OLG Schleswig, Beschluss vom 25.11.2009 - 2 W 164/09
Fundstelle
openJur 2010, 30
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 81 C 901/09
Tenor

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Flensburg bestimmt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Werklohn in Höhe von 136,18 € für die Reparatur eines Ölkessels in einem Haus in Marne. Die Beklagte bestreitet, den Auftrag erteilt zu haben. Sie wohnt in Flensburg und war auch zur Zeit der behaupteten Auftragserteilung nicht im Bezirk des Amtsgerichts Meldorf wohnhaft.

Die Klägerin hat ihre Ansprüche zunächst im gerichtlichen Mahnverfahren verfolgt und dabei das Amtsgericht Meldorf als Prozessgericht angegeben. Nach Widerspruch ist die Sache durch das Mahngericht an das Amtsgericht Meldorf abgegeben worden.

Mit Schreiben vom 27. August 2009 hat das Amtsgericht Meldorf den Parteien Hinweise zur örtlichen Zuständigkeit erteilt. Erfüllungsort sei der Wohnort der Beklagten im Zeitpunkt der Auftragsvergabe. Dazu sei bislang nicht vorgetragen worden. Das Amtsgericht Meldort sei möglicherweise örtlich unzuständig.

Die Beklagte hat daraufhin mitgeteilt, sie sei mit einer Durchführung des Verfahrens bei dem Amtsgesricht Meldorf nicht einverstanden; sie wohne seit über zehn Jahren nicht in dessen Zuständigkeitsbereich. Nachdem das Amtsgericht Meldorf am 15. Oktober 2009 darauf hingewiesen hat, dass die Klage nach derzeitigem Stand als unzulässig abzuweisen sei, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2009 ausgeführt, dass Marne der Erfüllungsort sowohl für die Erbringung der Werkleistung als auch für die Zahlung sei, weil die Arbeiten in einem dort belegenen Haus ausgeführt worden seien. Hilfsweise hat sie beantragt, den Rechtsstreit an das Amtsgericht Flensburg zu verweisen.

Durch Beschluss vom 27. Oktober 2009 hat das Amtsgericht Meldorf sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Flensburg verwiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 27. Oktober 2009 verwiesen (BI. 27 d. A.). Durch Beschluss vom 3. November 2009 hat das Amtsgericht Flensburg die Übernahme der Sache abgelehnt, sich für örtlich unzuständig erklärt und die Sache an das Amtsgericht Meldorf zurück verwiesen. Auf die Einzelheiten des Beschlusses vom 3. November 2009 wird Bezug genommen (BI. 33 f. d. A.). Das Amtsgericht Meldorf hat mit Beschluss vom 9. November 2009 an seiner Rechtsauffassung im Beschluss vom 27. Oktober 2009 festgehalten, dazu nähere Ausführungen gemacht und die Sache dem SchJeswig-Holsteinischen Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt (BI. 36 ff. d. A).

II.

Auf die nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zulässige Vorlage ist als zuständiges Gericht das Amtsgericht Flensburg zu bestimmen. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung darüber, welches Gericht zunächst zuständig gewesen ist (1.). Jedenfalls ist der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Meldorf vom 27. Oktober 2009 nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend, so dass das Amtsgericht Flensburg zuständig geworden ist (2.).

1. Allerdings spricht einiges dafür, dass das Amtsgericht Meldorf zunächst nach § 29 ZPO zuständig gewesen ist, so dass die Klägerin von ihrem Wahlrecht nach § 35 ZPO wirksam Gebrauch gemacht hat und die Sache nicht an das Amtsgericht Flensburg als nach §§ 12, 13 ZPO (auch) zuständiges Gericht hätte verwiesen werden dürfen.

Nach § 29 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Beim gegenseitigen Vertrag ist der gesetzliche Erfüllungsort für die Verbindlichkeiten beider Vertragsteile in der Regel selbständig zu bestimmen. Etwas anderes gilt erst dann, wenn festgestellt werden kann, dass die Vertragsparteien einen anderen, insbesondere einen Ort gemeinsamer Leistungserbringung bestimmt haben oder die Umstände des Falls einen solchen Leistungsort ergeben (BGHZ 157,20).

Für die Pflicht zur Zahlung einer Vergütung ist der Erfüllungsort damit grundsätzlich am Wohnsitz des Schuldners bei Entstehung des Schuldverhältnisses begründet (§ 269 Abs. 1 BGB). Allerdings kommt gerade bei Verträgen, die ortsbezogene Werkleistungen zum Gegenstand haben, die Begründung eines einheitlichen Erfüllungsortes für die gemeinsame Leistungserbringung in Betracht.

Bei Bauwerkverträgen entspricht es nahezu einhelliger Auffassung, dass gemeinsamer Erfüllungsort für die beiderseitigen Verpflichtungen regelmäßig der Ort des Bauwerkes ist (vgl. nur BGH, NJW 1986, S. 935; Senat, NJW-RR 1993, S. 314; OLGR Schleswig 2000, S. 281 f. - jeweils m.w.N.). Dabei ist es auch unerheblich, ob es sich um größere oder kleinere Bauleistungen handelt (Senat, OLGR Schleswig 2000, S. 282). Zwar wird teilweise angenommen, dass eine Ausnahme bei einfachen Arbeiten bestehen könne (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung 67. Auflage, § 29 Rn. 33). Die zur Begründung dieser Auffassung herangezogene Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLGZ 1985, S. 314 ff.) stellt jedoch gerade nicht auf den Schwierigkeitsgrad der Arbeiten ab, sondern darauf, dass das Gelände, auf dem die Arbeiten stattfinden sollten, nur nach einer bestimmten Messzahl von AutobahnkiJometern bestimmt war (a.a.O., S. 317 f.).

Daraus ergibt sich hier indes nicht ohne Weiteres eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Meldorf nach § 29 ZPO, weil Gegenstand des streitigen Werkvertrages keine Bauleistungen sind, sondern lediglich die Reparatur eines Ölkessels, die die Mitarbeiter der Klägerin in zwei Stunden erledigt haben sollen. Es kann also auch nicht davon ausgegangen werden, dass der hier streitige Vertrag eine der Errichtung eines Bauwerkes vegleichbare Werkleistung zum Gegenstand hat (zu einem solchen Fall vgl. OLG Koblenz. NJW-RR 1988, S.1401 f.).

Gleichwohl dürfte das Amtsgericht Meldorf als Gericht des Erfüllungsortes zunächst zuständig gewesen sein, weil der Schwerpunkt des Vertrages wegen der besonderen Ortsbezogenheit der vertragstypischen Werkleistung in Marne und damit im Bezirk des Amtsgerichts Meldorf liegt.

Auf die besondere Ortsbezogenheit der charakteristischen Leistung wird in Rechtsprechung und Literatur auch bei solchen Verträgen abgestellt, die keine Bauleistungen zum Gegenstand haben (vgl. nur BayObLGR 2000, S. 56, im Volltext bei Juris; OLGR Düsseldorf 2005, S. 28 f.; Roth in: Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung. 22. Auflage, § 29 Rn. 44; Heinrich in: Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 7. Auflage, § 29 Rn. 36 - jeweils m.w.N.).

Eine derartige besondere Ortsbezogenheit, die die Annahme eines gemeinsamen Erfüllungsortes am Ort der Werkleistung rechtfertigt, dürfte hier gegeben sein. Die Erwägungen, die für den Bauwerkvertrag angestellt werden (vgl. BGH, NJW 1986, S. 935), gelten auch für Werkleistungen. die wie die Reparatur eines Ölkessels notwendig ortsgebunden sind, ohne Bauleistungen zu sein. Der Besteller hat auch bei solchen Werkleistungen seine Abnahmepflicht am Ort der Leistung zu erfüllen, und eine eventuell notwendige Beweisaufnahme über Mängel kann in der Regel einfacher und kostengünstiger am Ort der Werkleistung durchgeführt werden als am auswärtigen Wohnsitz des Auftraggebers. Es erscheint nicht angemessen, zwischen Bauleistungen und sonstigen ortsgebundenen Werkleistungen zu differenzieren.

2. Einer abschließenden Entscheidung dazu bedarf es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Meldorf vom 27. Oktober 2009 ist jedenfalls nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend, so dass das Amtsgericht Flensburg örtlich zuständig geworden ist.

Ein Verweisungsbeschluss ist nur ausnahmsweise dann nicht nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt und daher objektiv willkürlich ist (vgl. nur BGH, NJW 1993, S. 1273; Senat, OLGR Schleswig 2000, S. 281 f.: SchlHA 2007, S. 96; OLGR Schleswig 2009, S. 828 f.). Dies ist hier nicht der Fall.

Das Amtsgericht Meldorf verkennt nicht etwa, dass eine Verweisung nach § 281 ZPO nicht in Betracht kommt, wenn das zuerst angerufene Gericht zuständig ist und lediglich bei einem anderen Gericht ebenfalls eine Zuständigkeit begründet ist. Vielmehr nimmt das Amtsgericht Meldorf an, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuständig zu sein, weil der allein in Betracht kommende Gerichtsstand des Erfüllungsortes nicht begründet sei. Diese Annahme aber beruht jedenfalls nicht auf Willkür.

Wenn ein Verweisungsbeschluss allerdings von einer "ganz überwiegenden" oder "fast einhelligen" Rechtsauffassung abweicht, ist er nur dann nicht willkürlich, wenn das unzuständige Gericht tatsächlich einen Abwägungs- und Entscheidungsprozess vorgenommen hat und die Entscheidung für die Minderansicht bewusst erfolgt ist (Senat, SchlHA 2007, S. 96; OLGR Schleswig 2009, S. 828 f.). Eine Auseinandersetzung mit der herrschenden Meinung zum Bauwerkvertrag ist hier erst im Vorlagebeschluss vom 9. November 2009 vorgenommen worden. Eine nachträgliche Auseinandersetzung nach gescheiterter Verweisung könnte dem Verweisungsbeschluss nicht den Charakter der Willkür nehmen.

Darauf kommt es hier jedoch nicht an. Da der streitgegenständliche Werkvertrag gerade keine Bauleistungen zum Gegenstand hat, beruht die Verweisung nicht auf einer Abweichung von der nahezu einhelligen Meinung zum Bauwerkvertrag, sondern darauf, dass das Amtsgericht Meldorf davon ausgeht, dass

der Sachverhalt grundlegend anders als bei einem Bauwerkvertrag liege. Dies dürfte zwar nicht der Fall sein. Jedenfalls aber sind die Erwägungen des Amtsgerichts Meldorf nicht unvertretbar und werden im Übrigen auch bereits im Beschluss vom 27. Oktober 2009 damit begründet, dass sich ein besonderer Erfüllungsort für die Zahlungsverpflichtung nicht aus der Natur des behaupteten Werkvertrages ergebe.

Dementsprechend ist das Amtsgericht Flensburg aufgrund des Verweisungsbeschlusses vom 27. Oktober 2009 zuständig geworden und konnte die Sache nicht an das Amtsgericht Meldorf zurück verweisen.