LAG Niedersachsen, Beschluss vom 29.01.2007 - 6 TaBV 66/05
Fundstelle
openJur 2012, 45282
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Bet. zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 15.06.2005 – 12 BV 4/05 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Beteiligten zu 1) auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten aus dem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Hannover zu dem Aktenzeichen 12 BVGa 3/04.

Der Beteiligte zu 1) ist Mitglied des im Hause der Beteiligten zu 2) gewählten Betriebsrats.

Nach der Geschäftsordnung des Betriebsrats vom 29.04.2002 hat die Ladung der Betriebsratsmitglieder zu ordentlichen Sitzungen spätestens bis 14:40 Uhr vier Arbeitstage vor der Sitzung zu erfolgen. Unvorhersehbare Umstände berechtigen den Betriebsratsvorsitzenden zu einer außerordentlichen Betriebsratssitzung einzuladen. In diesem Fall soll die Ladung den Betriebsratsmitgliedern mindestens einen Arbeitstag vor der außerordentlichen Betriebsratssitzung zugehen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Geschäftsordnung wird auf Blatt 8 bis 13 der beigezogenen Akte 12 BVGa 3/04, Arbeitsgericht Hannover Bezug genommen.

Der Betriebsratsvorsitzende hatte zum 15.09.2004, 08:00 Uhr zu einer außerordentlichen Betriebsratssitzung eingeladen. Die schriftliche Einladung nebst Tagesordnung (vgl. Blatt 24 bis 37 der beigezogenen Akte 12 BVGa 3/04) wurde von der Sekretärin des Betriebsrats am 14.09.2004 bis 08:00 Uhr in die dafür vorgesehenen Fächer für jedes einzelne Betriebsratsmitglied, so auch dem des Beteiligten zu 1), im Betriebsratsbüro gelegt. Im Sekretariat des Betriebsrats wird eine sogenannte Abwesenheitsliste geführt. Darin soll jedes Betriebsratsmitglied Abwesenheitszeiten eintragen. Am 14.09.2004 war der Beteiligte zu 1) nicht im Betrieb der Beteiligten zu 2) anwesend. Er hatte seine Abwesenheit nicht zuvor in der Liste im Betriebsratssekretariat vermerkt, sondern der Sekretärin des Betriebsrats per E-Mail erst am 15.09.2004 mitgeteilt. Der Beteiligte zu 1) erhielt am 15.09.2004 gegen 12:20 Uhr tatsächliche Kenntnis von der außerordentlichen Betriebsratssitzung. Er hat an dieser nicht mehr teilgenommen.

Mit am 20.09.2004 beim Arbeitsgericht Hannover eingegangenem Antrag begehrte der Beteiligte zu 1), vertreten durch seinen Rechtsanwalt Herrn H., im Wege der einstweiligen Verfügung festzustellen, dass die Beschlüsse der Betriebsratssitzung vom 15.09.2004 unwirksam sind, hilfsweise, dass die Beschlüsse der Betriebsratssitzung vom 15.09.2004 bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht umgesetzt werden dürfen. Das Verfahren 12 BVGa 3/04 endete durch Erledigungsbeschluss, nachdem die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Vorausgegangen war eine neuerliche Beschlussfassung des Betriebsrats einschließlich des Beteiligten zu 1) in der Sitzung vom 07.10.2004 zu denselben Punkten wie in der Betriebsratssitzung am 15.09.2004.

Mit Schreiben vom 13.10.2004 (vgl. Blatt 4 d. A.) rechnete der Rechtsanwalt des Beteiligten zu 1) gegenüber der Beteiligten zu 2) das Mandat nach einem Gegenstandswert von 4.000,– € ab, wobei sich ein Vergütungsanspruch in Höhe von 733,70 € ergab. Mit Schreiben vom 01.11.2004 (vgl. Blatt 6 d. A.) lehnte die Beteiligte zu 2) die Kostenerstattung ab.

Mit am 22.03.2005 vor dem Arbeitsgericht Hannover eingeleitetem Beschlussverfahren macht der Beteiligte zu 1) daraufhin seine Freistellung von der Kostenrechnung des Rechtsanwalts Herrn H vom 13.10.2004 geltend.

Er hat die Ansicht vertreten, die Beteiligte zu 2) habe seine Rechtsanwaltskosten für das Verfahren 12 BVGa 3/04 nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen. Die Einschaltung des Rechtsanwalts sei erforderlich gewesen, da eine sofortige Umsetzung der Betriebsratsbeschlüsse vom 15.09.2004 nur mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung habe verhindert werden können. Dem Freistellungsantrag stehe nicht entgegen, dass der Beteiligte zu 1) am 14.09.2004 nicht im Betrieb anwesend gewesen sei. Der Betriebsratsvorsitzende habe weder rechtzeitig eine Einladung vorgelegt noch seiner Selbstverpflichtung zur Übermittlung einer Einladung per E-Mail entsprochen. Ohnehin seien die in der Sitzung am 15.09.2004 beschlossenen Punkte nicht derart eilbedürftig gewesen, dass eine im Ergebnis der Geschäftsordnung widersprechenden Ladungsfrist von weniger als 24 Stunden geboten gewesen wäre.

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

10der Beteiligten zu 2) aufzugeben, ihn von den Kosten der Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Hannover mit dem Aktenzeichen 12 BVGa 3/04 in Höhe von 733,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2004 freizustellen.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat eingewandt, dass die Nichtteilnahme des Beteiligten zu 1) an der Betriebsratssitzung am 15.09.2004 allein durch dessen unentschuldigtes Fehlen am 14.09.2004 verursacht worden sei. Kosten, die ihre Ursache in unentschuldigtem Fehlen und daraus resultierender Nichtkenntnis von einer Einladung hätten, könnten nicht als erforderlich i. S. von § 40 Abs. 1 BetrVG qualifiziert werden.

Durch Beschluss vom 15.06.2005 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Beteiligten zu 1) im Verfahren 12 BVGa 3/04 nicht erforderlich gewesen sei. Die damit angestrebte Rechtsverfolgung sei offensichtlich aussichtslos gewesen. Das folge zum einen daraus, dass der Beteiligte zu 1) im Verfahren 12 BVGa 3/04 in unzulässiger Weise im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens Feststellungsanträge gestellt habe. Auch unabhängig davon sei sein Begehren offensichtlich unbegründet gewesen. Der Beteiligte zu 1) sei auf Grundlage der Geschäftsordnung des Betriebsrats ordnungsgemäß zur außerordentlichen Sitzung geladen worden. Seine Abwesenheit am 14.09.2004 führe zu keinem anderen Ergebnis, da er sich nicht abgemeldet habe und der Betriebsrat keinen Anlass zu der Annahme gehabt habe, das Einladungsschreiben werde den Beteiligten zu 1) nicht rechtzeitig erreichen. Unerheblich sei die Frage nach dem Gebotensein der Einberufung einer außerordentlichen Betriebsratssitzung. Insoweit stehe dem Betriebsratsvorsitzenden ein Ermessen zu.

Gegen den ihm am 28.07.2005 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) mit am 26.08.2005 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese sogleich begründet.

Er ist der Ansicht, dass die Hinzuziehung des Rechtsanwalts in dem Verfahren 12 BVGa 3/04 erforderlich gewesen sei. Der Betriebsratsvorsitzende habe eine außerordentliche Betriebsratssitzung am 15.09.2004 einberufen, obwohl eine Eilbedürftigkeit nicht gegeben gewesen sei. Damit sei willkürlich das Gebot zur angemessenen Ladungsfrist nicht beachtet worden. Der Beteiligte zu 1) sei nicht gehalten, täglich in seinem Fach im Betriebsratssekretariat nachzuschauen, ob darin ggf. eine Einladung für eine außerordentliche Betriebsratssitzung gelegt worden sei. Ohnehin habe ihm der Betriebsratsvorsitzende vor einiger Zeit die Ladung per E-Mail zugesagt. Bisher habe der Betriebsratsvorsitzende sich an diese Zusage jedoch nicht gehalten. Die im Verfahren 12 BVGa 3/04 gestellten Anträge seien auch nicht unzulässig gewesen. Das gelte in jedem Fall für den Hilfsantrag bei der gebotenen zweckentsprechenden Auslegung. Die Erforderlichkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts ergebe sich bereits daraus, dass der Betriebsrat den Antrag des Beteiligten zu 1) zum Anlass für eine erneute Betriebsratssitzung mit darin stattgefundener Wiederholung der Beschlüsse vom 15.09.2004 genommen habe. Außerdem habe der Beteiligte zu 1) die Rechtsverfolgung vor dem Hintergrund des Verfahrens 12 BVGa 1/04 auch für zweckentsprechend halten dürfen.

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 15.06.2005 – 12 BV 4/05 – abzuändern und der Beteiligten zu 2) aufzugeben, den Beteiligten zu 1) von den Kosten der Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Hannover mit dem Aktenzeichen 12 BVGa 3/04 in Höhe von 733,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2004 freizustellen.

Die Beteiligte zu 2) beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass ein Freistellungsanspruch des Beteiligten zu 1) nicht bestehe. Die Anträge im Verfahren 12 BVGa 3/04 seien sämtlichst unzulässig. Bereits am 15.09.2004 seien auf Grund der Beschlüsse des Betriebsrats eine Reihe von Betriebsvereinbarungen geschlossen worden, so z. B. über Samstags-Frühschicht, Samstags-Zusatzschichten, Schichtenfall in der Gießerei und über die Arbeitszeit bei der Jahresinventur. Die Beschlüsse seien also bereits endgültig umgesetzt worden und eine Verurteilung zur Unterlassung derselben habe nicht mehr erfolgen können. Des Weiteren sei Ursache für die Nichtteilnahme des Beteiligten zu 1) an der außerordentlichen Betriebsratssitzung am 15.09.2004 gewesen, dass er sich am 14.9.2004 für die Eingänge in seinem Postfach nicht interessiert habe. Die außerordentliche Betriebsratssitzung am 15.09.2004 sei auch entsprechend den Vorgaben der Geschäftsordnung geboten gewesen. In der Betriebsausschusssitzung am 13.09.2004 hätten sich der Betriebsrat und die Werksleitung auf eine Vereinbarung verständigt, nach der der Betriebsrat bestimmten Schichtenänderungen und Zusatzarbeit zustimmt, wenn die Beteiligte zu 2) im Gegenzug ursprünglich am 30.09.2004 auslaufende befristete Arbeitsverträge bis zum 31.01.2005 verlängert. Voraussetzung der Vereinbarung sei gewesen, dass die im Rahmen der Arbeitszeitregelung erforderliche Zustimmung des Betriebsrats erteilt werde also eine entsprechende Umsetzung der Betriebsratsbeschlüsse erfolgt sei. Da die Verlängerung der befristeten Arbeitsverträge, die mit einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand verbunden sei, noch vor dem 30.09.2004 habe erfolgen müssen, sei eine schnellstmögliche Beschlussfassung durch den Betriebsrat geboten gewesen.

Die Beschwerdekammer hat die Akte 12 BVGa 3/04, Arbeitsgericht Hannover beigezogen. Auf deren Inhalt wird ebenso Bezug genommen, wie auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die im mündlichen Anhörungstermin am 29.01.2007 abgegebenen wechselseitigen Erklärungen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

A.

Die Beschwerde ist statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 87 Abs. 2 i. V. m. §§ 64, 66 ArbGG, §§ 517, 519 ZPO.

Der geltend gemachte Freistellungsanspruch ist zulässig. Das gewählte Beschlussverfahren ist nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 1 ArbGG die richtige Verfahrensart, da zwischen den Beteiligten ein Kostenerstattungsanspruch auf Grundlage des § 40 Abs. 1 BetrVG streitig ist. Die Antragsbefugnis des Beteiligten zu 1) und die Beteiligung der Beteiligten zu 2) ergeben sich aus §§ 10, 83 ArbGG.

B.

Der Beteiligte zu 1) hat gegen die Beteiligte zu 2) keinen Anspruch auf Freistellung von den Rechtsanwaltskosten aus dem Verfahren 12 BVGa 3/04, Arbeitsgericht Hannover gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG.

1.

27Nach § 40 Abs. 1 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandenen Kosten zu tragen. Dazu gehören u.a. die notwendigen Aufwendungen des einzelnen Betriebsratsmitgliedes, die es im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit, also zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm durch das Betriebsverfassungsgesetz übertragenen Aufgaben macht. Diese Voraussetzungen können auch gegeben sein, wenn das einzelne Betriebsratsmitglied in einem Beschlussverfahren die gerichtliche Überprüfung von Beschlüssen des Betriebsrats begehrt, durch die in die Rechtstellung des einzelnen Betriebsratsmitgliedes eingegriffen wird (BAG, Beschluss vom 03.04.1979 – 6 ABR 64/76 – AP Nr. 13 zu § 13 BetrVG). Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Freistellung von den Kosten, die dem einzelnen Betriebsratsmitglied durch die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts entstanden sind, besteht jedoch gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG nicht grenzenlos, sondern grundsätzlich nur dann, wenn das Betriebsratsmitglied bei pflichtgemäßer Berücksichtigung der objektiven Gegebenheiten und Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Rechtslage, die Führung des Prozesses und die Beauftragung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten konnte. Die Prüfung der Erforderlichkeit ist dabei nicht allein anhand der subjektiven Bedürfnisse des Betriebsratsmitglieds vorzunehmen. Vielmehr sind die Interessen der Belegschaft an der sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamtes einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits, insbesondere auch dessen Kostenbelange, gegeneinander abzuwägen. Bei offensichtlich aussichtsloser Rechtsverfolgung entfällt die Kostentragungsverpflichtung des Arbeitgebers (vgl. BAG, Beschluss vom 19.03.2003 – 7 ABR 15/02 – in BB 2003, 1681 bis 1683). Gleiches gilt, wenn die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten rechtsmissbräuchlich erfolgt und deshalb das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung der Kostentragungsverpflichtung missachtet wird (vgl. BAG, Beschluss vom 25.05.2005 – 7 ABR 42/04 – in AP Nr. 1 zu § 20 MitbestG).

2.

Bei der gebotenen Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Beteiligte zu 2) nicht dazu verpflichtet, die dem Beteiligten zu 1) im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Hannover zu dem Aktenzeichen 12 BVGa 3/04 entstandenen Rechtsanwaltskosten zu erstatten bzw. ihn hiervon freizustellen. Die Rechtsverfolgung des Beteiligten zu 1) war offensichtlich aussichtslos.

a)

Der Beteiligte zu 1) hat in jenem Verfahren mit dem Hauptantrag die Feststellung begehrt, dass die Beschlüsse der Betriebsratssitzung vom 15.09.2004 unwirksam sind.

aa)

Grundsätzlich kann Gegenstand eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren nur ein Anspruch sein, der durch Zwangsvollstreckung im Wege der Vollziehung nach §§ 928, 936 ZPO durchgesetzt werden kann. Das sind in erster Linie Ansprüche auf Vornahme einer Handlung und Unterlassung. Nicht vollstreckungsfähig und damit nicht vollziehungsfähige Feststellungsanträge sind durch die Wirkung ihrer Rechtskraft lediglich Grundlage für andere Ansprüche, die ihrerseits vollstreckt werden können. Nur in besonderen Ausnahmefällen ist deshalb eine einstweilige Verfügung im Hinblick auf feststellende Ansprüche als zulässig zu betrachten. Diese Ausnahmetatbestände sind dann zu bejahen, wenn die grundrechtlich geschützte Rechtsposition des Antragstellers anderenfalls endgültig nicht durchgesetzt werden und das Gebot der Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet werden kann (vgl. LAG-Baden Württemberg, Beschluss vom 06.03.2006 – 13 TaBV 4/06 – MDR 206, 1001; Germelmann, ArbGG, 5. Aufl., § 62 Rn. 77a). Ansonsten ist eine feststellende Verfügung angesichts der Vorläufigkeit des Eilverfahrens nicht geeignet, die Rechtsunsicherheit zu beseitigen, es sei denn, der Antragsgegner hat von vornherein erklärt, sich auch einem etwaigen Feststellungsurteil zu beugen.

bb)

Keiner dieser Sonderfälle war in Bezug auf das einstweilige Verfügungsverfahren 12 BVGa 3/04 gegeben.

Die Beteiligten zu 2) und 3) in jenem Verfahren haben nicht erklärt, sich einer feststellenden Verfügung beugen zu wollen.

Durch die Versagung des Feststellungsanspruchs im einstweiligen Verfügungsverfahren ist der Beteiligte zu 1) auch nicht rechtlos gestellt worden. Er verfügte über effektivere Mittel, um sein – insoweit unterstelltes – Recht im einstweiligen Verfügungsverfahren durchzusetzen. Hier ist insbesondere an Unterlassungsanträge zu denken. Ob insoweit ein Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund bestanden haben, ist keine Frage der Zulässigkeit sondern der Begründetheit eines etwaigen Unterlassungsantrags. Der auf Feststellung gerichtete Hauptantrag war jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens auf den ersten Blick erkennbar unzulässig und damit die mit ihm verfolgte Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos.

b)

Soweit man den Hilfsantrag als Antrag auf Feststellung, dass die Beschlüsse der Betriebsratssitzung vom 15.09.2004 bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht umgesetzt werden dürfen, auslegt, folgt die offensichtliche Aussichtslosigkeit der damit verfolgten Rechtsverteidigung aus den obigen Ausführungen in Bezug auf den Hauptantrag.

c)

Soweit man den Hilfsantrag als sogenannte Sicherungsverfügung gemäß § 940 ZPO auslegt, gerichtet darauf, den Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, die Umsetzung der Beschlüsse der Betriebsratssitzung vom 15.09.2004 zu unterlassen, ist dieser Anspruch unbegründet. Es fehlt bereits an dem erforderlichen Verfügungsanspruch.

aa)

Die in der Betriebsratssitzung am 15.09.2004 getroffenen Beschlüsse sind rechtswirksam.

37Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratssitzung am 15.9.2004 einschließlich der darin erfolgten ordnungsgemäßen Beschlussfassung bestehen nicht.

38Der Beteiligte zu 1) ist auch in ordnungsgemäßer Art und Weise gemäß § 29 Abs. 2 S. 2 BetrVG i. V. m. der Geschäftsordnung des Betriebsrats zu dieser Sitzung geladen worden. Gemäß § 29 Abs. 2 S. 2 BetrVG hat der Betriebsratsvorsitzende rechtzeitig zu den Sitzungen unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Ladung und Übersendung der Tagesordnung sind rechtzeitig, wenn der Geladene sich auf die Sitzung einrichten und vorbereiten kann (vgl. BAG, Beschluss vom 03.08.1999 – 1 ABR 30/98 – in AP Nr. 7 zu § 25 BetrVG). Die Geschäftsordnung des Betriebsrats hat das durch die Festlegung konkretisiert, dass die Ladung zu einer ordentlichen Sitzung bis 14:40 Uhr vier Arbeitstage vor der Sitzung und bei außerordentlichen Sitzungen ein Arbeitstag vor der außerordentlichen Sitzung zugehen soll. Zugang der Einladung ist dabei in Anlehnung an § 130 Abs. 1 S. 1 BGB dann zu bejahen, wenn die Ladung nebst Tagesordnung derart in den Machtbereich des jeweiligen Betriebsratsmitglieds gelangt ist, dass dieses sich unter normalen Umständen von dem Inhalt Kenntnis verschaffen kann bzw. wenn die Kenntnisnahme nach den üblichen Gepflogenheiten von ihm erwartet werden kann und muss. Unterhält z. B. der Empfänger ein Postfach, ist ein darin abgelegtes Schriftstück an dem Tag zugegangen, an dem die Einsortierung erfolgt ist, sofern nach der Verkehrsauffassung mit der Abholung des Schriftstückes an diesem Tag zu rechnen war (vgl. BAG, 24.10.1985 – 2 AZR 521/84 – in AP Nr. 38 zu § 494 ZPO). Ist eine Erklärung nach diesen Kriterien zugegangen, muss der Empfänger sich so behandeln lassen, als ob ihm der Inhalt der Erklärung bekannt gewesen ist. Es kommt dann nicht mehr darauf an, ob er von dem Erklärungsinhalt tatsächlich Kenntnis genommen hat. Hiernach ist der Beteiligte zu 1) fristgerecht zu der außerordentlichen Sitzung des Betriebsrats am 15.09.2004 geladen worden. Die Ladungsfrist soll nach der Geschäftsordnung für außerordentliche Betriebsratssitzungen mindestens einen Arbeitstag also 24 Stunden betragen. Die Beteiligte zu 2) hat unbestritten vorgetragen, dass die Ladung nebst Tagesordnung in das Betriebsratspostfach des Beteiligten zu 1) im Betriebsratssekretariat am 14.09.2004 bis 08:00 Uhr eingelegt worden ist. Dieses Postfach war die für die Betriebsratstätigkeit des Beteiligten zu 1) vorgehaltene und geeignete Empfangsvorrichtung für Schreiben im Zusammenhang mit seiner Betriebsratstätigkeit. Er hat im Anhörungstermin am 29.01.2007 ausdrücklich bestätigt, dass ihm Einladungen zu Betriebsratssitzungen regelmäßig in dieses Fach gelegt werden, und zwar sowohl bei ordentlichen als auch im Hinblick auf außerordentliche Sitzungen. Der Beteiligte zu 1) hatte seine Abwesenheit am 14.09.2004 weder in die dafür vorgesehene Abwesenheitsliste eingetragen noch hatte er den Betriebsrat oder die insoweit zuständige Betriebsratssekretärin vor dem 14.09.2004 hierüber informiert. Nach seinen Erklärungen zu Protokoll in dem Verfahren 12 BVGa 3/04 im Termin am 07.10.2004 hat er vielmehr ausdrücklich erklärt, die Sekretärin per E-Mail erst am 15.09.2004 über seine Abwesenheit am 14.09.2004 informiert zu haben. Für den Betriebsratsvorsitzenden bestand mithin am 14.09.2004 keinerlei Anlass daran zu zweifeln, dass der Beteiligte zu 1) sich unter normalen Umständen Kenntnis von der in seinem Postfach liegenden Einladung verschaffen konnte. Der Zugang der Einladung war mit der Ablage der Einladung in das Fach des Beteiligten zu 1) im Betriebsratsbüro am 14.09.2004 bewirkt und somit die maßgebliche Ladungsfrist auf Grundlage der Geschäftsordnung im Hinblick auf die am 15.09.2004 um 08:00 Uhr beginnende außerordentliche Betriebsratssitzung gewahrt.

Der Beteiligte zu 1) kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf eine entsprechende Zusage von Seiten des Betriebsratsvorsitzenden berufen, Ladungen per E-Mail an ihn zu versenden. Zum einen gibt es dafür in der bindenden Geschäftsordnung des Betriebsrats keinerlei Grundlage. Zum anderen ist auch nach dem Vortrag des Beteiligten zu 1) insoweit gerade kein Vertrauenstatbestand bei ihm entstanden. Selbst wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, eine derartige Zusage sei ihm erteilt worden, so hat er doch selbst ausgeführt, dass sich der Betriebsratsvorsitzende in der Vergangenheit bei verschiedenen Einladungen auch zu außerordentlichen Betriebsratssitzungen an dieses angebliche Versprechen gerade nicht gehalten hat. Vielmehr sei auch in diesen Fällen die Einladung stets über das Postfach im Betriebsratsbüro erfolgt. Das war mithin die zwischen dem Beteiligten zu 1) und dem Betriebsrat übliche Weise, Schreiben und insbesondere auch Einladungen zukommen zu lassen.

Es liegen zudem keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor bzw. entsprechender Vortrag von Seiten des Beteiligten zu 1), dass der Betriebsratsvorsitzende die Sitzung am 15.09.2004 entgegen den Vorgaben der Geschäftsordnung rechtsmissbräuchlich als außerordentliche mit entsprechend kurzer Ladungsfrist angesetzt hat.

Nach der Geschäftsordnung berechtigen unvorhersehbare Umständen den Betriebsratsvorsitzenden zur Einberufung einer außerordentlichen Betriebratssitzung. Einen danach erforderlichen Eilfall haben bereits die Beteiligten zu 2) und 3) im Verfahren 12 BVGa 3/04 hinreichend dargelegt. Die maßgeblichen Aspekte sind von der Beteiligten zu 2) im mündlichen Erörterungstermin am 29.01.2007 im vorliegenden Verfahren nochmals konkretisiert worden, ohne dass der Beteiligte zu 1) dem entgegengetreten ist. Hintergrund war danach, dass am 13.09.2004 die Sitzung des Betriebsausschusses/Werksmanagement stattgefunden hatte. Ergebnis dieser Sitzung war, dass der Arbeitgeber zum 30.09.2004 auslaufende befristete Arbeitsverträge bis zum 31.01.2005 verlängert und der Betriebsrat im Gegenzug Zusatzschichten zustimmt. Die entsprechenden Zusatzschichten sollten bereits am 25.09.2004 gefahren werden. Die nächste turnusmäßige Betriebsratssitzung hätte erst am 29.09.2004 und damit nach diesem Termin stattgefunden. Zudem mussten die schriftlichen Verträge zur Verlängerung der auf den 30.9.2004 befristeten Arbeitsverhältnisse bis zum 30.09.2004 sowohl tatsächlich vereinbart und als auch verwaltungstechnisch umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund ist die Ansetzung einer außerordentlichen Betriebsratssitzung für den 15.09.2004 nicht zu beanstanden.

42Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtteilnahme des Beteiligten zu 1) an der außerordentlichen Betriebsratssitzung am 15.09.2004 nicht etwa daraus resultierte, dass die Ladungsfrist zu kurz bemessen war. Allein weil der Beteiligte zu 1) es versäumt hatte, seine Abwesenheit am 14.09.2004 dem Betriebsrat – sei es über die Abwesenheitsliste oder über eine Information an die Sekretärin – zur Kenntnis zu bringen und darüberhinaus auch nicht sichergestellt hat, dass ihm während seiner Abwesenheit in sein Betriebsratsfach gelegte Schreiben und sonstige Informationen zur Kenntnis gelangen, war ihm die Einladung unbekannt. Er konnte nicht darauf vertrauen, dass sich gerade am 14.09.2004 keinerlei relevante Schriftstücke in seinem Postfach befinden würden. Es war bzw. ist die Obliegenheit des Beteiligten zu 1) als Mitglied des Betriebsrats sicherzustellen, dass ihm von dem Betriebsratsvorsitzenden in ordnungsgemäßer Art und Weise zugestellte Schreiben auch zur Kenntnis gelangen. Dem hat der Beteiligte zu 1) am 14.09.2004 nicht entsprochen.

Dass es dem Beteiligten zu 1) dann, wenn er die Einladung samt Tagesordnung tatsächlich am 14.9.2004 zur Kenntnis genommen hätte, angesichts der Kürze der verbleibenden Zeit bis zum Beginn der Betriebsratssitzung am 15.9.2004 nicht möglich gewesen wäre, sich inhaltlich angemessen hierauf vorzubereiten, hat weder der Beteiligte zu 1) vorgetragen noch bestehen dafür ansonsten irgendwelche Anhaltspunkte.

bb)

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die begehrten Unterlassungen im Verfahren 12 BVGa 3/04 zumindestens insoweit ins Leere liefen, als der Betriebsrat diverse in der Sitzung am 15.09.2004 gefasste Beschlüsse im Wege der Unterschriftsleistung unter Betriebsvereinbarungen bereits umgesetzt hatte. Der Beteiligte zu 1) hat diejenigen Beschlüsse, deren Umsetzung er genau verhindern wollte, im Verfahren 12 BVGa 3/04 nicht konkretisiert.

Insgesamt ist festzustellen, dass die vom Beteiligten zu 1) im Verfahren 12 BVGa 3/04 begehrte Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos war. Ein Erstattungs- bzw. Freistellungsanspruch gegen die Beteiligte zu 2) wegen der daraus resultierenden Rechtsanwaltskosten kann nicht auf § 40 Abs. 1 BetrVG gestützt werden.

b)

Letztendlich konnte der Beteiligte zu 1) auch nicht mit Rücksicht auf das von ihm angeführte Verfahren 12 BVGa 1/04 darauf vertrauen, dass die Beteiligte zu 2) ihm die in dem Verfahren 12 BVGa 3/04 entstandenen Rechtsanwaltskosten erstatten werde. Das Verfahren 12 BVGa 1/04 vor den Arbeitsgericht Hannover ist ohne, dass ein mündlicher Anhörungstermin stattgefunden hätte, gemäß § 83 a ArbGG eingestellt worden, nachdem die Beteiligten sich außergerichtlich verständigt hatten. Bestandteil dieser Verständigung war u. a. die Kostenübernahme durch die jetzige Beteiligte zu 2) im Hinblick auf die Rechtsanwaltskosten des Beteiligten zu 1) im damaligen Verfahren. Dadurch ist aber kein Vertrauenstatbestand begründet worden, die Beteiligte zu 2) werde auch in zukünftigen Beschlussverfahren unabhängig von den Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG jedwede Rechtsanwaltskosten für den Beteiligten zu 1) übernehmen.

Nach alledem hatte die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den zurückweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover keinen Erfolg.

III.

Diese Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG.

Gegen diese Entscheidung ist daher ein Rechtsmittel nicht gegeben.

gez. Klausmeyer

gez. Blum

gez. Momann