AG Buxtehude, Urteil vom 05.04.2005 - 31 C 36/04
Fundstelle
openJur 2012, 42792
  • Rkr:

Berufung eingelegt LG Stade Az.: 2 S 18/05.

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.324,52 € nebst 4% Zinsen auf 195,26 € seit dem 01.03.1990, auf weitere 191,23 € seit dem 01.03.1991, auf weitere 256,27 € seit dem 01.03.1992, auf weitere 213,86 € seit dem 01.03.1993, auf weitere 221,57 € seit dem 01.03.1994, auf weitere 242,36 € seit dem 01.03.1995, auf weitere 231,69 € seit dem 01.03.1996, auf weitere 207,07 € seit dem 01.03.1997, auf weitere 244,00 € seit dem 01.03.1998, auf weitere 217,86 € seit dem 01.03.1999, auf weitere 191,11 € seit dem 01.03.2000 und auf weitere 1.912,24 seit dem 11.09.2003, ferner 4% Zinsen auf weitere 59,74 € vom 01.03.2000 bis zum 31.08.2003 sowie Zinsen von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz auf weitere 93,44 € vom 01.03.2001 bis zum 31.08.2003, auf weitere 359,46 € vom 01.03.2002 bis zum 31.08.2003, auf weitere 206,39 € vom 01.03. bis zum 31.08.2003 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% über dem aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrag.

4. Der Streitwert wird auf 4.324,52 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist zwischenzeitlich Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstückes in der L. Straße 20 in F./Elbe seit dem 01.09.1999. Voreigentümerin war Frau St. L., die Tochter der Klägerin, welche mit Abtretungsvereinbarung vom 11.01.2004 (Bl. 6 d.A., Anlage K 1) ihre Ansprüche gegenüber dem Beklagten an die Klägerin abgetreten hat, davor war Eigentümerin Frau L. von B., die Mutter der Klägerin, die ebenfalls ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten an die Klägerin abgetreten hat (Bl. 61 d.A.) bezüglich der bis 31.12.1980 entstandenen Ansprüche.

Das Grundstück der Klägerin ist mit einem Doppelhaus bebaut, dessen eine Hälfte von der Klägerin bewohnt wird.

Bereits im Jahre 1997 ist ein Wasserzähler des Beklagten von Mitarbeitern des Beklagten falsch installiert worden, so dass es zu einer fehlerhaften Erfassung des Wasserverbrauches gekommen ist. Es sind zwei Wasserzähler in beiden Haushälften so hintereinander geschaltet worden, dass die in der zweiten Haushälfte verbrauchte Wassermenge nicht nur über den dortigen Zähler, sondern auch über den Zähler in der Haushälfte der Klägerin erfasst wurde, so dass es seit 1977 zu erheblichen Überzahlungen auf die Wasserkosten zunächst durch die Voreigentümerinnen und dann durch die Klägerin gekommen ist.

Für die Zeit ab 01.09.1999 hat der Beklagte Gutschriften von insgesamt 597,77 € bis zum Jahr 2003 an die Klägerin vorgenommen. Mit Schreiben vom 11.09.2003 hat der Beklagte deutlich gemacht, keine weiteren Zahlungen mehr an die Klägerin vornehmen zu wollen.

Entsprechend der Aufstellung Anlage K 2, Bl. 7 der Akte, hat die Klägerin bzw. ihre Vorgängerinnen bis 31.08.1999 Kosten in Höhe von 6.998,03 DM (= 3.578,04 €) sowie Grundgebühren von weiteren 1.460,00 DM (= 746,49 €) überzahlt.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin Ansprüche aus Schadensersatz sowie ungerechtfertigter Bereicherung wegen überzahlter Wasserverbrauchskosten und Grundgebühren ab dem Jahre 1977 bis zum 31.08.1999 aus abgetretenem Recht gegenüber dem Beklagten geltend.

Sie ist der Auffassung, dass die Ansprüche nicht gemäß § 21 der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) vom 20.06.1980 ausgeschlossen seien, da ein Berechnungsfehler im Sinne dieser Vorschrift nicht vorliege, da vorliegend die Messung fehlerhaft erfolgt sei.

Ein Mitverschulden könne ihr nicht angelastet werden.

Unbestritten beziffert die Klägerin Zinsansprüche entsprechend den gesetzlichen Zinsen jeweils ab dem 01.03. des Folgejahres.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Ansprüche der Klägerin seien gemäß § 21 Abs. 2 AVBWasserV auf längstens zwei Jahre rückwirkend beschränkt. Für diesen Zeitraum und sogar darüber hinaus seien der Klägerin Gutschriften erteilt worden. Eine Nachberechnung über den Zeitraum von zwei Jahren hinaus sei nicht mehr zulässig, auch wenn der zugrunde liegende Fehler bereits vor diesem Zeitraum eingetreten sei und über einen längeren Zeitraum zurückreiche. Mit dieser Vorschrift habe der Verordnungsgeber zur Sicherung des Rechtsfriedens klargestellt, dass über einen Zeitraum von zwei Jahren hinaus eine Berechnung nicht mehr zulässig sei. Es müssten beide Seiten, Kunde und Wasserversorgungsunternehmen in Kauf nehmen, dass im Einzelfall unter Umständen weitere Ansprüche auf Rückerstattung oder Nachzahlung abgeschnitten würden. Die Zubilligung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten würde dem Regelungszweck des § 21 AVBWasserV entgegen laufen. Über die Zweijahresfrist hinaus könnten auch keine Erstattungsansprüche nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung oder wegen vertraglicher Pflichtverletzung geltend gemacht werden. Dieses gelte immer dann, wenn ein Berechnungsfehler auf menschlicher Unzulänglichkeit beruhe. Überdies sei die fehlerhaft miteinander verbundene Messeinrichtung nicht ohne Willen und Wissen der vormaligen Eigentümerin vom damaligen Wasserversorgungsverband Kehdingen installiert worden. Dem gemäß hätten die übermittelten Rechnungen auf ihre Richtigkeit überprüft werden müssen und deren Fehlerhaftigkeit erkannt werden können, so dass es rechtsmissbräuchlich sei, nunmehr Rückforderungsansprüche geltend zu machen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 4.324,52 € aus positiver Vertragsverletzung des Wasserlieferungsvertrages zwischen den Parteien.

Unstreitig liegt eine schuldhafte Verletzung des Beklagten der Pflicht zur einwandfreien Messung aus § 18 AVBWasserV vor, indem die Wasserzähler in beiden Haushälften des klägerischen Doppelhauses so hintereinander geschaltet waren, dass der Wasserverbrauch in der zweiten Haushälfte auch über den Zähler der Klägerin miterfasst wurde und somit doppelt berechnet wurde. Die Höhe der zuviel berechneten Leistungen hat die Klägerin unstreitig auf 4.324,52 € beziffert.

Dem gegenüber kann sich die Beklagte nicht auf § 21 Abs. 2 der AVBWasserV und die dort geregelte Ausschlussfrist von zwei Jahren berufen.

Die Ausschlussfrist in Abs. 2 bezieht sich ausdrücklich nur auf Ansprüche nach Abs. 1 dieser Vorschrift, wonach das Versorgungsunternehmen den zuviel berechneten Betrag erstattet, wenn eine Prüfung der Messeinrichtungen eine Überschreitung der Verkehrsfehlergrenzen ergibt oder Fehler in der Ermittlung des Rechnungsbetrages festgestellt werden. Ein derartiger „Berechnungsfehler“ im Sinne von § 21 AVBWasserV liegt nach Auffassung des Gerichtes im vorliegenden Fall nicht vor.

Die AVB unterliegen als Rechtsverordnung zwar nicht den Regeln, die für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen gelten. Allerdings sind sie nach den für Gesetze in materiellem Sinn maßgebenden Grundsätzen auszulegen (vgl. BGH Urteil v. 08.07.1981 RdE 1981, 196ff.). Dabei ist zu beachten, dass die AVB gerade den Zweck verfolgen, durch eine abnehmerorientierte Fassung etwaigen Monopolmissbrauch durch die Versorgungsunternehmen vorzubeugen, andererseits aber auch einer wirtschaftlichen Preisgestaltung dienen. Dabei stellt die Vorschrift des § 21 Abs. 1 AVBWasserV klar, dass im Falle fehlerhafter Messung ein Ausgleich von Über- oder Unterzahlung stattzufinden hat und dient darüber hinaus einer erleichterten Durchsetzung des Ausgleichsanspruches in dem für Fälle, in denen sich infolge fehlerhafter Messeinrichtungen der exakte Verbrauch nicht mehr ermitteln lässt, eine Schätzung des geschuldeten Betrages erlaubt und die Ermittlung des Verbrauches mit Hilfsgrößen zugelassen wird. Dadurch soll dem Interesse der Energieversorgungsunternehmen zum Zwecke einer wirtschaftlichen Preisgestaltung nicht zu aufwendige Kontrollen durchführen zu müssen Rechnung getragen werden (vgl. OLG Koblenz 2004, 237ff., RdZiff. 21).

Vorliegend handelt es sich um einen Einbau bzw. Messfehler, der durch den schuldhaft falschen Einbau der Wasserzähler hervorgerufen ist. Zwar beruht auch dieser Fehler auf menschlicher Unzulänglichkeit, wie dieses auch bei Berechnungsfehlern im Sinne des § 21 Abs. 1 AVBWasserV der Fall ist. Hier kann jedoch der Sinn und Zweck, der auf eine zeitnahe und wirtschaftliche Abrechnung gerichtet ist, nicht greifen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass derartige Einbau- und Messfehler unter Umständen erst, wie vorliegend, Jahre später entdeckt werden. Daher kommt eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 2 AVBWasserV auf derartige Einbau- und Messfehler nicht in Betracht, vielmehr muss die Verordnung eng ausgelegt werden und auf die Fälle des Absatz 1 beschränkt bleiben, da die Verordnung von der gesetzlichen Regelung zum Nachteil des Kunden abweicht. Von daher muss es bei diesen Fällen bei den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches verbleiben. Insofern hat auch das Landgericht Berlin, Urteil vom 20.08.2002 in Grundeigentum 2003, 94 § 21 Abs. 2 AVBWasserV für nicht anwendbar erachtet für den Fall, dass der Verbrauch deshalb falsch abgerechnet wurde, weil die Wasserzähler falsch eingebaut wurden und dem Kunden der Verbrauch des Nachbarn berechnet wurde. Ebenso hat der BGH mit Urteil vom 29.01.2003, NJWRR 2003, Seite 702ff. ausdrücklich Messfehler von der Anwendbarkeit des § 21 Abs. 2 AVBWasserV ausgenommen.

Wegen des Vorrangs der vertraglichen Schadensersatzansprüche bedurfte es keiner weiteren Prüfung, ob der Klägerin auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zusteht.

Die Klägerin hat durch Vorlage entsprechender Abtretungserklärungen vom 10.09.2004 (Bl. 61 d.A.) sowie vom 11.01.2004 (Bl. 6 d.A.) die Abtretung der Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten hinreichend und schlüssig dargetan.

Dem gegenüber konnte sich der Beklagte nicht auf ein Mitverschulden der Klägerin oder rechtsmissbräuchliches Verhalten berufen. Eine den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB widersprechende Ausnutzung des beim Versorgungsunternehmen bestehenden Irrtums über den Umfang des Wasserbezuges und über die Höhe des dafür geschuldeten Entgelts liegt grundsätzlich nur vor, wenn der durch die Falschmessung oder Falschberechnung Begünstigte die ihm erteilten Rechnungen tatsächlich als sachlich falsch erkennt. Fahrlässigkeit, auch grobe Fahrlässigkeit reicht nicht aus, sondern vielmehr ist positive Kenntnis erforderlich (Urteil des OLG Düsseldorf vom 29.10.1987 Az. 6 U 27/87). Eine solche positive Kenntnis der Klägerin oder ihrer Rechtsvorgänger ist vorliegend nicht ersichtlich. Vielmehr widerspricht es auch der Lebenserfahrung, dass auf der Klägerseite eine positive Kenntnis vorgelegen habe, denn es wäre nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger über Jahre hinweg derart hohe Leistungen an den Beklagten erbracht haben sollten in Kenntnis dessen, dass sie dazu nicht verpflichtet wären. Vielmehr trifft der Vorwurf, anhand der Rechnungen die Unrichtigkeit der Abrechnungen bei entsprechender Überprüfung erkannt haben zu müssen vorliegend im Wesentlichen den Beklagten.

Der Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten und nicht bestrittenen Zinsen ergibt sich aus §§ 286 i.V.m. § 288 BGB alter Fassung. Mit Schreiben vom 11.09.2003 hat der Beklagte deutlich gemacht, keine weiteren Zahlungen mehr leisten zu wollen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.

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