dazu führen kann, dass die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers in der Weise begrenzt ist, dass er die Kosten für die Räumung nur bis zur Höhe des Verkehrswertes seines Grundstückes zu tragen hat. Eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit auf den Verkehrswert ist jedoch in Frage gestellt, wenn dem Eigentümer die Belastung des Grundstückes mit Kampfmitteln bekannt oder infolge von Fahrlässigkeit unbekannt war. Jedenfalls kommt in einem solchen Fall eine Begrenzung der Zustandshaftung in der Weise, dass die dem Eigentümer zumutbaren Kosten den Verkehrswert des Grundstückes noch unterschreiten, grundsätzlich nicht in Betracht.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung der Beklagten, mit der er aufgefordert worden ist, ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück auf seine Kosten von Kampfmitteln räumen zu lassen und deren Beseitigung zu veranlassen.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes H. mit einer Größe von 57.352 m². Dieses hat er mit Kaufvertrag vom 23.11. 2000 für 60.000,00 DM (30.677,51 €) von der Bundesrepublik Deutschland erworben. Auf dem Grundstück befand sich bis zum Ende des Ersten Weltkrieges eine Haubitzenbatterie. Während des Zweiten Weltkrieges wurde dort ein Munitionslager eingerichtet. Ab den 70ger Jahren wurde das Grundstück durch den Zivil- und Katastrophenschutz genutzt. Die ehemalige Haubitzenstellung ist von einem Wassergraben umgeben. Insbesondere in diesem Graben, aber auch auf dem restlichen Grundstück befinden sich im einzelnen nicht genau festgestellte Munitionsreste aus der Kriegszeit.

Dem Kläger war bei Abschluss des Kaufvertrages der generelle Umstand der Belastung des Grundstückes mit Munition bekannt. Die Verkäuferin hatte ihm ein Merkblatt ausgehändigt, aus dem sich die ehemalige Nutzung als Haubitzenbatterie ergibt. Ferner wurde dort auf Berichte aus den Jahren 1970 und 1976 verwiesen, aus denen sich u. a. ergibt, dass der Wallgraben 1970 leergepumpt und auf Munition untersucht worden sei. Dabei seien mehrere leere bzw. nicht scharfe Munitionsteile gefunden worden. Das Absuchen mit einer Förstersonde nach weiterer Munition habe keinen Erfolg gebracht, weil die Schlammschicht im Wallgraben mit Blech- und Eisenteilen durchsetzt gewesen sei. Eine weitere Untersuchung des Wallgrabens auf Munition sei aus Kostengründen nicht durchgeführt worden. 1976 seien im Schlamm des Wallgrabens mehrere Granaten aufgefunden, die durch das Bombenräumkommando Niedersachsen entfernt worden.

Darüber hinaus ist in § 4 Absatz 3 und 4 des notariellen Kaufvertrages folgendes geregelt:

„.... Im Hinblick auf die zwischen der Verkäuferin und den Ländern bestehende Staatspraxis (Kostenerstattungspflicht des Bundes gegenüber den Ländern) wird im Verhältnis zum Käufer jede Gewährleistung der Verkäuferin für das Freisein von Kampfmitteln ausgeschlossen. Die Verkäuferin haftet nicht für Schäden durch etwa auf dem Kaufobjekt vorhandenes Kriegsgerät oder bisher nicht entfernte Kampfmittel. Sie ist auch nicht zur Beseitigung des Kriegsgerätes oder der Sprengstoffe verpflichtet. Ansprüche des Käufers wegen evtl. vorhandener Kampfmittel - aus welchem Rechtsgrund auch immer - sind ausgeschlossen. Auf dem Gelände - besonders im Grabenbereich - sind bereits in der vergangenen Zeit Kampfmittelräumungen durchgeführt worden.

Das Grundstück liegt im Außenbereich und ist im Flächennutzungsplan als Gemeinbedarfsfläche ohne nähere Bezeichnung ausgewiesen. Ein Bebauungsplan besteht nicht. Der Rat der Samtgemeinde hat beschlossen, auf dem Gelände in Zukunft keine Nutzung zuzulassen. ... Der Planungszustand des Kaufobjektes ist dem Käufer voll inhaltlich bekannt.“

Der Kläger begann im Jahr 2001 damit, vorhandene Gebäude zu Wohnzwecken herzurichten und eine Rinderherde auf der Fläche weiden zu lassen. Die Wohnnutzung ist zwischenzeitlich untersagt worden. Der Kläger stellte in der Folgezeit erhebliche Bestände an Kriegsmunition auf dem Grundstück fest, u.a. große Anzahl hochexplosiver Raketensprenggranaten. Dies meldete er der Beklagten, die die Kampfmittel durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD) des Landes Niedersachsen entfernen ließ.

Der Kläger legte im Folgenden weitere Munitionsreste frei. Am 27. Juni 2002 erstellte der Sachverständige für Rüstungsaltlasten I. im Auftrag des Klägers eine vorläufige Kostenschätzung hinsichtlich der Räumung des Grundstückes. Danach wurden für Bergung und Beseitigung der Munition ca. 20.000,-- Euro, für die Untersuchung des Bodens ca. 15.000,-- Euro und für die fachgutachterliche Begleitung ca. 20.000,-- Euro, insgesamt 55.000,-- Euro, veranschlagt.

Am 10. Juli 2002 erstellte der KBD eine Gefährdungsabschätzung. Danach wurde festgestellt, dass in den Jahren 2001/2002 u. a. 1.323 Raketen- Sprenggranaten, 21,5 kg Infanteriemunition, 2 Sprenggranaten und 10 kg Signalmunition entsorgt wurden. Es müsse mit einem Schadensradius von 1000 m gerechnet werden. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Zünder im Erdreich oft noch voll funktionsfähig seien. Eine Schadenswahrscheinlichkeit bei einem Kontakt von Mensch und Kampfmittel sei gegeben. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. Juli 2002 untersagte die Beklagte dem Kläger daraufhin, weiterhin Munition aufzusuchen, freizulegen und zu bergen und gab ihm auf, den gefährdeten Bereich mit Schildern „Betreten verboten, Lebensgefahr“ zu versehen.

Mit einer am 22. Februar 2007 zurückgenommenen Klage vom 23. Juli 2003 (1 A 1220/03), begehrte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Räumung des Grundstückes von Kriegsmunition in eigener Zuständigkeit. Er legte ein Gutachten der J. vom 29. August 2003 vor, nach dem das Grundstück ein erhebliches Gefährdungspotential berge. Unmittelbar von der Munition gehe bei unsachgemäßer Handhabung eine Explosionsgefahr aus. Zum anderen gefährdeten die eingesetzten Spreng- und Hilfsstoffe die Schutzgüter Wasser und Boden.

Die Beklagte ersuchte im weiteren Verlauf den KBD um eine erneute Gefährdungsabschätzung, die unter dem 26. Februar 2004 erstellt wurde. Dieser teilte mit, dass die im Gutachten der J. getroffene Einschätzung zutreffe. Von der auf dem Grundstück lagernden Munition gehe eine unmittelbare Gefahr aus. Es seien wiederum vermehrt an der Oberfläche liegende Kampfmittel aufgefunden worden. Oberflächennah oder im flachen Gewässer liegende Kampfmittel könnten von Kindern und Jugendlichen geborgen und unsachgemäß behandelt werden, auch bestehe die Gefahr, dass diese von Straftätern entwendet und zur Begehung krimineller Handlungen eingesetzt würden.

Mit Verfügung vom 15. März 2004 verhängte die Beklagte ein Betretungsverbot für das Grundstück und verlangte die Entfernung des Tierbestandes sowie die Absperrung durch einem 2,50 m hohen Bauzaun. Der Kläger ging hiergegen mit einem Eilantrag vor, den die Kammer mit Beschluss vom 6. Mai 2004 (1 B 562/04) abgelehnt hat. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Nds. Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. Dezember 2004 (11 ME 160/04) verworfen, nachdem die Verfügung bestandskräftig geworden war. Da der Kläger der Verfügung nicht nachkam, mietete die Beklagte im Wege der Ersatzvornahme einen entsprechenden Bauzaun und brachte die Tiere bei örtlichen Landwirten unter.

Mit weiterem Bescheid vom 19. März 2004 gab die Beklagte dem Kläger auf, das Betreten des Grundstückes u. a. für Mitarbeiter des KBD und der Polizei zu dulden. Hiergegen erhob der Kläger am 18. Oktober 2004 Klage (1 A 1715/04), die er ebenfalls am 22. Februar 2007 zurücknahm.

Mit der in dem vorliegenden Verfahren angefochtenen Verfügung vom 20. Januar 2005 forderte die Beklagte den Kläger unter Fristsetzung auf, das Grundstück von jedweden Kampfmitteln zu räumen und deren ordnungsgemäße Beseitigung zu veranlassen. Die Räumung habe im Auftrag und auf Kosten des Klägers durch eine fachlich geeignete Firma zu erfolgen. Für den Fall, dass der Kläger der Anordnung nicht fristgerecht nachkomme, wurde die Ersatzvornahme angedroht. Die vorläufigen Kosten wurden auf der Grundlage eines zwischenzeitlich eingeholten Gutachtens des K. vom 5. Juli 2004 auf 43.200,-- Euro veranschlagt. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Zur Begründung führte die Beklagte aus, es sei von einer unmittelbaren Gefahr durch die auf dem Grundstück noch lagernden Kampfmittel auszugehen. Die Maßnahme sei gegen den Kläger als Eigentümer zu richten. Auch wenn daneben die Bundesrepublik Deutschland als Störerin in Betracht komme, sei nach pflichtgemäßem Ermessen der Kläger sowohl wegen seiner Ortskenntnis, der räumlichen Nähe und seines Eigentums am besten in der Lage, die Gefahr zu beseitigen. Zudem habe der Kläger in voller Kenntnis der Altlasten das Grundstück zu einem sehr günstigen Preis erworben. Die Zustandshaftung sei deshalb nicht unter Billigkeitsgesichtspunkten begrenzt.

Der Kläger hat gegen diese Verfügung am 21. Februar 2005 Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt er aus, es seien auf seinem Grundstück unstreitig Kampfmittel vorhanden, er sei aber nicht zu deren Beseitigung verpflichtet. Vielmehr kämen auch andere als Störer in Betracht. Bei Abschluss des Kaufvertrages sei er zwar auf die früheren Munitionsfunde hingewiesen worden, er habe aber keinesfalls von einer derartigen Menge auf dem Grundstück vorhandener Munition gewusst und damit auch nicht rechnen können. Anderenfalls hätte er von dem Kauf des Grundstück Abstand genommen. Richtigerweise sei die Beklagte als zuständige Gefahrenabwehrbehörde zur Räumung selbst auf ihre Kosten verpflichtet. Die veranschlagten Räumungskosten von 43.200,00 Euro träfen außerdem nicht zu, vielmehr sei von mindestens 100.000,00 Euro auszugehen. Eine Belastung des Grundstückseigentümers könne aber allenfalls bis zum Verkehrswert des Grundstücks erfolgen.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss der Kammer vom 28. April 2005 (1 B 339/05) abgelehnt. Zur Begründung führte die Kammer aus, der Kläger sei als Zustandsstörer für die Beseitigung der von den Kampfmitteln ausgehenden Gefahr heranzuziehen. Eine Eingrenzung der Zustandsverantwortung im Hinblick auf die entstehenden Kosten ergebe sich nicht, weil der Kläger aufgrund der ihm bekannten Umstände mit dem Vorhandensein weiterer Kampfmittel habe rechnen müssen.

Hiergegen erhob der Kläger Beschwerde. Zur Begründung verwies er auf ein Schreiben der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vom 16. Februar 2005, in dem ihm mitgeteilt wurde, die Bundesanstalt sei bei Abschluss des Kaufvertrages aufgrund der bisherigen Nutzung der Liegenschaft nur von einem geringen Risiko an Munitionsbelastung ausgegangen. Andernfalls wäre eine Veräußerung nicht angestrebt worden. Darüber hinaus legte er eine Stellungnahme des den Vertragsabschluss begleitenden Notars vom 25. August 2005 vor, der ausführt, die Altlastenklausel sei seinerzeit erörtert worden. Dabei sei die Auffassung vertreten worden, das Vorhandensein von Kampfmitteln sei praktisch ausgeschlossen, insbesondere im Hinblick auf die jahrelange zivile Nutzung des Grundstückes. Im Hinblick auf die Kaufpreisklausel sei die Auffassung vertreten worden, unvorhergesehene Funde kostendeckend räumen zu können.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens holte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zur Höhe der Kosten der Räumung eine Auskunft der J. ein. Diese kam in einer Schätzung vom 26. September 2005 auf Kosten für die Räumung des gesamten Grundstückes von ca. 268.810,-- €. Das von der Beklagten nochmals eingeschaltete L. hält in einer Stellungnahme vom 17. Oktober 2005 diese Kosten für überhöht, da in dem Gutachten unzutreffende Flächengrößen zugrunde gelegt worden seien und auch nicht alle Flächen zu überprüfen seien. Es werde an der Kostenschätzung von 43.000,-- € festgehalten. Das Oberverwaltungsgericht stellte die aufschiebende Wirkung mit Beschluss vom 03. November 2005 (11 ME 146/05) wieder her. Die Kammer hat zu den Kostenschätzungen ergänzende Stellungnahmen des Gutachters M. sowie des K. eingeholt.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, die Beklagte selbst habe bereits vor Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 2000 gewusst, dass das Grundstück erheblich durch die Lagerung von Granaten und sonstiger Munition belastet sei. Zum Beleg dafür hat er einen Vermerk vom 15. Juni 2000 über ein Telefonat zwischen Mitarbeitern des Bundesvermögensamtes und dem Landkreis Cuxhaven vorgelegt, in dem es um von der Beklagten geäußerte Bedenken im Hinblick auf die bauliche Nutzung des Grundstückes geht.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, sie sei von vornherein davon ausgegangen, dass der Kläger die Kosten der Räumung nur bis zur Höhe des Verkehrswertes seines Grundstückes zu tragen habe. Sie hat daraufhin folgende Erklärung abgegeben:

„Ich ändere meine angefochtene Verfügung dahingehend, dass die Haftung des Klägers auf 57.352,00 €, nämlich den von mir angenommenen Verkehrswert, begrenzt wird.“

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Beklagten vom 20. Januar 2005 in der geänderten Fassung vom 22. Februar 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, die Räumung des Grundstückes sei dem Kläger wirtschaftlich zumutbar. Denn die zutreffend durch das L. veranschlagten Kosten von 43.200,00 Euro überstiegen den künftigen Verkehrswert nicht. Bei einer Fläche von 57.352 m² sei bei Grünland von einem Quadratmeterpreis von ca. 1,00 Euro auszugehen. Dem Kläger sei bei Abschluss des Kaufvertrages nach dessen Inhalt, insbesondere der Klausel in § 4 sowie anhand der aus den vorgelegten Merkblättern hervorgehenden Informationen hinreichend bekannt gewesen, dass auf dem Grundstück noch größere Teile von Munitionsresten vorhanden sein müssten. Die Beklagte selbst habe im Hinblick auf die Munitionsbelastung über keine weitergehenden Informationen verfügt, ihr seien lediglich, wie auch dem Kläger, die ehemaligen Nutzungen sowie die bereits vorgenommenen Kampfmittelräumungen bekannt gewesen. Aus diesem Grund sei auch von ihr auf dem Grundstück keine Nutzung zugelassen worden, was dem Kläger ebenfalls im Kaufvertrag mitgeteilt worden sei. Dem Kläger sei letztendlich auch bekannt gewesen, dass die Munitionsbelastung alleiniger Beweggrund für den sehr niedrigen Kaufpreis gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Gerichtsakten der Verfahren 1 A 1220/03, 1 B 562/04, 1 A 1715/04, 1 A 1028/06, 1 B 339/05 sowie 11 ME 146/05 mit den jeweiligen Verwaltungsvorgängen verwiesen.

Gründe

Soweit die Beteiligten im Hinblick auf die den Verkehrswert des Grundstückes übersteigenden Kosten der Räumung das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war es gemäß §§ 161 Abs. 2, 92 Abs. 3 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen und nur noch über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Die Klage hat im übrigen keinen Erfolg, weil der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2005 in seiner jetzigen Fassung vom 22. Februar 2007 rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO.

Die Beklagte konnte den Kläger in rechtmäßiger Weise dazu verpflichten, sein Grundstück von darauf befindlichen Kampfmitteln räumen zu lassen und die Kosten hierfür bis zur Höhe des Verkehrswertes des Grundstückes zu tragen. Rechtsgrundlage für die getroffenen Anordnungen ist § 11 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG), wonach die Verwaltungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen können, um eine Gefahr abzuwehren und diese Maßnahmen gegen den nach §§ 6 f. Nds. SOG Verantwortlichen zu richten haben. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

I. Von der auf dem Grundstück des Klägers lagernden Munition geht eine konkrete Gefahr im Sinne des § 2 Nr. 1a Nds. SOG aus. Diesbezüglich hat die Kammer bereits mit Beschluss vom 26. Mai 2004 (1 B 562/04), auf den verwiesen wird, auf die Gefährdungsabschätzung des KBD vom 26. Februar 2004 hingewiesen. Darin wird festgestellt, dass auf dem Grundstück weiterhin große Mengen an Munition vorhanden sind, die sich in einem schlechten Zustand befinden, teilweise stark korrodiert und daher unkalkulierbar sind. Der KBD verweist auf wissenschaftliche Untersuchungen, wonach gealterte Sprengstoffe wesentlich empfindlicher auf Belastungen aller Art reagierten. Die in den Zündsystemen einlaborierten Initialsprengstoffe haben im Laufe der Zeit mit ihren Umhüllungen chemisch reagiert und neue Verbindungen gebildet, die schon bei geringster Belastung zur detonativen Umsetzung gelangen könnten. Eine unsachgemäße Berührung oder ein Tritt könne demnach bereits eine Explosion hervorrufen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Personen mit Munitionsresten in Berührung kommen, dadurch eine Explosion ausgelöst und somit Leben und Gesundheit von Menschen bedroht werde.

II. Der Kläger ist auch i.S.d. § 7 Nds. SOG für die Räumung des Grundstückes und die Beseitigung der Kampfstoffe grundsätzlich verantwortlich. Geht eine Gefahr, wie vorliegend, von einer Sache aus, so können Maßnahmen gem. § 7 Abs. 2 Nds. SOG gegen den Eigentümer gerichtet werden. Der Kläger ist der Auffassung, er sei zwar Eigentümer, habe aber das Vorhandensein der festgestellten Kampfmittel nicht verursacht. Dies ändert jedoch nichts an seiner Zustandsverantwortlichkeit. Wie bereits im Beschluss der Kammer vom 28. April 2005 (1 B 339/05) dargelegt, hat hierzu das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 18.06.1998 - 1 B 17/97 - , Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 65) ausgeführt, die ordnungsrechtlichen Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit knüpfen allein an die aus der Sachherrschaft des Grundeigentümers hergeleitete Rechtspflicht an, dafür zu sorgen, dass von dem Grundstück keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers sei daher auch dann zu bejahen, wenn der polizeiwidrige Zustand durch Dritte oder höhere Gewalt herbeigeführt worden sei (vgl. Beschl. v. 19. 11.1991 - BVerwG 8 B 137/91 - , Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 54).

III. Nachdem die Beklagte ihre Verfügung vom 20. Januar 2005 in der mündlichen Verhandlung geändert hat, hatte die Kammer nicht mehr darüber zu entscheiden, ob der Kläger als Zustandsverantwortlicher auch für solche Kosten der Räumung in Anspruch genommen werden kann, die den Verkehrswert seines Grundstückes - möglicherweise erheblich - übersteigen. Auf die in den gegensätzlichen Gutachten des Sachverständigen M. sowie des K. getroffenen Kostenschätzungen kommt es daher insoweit nicht mehr an.

Vielmehr war lediglich eine Entscheidung dahingehend zu treffen, ob, auch unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren zutage getretenen Tatsachen, die Zustandsverantwortlichkeit des Klägers der Höhe nach weitergehend zu begrenzen ist, so dass ihm auch eine Kostentragung bis zur Höhe des Verkehrswertes seines Grundstückes nicht zumutbar ist. Eine derartige Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit ist jedoch nach Auffassung der Kammer aus den nachfolgenden Gründen nicht gegeben:

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Eingrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in Betracht kommt, wenn die Heranziehung zur Gefahrenabwehr, insbesondere die Belastung mit den Kosten schlechthin unzumutbar wäre und der Eigentümer sich in einer Art „Opferposition“ befindet (BVerwG, Beschl. v. 11.10.1996 - 1 B 120.96 - Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 59; Urt. v. 11.12.1997 - 7 C 58.96 -; Beschl. v. 18.06.1998 - 1 B 17/97 -). Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die Belastung des Eigentümers mit den betroffenen Gemeinwohlbelangen abzuwägen. Bei Durchführung dieser Abwägung geht die Kammer von den im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2000 (1 BvR 242/91 und 1 BvR 315/99) entwickelten Grundsätzen aus:

36Danach wird die Zustandshaftung als Ausdruck der Sozialbindung durch das Übermaßverbot begrenzt, das nur erforderliche und zumutbare Grundrechtsbeeinträchtigungen zulässt. Zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer an Belastungen zugemutet werden darf, dient das Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Sanierung als Anhaltspunkt. Wird der Verkehrswert von den Kosten überschritten, entfällt in der Regel das Interesse des Eigentümers an einem künftigen privatnützigen Gebrauch des Grundstückes (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 23.09.2004 - 7 C 22/03 -; Nds. OVG, Beschl. v. 11.02.2002 - 7 LA 359/01-). Eine diese Grenze überschreitende Belastung kann namentlich dann unzumutbar sein, wenn die Gefahr, die von dem Grundstück ausgeht, aus der Allgemeinheit zuzurechnenden Ursachen herrührt (BVerfG, a.a.O.; OVG Berlin, Urteil. v. 19.11.2004 -2 B 7.01-). Liegt die Ursache der Gefahr außerhalb seiner Verantwortungssphäre, darf die Sanierungsverantwortlichkeit nicht unbegrenzt dem Eigentümer zur Last fallen. Eine Kostenbelastung, die den Verkehrswert übersteigt, muss der Eigentümer dagegen hinnehmen, wenn er das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat, etwa in Kenntnis der Altlast oder früheren risikoreichen Nutzung das Grundstück erworben hat. Auch dann, wenn und soweit Risikoumstände beim Erwerb eines Grundstücks erkennbar waren, der Eigentümer aber in fahrlässiger Weise die Augen davor geschlossen hat, ist eine Kostenbelastung über die Höhe des Verkehrswertes hinaus nicht ausgeschlossen, wobei für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Grad der Fahrlässigkeit erheblich ist. Die Zumutbarkeit kann ferner davon beeinflusst werden, ob der Eigentümer Vorteile aus dem Risiko, etwa durch einen reduzierten Kaufpreis, erzielt hat. (Vgl. BVerfG, a.a.O.; Beschl. v. 24.08.2000, - 1 BvR 83/97-; BVerwG, Urt. v. 23.09.2004 - 7 C 22/03 - ).

37Nach diesen Maßstäben mag es zwar sein, dass für den Kläger die Opfergrenze bei Auferlegung der Sanierungskosten in ihrer gesamten Höhe überschritten ist. Dagegen haftet der Kläger in jedem Fall für die Räumung mit dem Verkehrswert seines Grundstückes. Denn wie sich aus den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen ergibt, hat der Eigentümer als Zustandsverantwortlicher in aller Regel Kosten bis zur Höhe des Verkehrswertes selbst dann zu tragen, wenn die Ursache der Gefahr der Allgemeinheit zuzurechnen ist. Eine derartige Begrenzung ist dagegen nicht anzunehmen, wenn der Eigentümer die Gefahr bewusst in Kauf genommen hat und sie ist grundsätzlich auch bei einem fahrlässigen Verhalten nicht gegeben.

Zwar ist zugunsten des Klägers vorliegend zu berücksichtigen, dass die Belastung seines Grundstückes mit Rüstungsaltlasten der Allgemeinheit zuzurechnen ist. Unabhängig davon, ob die Munitionsreste aus der Nutzung als Haubitzenstellung im Ersten Weltkrieg stammen oder aus einer Munitionslagerung im Zweiten Weltkrieg herrühren, handelt es sich insoweit um Umstände, die der Allgemeinheit als Kriegsfolgelasten zufallen. Dies entspricht auch der bisher überwiegenden Praxis, wonach die Kosten der Entmunitionierung von Grundstücken nicht dem Grundstückseigentümer als Störer auferlegt, sondern aus Billigkeitsgründen von Bund und Ländern getragen wurden (vgl. Thilo, DöV 1997, 725, 726; OVG Düsseldorf, Urt. v. 03.06.1997 - 5 A 4/96). Dass diese Praxis in Niedersachsen nicht vorherrscht, ändert nichts daran, dass es sich generell um Ursachen handelt, die der Allgemeinheit zuzurechnen sind. Allerdings führt dieser Umstand, wie auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16. Februar 2000 aufführt, grundsätzlich nur dazu, dass die Zustandshaftung des Eigentümers der Höhe nach auf den Verkehrswert des Grundstückes zu begrenzen ist.

Entscheidend zu berücksichtigen ist aber vorliegend, dass der Kläger, wenn ihm auch möglicherweise keine bewusste - im Sinne einer vorsätzlichen- Inkaufnahme des vollen Risikos im Hinblick auf den Umfang der Munitionsbelastung seines Grundstückes vorgeworfen werden kann, so doch jedenfalls von dem generellen Risiko der Kampfmittelbelastung gewusst hat und hinsichtlich des dort noch vorhandenen Umfanges zumindest fahrlässig handelte.

Denn dem Kläger war bei Vertragsschluss folgendes bekannt: Im Kaufvertrag hat die Verkäuferin ihre Gewährleistung für das Freisein des Grundstückes von Kampfmitteln ausgeschlossen. Ferner ist dort ausgeführt, dass auf dem Grundstück, besonders im Grabenbereich, bereits Kampfmittelräumungen durchgeführt wurden und der Gemeinderat insoweit beschlossen hat, auf dem Gelände keinerlei Nutzung zuzulassen. Aus den dem Kläger überreichten Merkblatt ergibt sich die ehemalige Nutzung des Grundstückes als Haubitzenbatterie. Ferner wurden ihm Berichte aus den Jahren 1970 und 1976 ausgehändigt, wonach der Wallgraben leergepumpt und auf Munition untersucht worden sei und Munitionshülsen sowie Geschosse gefunden worden seien. 1976 seien im Schlamm des Wallgrabens mehrere Granaten gefunden worden.

Dem Kläger waren danach durchaus Tatsachen bekannt, die auf den gegenwärtigen Zustand des Grundstückes schließen lassen konnten, denn er wusste von der Nutzung als Haubitzenbatterie. In einer solchen werden naturgemäß in erheblichem Umfang Waffen verwendet und Munition gelagert. Da genauere Umstände dem Kläger nicht bekannt waren, hätte dies angesichts der bereits in den 70ger Jahren aufgefundenen Munition ihm Anlass geben müssen, vor Abschluss des Kaufvertrages weitere Erkundigungen anzustellen. Zwar ist ausgehend von einer möglicherweise seitens der Verkäuferin erfolgten Äußerung dahingehend, es sei nicht mit einer erheblichen weiteren Munitionsbelastung zu rechnen, die Annahme, der Kläger habe sich des Risikos in seinem vollen Umfang bewusst sein müssen, nicht mehr zwingend.

Allerdings ist gleichwohl zu berücksichtigen, dass der Kläger grundsätzlich von einer Kampfmittelbelastung des Grundstückes wusste und hinsichtlich des Umfanges der dort noch vorhandenen Munition ihm in jedem Fall Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist. Denn angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit und der aufgrund der vorgelegten Merkblätter sich ergebenden Zweifel hätte es der erforderlichen Sorgfalt entsprochen, vor Abschluss eines solchen Geschäftes nähere Informationen hinsichtlich der früheren risikoreichen Nutzung des Geländes einzuholen, die im übrigen über auch dem Kläger zugängliche Medien in einfacher Weise erreichbar waren. Auch im Falle eines fahrlässigen Verhaltens kann - so die Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.), der die Kammer folgt - eine Kostenbelastung über die Höhe des Verkehrswertes hinaus ohne weiteres zumutbar sein (vgl. auch VGH München, Beschl. v. 15.11. 2005 - 22 ZB 03.3054 -). Ob es insoweit bei einer Begrenzung der Zustandshaftung des Klägers auf den Verkehrswert des Grundstückes verbleiben kann, bedurfte vorliegend angesichts der Erledigungserklärungen der Beteiligten keiner Entscheidung. Jedenfalls führt das Verhalten des Klägers nach Auffassung der Kammer dazu, dass seine Zustandshaftung in jedem Fall soweit reicht wie der Verkehrswert seines Grundstückes.

43Letztlich muss dabei auch in Rechnung gestellt werden, dass der Kläger nicht unerhebliche Vorteile aus dem Risiko durch einen erheblich reduzierten Kaufpreis erlangt hat. Derartige Vorteile sind bei Beurteilung der dem Kläger zumutbaren Sanierungskosten grundsätzlich mit einzubeziehen. Die Kammer kann die Frage offen lassen, ob der Kläger zusätzlich zu seiner Haftung in Höhe des Verkehrswertes weiterhin Kosten in Höhe der Summe zu tragen hätte, die ihm durch den reduzierten Kaufpreis erspart geblieben sind. Denn angesichts der durch die Beklagte ausgesprochenen Begrenzung der dem Kläger auferlegten Sanierungskosten war eine Entscheidung insoweit entbehrlich.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung nunmehr die Auffassung vertritt, die Beklagte selbst in Person ihres Bürgermeisters habe bereits vor Abschluss des Kaufvertrages durch ihn von dem erheblichen Umfang der Munitionsbelastung auf dem Grundstück gewusst, führt dieser Vortrag zu keinem anderen Ergebnis. Denn unabhängig von der Frage, ob und in welchem Umfang sich dieser Umstand auf die Zustandshaftung des Klägers auswirken könnte, sind jedenfalls keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Beklagte bereits im Jahr 2000 über weitergehende Erkenntnisse hinsichtlich des Umfangs der Kampfmittelbelastung auf dem Grundstück verfügte. Aus dem hierzu von dem Kläger überreichten Telefonvermerk vom 15. Juni 2000 lässt sich Entsprechendes nicht herleiten. Denn in dem hier bezeichneten Telefonat zwischen Vertretern des Bundesvermögensamtes und des Landkreises Cuxhaven geht es ausschließlich um die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit einer baulichen Nutzung des Grundstückes. Im Hinblick auf die Munitionsbelastung wird in dem Telefonat lediglich darauf hingewiesen, dass vor einer Entscheidung über eine baurechtliche Nutzbarkeit zuallererst das Problem des Altlastenverdachtes vom bisherigen Eigentümer zu lösen sei, weil die Samtgemeinde die Verantwortung hierfür nicht übernehmen werde. Hieraus ergeben sich aber letztendlich nur diejenigen Umstände, die dem Kläger auch im Rahmen des Kaufvertrages mitgeteilt worden sind, nämlich dass auf dem Grundstück ein Altlastenverdacht besteht und deshalb die baurechtliche Nutzung des Grundstückes für ausgeschlossen gehalten wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte weitergehende Erkenntnisse hinsichtlich des Umfanges der Munitionsbelastung hatte, lassen sich dem Telefongespräch nicht entnehmen. Vielmehr ergibt sich hieraus nur, dass die Beklagte aus den auch dem Kläger bekannten Umständen den Verdacht weiterer Munitionsvorkommen auf dem Grundstück herleitete. Dies spricht weiter dafür, dass es für den Kläger ebenfalls besonders nahe lag, anhand der ihm mitgeteilten Umstände sowie der ausgehändigten Merkblätter von einer weiteren Munitionsbelastung des Grundstückes auszugehen.

Die Umstände des Falles führen somit in ihrer Gesamtheit zu dem Ergebnis, dass der Kläger als Zustandsverantwortlicher die Räumung seines Grundstückes von Kampfmitteln zu veranlassen und die hierbei entstehenden Kosten bis zur Höhe des Verkehrswertes zu tragen hat, so dass der Bescheid der Beklagten insoweit nicht zu beanstanden ist.

IV. Im Übrigen hat die Beklagte ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt, insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass sie die Inanspruchnahme weiterer Verantwortlicher neben dem Kläger keiner näheren Prüfung unterzogen hat.

47Zunächst konnte eine Heranziehung der Bundesrepublik Deutschland als Verhaltensverantwortliche nicht erfolgen. Zwar liegt es nahe, das die Existenz der Munitionsreste durch ein Verhalten des Deutschen Reiches verursacht wurde. Eine polizeirechtliche Verantwortlichkeit der Bundesrepublik als mit dem Deutschen Reich teilidentische Rechtsperson resultiert hieraus jedoch nicht, denn die auf der Polizeipflicht des Deutschen Reiches beruhenden Ansprüche sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) erloschen und können damit nicht gegenüber der Bundesrepublik geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.11.2005 - 7 C 27/04 -, DVBl. 2006, 186). Das AKG beabsichtigt eine Generalbereinigung aller Schulden des Deutschen Reiches und umfasst Ansprüche jeder Art, unabhängig davon, ob sie im öffentlichen oder im privaten Recht ihren Ursprung haben, so dass hiervon auch Verbindlichkeiten erfasst sind, die aus der Polizeipflicht des Deutschen Reiches resultieren (BVerwG, a.a.O.).

Die Bundesrepublik war auch nicht als Zustandsstörerin im Hinblick auf eine Eigentümerstellung an der Munition in Anspruch zu nehmen, denn die Munition steht nach Übereignung des Grundstückes nicht mehr in ihrem Eigentum. Insoweit kann offen bleiben, ob der Kläger schon nach den Vorschriften der §§ 946, 95 BGB Eigentümer geworden ist, weil die im Erdreich befindlichen Kampfmittel wesentlicher Bestandteil des Grundstückes geworden sind. Hierfür spricht allerdings, dass dies schon dann angenommen wird, wenn eine Trennung der Bestandteile vom Grundstück nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist (Palandt, BGB, 63. Aufl., 94 Rn. 2). Jedenfalls hat der Kläger durch die Übereignung des Grundstückes auch Eigentum an den dort befindlichen Kampfmitteln erlangt. Denn im Unterschied zu sonstigen Sanierungsfällen, in denen sich Kampfmittel unbemerkt vom Eigentümer auf dem Grundstück befinden, verhielt es sich hier so, dass der Kläger im Zuge der Übereignung über das Vorhandensein von Munition grundsätzlich informiert war. Wie bereits ausgeführt, war ihm aufgrund des Kaufvertrages und des Merkblattes bekannt, dass sich auf dem Grundstück mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Munitionsreste befinden würden. In § 2 des Kaufvertrages ist geregelt, dass die Flächen in dem gegenwärtigen, den Parteien bekannten Zustand verkauft werden. Auch die Übereignung bezog sich demnach auf dort lagernde Munitionsreste. Die Übereignung kann insoweit nicht davon abhängig sein, dass den Beteiligten die genaue Anzahl und Menge der noch auf dem Grundstück befindlichen Munitionsteile im Einzelnen bekannt war.

49Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte dem Kläger in dem Bescheid vom 20.01.2005 nicht aufgegeben konnte, neben der Räumung des Grundstückes von Munition auch die Beseitigung der Kampfmittel auf seine Kosten zu veranlassen. Dies ergibt sich aus der in Niedersachsen vorherrschenden Verwaltungspraxis, konkretisiert durch den Runderlass des Umweltministeriums zur Kampfmittelbeseitigung vom 08.12.1995 (RdErl. d. MU v. 8.12.1995 - 505-62827/40 -, Nds. MBl. Nr. 4/1996). Danach wird die Bergung und Sondierung der Kampfmittel (Räumung) von privaten Firmen im Auftrag des Grundstückseigentümers vorgenommen, während die Beseitigung (Abtransport und Vernichtung) durch den KBD vorgenommen wird und aus Billigkeitsgründen für den Grundstückseigentümer kostenlos erfolgt (vgl. auch die Arbeitshilfen zur wirtschaftlichen Erkundung, Planung und Räumung von Kampfmitteln auf Liegenschaften des Bundes (AH KMR), Anlage 1.2.9. Niedersachsen. An dieser Verwaltungspraxis, die der Kläger zu seinen Gunsten in Anspruch nehmen kann, muss sich die Beklagte festhalten lassen, so dass sie den Kläger nicht zu den Beseitigungskosten der freigelegten Munition heranziehen kann. Ziff. 1 und 2 des Bescheides sind entsprechend so auszulegen, dass der Kläger zwar die Beseitigung zu veranlassen, hierfür aber nicht die Kosten zu tragen hat.

Im Übrigen wurde das Ermessen im Hinblick auf die durchzuführenden Maßnahmen (Bescheid Nr. 1- 6) fehlerfrei ausgeübt. Das Ermessen hinsichtlich der zur Beseitigung von Kampfmitteln einzusetzenden Maßnahmen ist durch den Runderlass des MU vom 08.12.1995 (a.a.O.) Nr. 1 sowie die Verwaltungspraxis in rechtmäßiger Weise konkretisiert worden. Danach ist die Sondierung sowie die Bergung der Kampfmittel im Auftrag und auf Kosten des Grundstückseigentümers von einer zugelassenen Fachfirma in Abstimmung mit dem KBD durchzuführen. Ebenso ist die für die Auftraggebung sowie die Räumung gesetzte Frist von jeweils drei Monaten rechtlich nicht zu beanstanden. Ferner konnte die Beklagte die Benennung der Fachfirma sowie die Anzeige des Räumungsbeginns zur Durchführung notwendiger Überwachungsmaßnahmen verlangen. Letztlich war auch die Androhung der Ersatzvornahme gemäß §§ 66, 70 Nds. SOG rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Absatz 1 und 3, 161 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entsprach es vorliegend billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erstmals ausführt, ist sie von vornherein von einer Begrenzung der Kostenhaftung des Klägers in Höhe des Verkehrswertes von 57.352,-- € ausgegangen. Sie hat damit den weitergehenden Streit im Hinblick auf die Frage, ob der Verkehrswert des Grundstückes von den Sanierungskosten überschritten wird, dadurch verursacht, dass sie diese Kostenbegrenzung nicht frühzeitig klargestellt hat. Die Beklagte hat insoweit lediglich ¼ der Kosten zu tragen, weil die Frage ungeklärt ist, ob und inwieweit die Höhe der Sanierungskosten den Verkehrswert übersteigt und das Hauptgewicht des Verfahrens in der Frage der generellen Sanierungsverantwortung des Klägers sowie ihrer kostenmäßigen Begrenzung zu sehen ist.