Niedersächsisches FG, Urteil vom 27.04.2006 - 16 K 167/04
Fundstelle
openJur 2012, 44360
  • Rkr:
Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob die Lieferung von Speisen durch einen Partyservice dann dem Regelsteuersatz unterliegt, wenn den Kunden zusammen mit der Speiselieferung leihweise Geschirr und Besteck zur Verfügung gestellt wird.

Die Klägerin betreibt einen Partyservice. Zusätzlich zu der Lieferung von Speisen gehört zu ihrem Leistungsangebot die Gestellung von Leihgeschirr und -besteck, wofür ein gesondertes geringes Entgelt berechnet wird. Von diesem Angebot macht ein Teil der Kunden Gebrauch. Soweit Geschirr und Besteck gestellt wird, wird dieses anschließend nach Abholung beim Kunden von der Klägerin gereinigt. Eine vertragliche Verpflichtung der Kunden zur Reinigung des Geschirrs besteht nicht. Die Klägerin hat jene Umsätze, die die Speiselieferung einschließlich Geschirr- und Besteckgestellung betrafen, insgesamt dem ermäßigten Steuersatz unterworfen.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2000 gab die Klägerin die Umsätze zum allgemeinen Steuersatz mit 11.057,00 DM und jene zum ermäßigten Steuersatz mit 157.527,00 DM an. Der Beklagte stimmte der Steuererklärung mit Schreiben vom 18. Oktober 2001 zu. Mit Bescheid vom 27. Dezember 2001 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

In der Zeit vom 20. Oktober 2003 bis zum 24. Oktober 2003 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Der Prüfer stellte sich unter Bezugnahme auf entsprechende Ausführungen in der Umsatzsteuerkartei der OFD Hannover auf den Standpunkt, dass die Klägerin durch die Zurverfügungstellung des Bestecks auch Dienstleistungen im Darreichungsbereich erbracht habe, die den bestimmungsgemäßen sofortigen Verzehr der Speisen förderten. Würden aber über die reine Speiselieferung hinaus Dienstleistungen erbracht, dann sei der gesamte Umsatz dem Regelsteuersatz zu unterwerfen.

Mit Bescheid vom 27. November 2003 änderte der Beklagte den Umsatzsteuerbescheid 2000 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und erfasste - entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung - jene Umsätze, die auch die Gestellung von Besteck und Geschirr umfassten, mit dem Regelsteuersatz. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor, dass sich der Fall von einem typischen Restaurationsumsatz dadurch unterscheide, dass letzterer ein ganzes Bündel von Dienstleistungen umfasse. Hier stelle die Geschirrgestellung jedoch nur einen nebensächlichen Teil der Gesamtleistung dar; allein die Speiselieferung bestimme den wirtschaftlichen Gehalt der Gesamtleistung. Ein weiterer Unterschied liege darin, dass die Leistung im Darreichungsbereich nicht gegenüber dem Verzehrenden, sondern gegenüber dem Gastgeber erbracht werde. In diesem Verhältnis stellte die Geschirrbeistellung nur einen nebensächlichen Teil an der Gesamtleistung dar.

Auch das Entgelt für das Entleihen von Geschirr und Besteck unterfalle dem ermäßigten Steuersatz, weil die entsprechende Dienstleistung eine im Vergleich zur Hauptleistung nebensächliche Leistung sei und die Hauptleistung wirtschaftlich lediglich ergänze und abrunde. Hilfsweise sei allein die Geschirrgestellung dem Regelsteuersatz zu unterwerfen.

Die Klägerin beantragt, die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2000 um 3.277,68 DM herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bleibt bei der Auffassung, dass hier wegen der neben der Speiselieferung erbrachten Dienstleistung durch Besteckgestellung eine nach § 3 Abs. 9 UStG einheitlich dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung vorliege. Beschränke sich der leistende Unternehmer nicht auf einen Umsatz von Nahrungsmitteln "zum Mitnehmen", sondern erbringe er weitere Dienstleistungen im Darreichungsbereich, so liege insgesamt eine nicht begünstigte sonstige Leistung vor. Der Beklagte beruft sich insoweit auf Verfügungen der OFD Hannover und der OFD Karlsruhe.

Der Beklagte leitet aus dem Beschluss des BFH vom 18. August V B 26/05, BFH/NV 2006, ab, dass eine Zuordnung zum Regelsteuersatz zumindest dann zutreffend sei, wenn der Unternehmer Geschirr und Besteck selbst abräume und später selbst reinige.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die von der Klägerin erbrachten Speiselieferungen unterliegen auch dann dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 UStG von 7 Prozent, wenn die Klägerin ihren Kunden gleichzeitig Besteck und Geschirr zur Verfügung gestellt hat und dieses nach Gebrauch selbst reinigt.

Gem. Art. 5 Abs. 1 6. EG-Richtlinie gilt als Lieferung eines Gegenstand die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Demgegenüber gilt gem. Art. 6 Abs. 1 6. EG-Richtlinie jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Art. 5 ist, als Dienstleistung.

Ob bestimmte Umsätze Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen sind, richtet sich nach ihrem Wesen. Dieses ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln (Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 2. Mai 1996 Rs. C - 231/94 ("Faaborg-Gelting Linien AS"), BStBl. II 1998, 282). Zur Abgrenzung der Dienstleistungen von der Lieferung von Gegenständen bei Restaurantumsätzen weist der EuGH darauf hin, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen ist. Dabei wird dem Gast zugleich eine organische Gesamtheit zur Verfügung gestellt, die sowohl einen Speisesaal mit Nebenräumen als auch das Mobiliar und das Geschirr umfasst. Gegebenenfalls werden Kellner das Gedeck auflegen, den Gast beraten, die angebotenen Speisen und Getränke erläutern, diese auftragen und schließlich nach dem Verzehr die Tische abräumen. Somit ist der Restaurationsumsatz durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 2. Mai 1996, a.a.O.).

In Reaktion auf diese Entscheidung hat der nationale Gesetzgeber im Jahre 1998 § 3 Abs. 9 UStG um die Sätze 4 und 5 ergänzt. Danach ist die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 Satz 4 UStG). Speisen und Getränke werden nach Satz 5 zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden.

Es entspricht einer vielfach vertretenen Auffassung in der Literatur (Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG § 3 Rn. 3743; Birkenfeld, Umsatzsteuerhandbuch, § 66 Rn. 168, 178; Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 3 Rn. 545, 549), der sich der Senat anschließt, dass in richtlinienkonformer Auslegung die in § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG genannten Abgrenzungskriterien nur die Bedeutung von Indizien und Beweisanzeichen haben und weiterhin anhand einer Gesamtbetrachtung zu prüfen ist, ob die Dienstleistungselemente bei Zubereitung und Darreichung der Speisen und Getränke der angebotenen Leistung das Gepräge geben.

Das ist im Streitfall zu verneinen. Die Gestellung von Geschirr und Besteck hat den Charakter einer bloßen Nebenleistung; sie gibt der Gesamtleistung nicht das Gepräge bzw. ist nicht als besondere Vorrichtung für den Verzehr an Ort und Stelle im Sinne des § 3 Abs. 9 Satz 5 UStG anzusehen. Die Speiselieferung für sich betrachtet stellt eine vollwertige Leistung dar, die für den Kunden auch ohne Geschirrgestellung einen eigenen Wert hat, wie auch daraus zu ersehen ist, dass eine Vielzahl der Kunden der Klägerin darauf verzichten, Geschirr und Besteck auszuleihen.

Typisch für die Tätigkeit des Partyservice ist, dass der Kunde seine Gäste nicht an einen fremden Ort ausführen, sondern in den heimischen Räumlichkeiten bewirten will. Damit wird bewusst auf ein wesentliches Dienstleistungselement des Restaurantumsatzes, der das Leitbild der sonstigen Leistung nach § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG bildet, nämlich die Einnahme von Speisen in der besonderen Restaurantatmosphäre unter Inanspruchnahme der Serviceleistungen des Bedienungspersonals, verzichtet.

Die verbleibenden Dienstleistungen im Darreichungsbereich sind jedenfalls bei einer Gesamtbetrachtung - und zwar auch dann, wenn der Partyservicebetreiber das Leihgeschirr anschließend reinigt - so geringfügig, dass sie nicht ausreichen, um die erbrachte Leistung insgesamt als einheitliche Dienstleistung statt als Warenlieferung mit gewissen Nebenleistungen würdigen zu können.

Auch der BFH hat in seinem Beschluss vom 18. August 2005 V B 26/05, BFH/NV 2006, 140 bezweifelt, dass die Abgabe der Speisen und Getränke allein deshalb zur Dienstleistung werde, weil der Party-Service gleichzeitig Geschirr und Besteck zur Verfügung stellt. Der Senat folgt dem Beklagten nicht in der Auffassung, dass aus diesem Beschluss des BFH abzuleiten sei, dass im Falle der Reinigung des Leihgeschirrs eine sonstige Leistung zum Regelsteuersatz vorliege. Denn der BFH nimmt in jener Passage, auf die sich der Beklagte beruft, Bezug auf eine weitere Entscheidung des BFH, der allerdings ein mit dem Streitfall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Dort wurden den Kunden Räumlichkeiten mit Stühlen und Tischen zur Verfügung gestellt und die Speisen teilweise auch serviert. Die Entscheidung betrifft deshalb einen Fall, in dem deutlich mehr Dienstleistungen im Darreichungsbereich erbracht wurden.

Das Entgelt für die Gestellung von Besteck und Geschirr unterliegt auch nicht gesondert dem Regelsteuersatz des § 12 Abs. 1 UStG von 16 Prozent. Es handelt sich insoweit um eine Nebenleistung zur Hauptleistung Speiselieferung, die umsatzsteuerlich ebenso wie die Hauptleistung zu behandeln ist. Eine Nebenleistung liegt vor, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt (BFH Urteil vom 12. Dezember 1985 V R 15/80, BStBl. II 1986, 499) bzw. wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern ein Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (Urteil des EuGH vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96 ("Card-Protection-Plan Ltd", UVR 1999, 157). Das ist hier der Fall, da die Geschirr- und Besteckgestellung gegenüber der Speiselieferung nur dienende Funktion hat und lediglich den Verzehr der Speisen erleichtert. Die alleinige Vermietung von Geschirr- und Besteck ohne gleichzeitige Speiselieferung ist im Unternehmen der Klägerin nicht vorgekommen und stellt deshalb eine offensichtlich vom Markt nicht nachgefragte Dienstleistung dar.

Die Steuerberechnung ergibt sich wie folgt:

Minderung Umsätze zum Regelsteuersatz38.968,06 DM(a) darauf 16 % Umsatzsteuer6.234,88 DMErhöhung Umsätze zum ermäßigten Steuersatz42.245,75 DM(b) darauf 7 % Umsatzsteuer2.957,20 DMÄnderung der Steuerfestsetzung (b) - (a)./. 3,277,68 DMSteuerfestsetzung laut Bescheid v. 27.11.2001./. 154,00 DMSteuerfestsetzung neu./. 3.431,68 DMDie Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte