OLG Bremen, Beschluss vom 16.03.2009 - 5 U 78/08
Fundstelle
openJur 2010, 27
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 O 890/08
Zivilrecht
§§ 195, 196, 199 BGB
Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

1. Es bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen. Ausweislich des Beschlusses des Landgerichts Bremen vom 4. 12. 2008 im Parallelverfahren 2-O-1907/08 ist der Beklagte jedenfalls früher als selbstständiger Fliesenleger tätig gewesen. Es ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum der Beklagte diese Arbeit aufgegeben hat und auch nicht wieder aufnehmen kann. Auch seine Bemühungen, in diesem Bereich oder einem anderen handwerklichen Bereich eine Anstellung zu finden, schildert er nur unspezifiziert. Zwar sind an seine Darlegungslast insoweit keine übertriebenen Anforderungen zu stellen (vgl. zum Meinungsstand insoweit im einzelnen Zöller/Philippi, 27. Aufl., § 115 ZPO, Rn. 6). Ein gewisses Mindestmaß ist jedoch jedenfalls bei der Aufgabe einer selbstständigen Tätigkeit zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt und aus ungeklärten Gründen zu fordern.

Wofür der Beklagte zudem bei diesen Gegebenheiten ohne Arbeitsstelle einen älteren, damit allerdings auch reparaturanfälligen großen PKW unterhalten muss, leuchtet ebenfalls nicht ein. Die hierfür im Schriftsatz vom 5. 2. 2009 angegebenen Gründe reichen jedenfalls nicht aus. Durch die Verwertung des PKW ließen sich Mittel erzielen und Kosten ersparen, die für die Prozessführung verwendet werden könnten.

Hierauf kommt es indessen nicht entscheidend an, weil die beabsichtigte Berufung des Beklagten keine hinreichende Erfolgsaussicht aufweist. Hierzu wird auf die Gründe zu 2. verwiesen.

2. Die beabsichtigte Berufung des Beklagten ist ohne Aussicht auf Erfolg, der Senat schließt sich insofern den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil vom 12.01.2008 an. Insbesondere gilt für die hier in Rede stehenden Ansprüche der Klägerin die lange zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB. Diese betrifft u.a. Ansprüche auf Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück und auf die diesbezügliche Gegenleistung.

Vorliegend macht die Klägerin Ansprüche gegen den Beklagten aus dem notariellen Vertrag der Parteien vom 5. 2. 2001 geltend, in welchem sich der Beklagte zur jetzt geltend gemachten Übernahme der Kosten der Umrüstung der Heizungsanlage in der klägerischen Wohnungseigentumsanlage von Öl auf Gas verpflichtet hat. Neben einer Kostenbeteiligung in Höhe von 10.000.- DM der Klägerin an dieser Maßnahme hat diese „im Hinblick darauf“ – ersichtlich nämlich auf die genannte Verpflichtung des Beklagten - im selben Vertrag die Löschung der zu ihren Gunsten am Grundstück des Beklagten bestehenden öffentlichen Grundlast bewilligt. Die in Abteilung II des Grundbuchs eingetragene Belastung des Grundstücks des Beklagten hat wiederum u.a. gerade das Recht der klägerischen Wohnungseigentumsgemeinschaft zum Gegenstand, auf dem Grundstück des Beklagten einen Öltank zu unterhalten. Dieser ist nunmehr nach der im Jahre 2008 erfolgten Umrüstung überflüssig geworden.

Bei der öffentlichen Grundlast handelt es sich um ein Recht an einem Grundstück im Sinne des § 196 BGB. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob es sich bei diesem Rechtsinstitut auf der Grundlage des Gesetzes betreffend die öffentlichen Grundlasten vom 23. 6. 1907 (SaBremR 2130-e-1) um eine besondere Form der Grunddienstbarkeiten i.S.d. §§ 1018 ff BGB handelt (so das LG Bremen, Beschluss vom 4. 4. 1966, 5-T-97/66) oder um ein öffentlichrechtliches Rechtsinstitut, ähnlich einer Baulast nach der Landesbauordnung (so das VG Bremen, Urteil vom 1. 3. 1978, I A 211/77). In jedem Fall führt die Eintragung dieses Rechts in Abteilung II des Grundbuchs des belasteten Grundstücks dazu, dass es unter verjährungsrechtlichen Gesichtspunkten als Recht an einem Grundstück im Sinne des § 196 BGB anzusehen ist. Zumindest ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden. Die lange Verjährungsfrist dieser Vorschrift beruht auf dem Gesichtspunkt, dass die notwendige Beteiligung u.a. des Grundbuchamtes zu Verzögerungen führen kann, auf die die Vertragsparteien keinen Einfluss haben und die den Gläubiger nicht aus Verjährungsgesichtspunkten zu Klagen zwingen soll, obwohl die Gegenseite ihren Verpflichtungen nachkommt (Münch.-Komm./Grothe, 5. Aufl., § 196 BGB, Rn. 1; Erman/Schmidt-Räntsch, 12. Aufl., § 196 BGB, Rn. 1). Dieser Gesichtspunkt gilt bei der hier in Rede stehenden zu löschenden öffentlichen Grundlast jedenfalls entsprechend. Damit unterliegt auch die von der Klägerin geltend gemachte Gegenleistung auf Kostenübernahme der Umrüstung nach dieser Bestimmung der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 196 BGB (vgl. dazu im Einzelnen: Palandt/Heinrichs, 68. Aufl., § 196 BGB, Rn. 4; Prütting/Wegen/Weinreich, 2. Aufl., § 196 Rn. 6). Zwar mag der notarielle Vertrag der Parteien vom 5. 2. 2001 im Hinblick auf die synallagmatische Verknüpfung der beiderseitigen Verpflichtungen der Parteien nicht in jeder Hinsicht von beispielgebender Klarheit sein. Die Wechselseitigkeit der Pflichten folgt jedoch hinreichend deutlich bereits aus dem Wortlaut des Vertrages, wenn es im Anschluss an die vom Beklagten übernommene Kostentragungspflicht hinsichtlich der Umrüstung der Heizungsanlage der Klägerin heißt, dass ihre Mitglieder „im Hinblick darauf...“ ihre Zustimmung zur Löschung der öffentlichen Grundlast auf dem Grundstück des Beklagten abgeben (Hervorhebung durch das Gericht).

Es kann auch nach Sinn und Zweck der Vereinbarung kein Zweifel daran bestehen, dass die von dem Beklagten aufzubringenden Kosten für die Umstellung der Heizungsanlage der Nachbarn nur deshalb von ihm übernommen worden sind, um so eine Löschung der öffentlichen Grundlast auf seinem Grundstück und die Entfernung des Öltanks zum Zwecke der besseren Bebaubarkeit zu erreichen. Im Hinblick auf diese wechselseitig eingegangenen Verbindlichkeiten ergibt sich deren synallagmatische Verknüpfung.

Sind die Ansprüche der Klägerin damit nach § 196 BGB nicht verjährt, so kann es dahingestellt bleiben, ob überhaupt die kurze regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB, auf die sich der Beklagte beruft, vorliegend zu laufen begonnen hätte, bevor die Klägerin im Jahre 2007 ihre Ansprüche aus dem notariellen Vertrag geltend gemacht hat: sofern es sich hierbei um so genannte verhaltene Ansprüche der Klägerin handelte (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 271 BGB, Rn. 1), bei denen der Beklagten erst erfüllen konnte, wenn die Klägerin die Leistung verlangte, hätte die Verjährungsfrist erst nach der Geltendmachung der Ansprüche der Klägerin im Jahre 2007/2008 gemäß § 199 BGB überhaupt zu laufen begonnen (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 199 BGB, Rn. 8).

Schließlich greifen auch die übrigen Einwendungen des Beklagten im Ergebnis nicht durch, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat: Die Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung ist nicht entfallen (§ 313 BGB), mag auch ggf. die Baugenehmigung für sein Grundstück, die der Beklagte bereits beantragt hat, inzwischen mangels Ausübung wirkungslos geworden sein. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte einen solchen Bauantrag nicht wiederholen könnte. Darüber hinaus liegt das Risiko insoweit ohnehin bei ihm, da er auf eine zügige Abwicklung der notariellen Vereinbarung mit der Klägerin hätte drängen können und auf etwaige Gefahren hätte hinweisen müssen (§ 254 BGB). Aus demselben Grunde sind die Ansprüche der Klägerin auch nicht verwirkt: es ist nicht ersichtlich, warum und inwieweit sich der Beklagte in schützenswerter Weise darauf eingerichtet hätte, von der Klägerin nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.