Niedersächsisches OVG, Urteil vom 17.11.2005 - 1 KN 127/04
Fundstelle
openJur 2012, 43699
  • Rkr:

1. Die Gemeinde darf ein Grundstück bei entsprechend starkem städtebaulichen Interesse auch dann in die Planungen für die Erschließung neuer Bauflächen einbeziehen, wenn dessen Eigentümer seine Bebauung jedenfalls derzeit nicht wünschen.

2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen gemeindeeigene Flächen zu einer bestimmten Trassierung von Erschließungsanlagen führen.

3. Die Pflicht, für die neuen Bauflächen Erschließungsbeiträge zahlen zu müssen, begründet i. d. R. auch dann keinen Abwägungsmangel, wenn der Eigentümer eine Bebauung seines Grundstücks nicht wünscht.

4. Eine Gemeinde darf ein Mischgebiet nicht mit der Begründung neben einen Festplatz planen, die von seiner Nutzung, namentlich dem dreitägigen Schützenfest ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen riefen noch keine ernsthaften Gesundheitsschäden hervor.

5. Zum Nebeneinander von Wohn- und Festplatznutzung.

Tatbestand

Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. ... „B. Straße II“ im Wesentlichen mit der Begründung, dieser Plan sei allein durch die Bauabsichten der Beigeladenen zu 3 und nicht städtebaulich motiviert, dränge ihnen wider Willen Bauflächen auf ihren rückwärtigen Grundstücksflächen und dazu die Pflicht zur Zahlung von Erschließungsbeiträgen auf und setze sie durch die Bebaubarkeit der straßenabgewandt gelegenen, baulich bislang ungenutzten Bereichen unzumutbarem Lärm aus.

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks B. Straße 49 (Flurstück ..., Flur 6 der Gemarkung K.). Das Grundstück ist Teil eines Geländedreiecks. Dessen Nordspitze liegt am Schnittpunkt einer hier nordsüdlich verlaufenden Güter-Eisenbahnlinie und der B. Straße. Die Südseite des Dreiecks bildet die S. (Straße). Im Westen wird das Dreieck von der von Nordost nach Südwest verlaufenden B. Straße begrenzt.

Dieser Bereich ist im Gegensatz zu den nördlich, östlich, weiter südlich und zum Teil auch der westlich davon gelegenen Flächen nicht durchgängig, sondern im Wesentlichen zur B. Straße orientiert bebaut. In den östlichen Bereich dringt Bebauung bislang nur vor auf dem Grundstück B. Straße 43 (Hinterlandgebäude Nr. 43 A) sowie auf dem Grundstück der Antragsteller in der Gestalt einer größeren Lagerhalle und eines Gewächshauses. Deren Grundstück reicht von der B. Straße bis zur genannten Eisenbahnlinie. An seine Südgrenze schließt ein ebenfalls langgestrecktes Areal an, welches früher ein rund 155 m langes Grundstück darstellte, das die Flurstücksnummer ... trug. Dieses ist nunmehr in drei Grundstücke aufgeteilt. Das westliche Grundstück mit der Flurstücksnummer ...0 gehört den Beigeladenen zu 1 und 2; dieses ist mit einem Wohnhaus bebaut. Östlich schließt sich daran das unbebaute Flurstück 266/19 an, das im Eigentum der Beigeladenen zu 3, einer Baufirma, steht. Dieser gehört auch das dritte, kleinste Flurstück mit der Nummer ...1, welches im Bereich der B. Straße unterhalb des Grundstücks der Beigeladenen zu 1 und 2 liegt und bislang baulich ebenfalls nicht genutzt ist.

Unmittelbar südlich an den Planbereich grenzt ein größeres Areal, in dessen Mitte - zur B. Straße hin - ein 80 m langer Schießstand steht. Das Gelände zwischen ihm und dem Südrand des angegriffenen Planes wird, von der B. Straße aus betrachtet, zu ca. 2/5 als Festplatz der Antragsgegnerin genutzt. Das geschieht in der folgenden Weise: Einmal im Jahr wird das Schützenfest veranstaltet. Dazu werden ein ca. 600 m² großes Festzelt sowie fünf Fahrgeschäfte aufgebaut. Diese werden von Freitag auf Sonnabend und von Sonnabend auf Sonntag in der Zeit von 15.00 h bis 3.00 h genutzt. In der Nacht von Sonntag auf Montag dauerte der Betrieb zum Zeitpunkt der Aufstellung des angegriffenen Planes bis 1.00 h; nach der Darstellung der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung soll das Schützenfest am letzten Tag nunmehr um 22.00 h enden.

Außerdem wird dort in der Zeit von 19.00 bis 05.00 h in den Mai getanzt, mehrfach im Jahr ein Zirkus, jeweils für 4 Tage und übers Wochenende (Vorstellungen 16 bis 18 und 20 bis 22 Uhr) aufgestellt sowie schließlich eine Gewerbeschau für Geräte und Maschinen in der Zeit von Freitag bis Sonntag, jeweils 8 bis 20.00 h abgehalten.

In südlicher Richtung beginnt die nächste Wohnbebauung jenseits der Straße S., zwischen der und dem Schießstand etwa derselbe Abstand liegt wie zwischen Schießstand und Südrand des hier angegriffenen Bebauungsplanes.

Anlass zur Aufstellung des angegriffenen Planes war eine Bauvoranfrage, welche die Beigeladenen zu 3 Ende 2000 gestellt hatte und die Bebauung der rückwärtigen Bereiche auf dem Flurstück ... zum Gegenstand hatte. Die Antragsgegnerin verweigerte hierfür das Einvernehmen. Am 21. Februar 2001 fasste ihr Rat den Beschluss, den angegriffenen Plan aufzustellen. Gleichen Tags beschloss sie eine Veränderungssperre.

Die Antragsgegnerin legte den ersten Planentwurf in der Zeit vom 27. Mai bis zum 28. Juni 2002 öffentlich aus. Dieser umfasste denselben Bereich, wie ihn der angegriffene Plan umgreift. Schon seinerzeit war vorgesehen, zwischen den Gebäuden der Beigeladenen zu 1 und 2 sowie der Antragsteller eine Stichstraße in das Planinnere zu führen. Diese sollte zunächst auf dem ehemaligen Flurstück ... verlaufen und sich dann etwa mittig auf dem Grundstück der Antragsteller zu einem trapezförmigen Gebilde weiten, in dem der Wendekreis von 21 m Durchmesser Platz zu finden hatte. Zwischen diesem und der rückwärtigen Halle der Antragsteller sollte ein Kinderspielplatz entstehen.

Aufgrund der im Zuge der öffentlichen Auslegung unter anderem von den Antragstellern vorgebrachten Einwendungen erwog die Antragsgegnerin zeitweilig, den Planbereich im Wesentlichen auf den Bereich des Flurstücks ... zu begrenzen und die dort festzusetzenden Bauflächen unter Inanspruchnahme eines kleinen Teilbereiches des Festplatzes durch eine an ihrem Südrand verlaufende Straße erschließen zu lassen.

Dies verfolgte sie dann aber mit Rücksicht auf das Bestreben nicht mehr weiter, auch dem Eigentümer des Grundstücks B. Straße 45 (Flurstück ...) auf seinem rückwärtigen Grundstücksbereich eine Baufläche zu verschaffen. Vom 3. bis 17. November 2003 legte die Antragsgegnerin den veränderten Entwurf öffentlich aus, den sie dann am 3.März 2004 als Satzung beschloss. Nach Ausfertigung (11. März 2004) machte die Antragsgegnerin den Plan am 24. März 2004 im Amtsblatt des Regierungsbezirkes Hannover öffentlich bekannt.

Der Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplanes Nr. ... umfasst nicht das gesamte dreieckige Areal, sondern beginnt im Norden an der Südgrenze zu dem in der Spitze des Dreiecks liegenden Flurstück 265/11, das im straßenzugewandten Teil mit dem Gebäude B. Straße 43, im rückwärtigen Teil, d.h. zur Bahntrasse hin orientiert mit dem Gebäude Nr. 43 A bebaut ist. Der Planbereich endet im Süden mit den Grundstücken der Beigeladenen. Der Festplatz der Antragsgegnerin ist nicht einbezogen worden. Das Grundstück der Antragsteller ist das mittlere des Plans.

Der Plan setzt entlang der B. Straße das rund 25 m tiefe Mischgebiet 1 fest, an das sich nach Osten das Mischgebiet 2 anschließt. Die textlichen Festsetzungen enthalten einige Einschränkungen hinsichtlich der Nutzungsart. Im Mischgebiet 1 sind Wohnnutzungen in der Erdgeschossebene ausgeschlossen. Dieses ist mit Rücksicht auf den Verkehrslärm der Länge nach in zwei Bereiche (LP IV und III) geteilt, die Nutzungsbeschränkungen unterliegen bzw. in denen wegen des auf der B. Straße liegenden Verkehrs Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes zu treffen sind.

Der sich daran anschließende, deutlich größere östliche Planbereich soll durch eine anfangs 6 m, dann 10 bzw. 8 m und jenseits des Wendekreises 5 m breite Straße erschlossen werden. Diese geht zwischen den Gebäuden der Antragsteller und der Beigeladenen zu 1 und 2 von der B. Straße nach Osten ab. Von dieser zweigt im hinteren Viertel im Anschluss an den Wendekreis (nur noch 18 m Durchmesser) ein 5 m breiter „Stich“ nach Norden ab, der auf dem Grundstück der Antragsteller verläuft und rund 11 m vor ihrer nördlichen Grundstücksgrenze endet. Mit Ausnahme des nördlichen Bereiches des Wendekreises ist die im Plan vorgesehene Haupterschließungsanlage allein auf dem Grundstück der Beigeladenen untergebracht.

Zur Begründung ihres am 14. Mai 2004 gestellten Normenkontrollantrages machen die Antragsteller geltend:

Die Planung sei nicht im Rechtssinne erforderlich. Die Gemeinde dürfe zwar Städtebaupolitik betreiben und sich städtebauliche Ziele selbst stecken. Dazu müsse der Plan jedoch eine im öffentlichen, d. h. Städterbauinteresse liegende Konzeption aufweisen. Diese fehle. Der Zweck, langfristig Flächenreserven zu heben und zu sichern, sei nur vorgeschoben. Wahrer Zweck sei allein, die ausschließlich privaten Nutzungsinteressen der Beigeladenen zu fördern. Der Plan sei außerdem abwägungswidrig. Die Antragsgegnerin hätte zwingend berücksichtigen müssen, dass sie an einer Bebauung ihrer rückwärtigen Grundstücksflächen nicht interessiert seien. Das zur Erschließung des Binnenbereichs gewählte System sei zu beanstanden. Es benachteilige sie in unangemessener Weise. Das zuvor ins Auge gefasste System, die Erschließungsstraße am Südrand des Planes entlang teils auf dem Grundstück der Beigeladenen, teils auf dem Festplatz (Grundstück der Antragsgegnerin) zu führen und von dort eine Stichstraße nach Norden zu führen, sei sachgerechter gewesen. Dies hätte eine Inanspruchnahme ihres Grundstücks entbehrlich gemacht und zugleich dem Umstand Rechnung getragen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Antragsgegnerin vorrangig verpflichtet gewesen sei, ihr Grundeigentum am Festplatz für die Erschließungsanlage zur Verfügung zu stellen. Ein Planungsvorteil wachse ihnen objektiv nicht zu. Sie erhielten nicht ihr gesamtes Land als Bauland; zudem müssten sie bereits jetzt, d.h. zu einem Zeitpunkt Erschließungsbeiträge zahlen, zu dem der Verkauf dieser Flächen keineswegs gesichert sei. Die Antragsgegnerin habe diese Erschließungsvariante schließlich deshalb nicht wählen dürfen, weil der auf der Stichstraße verlaufende Verkehr zu unzumutbaren Lärmbelästigungen ihres Wohnhauses führe.

Die Antragsteller beantragen,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 3. März 2004 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. ... „B. Straße II“ für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie erwidert:

Die Bauwünsche der Beigeladenen zu 3 hätten ein ausreichend gewichtiges städtebauliches Bedürfnis begründet, dieses Areal der Bebauung zuzuführen. Dass die Antragsteller keine Bauflächen wünschten, sei nicht allein ausschlaggebend. Denn auch die Interessen des Grundstücks B. Straße 45 hätten in Blick genommen werden müssen; zudem sei städtebaulich eine Binnenverdichtung der Ausweisung neuer Bauflächen im Außenbereich vorzuziehen. Die gewählte Erschließungsvariante habe sich als diejenige herausgestellt, welche den geringsten Bodenverzehr zur Folge habe. Das Eigentumsrecht der Antragsteller sei aus sachlich und städtebaulich zureichendem Grund zum Teil hintangestellt worden. Die gefundene Lösung berücksichtige nach dem Grundsatz der Lastengleichheit, dass die Antragsteller durch den Plan einen erheblichen Planungsvorteil erhielten. Die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse würden gewahrt. Der wesentliche Lärm gehe von der B. Straße aus; insofern seien im Plan ausreichende Vorkehrungen geschaffen werden. Der Anliegerverkehr von nur 11 Grundstücken verursache nicht so viel Verkehr, dass sich die Lärmbelastung des Grundstücks der Antragsteller wesentlich erhöhe. Nicht zu beanstanden sei schließlich, dass südlich der Festplatz anschließe. Die im Planaufstellungsverfahren von der Gesellschaft für technische Akustik (GTA) erstellte Berechnung habe zwar ergeben, dass beim Schützenfest die für seltene Ereignisse geltenden Orientierungswerte überschritten würden. Das sei den Bewohnern des streitigen Gebietes aber zuzumuten, weil das Schützenfest nur an wenigen Tagen des Jahres stattfinde. Außerdem bestehe an seiner Veranstaltung ein erhebliches Interesse der Bevölkerung. Die mit ihm verbundenen Lärmbeeinträchtigungen führten noch nicht zu gesundheitlichen Schäden.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag und unterstützen die Antragsgegnerin.

Wegen der Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Planaufstellungsvorgänge Bezug genommen, welche in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Der Normenkontrollantrag ist zulässig. An der Normenkontrollantragsbefugnis bestehen keine Zweifel; die mit dem angegriffenen Plan festgesetzten Verkehrsflächen befinden sich zum Teil auf dem Grundstück der Antragsteller. Eine Rechtsverletzung ist daher möglich. Die Normenkontrollantragsfrist haben die Antragsteller eingehalten.

Der Antrag hat Erfolg. Die von den Antragstellern hauptsächlich vorgetragenen Angriffe rechtfertigten eine Antragsstattgabe allerdings nicht.

Die fehlende städtebauliche Erforderlichkeit machen die Antragsteller ohne Erfolg geltend. Nach § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Die Vorschrift erkennt die Planungshoheit der Gemeinde an und räumt dieser ein Planungsermessen ein. Ein Bebauungsplan ist deshalb „erforderlich“ im Sinne dieser Vorschrift, soweit er nach der von der Gemeinde entwickelten planerischen Konzeption erforderlich ist (BVerwG, Urt. v. 7.5.1971 - IV C 76.68 -, BauR 1971, 182 = DVBl. 1971, 759 = BRS 24 Nr. 15). Daran fehlt es, wenn die Planung ausschließlich den privaten Interessen eines bestimmten Grundstückseigentümers dient (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.8.1993 - 4 NB 12.93 -, ZfBR 94, 100 = BRS 55 Nr. 119), wenn er nur zu dem Zweck vorgeschoben wird, einen Bauwunsch zu durchkreuzen (BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, DVBl. 1989, 458), oder wenn wesentliche Antriebsfeder der gemeindlichen Planung allein fiskalische Interessen sind.

Danach scheitert der Plan nicht an § 1 Abs. 3 BauGB. Es trifft zwar zu, dass der Anstoß zur Aufstellung des angegriffenen Plans auf die Initiative zurückgeht, welche die Beigeladene zu 3 Ende des Jahres 2000 für den rückwärtigen Teil des Flurstücks ... entwickelt hatte. Das Planvorhaben erschöpft sich indes in der Erfüllung dieses Wunsches nicht. Die Antragsgegnerin hat diese Initiative vielmehr zum Anlass genommen, eine städtebaulich tragfähige Bebauung des oben geschilderten Geländedreiecks zu entwickeln. Dazu war die Antragsgegnerin berechtigt. Es ist ein häufig zu beobachtender Vorgang, dass Dritte die Bebauungsmöglichkeiten eines Gemeindebereiches in einer Weise in Blick nehmen, auf welche die Gemeinde bis dahin nicht „gekommen“ war. Hierauf darf eine Gemeinde auch in der Weise reagieren, diese Initiative aufzunehmen, dabei aber im städtebaulichen Interesse weitergehende Regelungen zu entwickeln. Das ist hier geschehen. Die Antragsgegnerin hat entschieden, eine isolierte Überplanung des Flurstücks ... wäre Stückwerk und ließe nicht nur auf dem Grundstück der Antragsteller einen aus städtebaulicher Sicht zu missbilligenden Zustand zurück, sondern durch Abschnürung aller Entwicklungsmöglichkeiten auch auf dem nördlich anschließenden Flurstück .... Zu dieser Einschätzung durfte sie deshalb gelangen, weil dessen nördlich anschließendes Nachbargrundstück mit den Gebäuden B. Straße 43 und 43 A so dicht bebaut ist, dass es zur Erschließung rückwärtiger Flächen auf dem Flurstück ... nicht mehr geeignet ist, und dieses Grundstück (B. Straße 45) so schmal ist, dass wegen des am Westrand aufstehenden Gebäudes von dort her eine Erschließungsanlage in dessen rückwärtigen Teil nicht geführt werden kann. Schon das begründet die Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB.

Im Ergebnis verletzt die angegriffene Planung aber das Abwägungsgebot. Nach § 1 Abs. 7 BauGB n. F. (= § 1 Abs. 6 BauGB in der zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses vom 3.3.2004 geltenden Fassung) sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Abwägung ergeben sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 (- IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, 309). Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine sachgerechte Abwägung muss überhaupt stattfinden. In diese muss eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Dabei darf die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkannt und muss der Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen Belangen in einer Weise vorgenommen werden, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Diesen Anforderungen genügt die Planung der Antragsgegnerin nicht vollständig. Die von den Antragstellern hiergegen erhobenen Einwendungen greifen allerdings zunächst nicht durch.

Die Antragsgegnerin durfte das Grundstück der Antragsteller ohne Verstoß gegen die Abwägungspflicht in die Planung einbeziehen. Ihr Wille, ihre rückwärtigen Grundstücksflächen baulich nicht zu nutzen, stellt nicht gleichsam eine Sperrminorität dar, welche die planende Gemeinde nicht überwinden kann. Bei entsprechend gewichtigen städtebaulichen Absichten darf sie vielmehr auch solche Grundstücksflächen in die Planung einbeziehen. Solche Gründe sind hier ausreichenden Umfangs gegeben. Sie ergeben sich aus dem eigenartigen Zuschnitt des streitigen Gebiets und seiner Einbettung in die übrigen Baugebiete. Der streitige Bereich ist dadurch gekennzeichnet, dass auf zwei Grundstücken, nämlich dem der Antragsteller und dem Grundstück B. Straße 43 Bebauung in den rückwärtigen Bereich vorgedrungen ist. Dies ist aber noch nicht in einer Weise geschehen, welche auf der Grundlage des § 34 BauGB eine städtebaulich auskömmliche Nutzung der bis zur Güterbahn reichenden rückwärtigen Flächen gestattete. Die zweite Baureihe auf dem Grundstück Nr. 43 ist vereinzelt geblieben. Vorbildwirkung entfalteten auch die auf dem Grundstück der Antragsteller stehende Halle und das Gewächshaus nicht, weil es sich hierbei nicht um Baulichkeiten handelt, welche der dauernden Wohnnutzung zu dienen bestimmt sind. Zudem weitet sich das Gelände nach Süden so deutlich aus, dass jedenfalls überwiegende Gründe für die Annahme sprechen, die bislang unbebauten Teile dieses Areals könnten ohne Bauleitplanung nicht genutzt werden. Eine solche Nutzung der rückwärtigen Grundstücksflächen durfte die Antragsgegnerin für städtebaulich veranlasst halten. Denn die nördlich, südlich, östlich und westlich davon gelegenen Flächen sind alle bebaut. Eine „Enklave“, wie sie sich bei einer auf das Flurstück ... beschränkte Planung zu bilden drohte, kann die Quelle stets auf Neue vorgetragener Bauwünsche darstellen. Dem durfte die Antragsgegnerin planend mit einer Lösung vorbeugen, welche auch diese künftigen Bauwünsche berücksichtigt.

Es ist des Weiteren nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Plan gewordene Erschließungsvariante gewählt hat. Es trifft zwar zu, dass die planende Gemeinde nach der von den Antragstellern zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. vom 6. Juni 2002 - 4 CN 6.01 -, ZfBR 2002, 807 = BRS 65 Nr. 8 = NVwZ 2002, 1506; vgl. dazu auch Nds. OVG; Urt. v. 31.5.2005 - 1 KN 335/03 -, Vnb, Langtext JURIS sowie Senatsentscheidung v. 14.4.2004 - 1 KN 111/03 -, Nds. Rpfl. 2004, 359 = NuR 2005, 116) verpflichtet ist zu erwägen, ob das von ihr gewünschte Ergebnis nicht auch unter Einbeziehung von Flächen zu erreichen ist, welche in ihrem Eigentum stehen, und ob sie zu diesem Zwecke u. U. eine Verringerung der Möglichkeiten, ihre Planungsvorstellungen vollständig zu erreichen, um den Preis einer Schonung des Eigentums Privater hinzunehmen hat.

Eine daraufhin vorgenommene Überprüfung ergibt kein den Antragstellern günstiges Ergebnis. Das folgt schon aus den Besonderheiten des Gebietes. Wie oben dargelegt, kann eine Erschließung der rückwärtigen Bereich des Grundstücks B. Straße 45 nur über das Grundstück der Antragsteller erreicht werden. Dazu bestehen zwei Alternativen: Entweder die Plan gewordene oder aber die Anlegung einer Erschließungsanlage am Nordrand des Grundstücks der Antragsteller. Eine solche kann wegen der Enge des Grundstücks Nr. 45 nur über das Grundstück der Antragsteller geführt werden. Dort kollidiert dies zum einen mit der Zufahrtsmöglichkeit zu der rückwärtig stehenden Halle, zum anderen mit dem „Engpass“, der zwischen Hallennordwand und Nebengebäude Nr. 45 besteht.

Für die Plan gewordene Variante streitet zudem der Grundsatz der Lastengleichheit. Dieser spricht zumindest tendenziell dafür, die Grundstücke mit den Nachteilen einer Planung zu belasten, welche - objektiv - von ihr profitieren (vgl. BVerwG, B. v. 19. April 2000 - 4 BN 16.00 -, NVwZ-RR 2000, 532 sowie Nds. OVG, Urt. v. 5. April 2000 - 1 K 5293/98 -, NVwZ-RR 2001, 11 = BauR 2000, 1456). Das tut der Festplatz der Antragsgegnerin nicht. Ihm vermittelt das Baugebiet keinen Erschließungs- oder Nutzungsvorteil. Würde die Straße unter Inanspruchnahme seiner Flächen, d.h. von Süden in das Baugebiet hinein geführt, würde auch dies es unumgänglich machen, das Grundstück der Antragsteller zum Vorteil des Grundstücks Nr. 45 in Anspruch zu nehmen. Einzige Folge dieser Variante wäre, dass auch das Grundstück der Beigeladenen zerschnitten würde; dem stünde aber kein greifbarer Vorteil gegenüber.

Die gefundene Lösung hat zudem den Vorzug, mit den Grundstücken Nrn. 49 und 51 im Wesentlichen diejenigen mit Erschließungsflächen zu belasten, welche von dem Plan objektiv die meisten Vorteile haben. Dabei hat die Antragsgegnerin in Beachtung des Grundsatzes der Lastengleichheit den deutlich größeren Teil der westöstlich verlaufenden Erschließungsanlage auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 3 festgesetzt; die Antragsteller werden lediglich mit einem Teil des Wendekreises sowie dem nach Norden weisenden „Stich“ belastet.

Der Angriff der Antragsteller, sie würden bei einer Verwirklichung der Planfestsetzungen durch den auf der neuen Erschließungsanlage entfalteten An- und Abfahrtslärm unzumutbar beeinträchtigt, greift ebenfalls nicht durch. Würdigt man die mit dem Plan verbundenen Lärmbelästigungen auf der Grundlage der Grenzwerte, welche in der 16. BImSchV bestimmt sind, ergeben sich keine Beanstandungen. Das ergibt sich aus der nachvollziehbaren Berechnung der Gesellschaft für technische Akustik (GTA), welche die Antragsgegnerin mit Schriftsätzen vom 17. 1. 2005 (Bl. 65 f. GA) und vom 30.11.2004 (Bl. 52 f. GA) nachgereicht und erläutert hat.

Würdigt man die Sachlage unabhängig von diesen Grenzwerten, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Der Senat hat zu einer Sachlage, in der einem bislang im Wesentlichen unbelasteten Siedlungsteil in den bisherigen Außenbereich hinein und noch dazu bergauf ein Baugebiet von neun Wohngrundstücken angefügt wurde, im Eilbeschluss vom 18. Mai 2005 (- 1 MN 52/02 -,ÖffBauR 2005, 90; Langtext in JURIS) folgendes ausgeführt:

„Unzumutbare, der Antragstellerin nicht einmal vorübergehend zuzumutende Nachteile werden der Antragstellerin zudem weder entstehen durch die wenigen (9) Bauvorhaben, welche die Beigeladene verwirklichen will (....), noch durch deren Nutzung. Die Antragsgegnerin hat durch Nr. 1.1 der textlichen Festsetzungen alle Nutzungen, welche gem. § 4 Abs. 3 BauNVO 1990 nur ausnahmsweise zulässig sind, ausgeschlossen. Die Regelnutzungen eines allgemeinen Wohngebietes können grundsätzlich neben reinen Wohngebieten positioniert werden. Bei den von der Beigeladenen angebotenen neun Objekten handelt es sich jedenfalls im Wesentlichen um Wohnbauvorhaben. Deren Aufstellungsort befindet sich überwiegend unterhalb des Wohnhauses der Antragstellerin und ihrer Außenwohnbereiche. Unzumutbare Lärmbelästigungen sind daher nicht zu erwarten. Deren Erstellung nimmt ebenfalls nur einen vorübergehenden Zeitraum in Anspruch.“

Diese Ausführungen gelten hier erst recht. Denn die rückwärtigen Grundstücksbereiche sind nach der im Planaufstellungsverfahren erstatteten Begutachtung durch die GTA erheblichem Lärm ausgesetzt sind, welcher von der B. Straße ausgeht. Die wenigen Haushalte, welche bei vollständiger Ausnutzung zu Wohnzwecken im Plangebiete entstehen können, verursachen keinen so starken An- und Abfahrtsverkehr, dass dies den Antragstellern angesichts der damit verbundenen Rechtswohltat, in nicht unerheblichem Umfang auch Bauflächen zu erhalten, nicht mehr zugemutet werden könnte. Es ist schon erheblichen Umfangs widersprüchlich, wenn die Antragsteller - wie sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat - einerseits den von der B. Straße (Verkehrsbelastung: ca. 8.400 Fahrzeuge am Tag mit einem LKW-Anteil von tags und nachts von 4,5 v. H.) und der nachstehend zu diskutierenden Festplatznutzung ausgehenden Lärm hinnehmen, dann sich aber gegen den verschwindend geringen Verkehr, der „im Rücken“ ihres Wohngebäudes entstehen würde, mit der Begründung wehren, das überschreite das Maß des Erträglichen.

Die Antragsteller können nicht mit Erfolg rügen, sie würden durch die Planfestsetzungen der Gefahr ausgesetzt, Erschließungsbeiträge zahlen zu müssen. Zu diesem Problembereich hat der Senat in seinem zuvor zitierten Beschluss vom 18. Mai 2005 - 1 MN 52/05 -, aaO) folgendes ausgeführt:

„Soweit die Antragstellerin eine hohe Belastung durch die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen für die Herstellung der E. straße befürchtet, begründet dieser Gesichtspunkt nicht die Abwägungsfehlerhaftigkeit des angegriffenen Bebauungsplanes. Mit einer Vielzahl von Plänen ist die spätere Verpflichtung verbunden, Erschließungsbeiträge zahlen zu müssen. Dies führt im Regelfall nicht, sondern ausnahmsweise allenfalls dann zur Abwägungswidrigkeit der angegriffenen Planungsentscheidung, wenn die durch die Erschließung erwachsenden Vorteile in einem krassen Missverhältnis zu den Belastungen durch die anfallenden Erschließungsbeiträge stehen (Senatsurteil vom 25.9.2003 - 1 KN 320/02 -, Vnb, unter Hinweis auf VGH Bad-Württ., Urt. v. 18.12.1995 - 3 A 1403/93 -, VGH BW-Ls 1996, Beilage 3, B 8; OVG Münster, Urt. v. 12.5.1989 - 11 a NE 51/87 -, NVwZ 1990, 894; VGH Kassel, Urt. v. 15.2.1991 - 3 N 779/85 -, veröffentlicht in Juris). Solche besonderen Umstände sind hier nicht ersichtlich. Das Grundstück der Antragstellerin mag zwar bislang durch den „Weg“ erschlossen sein, welcher an der Nordwestseite ihres Grundstücks verläuft. Zu berücksichtigen ist aber, dass durch ihr Gebäude das Baufenster, welches der Bebauungsplan Nr. 2 „Südhang E.“ ihrem Grundstück (unverändert) zuschreibt, bislang nur unterwertig ausgenutzt wird. Sollte sie sich, was bauplanungsrechtlich zulässig wäre, zu Abriss und Neubau entschließen, könnte ein Komplex entstehen, der (wenn nicht schon eine Grundstücksteilung, so doch) es rechtfertigt, von dem nunmehr auf der Grundlage des hier angegriffenen Planes Nr. 71 herzustellenden Straßenstück Zufahrt zu nehmen. Damit vermittelt die angegriffene Planung der Antragstellerin einen so beachtenswerten Vorteil, dass eine Heranziehung zur Zahlung eines Erschließungsbeitrages nach den vorstehenden Grundsätzen keinen Abwägungsfehler begründete.“

Das gilt auch hier. Es mag sein, dass die Antragsteller beim ersten Versuch, ihre rückwärtigen Grundstücksflächen zu vermarkten, gescheitert sind. Der Interessent sprang allerdings, wie die Antragsteller selbst beklagt haben, unter anderem/insbesondere deshalb ab, weil seinerzeit auf dem rückwärtigen Bereich des Antragsteller-Grundstückes noch ein vergleichsweise großer Spielplatz vorgesehen gewesen war. Das hat sich jetzt geändert. Selbst wenn die Antragsteller für die rückwärtigen Grundstücksbereiche nicht den Preis erhielten, der ihnen während der anfänglichen Befürwortung des Planvorhabens vorgeschwebt sein mag, reichte dieser aus, um deutlich mehr zu erlösen, als erforderlich ist, um die zu erwartenden Erschließungsbeiträge zahlen zu können.

Der Normenkontrollantrag hat allerdings aus einem der beiden in der mündlichen Verhandlung erörterten Gesichtspunkte Erfolg.

Dabei lässt der Senat den dort diskutierten Problembereich unentschieden, ob der Plan auch deshalb abwägungswidrig ist, weil er ein Mischgebiet nur zum Schein festsetzt und er sich daher als ein Etikettenschwindel darstellt. Es sprechen zwar gewisse Anhaltspunkte für die Annahme, die Antragsgegnerin habe im Plangebiet im Wesentlichen reine Wohnnutzung angesiedelt sehen wollen und ein Mischgebiet nur zu dem Zweck festgesetzt, um dieser Wohnnutzung angesichts Straßenlärm und Festplatznutzung einen geringeren Schutz gewähren zu lassen, als er ihr von Rechts wegen zukommt. Ob das durchgreift oder die Einschätzung der Antragsgegnerin zutrifft, in der näheren Umgebung sei gewerbliche Nutzung in einem Umfang vorhanden, dass sich Wohn- und diese nicht wesentlich störende gewerbliche Nutzung im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO 1990 in etwa die Waage halten, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn der Plan ist aus dem folgenden Grund unwirksam.

Die Antragsgegnerin hat die Lärmproblematik planerisch nicht (richtig) bewältigt, die sich aus der unveränderten Beibehaltung der Festplatznutzung, insbesondere im Hinblick auf das alljährlich stattfindende Schützenfest ergibt.

Nach dem Ergebnis der schalltechnischen Untersuchung der Gesellschaft für technische Akustik (GTA) vom 17.7.2001 zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. ... (S. 19 zu Nr. 5.2.5) betragen die Spitzenpegel jedes der fünf auf dem Schützenfest aufgestellten Fahrgeschäfte 115 dB(A); der des Festzeltes beträgt danach 110 dB(A). Unter Berücksichtigung des Zuschlages von 3 dB(A), der wegen der Schützenfestzeiten (Sonnabend und Sonntag) zur Berücksichtigung des gesteigerten Ruhebedürfnisses gemacht werden muss, führt dies nach den Ermittlungen der GTA „am Südrand des Plangebietes“ zu Lärmeinwirkungen von 77/65 dB(A). Dazu heißt es auf Seite 20/21 des GTA-Gutachtens vom 17.7.2001: Der für seltene Ereignisse nach der TA Lärm (6.3) geltende Wert von 70 dB(A) wird überschritten. Der Wert von 70 dB(A) wird im ungünstigsten Fall in einem Abstand von 18 m (für Werktage) bzw. 30 m (für Sonn- und Feiertage, also mit dem Ruhezeitenzuschlag von 3 dB<A>) - gemessen vom Südrand des Bebauungsplan-Geltungsbereiches - erreicht. Für die Nachtzeit sind in der südwestlichen Ecke des Plangebietes Beurteilungspegel von 65 dB(A) zu erwarten. Der für seltene Ereignisse Immissionsrichtwert von nachts 55 dB(A) wird fast im gesamten Plangebiet überschritten. Die Geräuschimmissionen sind dabei wesentlich durch das Festzelt bestimmt.

Dies hat die Antragsgegnerin - trotz der Bedenken, welche der Landkreis L. im Aufstellungsverfahren unter dem 26.6.2002 gerade im Hinblick hierauf erhoben hatte - im Wesentlichen mit den folgenden Erwägungen wegzuwägen versucht: Das Schützenfest sei eine Traditionsveranstaltung, welche für das Kommunikationsbedürfnis der Einwohner von K. von hervorragender Bedeutung sei. Immerhin habe man die Bauflächen bis zu 25 m vom Südrand des Planes nach Norden abgerückt. Echte Gesundheitsgefahren - etwa Schäden am Gehör - seien wegen der vergleichsweise geringen Einwirkungszeiten nicht zu erwarten; das sei erst bei Einwirkungen ab 85 dB(A) zu befürchten. Es sei auch nicht zu erwarten, dass Spitzengeräusche 90 dB(A) überschritten. Das Interesse der Anwohner an erholsamem Schlaf habe daher mit Rücksicht auf die Bedeutung des Schützenfestes als Traditionsveranstaltung und auf das Kommunikationsbedürfnis der Ostsbevölkerung zurückzutreten. Es sei nicht eine rein kommerzielle Veranstaltung, sondern wurzele in der örtlichen Tradition.

In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreterinnen der Antragsgegnerin ergänzend Folgendes geltend gemacht: Zwischenzeitlich habe die Antragsgegnerin, wie schon in der Sitzungsvorlage 086.0/03 vom 24.6.2003 erwogen, beschlossen, den Festplatz an dieser Stelle aufzugeben und Hofstelle M. am Brunnenweg zu verlegen. Die dafür erforderliche Änderung des Flächennutzungsplanes für den Bereich des ehemaligen Hofes M. sei im Oktober 2005 bekannt gemacht worden.

Das stellt keine im Sinne des § 1 Abs. 6 BauGB a. F. (= Abs. 7 n. F.) gerechte Abwägung dar.

Vorauszuschicken ist zunächst, dass es auf die in letzter Zeit bewirkte Änderung des Flächennutzungsplanes der Antragsgegnerin nicht ankommen kann; denn wegen § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB sind die Verhältnisse maßgeblich, welche zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (3. März 2004) herrschten. Seinerzeit hatte sich diese Änderung noch nicht in der gebotenen Konkretheit abgezeichnet.

Es kommt hinzu, dass eine Verlagerung der Festplatznutzung auch durch die im Oktober bekannt gemachte Änderung des Flächennutzungsplanes nicht verbindlich beschlossen worden ist. Die Antragsgegnerin hält - erstens - hierfür die Aufstellung eines Bebauungsplanes für den ehemaligen Hof M. für erforderlich. Dieser ist nicht, was sich vielleicht angeboten hätte, im Parallelverfahren entwickelt worden. Zweitens hat die Antragsgegnerin diese Änderung ihres Flächennutzungsplanes nicht zum Anlass genommen, die entsprechende Darstellung für das Gebiet südlich des angegriffenen Planes zu korrigieren und/oder den dafür geltenden, in der mündlichen Verhandlung gezeigten älteren Bebauungsplan aufzuheben, welcher das gesamte an den Geltungsbereich des Planes Nr. ... angrenzende Areal (und nicht nur die ersten zwei Fünftel) als Festplatzgelände festsetzt.

Die Auffassung der Antragsgegnerin, die Festplatznutzung hätten diejenigen, welche sich im Gebiet des angegriffenen Planes ansiedelten, bis an den Rand der Gesundheitsbeschädigung hinzunehmen, ist abwägungswidrig.

Das Verhältnis von Wohn- und Festplatznutzung, namentlich von Wohnnutzung und Schützenfest ist nicht einfach zu bestimmen. Hier stehen in Widerstreit das Bedürfnis nach Wohnruhe einerseits und nach Veranstaltung eines Traditionsfestes andererseits, das für das Zusammenleben in überschaubar großen Gemeinden oder Gemeindeteilen von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Eine gute Orientierungshilfe zur Lösung dieses Konfliktes bietet die sog. Freizeitlärm-Richtlinie verschiedener niedersächsischer Ministerien in der Fassung vom 8. Januar 2001 (MBl. S. 201). Sie gilt nach ihrer Definition (tiré 1) gerade auch für die Veranstaltung von Schützenfesten. Sie empfiehlt, sich bei der Beurteilung ihrer Nachbarverträglichkeit an den Werten zu orientieren, welche in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (vom 26. August 1998, GMBl. S. 503; nachfolgend TA Lärm 1998) für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen bestimmt worden sind. Diese sollen mit der Maßgabe gelten, die Ruhezeitenzuschläge auch für die Baugebiete anzusetzen, welche in Nr. 6.1 der TA Lärm 1998 aufgeführt worden sind; dazu zählen auch Mischgebiete. Anzuwenden sind abweichend von 7.2 TA Lärm 1998 die in der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV vom 18. Juli 1991, BGBl. I S. 1588, ber. 1790) enthaltenen Regelungen über die seltenen Ereignisse. Solche dürfen damit an insgesamt 18 Tagen im Jahr stattfinden und höhere Lärmeinträge verursachen, als dies nach den allgemein geltenden Orientierungswerten der Fall ist.

Bei Zugrundelegung der für Mischgebiete geltenden Orientierungswerte gelten in Anwendung dieser Regelungen an 18 Tagen im Jahr Mittelungspegel von 70/55 dB(A), d.h. die Orientierungswerte, welche die Gesellschaft für technische Akustik ihrer im Planaufstellungsverfahren erstatteten schalltechnischen Untersuchung vom 17.7.2001 zugrunde gelegt hatte.

Selbst wenn man berücksichtigt, dass dies nur Orientierungs- und damit nicht schematisch anzuwendende Werte darstellen, ist (selbst) die Festsetzung eines Mischgebietes in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer unveränderten Festplatz-/Schützenfestnutzung nicht zu rechtfertigen. Dafür sind die Überschreitungen der Orientierungswerte erheblich zu groß. Diese erreichen auch nach den Erläuterungen der Vertreterinnen der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung in einem Teilbereich des Plans trotz Abrückens der Bauflächen nach Norden zur Tagzeit einen Überschreitungswert von bis zu 5 dB(A). In der Nachtzeit werden die genanten, für seltene Ereignisse und Mischgebiete geltenden Orientierungswerte nach diesen Darlegungen praktisch im gesamten Plangebiet überschritten; nur in einem kleinen Zipfel im Nordosten werden sie eingehalten. Darauf aufbauend sind folgende Ausführungen veranlasst:

Der 7. Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 17. Mai 1995 (- 7 L 4452/93 -, GewArch 1996, 117 = BImSchG-Rspr § 23 Nr. 12 und Volltext JURIS) in Einklang mit der Rechtsprechung des BVerwG (vgl. z. B. Urt. v. 24.9.1991 - 7 C 12.90 -, BVerwGE 88, 143) ausgeführt, bei der Einzelfallbetrachtung, die für die Beurteilung der Verträglichkeit von Wohn- und Festplatznutzung anzustellen sei, könnten die Regeln, welche in der Freizeitlärmrichtlinie verschiedener niedersächsischer Ministerien (jetzt: vom 8.1.2001, MBl. S. 201) enthalten sind, als Orientierungswerte berücksichtigt, jedoch nicht rechtssatzartig angewandt werden. Dazu hat er im einzelnen ausgeführt:

„Fehl geht die Beigel. zu 1) im übrigen, wenn sie meint, der Immissionshöchstwert dürfe für die letzte Nacht des Festes auf nicht unter 60 dB(A) festgesetzt werden. Oben ist bereits dargelegt worden, daß auch bei "seltenen Ereignissen" nach 22.00 Uhr der Beurteilungspegel von 55 dB(A) vor den am nächsten gelegenen Wohnungen nicht überschritten werden darf. Deshalb führt auch der Hilfsantrag nicht weiter, mit dem die Beigel. zu 1) geltend macht, daß der maximal zulässige Beurteilungspegel im Hause des Kl. bei geschlossenen Fenstern ermittelt werden müsse. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß nach 22.00 Uhr der Beurteilungspegel von 55 dB(A) nicht überschritten werden darf, kann - wie der Senat bereits früher erwogen hat (Urt. v. 15.09.1994 - 7 L 5328/92 - GewArch 1995, 173 = NJW 1995, 900 = ZUR 1995, 85 = Nds. VBl 1995, 59) - nur für einzelne besonders herausragende, "einmalige" und folglich sehr seltene Veranstaltungen gelten, deren Bedeutung so groß ist, daß dahinter das Ruhebedürfnis der Bewohner zurückzutreten hat. Es ist auch hier weder nötig noch möglich, allgemein zu definieren, wann ein solches herausragendes Ereignis anzunehmen ist. Jedenfalls kann dies nicht für jährlich stattfindende, sich jeweils über mehrere Tage und Nächte erstreckende 'normale' Schützenfeste angenommen werden.“

Doch nicht nur dies, sondern auch eine Würdigung der zu diesem Problemkreis aufzufindenden Rechtsprechung führt zu einem der Antragsgegnerin nachteiligen Ergebnis. Die von der Antragsgegnerin zur Stütze angeführte, nicht näher bezeichnete Rechtsprechung des VG Meiningen dürfte dieses Abwägungsergebnis nicht tragen. Soweit damit dessen Beschluss vom 27. September 2001 (- 5 E 694/01.Me -, NVwZ-RR 2002, 349 = GewArch 2002, 340) gemeint sein sollte, so ist darauf hinzuweisen, dass es sich dort um ein lediglich eintägiges Fest handelte, während hier mindestens an zwei Tagen bis deutlich nach Mitternacht gefeiert werden soll. Zudem bestanden nach Einschätzung des VG Meiningen seinerzeit Anhaltspunkte für die Annahme, bei dem Anwesen des damaligen Antragstellers werde der Immissionsrichtwert der TA Lärm eingehalten werden. Das ist hier anders.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. zum Folgenden Urt. v. 23.3.1990 - V ZR 58/89 -, BGHZ 111, 63 = DVBl. 1990, 771 = NJW 1990, 2465 und v. 26.9.2003 - V ZR 41/03 -, NJW 2003, 3699 = BauR 2004, 300 = BRS 66 Nr. 175), der sich der Senat anschließt, hat folgendes zu gelten: Die Freizeitlärm-Richtlinie kann eine brauchbare Entscheidungshilfe darstellen. Sie ist allerdings nicht schematisch, sondern unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls anzuwenden. Danach kann eine Überschreitung der Orientierungswerte insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Höchstzahl der seltenen Ereignisse (18 pro Jahr) deutlich unterschritten wird. Eine Rolle spielen kann auch der Traditionscharakter eines Festes. Umgekehrt ist zum Vorteil der Anlieger zu beachten, dass selbst Traditionsfeste mittlerweile unter Einsatz moderner Lautverstärker veranstaltet werden. Deren Frequenz wirkt besonders eindringlich. Ihr Lästigkeit wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass die Musikgeräusche unregelmäßig und mit dem Bestreben auftreten, besondere Aufmerksamkeit zu erregen. Namentlich die Impulshaltigkeit des heute in keiner Tanzkapelle fehlenden Schlagzeugs macht sich nachteilig bemerkbar. Besondere Bedeutung haben zudem die Zeiten, zu denen solche Feste stattfinden. Nach 22.00 h sind ihre akustischen Auswirkungen ungeachtet des Traditionscharakters verstärkt auf ein nachbarverträgliches Maß zurückzuführen. Dieser Charakter kann auch nicht für eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte ins Feld geführt werden. Denn die Freizeitlärm-Richtlinie berücksichtigt ja schon durch die gegenüber „normalen“ Orientierungswerten heraufgesetzten Richtwerte für seltene Ereignisse, dass bei Traditionsveranstaltungen ausnahmsweise höhere Werte gelten dürfen. Dieser Gesichtspunkt darf damit nicht zweimal zum Nachteil der Nachbarschaft ins Feld geführt werden. Dasselbe gilt hinsichtlich der Häufigkeit einer solchen Veranstaltung. Dabei kann sich eine Veranstaltung etwas stärker gegen die Nutzungswünsche und -ansprüche benachbarter Wohnbebauung durchsetzen, wenn es sich um eine eintägige Veranstaltung handelt und diese in der Nachbarschaft akzeptiert ist. Dann können sogar solche Veranstaltungen als ortsüblich und nicht mehr wesentlich störend zugelassen werden, welche die für Abend- und Nachtzeiten geltenden Richtwerte der Freizeitlärm-Richtlinie überschreiten. Auch dann aber ist zeitlich nur der Korridor bis Mitternacht geöffnet. Eine über Mitternacht hinausgehende erhebliche Überschreitung der Richtwerte kann in aller Regel nicht mehr als unwesentlich qualifiziert werden.

Daraus folgt:

Die Annahme der Antragsgegnerin, den Anwohnern dürfe der vom Schützenfest ausgehende Lärm bis zur Schwelle ernstlicher Gesundheitsschäden zugemutet werden, ist nicht tragfähig. Die von der GTA im Planaufstellungsverfahren ermittelten Werte rechtfertigen diese Planfestsetzungen auch objektiv nicht. Gleich an zwei aufeinander folgenden Nächten sollen bis immerhin 3.00 Uhr, d.h. für 5/8 der Nachtzeit die für seltene Ereignisse geltenden, d.h. gesteigerten Orientierungswerte fast im gesamten Gebiete überschritten werden. Dies kann gerade nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, es handele sich „nur“ um Wochenendnächte, jedenfalls in der Nacht zum Montag könne der für die Arbeitsaufnahme erforderliche Schlaf ausreichenden Umfangs gefunden werden. Schon Letzteres traf beim Satzungsbeschluss vom 3. März 2004 nicht zu, weil seinerzeit das Fest erst um 1.00 Uhr in der Frühe endete. Zudem genießen die Nächte vom Wochenende besonderen Schutz, weil es sich um Ruhezeiten, d.h. Bereiche handelt, in denen die Wohnbevölkerung das in der Woche aufgestaute Schlafdefizit soll kompensieren können. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass die Planflächen schon tagsüber mit einem Lärmteppich belegt werden, dessen Intensität jedenfalls in Teilbereichen die „gesteigerten“ Orientierungswerte der Freizeitlärm-Richtlinie überschreitet. Die Antragsgegnerin hat zudem nicht einmal versucht, diesen Konflikt zu entschärfen, etwa indem sie den Festplatz in den Planbereich einbezogen und dabei versucht hätte, den Aufstellungsort des Festzeltes, nach dem GTA-Gutachten die Hauptlärmquelle, baugebietsabgewandt zu positionieren. Das Planaufstellungsbestreben geht vielmehr dahin, diesen Lärm vollkommen ungehemmt auf die Planflächen einwirken zu lassen. Das ist keine gerechte, d.h. die berechtigten Belange beider miteinander konkurrierenden Interessen würdigende Abwägung, welche auf einen Ausgleich bedacht ist/wäre, sondern eine einseitige Bevorzugung des einen Belangs unter ungerechtfertigter Zurückstellung bzw. Nichtbeachtung des anderen.

Es ist auch nicht möglich, die Lösung dieses Nutzungskonfliktes in das Genehmigungsverfahren nach dem Gaststättenrecht und die Sperrzeitenregelungen zu transferieren. Ziel des angegriffenen Planes ist vielmehr, den Planunterworfenen aufzuerlegen, diese Lärmeinwirkungen aus Anlass des Schützenfestes (daneben ist noch der Tanz in den Mai mit seiner Veranstaltungszeit von 19.00 bis 05.00 Uhr zu beachten) zu dulden und diesen Abwehransprüche abzuschneiden. Die Antragsgegnerin hat in der Planbegründung gerade nicht Verständnis für das Ruhebedürfnis der künftigen Bewohner erkennen lassen, sondern gemeint annehmen zu dürfen, diese müssten diese Lärmbeeinträchtigungen aus den genannten Gründen bis an die Schwelle der Gesundheitsbeeinträchtigung. Unter Berufung auf den Grundsatz planerischer Zurückhaltung können die Planfestsetzungen daher ebenfalls nicht „gehalten“ werden.

Nur ergänzend ist anzuführen: Diese Erwägungen gälten erst recht, wenn die vorstehend unentschiedene Frage, ob die Planfestsetzungen einen sog. Etikettenschwindel darstellten, zum Nachteil der Antragsgegnerin zu beantworten wäre. Dann müssten „an sich“ Orientierungswerte von 55/40 beachtet werden. Dementsprechend geringer wären die Orientierungswerte, welche als seltene Ereignisse an bis zu 18 Tagen im Jahr zu beachten wären.