BVerfG, Beschluss vom 25.11.2009 - 1 BvR 2515/09
Fundstelle
openJur 2009, 1358
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. L 20 AS 1078/09 B PK
Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt W. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, denn die von ihr aufgeworfenen Fragen sind in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt (vgl.BVerfGE 81, 347 <356 ff.> ). Sie ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt, denn sie ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet und hat daher keine Aussicht auf Erfolg. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist deshalb entsprechend § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) wegen fehlender Erfolgsaussichten abzulehnen.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landessozialgerichts richtet. Die Beschwerdebegründung zeigt nicht den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend hinreichend substantiiert die Möglichkeit der Verletzung spezifischen Verfassungsrechts durch die Verwerfung der Beschwerde als unstatthaft und damit unzulässig auf.

Die Begründung einer Verfassungsbeschwerde muss substantiiert aufzeigen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert (vgl.BVerfGE 108, 370 <386> ). Soweit das Bundesverfassungsgericht bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe formuliert hat, muss anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden, inwieweit die in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl.BVerfGE 101, 331 <346>; 102, 147 <164>).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Beschwerdeführer legen zwar ausführlich dar, warum ihrer Auffassung nach eine entsprechende Anwendung von § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, wie sie das Landessozialgericht vorgenommen hat, mit der Regelung des § 172 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und ihrer Entstehungsgeschichte nicht vereinbar ist. Verfassungsrechtliche Maßstäbe, mit denen die vom Landessozialgericht vertretene Auffassung kollidieren würde, zeigen sie jedoch nicht auf. Sie behaupten lediglich pauschal einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG und das Gebot der Rechtsmittelklarheit, setzen sich jedoch nicht damit auseinander, dass das Grundgesetz nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich auch im Prozesskostenhilfeverfahren keinen Instanzenzug garantiert (vgl. insoweitBVerfGE 78, 88 <99>).

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Sozialgerichts richtet, ist sie unbegründet. Die Beschwerdeführer sind nicht in ihrem Grundrecht auf weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Weder das Sozialgericht noch das Landessozialgericht haben die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Sinne von § 73a SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO überspannt und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, verfehlt (vgl. zu diesen AnforderungenBVerfGE 81, 347 <358>; stRspr).

a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Sozialgericht nicht über eine schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfrage im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden (vgl. insoweitBVerfGE 81, 347 <359> ), indem es einen Anspruch der Beschwerdeführer auf Leistungen für die Renovierung ihrer Küche mit der Begründung verneint hat, es fehle an einer wirksamen mietvertraglichen Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen und es lägen auch keine besonderen Umstände vor, die eine Übernahme der Kosten trotz fehlender mietvertraglicher Pflichten rechtfertigen könnten. Unter welchen Voraussetzungen eine hier erfolgte formularmäßige Abwälzung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter unwirksam ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die das Sozialgericht Bezug genommen hat, geklärt. Aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergibt sich zudem, dass es sich bei den Kosten für Renovierungsarbeiten, die während eines laufenden Mietverhältnisses vorgenommen werden, nicht um angemessene Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II handelt, wenn der Hilfebedürftige hierzu nach dem Mietvertrag nicht wirksam verpflichtet ist und sie auch nicht zur Aufrechterhaltung der Bewohnbarkeit der Wohnung erforderlich sind.

Das Bundessozialgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass eine Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen oder zur Zahlung monatlicher Zuschläge mietvertraglich vereinbart worden und zivilrechtlich wirksam sein muss, damit es sich um Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II handelt (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2008 - B 11b AS 31/06 R -, juris, Rn. 17; vgl. auch BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 48/08 R -, juris, Rn. 16, 19, sowie zur Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz <BSHG> BVerwGE 90, 160 <161>). Hinsichtlich der Kosten für eine Einzugsrenovierung hat es entschieden, dass diese auch dann nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu decken sind, wenn es an einer mietvertraglichen Vereinbarung fehlt, sie jedoch zur Herstellung der „Bewohnbarkeit“ der Unterkunft erforderlich und angemessen sind und nicht anderweitig gedeckt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 49/07 R -, juris, Rn. 25 f.). Hinsichtlich der „Bewohnbarkeit“ der Wohnung hat es auf einen einfachen Ausstattungsgrad oder auf einen Ausstattungsstandard im unteren Wohnungssegment abgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 49/07 R -, juris, Rn. 28). Zuletzt hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass eine aufgrund einer unwirksamen Vereinbarung getätigte Zahlung nicht angemessen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist und die entsprechenden Kosten nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II übergangsweise zu übernehmen sind (vgl. die Pressemitteilung zum Urteil vom 22. September 2009 - B 14 AS 8/09 R -, abrufbar unter www.bundessozialgericht.de).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung durfte das Sozialgericht bereits im Prozesskostenhilfeverfahren feststellen, dass die geltend gemachten Kosten nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen sind. Ob die Renovierungskosten erforderlich sind, weil die Grenzen der Bewohnbarkeit erreicht oder überschritten sind, hat das Sozialgericht geprüft, dies jedoch verneint, weil die Beschwerdeführer einerseits nichts Entsprechendes vorgetragen hätten und andererseits Ansprüche gegen den Vermieter bestünden. Vor diesem Hintergrund bestand auch kein Anlass, auf die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II einzugehen, zumal die Beschwerdeführer hierzu nichts vorgetragen haben. Warum es den Beschwerdeführern im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II unmöglich oder unzumutbar sein soll, „die Aufwendungen zu senken“, das heißt zum Beispiel auf die Durchführung der Renovierung auf Kosten des Grundsicherungsträgers zu diesem Zeitpunkt zu verzichten oder sich insoweit an ihren Vermieter zu halten, ist nicht ersichtlich. Der Vermieter selbst hat die Durchführung der Renovierungsarbeiten nicht verlangt.

b) Das Sozialgericht hat keine unzulässige Beweisantizipation vorgenommen und über das Prozesskostenhilfegesuch entschieden, obwohl noch entscheidungserhebliche Tatsachen durch Beweisaufnahme aufzuklären gewesen wären (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. November 2008 - 1 BvR 2504/06 -, juris, Rn.13 m.w.N.). Vielmehr hat das Sozialgericht weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich gehalten, weil es nach seiner Rechtsauffassung nur darauf ankam, ob die Grenzen der Bewohnbarkeit erreicht oder überschritten waren und die Beschwerdeführer hierzu nichts vorgetragen hatten. Ob diese Auffassung zutreffend ist, hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht zu prüfen, weil es um eine den Fachgerichten obliegende Feststellung und Würdigung des Sachverhalts und die Anwendung des einfachgesetzlichen Rechts geht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 5. Mai 2009 - 1 BvR 255/09 -, juris, Rn. 4). Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht ist nicht ersichtlich und wird von den Beschwerdeführern nicht dargelegt. Wegen des inhaltlich unbestimmten Vortrags der Beschwerdeführer musste sich das Sozialgericht im Übrigen zu weiterer Sachverhaltsaufklärung zur Bewohnbarkeit der Wohnung nicht gedrängt sehen. Zu den Kriterien der „Bewohnbarkeit“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts haben die Beschwerdeführer nichts vorgetragen.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG

abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.