VG Stade, Urteil vom 27.07.2006 - 1 A 539/05
Fundstelle
openJur 2012, 44668
  • Rkr:

Die Übernahme der Bestattungskosten ist für die Kinder jedenfalls vor Inkrafttreten des BestattG für die Kinder nicht zumutbar, wenn dem Vater die elterliche Sorge über seine Kinder wegen Misshandlung und Verwahrlosung gerichtlich entzogen wurde.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu den Kosten der Bestattung seines verstorbenen Vaters.

Am 31. Januar 2004 wurde der obdachlose E., der in die Obdachlosenunterkunft der Beklagten eingewiesen war, dort tödlich verunglückt aufgefunden. Nachdem die Polizei Bremervörde eingeschaltet war, wurde der Kläger als nächster Angehöriger informiert. Die Leiche wurde in die Leichenhalle der Oste-Med.-Klinik Bremervörde gebracht. Am 2. Februar 2004 wurde von der Staatsanwaltschaft Stade die Bestattungsgenehmigung erteilt. Der Kläger erklärte gegenüber der Beklagten, dass er ebenso wie sein Bruder F. (Kläger in der Sache 1 A 633/05) nicht für die Kosten der Beerdigung aufkommen würde. Sie würden auch nichts weiter veranlassen. Der Bruder des Klägers erklärte auf telefonische Anfrage, er sei arbeitslos, und im Übrigen gab er ebenso wie der Kläger als Grund an, dass er und sein Bruder schon als Kleinkinder zu Pflegeeltern gekommen seien. Der Vater habe die Mutter und die Kinder in der Kindheit häufig, insbesondere unter Alkoholeinfluss, körperlich misshandelt. Seit vielen Jahren hätten sie keinen Kontakt zum Vater gehabt. Nachdem die Beklagte daraufhin Angebote verschiedener Bestattungsinstitute eingeholt hatte, gab sie die Einäscherung und die Beerdigung des Verstorbenen in Auftrag.

Mit Schreiben vom 5. August 2004 hörte die Beklagte den Kläger und seinen Bruder dazu an, dass sie gegen diese Kostenbescheide über die Ersatzvornahme zu erlassen beabsichtige. Der Vater des Klägers sei im Rahmen der Gefahrenabwehr auf Veranlassung der Beklagten eingeäschert und bestattet worden. Die Söhne seien vorher auf ihre Bestattungspflicht hingewiesen worden, hätten jedoch zum Ausdruck gebracht, dieser nicht nachkommen zu wollen. Die Kosten der Ersatzvornahme wurden mit rund 1.800,00 € beziffert.

Am 23. August 2004 erließ die Beklagte den in diesem Verfahren angefochtenen Kostenbescheid wegen der Ersatzvornahme. Gleichlautende Bescheide gingen an beide Brüder. Die Beklagte stellt dar, dass die nahen Angehörigen eines Verstorbenen in Niedersachsen gewohnheitsrechtlich dazu verpflichtet seien, für die Bestattung ihrer Angehörigen zu sorgen. Als nahe Angehörige seien jedenfalls auch die Kinder anzusehen. Diese hätten sich hier beide ausdrücklich geweigert, für die Bestattung ihres Vaters zu sorgen, so dass dies von der Beklagten erledigt werden musste. Die Brüder seien als Gesamtschuldner für die Kosten dieser Bestattung in Anspruch zu nehmen. Die Kosten der Ersatzvornahme setzen sich zusammen aus einer Rechnung des Bestatters G., der die Überführung von der Unfallstelle sowie Auslagen für die Leichenkammergebühr und Leichenschau in Höhe von insgesamt 465,20 € geltend macht. Ferner wurde die anonyme Urnengrabstelle auf dem Friedhof H. mit 180,00 € in Rechnung gestellt. Der Bestatter D. hat für die Bestattung selbst 984,18 € geltend gemacht. Dabei wurden für einen Kiefernsarg 324,00 €, für das Herrichten, Ausschlagen sowie für das Sterbehemd 72,00 €, für die Überführung 102,00 € sowie für die Auslagen der Einäscherung 406,50 € in Rechnung gestellt. Insgesamt wurden danach 1.629,38 € als Kosten der Ersatzvornahme von dem Kläger und seinem Bruder als Gesamtschuldner gefordert.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Er hätte die Erbschaft durch notarielle Erklärung am 5. Februar 2004 ausgeschlagen und sei somit nicht mehr verpflichtet, die Kosten der Bestattung zu tragen. Nach einer eingereichten notariellen Erklärung hat der Kläger für sich, seine Ehefrau und seine vier Kinder das Erbe ausgeschlagen. Auch der Bruder hat aus den gleichen Gründen und unter Hinweis auf seine Arbeitslosigkeit Widerspruch eingelegt. Der Kläger wurde in der Folgezeit von der Beklagte darauf hingewiesen, dass er die Kosten der Bestattung bei dem Sozialhilfeträger geltend machen könnte. Der Bruder des Klägers macht in seinem Widerspruchsverfahren weiter geltend, dass die Kinder bereits mit drei Jahren in eine Pflegefamilie gekommen seien und seitdem keinen Kontakt mehr zu dem Vater hatten. Sie seien daher wie Fremde zu behandeln, so dass das Gewohnheitsrecht für sie nicht gelten könne.

Durch Widerspruchsbescheide vom 3. März 2005 wies der Landkreis Rotenburg die Widersprüche zurück. Die Ersatzvornahme sei ordnungsgemäß durchgeführt worden, weil seinerzeit eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nach dem Tod des Vaters entstanden war. Es gebe zwar in Niedersachsen keine gesetzliche Regelung über den Personenkreis der Bestattungspflichtigen, die Gerichte hätten jedoch bereits des Öfteren entschieden, dass die nahen Verwandten zum Tragen der Kosten verpflichtet seien. Die Tatsache, dass die Erbschaft ausgeschlagen sei, könne daran nichts ändern, weil die Kostentragungspflicht sich nicht aus den Vorschriften des Zivilrechts ergäbe, sondern allein aus der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung der Angehörigen, für die Bestattung der Verstorbenen zu sorgen. Dass der Vater vor seinem Tode keine engen persönlichen Bindungen zu den Söhnen unterhalten hat, ändere ebenfalls nichts. Es komme allein auf die verwandtschaftlichen Beziehungen an, nicht darauf, ob die Kinder Kenntnis von den Lebensumständen des Vaters hatten. Der Abbruch des Kontaktes zwischen dem Vater und den Söhnen und auch die bestehenden finanziellen Probleme der Söhne seien in diesem Zusammenhang unerheblich.

Das Amtsgericht Zeven hat mit Beschluss vom 30. Juli 1976 (1 X 107/76) dem Kindesvater die elterliche Gewalt über seine minderjährigen Kinder, der Kläger war seinerzeit neun Jahre alt, sein Bruder vier Jahre alt, entzogen. Das Landgericht Stade hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Vaters des Klägers mit Beschluss vom 22. Dezember 1976 zurückgewiesen (2 T 285/76).

Der Kläger hat am 21. März 2005 Klage erhoben, sein Bruder am 5. April 2005. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, dass es für die Heranziehung zu den Bestattungskosten keine Rechtsgrundlage gebe. Er habe die Erbschaft ausgeschlagen. Aus Gewohnheitsrecht könne sich im Übrigen die Bestattungspflicht in diesem Fall nicht ergeben, weil der verstorbene Vater den Kindern gegenüber regelmäßig gewalttätig geworden sei. Auf Veranlassung des Jugendamtes seien die Kinder deshalb nach dem Tode der Mutter von dem Vater getrennt worden. Eine Unterbringung in einem Heim sei lediglich durch die Bereitschaft der Tante des Klägers abgewendet worden, die Erziehung der Kinder zu übernehmen. Die Bindung zwischen dem Vater und den Kindern sei nicht nur zerrüttet, sondern gar nicht vorhanden gewesen. Dies ergebe sich aus den Beschlüssen der Zivilgerichte. Danach habe es keinen Kontakt mehr zum Vater gegeben.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landkreises Rotenburg vom 3. März 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass es auf die Frage der Bindung zwischen Vater und Sohn nicht ankomme. Nach der Rechtsprechung würde selbst ein Kontaktabbruch und eine alkoholbedingte Gewalttätigkeit des Verstorbenen gegen einen Bestattungspflichtigen und dessen Mutter nicht als Grund für einen Wegfall der Bestattungspflicht gesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil dieser zu Unrecht zur Zahlung der Bestattungskosten für seinen Vater herangezogen wurde.

Der Kläger ist grundsätzlich verpflichtet, die Kosten der Beisetzung, welche die Beklagte im Wege der Ersatzvornahme hat ausführen lassen, zu erstatten. Die Ersatzvornahme war rechtmäßig. Zwar ist gemäß § 64 Abs. 1 Nds. SOG vor der Durchführung der Ersatzvornahme in der Regel der Erlass eines Verwaltungsaktes erforderlich, mit dem die Vornahme der Handlung unanfechtbar oder für sofort vollziehbar aufgegeben wird. Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG können Zwangsmittel jedoch auch ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr, insbesondere, weil Maßnahmen gegen Personen nach §§ 6 bis 8 Nds. SOG nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, erforderlich sind und die Verwaltungsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt. Das war hier der Fall. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung lag vor, weil zum Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen noch § 2 Abs. 1 Satz 1 der niedersächsischen Verordnung über die Bestattung von Leichen vom 29. Oktober 1964 (Nds. GVBl. S. 183) galt, wonach jeder Leichnam innerhalb von 96 Stunden seit dem Eintritt des Todes bestattet werden bzw. zur Bestattung auf den Weg gebracht werden muss. Danach war die Beklagte gehalten, die Bestattung in die Wege zu leiten, nachdem sowohl der Kläger als auch sein Bruder definitiv erklärt hatten, für die Bestattung nicht sorgen zu wollen.

Der Kläger war grundsätzlich auch zur Beseitigung der Gefahr berufen, also bestattungspflichtig. Zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Todes galt zwar das zum 1. Januar 2006 in Kraft getretene „Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen“ vom 8. Dezember 2005 (BestattG, Nds. GVBl. S. 381) noch nicht. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BestattG haben die Kinder der verstorbenen Person für deren Bestattung zu sorgen. Sofern diese nicht für die Bestattung sorgen, haften sie als Gesamtschuldner gemäß § 8 Abs. 4 BestattG der Gemeinde für die Kosten, die gemäß § 8 Abs. 4 Satz 3 BestattG durch Leistungsbescheid festgesetzt werden. Es entsprach jedoch auch bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes dem geltenden niedersächsischen Gewohnheitsrecht, dass die nahen Angehörigen eines Verstorbenen verpflichtet waren, für dessen Bestattung zu sorgen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 9. Dezember 2002 - 8 LA 158/02 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. Mai 2003 - 8 ME 76/03 -; VG Stade, Urteil vom 18. Dezember 2004 - 1 A 681/03 -; VG Stade, Beschluss vom 2. Juni 2005 - 1 A 1687/04 - und Beschluss vom 6 April 2006 - 1 A 1049/05 -). Als Sohn des Verstorbenen war der Kläger demnach zu dessen Bestattung grundsätzlich verpflichtet.

19Dass der Kläger nicht zu den Erben des Verstorbenen gehört, weil er die Erbschaft durch notarielle Erklärung ausgeschlagen hat, schließt zwar die sich aus § 1968 BGB ergebende Verpflichtung zur Kostentragung aus, sie steht jedoch einer öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht nicht entgegen. Die öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Bestattung eines nahen Angehörigen zu sorgen, ist nämlich nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht identisch, die Beisetzungskosten zu tragen. Die zivilrechtlichen Vorschriften über die Kostentragungspflicht enthalten keine rechtliche Vorgabe für den Kreis der nach öffentlichem Recht Bestattungspflichtigen (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1994 - 1 B 149/94 -; VGH Mannheim, Urteil vom 5. Dezember 1996 - 1 S 1366/96 -, in Juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 9. Dezember 2002 - 8 LA 158/02 - und Beschluss vom 19. Mai 2003 - 8 ME 76/03 -; Urteil der Kammer vom 18. Februar 2004 - 1 A 681/03 -). Die Ordnungsbehörde ist daher grundsätzlich nicht daran gehindert, von dem Bestattungspflichtigen, der seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist, den Ersatz der Aufwendungen zu verlangen, die durch die Ersatzvornahme entstanden sind.

Auch die Tatsache, dass der Kläger unter Berücksichtigung seiner Familien- und Einkommensverhältnisse kaum in der Lage ist, die notwendigen Bestattungskosten aufzubringen, ändert nichts an seiner grundsätzlichen Verpflichtung zur Kostenübernahme. Für den Fall, dass er finanziell nicht in der Lage ist, die Kosten zu tragen, stehen ihm die Kostenübernahmeregelungen des § 15 BSHG bzw. nunmehr des § 74 SGB XII zur Verfügung. Insoweit können also die begrenzten finanziellen Möglichkeiten nicht zur Rechtswidrigkeit des Heranziehungsbescheides führen.

21Die Kammer hat aber in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgericht (OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. Mai 2003 - 8 ME 76/03 - und Beschluss vom 13. Juli 2005 - 8 PA 37/05 - bei Vorliegen besonderer Ausnahmefälle für möglich gehalten, dass die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht entfällt. Die Kammer hält im vorliegenden Fall einen derartigen Ausnahmetatbestand für gegeben. Das Nds. Oberverwaltungsgericht hält etwa bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen einen derartigen Ausnahmetatbestand für gegeben (Beschluss vom 13. Juli 2005) und hat im Übrigen ausgeführt, dass Unterhaltspflichtverletzungen nicht derartige schwere Straftaten darstellen. Die Rechtsprechung hat es für die Annahme eines Ausnahmetatbestandes, der der Bestattungspflicht entgegensteht, auch nicht ausreichen lassen, dass der Verstorbene seiner bestattungspflichtigen Mutter vor mehr als 30 Jahren Geld entwendet und sie hierdurch in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht hat (OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. Mai 1003). Auch in einem Fall, in dem eine Klägerin erst nach 45 Jahren ihren später verstorbenen Vater ausfindig gemacht hatte, der zuvor ihre Mutter im Säuglingsalter der Klägerin verlassen hatte und der weder Unterhalt gezahlt noch eine persönliche Beziehung zur Klägerin unterhalten hatte, hat das Gericht das Vorliegen eines Ausnahmefalle verneint (OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. Juli 2005).

Die Kammer ist dieser restriktiven Rechtsprechung stets gefolgt (vgl. Beschluss vom 2. Juni 2005 - 1 A 1687/04 -; Beschluss vom 30. November 2005 - 1 A 85/05 -). Die Totenfürsorge ist Ausfluss des familienrechtlichen Verhältnisses, das dem Verstorbenen bei Lebzeiten mit den Überlebenden verbunden hat und welches über den Tod hinaus fortdauert und dem verstorbenen Familienmitglied Pietät und Pflege seines Andenkens gebietet (Gaedke/Diefenbach, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. Aufl., Köln 2004, 104). Abweichungen hiervon sind nur in ganz engen Grenzen gerechtfertigt. Dies wird auch deutlich, wenn man das bereits zitierte Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen vom 8. Dezember 2005 zugrunde legt. Nach § 8 BestattG sind Ausnahmevorschriften überhaupt nicht mehr vorgesehen. Vielmehr müssen die Kinder in jedem Fall zu den Kosten der Bestattung ihrer Eltern beitragen. Für den hier vorliegenden Zeitraum galt dieses Gesetz jedoch noch nicht, so dass das Vorliegen eines Ausnahmefalles noch möglich war. Selbst nach Inkrafttreten des §8 BestattG dürften im Übrigen Ausnahmen nach allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, einzuräumen sein.

Die Kammer hält dies im vorliegenden Fall für gegeben, weil die in dem Beschluss des Amtsgericht Zeven vom 30. Juli 1976 geschilderten Umstände, die zur Entziehung der elterlichen Sorge und einem endgültigen Abbruch der Beziehungen des Verstorbenen zu seinen Kindern geführt haben, die Annahme eines derartigen Ausnahmefalles rechtfertigen. Die in den bisherigen Entscheidungen zu dieser Frage geäußerte Auffassung, dass ein Ausnahmefall bei Vorliegen einer schweren Straftat gegen den in Anspruch genommenen Bestattungspflichtigen in Betracht kommt, darf nicht so verstanden werden, dass dies nur im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung in Frage kommt. Vielmehr sind die Gesamtumstände in dem Sinne zu würdigen, ob eine Durchführung der Bestattung trotz familiärer Bindungen dem Pflichtigen nicht zugemutet werden kann. Dabei kann das Zusammentreffen mehrerer Umstände einer schweren Straftat gegen den Betroffenen gleichkommen. Das Amtsgericht stellt in dem Beschluss fest, die Betreuung der beiden Brüder sowie ihrer seinerzeit 11 Jahre alten Stiefschwester I. durch die blinde Mutter des Vaters sei äußerst dürftig gewesen. Trotz häufiger Hinweise des Jugendamtes habe der Vater an diesem Zustand nichts geändert. Der Vater habe seit dem Tod seiner Frau dem Alkohol immer mehr zugesprochen und sei nach dem Alkoholgenuss häufig rabiat geworden. Nach den Ermittlungen des Kreisjugendamtes sei es wiederholt zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Kindesvater und dessen blinder Mutter gekommen. Aus der Nachbarschaft im Dorf sei wegen der bekannten Neigung des Vaters zum Alkohol und seiner dann auftretenden Neigung zu Gewalttätigkeit niemand bereit gewesen, längere Zeit im Haushalt auszuhelfen. Im Juli 1976 sei es zu weiteren erheblichen Auseinandersetzungen gekommen, in dessen Verlauf der Kindesvater beschuldigt wurde, seit Weihnachten 1975 sexuelle Handlungen an seiner Stieftochter vorgenommen zu haben und seine blinde Mutter misshandelt zu haben. Das Kreisjugendamt hatte daher mit Schriftsatz vom 14. Juli 1976 beantragt, dem Kindesvater die elterliche Gewalt über seine minderjährigen Kinder zu entziehen. Dem sei das Amtsgericht Zeven durch Beschluss vom 30. Juli 1976 nachgekommen, weil der Kindesvater die Rechte der Personensorge für seine Kinder missbraucht und seine Kinder vernachlässigt habe. Die elterliche Gewalt sei dem Vater zu entziehen, um eine leibliche und geistige Gefährdung der Kinder auszuschließen. Dieser Beschluss erging zu einem Zeitpunkt, in dem die Kinder noch in einem Alter waren, das es nahezu ausschloss, dass sich noch eine Beziehung zu den Kindern entwickeln konnte. Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde des Vaters wurde durch Beschluss des Landgerichts Stade vom 22. Dezember 1976 zurückgewiesen. Auch in diesem Beschluss werden Umstände geschildert, die kaum den Schluss zulassen, dass ein gemeinsames Wohnen noch möglich war. Zudem würdigt die Kammer die Tatsache, dass die von dem Vater abhängige blinde Mutter und die die Betreuung der beiden Söhne im Wesentlichen regelnde erst elfjährige Stieftochter sich im Jahre 1975 trauten , eine Anzeige zu erstatten, als deutlichen Hinweis auf die Richtigkeit der geschilderten unzumutbaren Umstände und der Vorwürfe der Gewalttätigkeiten. Der Kläger hat im Übrigen Zeugenbeweis dafür angeboten, dass der Vater des Klägers die Kinder und seine Mutter oft geschlagen und diese menschenunwürdig behandelt habe. Die Kammer hält daher im vorliegenden Fall einen Ausnahmefall für gegeben, der eine Heranziehung des Klägers zu den Bestattungskosten ausschließt.

Die Entziehung der elterlichen Sorge war von dem damaligen Landkreis Bremervörde, dem Rechtsvorgänger der Widerspruchsbehörde dieses Verfahrens, wegen Vernachlässigung der Kinder, aber auch wegen Gewalttätigkeiten gegenüber den Kindern veranlasst worden, so dass spätestens die Widerspruchsbehörde das Vorliegen eines Ausnahmefalles im vorliegenden Fall zu prüfen hatte. Diese war im Übrigen durch den Inhalt des Widerspruchs bereits auf die Möglichkeit des Vorliegens derartiger Umstände aufmerksam gemacht worden.

Die Klage hat daher Erfolg. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.