Niedersächsisches FG, Urteil vom 07.06.2006 - 5 K 358/05
Fundstelle
openJur 2012, 44562
  • Rkr:
Tatbestand

Frau J. beteiligte sich mit Erklärung vom 28.10.2003 an der E. Wohnungsbaugenossenschaft eG bei und erwarb 27 Geschäftsanteile zu je 200 €, insgesamt also Genossenschaftsanteile in Höhe von 5.400,00 €. Auf die Genossenschaftsanteile zahlte sie zunächst einen Betrag in Höhe von 1.100 € ein. Die Anteile wurden von der Klägerin finanziert.

Mit einem beim beklagten Finanzamt am 30. März 2004 eingegangenen Antrag beantragte sie die Festsetzung von Eigenheimzulage. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2004 setzte das Finanzamt für die Jahre 2003 und 2004 Eigenheimzulage in Höhe von jeweils 545,00 € fest. Den Gesamtbetrag in Höhe von 1.090,00 € überwies das Finanzamt auf das bei der Klägerin geführte Konto Nr. X Kontoinhaberin ist die E. eG. Die Zahlung erfolgte aufgrund zweier am 31. März 2004 beim Finanzamt eingegangener Abtretungsanzeigen der Klägerin. Darin wurde angezeigt, dass der Anspruch auf Eigenheimzulage in voller Höhe zur Sicherheit an die Klägerin abgetreten worden sei. Unter Ziffer IV der Abtretungsanzeige wird das Finanzamt angewiesen, den abgetretenen Betrag auf das oben genannte Konto zu überweisen.. Der überwiesene Betrag wurde am 19. Oktober 2004 dem Mitgliedskonto von Frau J. bei der E. gutgeschrieben.

Mit Bescheid vom 14. Februar 2005 stellte das Finanzamt B. gegenüber der E. Wohnungsbaugenossenschaft eG fest, dass diese die Anforderungen an eine Wohnungsbaugenossenschaft i.S.d. § 17 Eigenheimzulagegesetz nicht erfülle. Mit dem geänderten Bescheid vom 14. März 2005 setzte das beklagte Finanzamt die Eigenheimzulage für Frau J. auf 0 € fest.

Das Finanzamt verlangte mit Bescheid vom 12. Juli 2005 die gezahlte Eigenheimzulage i.H.v. 1.090,00 € von der Klägerin zurück. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass die Klägerin als Abtretungsempfängerin auch Leistungsempfängerin i.S.d. § 37 Abs. 2 AO sei, denn das Finanzamt habe aufgrund der Abtretung nicht an die Zedentin, sondern an die Klägerin als Zessionarin zahlen wollen.

Die Klägerin hat Einspruch eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass zwar nach allgemeinen Grundsätzen der Abtretungsempfänger auch Leistungsempfänger im Sinne des § 37 AO sei. Dies gelte aber nicht für eine Sicherungsabtretung. In diesem Fall bleibe der Zedent Leistungsempfänger, wenn er aufgrund der Sicherungsabrede die Weisung erteile, die Zahlung auf ein eigenes bei der Bank geführtes Konto zu leisten, über das er auch verfügen könne. In diesem Fall werde die Zahlung wirtschaftlich und tatsächlich an den Zedenten und nicht an den Zessionar erbracht. Dieser Sachverhalt liege auch im Streitfall vor, denn die Eigenheimzulage für die Jahre 2003 und 2004 sei an die Klägerin zur Sicherung eines ausgereichten Darlehens abgetreten worden. Die Zahlung der Eigenheimzulage sei jedoch auf das Konto des verfügungsberechtigten Steuerpflichtigen gelangt, so dass im vorliegenden Fall die Zedenten tatsächlich die Leistungsempfängerin gewesen sei.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzamt hielt an seiner Auffassung fest, dass aufgrund der Abtretung Leistungsempfängerin die Klägerin gewesen sei. Unerheblich sei im Streitfall, dass die Eigenheimzulage auf ein bei der Klägerin geführtes Konto der E. eG überwiesen worden sei. Denn die Überweisung auf dieses Konto sei auf Anweisung der Klägerin erfolgt.

Die Klägerin hat Klage erhoben. Die Klägerin wiederholt ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren und beruft sich für ihre Auffassung auf das Urteil des BFH vom 31. August 1993 VII R 69/91, BStBl II 1995, 846. Die dort genannten Voraussetzungen, unter denen im Falle einer Abtretung der Zedent als Leistungsempfänger anzusehen seien, lägen auch im Streitfall vor. Der BFH habe ausgeführt, dass der Zedent als Leistungsempfänger anzusehen sei, wenn das Geld auf eines seiner Konten gezahlt werde, der Zedent über das Konto verfügen könne und der Leistende - hier das Finanzamt - wisse, dass nicht der Zessionar der Inhaber bzw. der Verfügungsberechtigte über das Konto sei. Im Streitfall sei die Eigenheimzulage auf ein Konto gezahlt worden, deren Inhaberin zwar nicht Frau J. gewesen sei. Die Zahlung sei aber auf ihre Anweisung vom Finanzamt auf dieses Konto geleistet worden. Entscheidend sei, dass Frau J. nach der Sicherungsabtretung befugt gewesen sei, die Zahlungen auf ein Konto anzuweisen, auf das die Klägerin habe. Demgegenüber habe die E. eG über dieses Konto frei verfügen können. Dies sei dem Finanzamt bei Auszahlung der Eigenheimzulage auch bekannt gewesen.

Außerdem komme es, wie der BFH in seinem Urteil vom 30. August 2005 VII R 64/04 entschieden habe, bei Leistungen in einem Mehrpersonenverhältnis für die Bestimmung des Leistungsempfängers auf die objektivierte Sicht des Zahlungsempfängers an.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 12. Juli 2005 und den dazu ergangenen Einspruchsbescheid vom 04. November 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Werde ein Steuererstattungs- oder Steuervergütungsanspruch abgetreten, sei Leistungsempfänger der Zessionar. Dieser trete aufgrund der Abtretung in die Rechtstellung des Zedenten ein und erhalte den ohne rechtlichen Grund gezahlten Betrag aufgrund einer willentlichen Leistung aus eigenem Recht. Diese Grundsätze seien auch bei einer Sicherungsabtretung anzuwenden.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

13Ist eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO - einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags. Das gleiche gilt, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt. Diese Regelung gilt für die Eigenheimzulage entsprechend ( § 15 Abs. 1 EigZulG). Im Streitfall ist der Rechtsgrund für die Zahlung der Eigenheimzulage, nämlich der Bewilligungsbescheid vom 14. Oktober 2004  weggefallen, denn dieser Bescheid ist durch Bescheid vom 22. Juli 2005 dahingehend geändert worden, dass die Eigenheimzulage 0 € beträgt.

14Der Rückforderungsanspruch richtet sich gegen den Leistungsempfänger. Das ist derjenige, zu dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die zurückverlangt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 28.03.2001 VI B 256/00, BFH/NV 2001, 1117). Im Falle der Abtretung richtet sich der Rückforderungsanspruch regelmäßig gegen den Zessionar (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 31. August 2000 VII B 298/99, BFH/NV 2001, 730). Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich auch für den hier zu beurteilenden Fall der Sicherungsabtretung (BFH-Urteil vom 13. Februar 1996 VII R 89/95, BStBl II 1996, 436). Nach der Rechtsprechung kann allerdings im Falle der Sicherungsabtretung nicht der Zessionar, sondern der Zedent als Leistungsempfänger angesehen werden, wenn besondere Umstände vorliegen. Solche Umstände können - wie die Klägerin zutreffend vorträgt - insbesondere dann gegeben sein, wenn das Finanzamt auf ein Konto der Abtretenden, über das sie weiter verfügen konnte, geleistet hätte. Denn für die Frage, gegen wen der Rückforderungsanspruch zu richten ist, kommt es im Wesentlichen auf die wirtschaftlichen Umstände und nicht auf die formale Rechtsposition an. Wesentlich für die Sicherungsabtretung ist die Diskrepanz zwischen ihrer rechtlichen Tragweite und ihrem wirtschaftlichen Zweck. Rechtlich gesehen tritt der Abtretungsempfänger als Sicherungsnehmer voll in die Rechtsposition des Zedenten ein, mit der Folge, dass ein Gläubigerwechsel stattfindet. Wirtschaftlich gesehen dient die Abtretung nur zur Sicherung etwaiger Forderungen des Zessionars gegen den Zedenten und unterliegt im Innenverhältnis häufig Abreden, unter welchen Voraussetzungen von der Abtretung Gebrauch gemacht werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1992 VII R 46/92, BFHE 169, 570).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Denn die Eigenheimzulage ist nicht auf ein Konto von Frau J. überwiesen worden, sondern auf ein bei der Klägerin geführtes Konto der E. Insoweit konnte Frau J. als Zedentin des Anspruchs nicht über die überwiesenen Beträge verfügen. Sie hat auch über den Anspruch auf Eigenheimzulage nicht verfügt, denn die Anweisung an das FA, die Eigenheimzulage auf ein Konto der E. zu zahlen, hat die Klägerin als Zessionarin erteilt. Zwar ist Frau J. die Zahlung wirtschaftlich insofern zugute gekommen, als der Betrag ihrem Beteiligungskonto bei der E. gutgeschrieben worden ist; dies gilt aber auch für die Klägerin, da das Darlehen, mit dem der Genossenschaftsanteil von Frau J. finanziert worden ist, um die gezahlte Summe zurückgeführt worden ist. Die Verrechnung der gezahlten Eigenheimzulage war dem FA aber nicht bekannt. Deshalb bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Zessionar als Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO anzusehen ist.

Unschädlich ist hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs des Finanzamts, dass die Eigenheimzulage nicht auf ein Eigenkonto der Bank überwiesen worden ist, sondern auf ein Konto der E.. Denn dies ist aufgrund einer Zahlungsanweisung der Klägerin an das Finanzamt geschehen. Der tatsächliche Zahlungsempfänger - hier die E. - kann nach der ständigen Rechtsprechung des BFH dann nicht als Leistungsempfängerin i.S.d. § 37 Abs. 2 AO angesehen werden, wenn das Finanzamt aufgrund einer Zahlungsanweisung die Steuervergütung an einen Dritten auszahlt (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 28. März 2001 VI B 256/00, BFH/NV 2001, 1117 m.w.N.).

Aus dem Urteil des BFH vom 30. August 2005 kann die Klägerin nichts zu ihren Gunsten herleiten. Denn die Vorstellungen des Finanzamtes und der E. stimmten insoweit überein, dass jedenfalls die E. nur Zahlungsstelle und nicht Leistungsempfänger sein sollte. Ob die für die E. handelnden Personen Frau J. oder die Klägerin für die Leistungsempfängerin gehalten haben, ist unerheblich, denn wesentlicher Grund für die Auffassung des BFH bei unterschiedlichen Vorstellungen des Leistenden und des Zahlungsempfängers über den Leistungsemfänger auf die objektivierte Vorstellung des Zahlungsempfängers abzustellen, ist dessen Schutz. Dieser soll in seiner Rechtsposition nicht geschwächt werden und die Folgen von Fehlvorstellungen des FA tragen, die er nicht zu verantworten hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -. Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr.2 FGO zugelassen worden, da die Ansprüche nach § 37 AO bei einer Sicherungsabtretung höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt sind