LG Hamburg, Urteil vom 13.06.2008 - 324 O 23/08
Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,-; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre)

zu unterlassen,

Fotos von Klägerin bis zum Eintritt von deren Volljährigkeit zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen oder sonst zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen.

II. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist bezüglich der Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 100.000, bezüglich der Ziffer II. in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

und beschließt: Der Streitwert wird auf € 100.000,- festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um ein pauschales Verbot, Fotos, die die Klägerin zeigen, zu veröffentlichen.

Die Klägerin ist die minderjährige Tochter des bekannten Sportlers Franz B.. Die Beklagte verlegt unter anderem die Zeitschriften „n..W..“ und „V..S..“.

In der Zeitschrift „n..W..“ vom 6. Januar 2007 (Ausgabe 2/2007) veröffentlichte die Beklagte unter der Überschrift „Franz B. – Nimmt er Heidi die Kinder weg?“ auf Seite 7 ein Foto, das die Klägerin gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem Bruder zeigt, wobei das Gesicht der Klägerin verpixelt dargestellt wurde. Auf die Abmahnung der Klägerin gab die Beklagte am 16.Januar 2007 eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, mit der sie sich verpflichtete, es zu unterlassen, dieses Foto erneut zu veröffentlichen.

In der Zeitschrift „V..S..“ vom 30. Mai 2007 (Ausgabe 23/2007) veröffentlichte die Beklagte auf Seite 4 unter der Überschrift „Neuer Job für Franz B. Lässt er seine süßen Kinder im Stich?“ ein Foto, das die Klägerin unter anderem mit ihrer Mutter und ihrem Bruder zeigt. Auf die Abmahnung der Klägerin gab die Beklagte am 12. Juni 2007 eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, mit der sie sich verpflichtete, es zu unterlassen, dieses Foto erneut zu veröffentlichen.

In der Zeitschrift „n..W..“ vom 20. Oktober 2007 (Ausgabe 43/2007) veröffentlichte die Beklagte auf Seite 9 einen Artikel mit der Überschrift „Franz B. Erschütterndes Krebsdrama So gab er einer verzweifelten Mutter neuen Lebensmut!“, dem ein Foto der Klägerin mit ihren Eltern beigefügt war. Dieses Foto entstand anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten der Eltern der Klägerin im Hotel S.... Die Klägerin forderte die Beklagte auf, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, mit der sie sich verpflichten sollte, zukünftig keine Fotos der Klägerin mehr zu veröffentlichen. Die Beklagte verpflichtete sich daraufhin, das konkrete Foto der Klägerin nicht mehr zu veröffentlichen. Die Forderung nach Abgabe einer weitergehenden Unterlassungsverpflichtungserklärung wies die Beklagte zurück.

Die Klägerin trägt vor, sie habe angesichts der hartnäckigen Missachtung ihres Persönlichkeitsrechts durch die Beklagte Anspruch auf eine umfassende Unterlassungserklärung.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Zwangsmittel zu unterlassen, Fotos / Bilder von Klägerin zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen und / oder sonst verbreiten bzw. verbreiten zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, sämtliche der streitgegenständlichen Fotografien seien bei offiziellen Anlässen entstanden bzw. stellen solche dar, in denen bewusst mit den Kindern für die Kamera posiert worden sei. Es lägen keine Situationen der örtlichen Abgeschiedenheit vor.

Ein per „Allgemeinverfügung“ erlassenes vorbeugendes gerichtliches Bildnisverbot sei vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 13.11.2007 (Az. VI ZR 265/06 und VI ZR 269/06) nicht zu halten. Ob dem Betroffenen ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung kerngleicher Bilder zustehe, könne nicht im Voraus beurteilt werden. Für die Zulässigkeit einer Bildnisveröffentlichung sei in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten am Schutz seiner Privatsphäre erforderlich. Eine solche Interessenabwägung könne nicht in Bezug auf Bildnisse vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt seien und bei denen offen sei, in welchem Kontext sie veröffentlicht würden. Dieses gelte auch in Bezug auf Kinder, da eine Bildnisveröffentlichung nicht grundsätzlich unzulässig sei. Die Pressefreiheit sei nicht gewahrt, wenn die Grenzen des Verbotsausspruchs erst im Vollstreckungsverfahren abgesteckt würden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus einer entsprechenden Anwendung des § 1004 Abs.1 S.2 BGB i.V.m. § 823 Abs.2 BGB, §§ 22 Satz 1 KUG zu.

Die angegriffenen Veröffentlichungen verletzen die Klägerin bei bestehender Wiederholungsgefahr rechtswidrig in ihrem Recht am eigenen Bild.

1. Bei den streitgegenständlichen Veröffentlichungen handelt es sich um Bildnisse der Klägerin im Sinne des § 22 Satz 1 KUG. Gemäß § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden. Dass die auf den streitgegenständlichen Fotos abgebildete Klägerin bzw. deren Eltern eine solche Einwilligung erteilt hätten, trägt auch die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht vor.

Eine Einwilligung war auch nicht gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG entbehrlich. Dies gilt auch für den Fall, dass der Vater der Klägerin als „absolute Person der Zeitgeschichte“ und die Klägerin als dessen „Begleiter“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 1 BvR 758/97 vom 26.04.2001, Absatz-Nr. 24, www.bverfg.de) anzusehen sein sollten. Den Veröffentlichungen standen jedenfalls überwiegende Interessen der Klägerin im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG entgegen. Kinder bedürfen eines besonderen Schutzes, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen (vgl. BVerfGE 24, 119, 144; 57, 361 383). Dieses Schutzbedürfnis besteht auch und gerade hinsichtlich der Gefahren, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer an Abbildungen von Kindern ausgehen. Deren Persönlichkeitsentfaltung kann dadurch empfindlicher gestört werden als diejenige von Erwachsenen. Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, muss deswegen umfassender geschützt sein als derjenige erwachsener Personen (BVerfG, 1 BvR 653/96 vom 15.12.1999, Absatz-Nr. 81, www.bverfg.de). Besonderen Schutz genießen insoweit Augenblicke spezifischer elterlicher Hinwendung (BVerfG, a.a.O., Abs. 83). Die Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, wodurch im Falle der angegriffenen Veröffentlichungen das insoweit bestehende besondere Schutzbedürfnis der Klägerin überwogen worden sein sollte. Insbesondere ist nicht hinreichend dargelegt dass, die Klägerin im Pflichtenkreis ihres Vaters (vgl. BGH, VI ZR 217/03 vom 09.03.2004, www.juris.de) aufgetreten wäre.

2. Diese Veröffentlichungen begründen auch bezüglich weiterer bisher nicht veröffentlichter Bilder eine Begehungsgefahr. Hierzu hat das Hanseatische Oberlandesgericht im Verfahren der einstweiligen Verfügung betreffend die auch hier streitgegenständlichen Bildnisse (Urteil vom 24. Juni 2008, Az. 7 U 39/08, vorangehend 324 O 1051/08) ausgeführt:

a) Wie der Senat bereits in früheren Entscheidungen vergleichbarer Fälle (insbesondere 7 U 46/95 und 7 U 177/95) festgestellt hat, lässt das Verhalten eines Verlegers, der in kurzen Abständen mehrere unberechtigte Fotoveröffentlichungen einer Person vornimmt und anschließend jeweils auf Abmahnungen einer strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung bezüglich des veröffentlichten Fotos abgibt, erwarten, dass auch künftig die Veröffentlichung derartiger Bilder erfolgen wird. Diese Handlungsweise zeigt, dass konkrete Verbote und Unterlassungsverpflichtungen nicht geeignet sind, dem Betroffenen einen konkreten Schutz vor Bildnisveröffentlichungen für die Zukunft zu gewähren. Die weitere Begehungsgefahr manifestiert sich in den bisherigen offensichtlich vorsätzlichen Veröffentlichungshandlungen und rechtfertigt ein weitergehendes generelles Bildverbot.

b) Ein solches generelles Verbot stellt im vorliegenden Fall keine unzulässige Einschränkung der Pressefreiheit dar, wie dies der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13.11.2007 (a.a.O.) im Fall einer erwachsenen Sportlerin angenommen hat.
Die jener Entscheidung zugrunde liegende Sachlage weist nämlich wesentliche Unterschiede zu dem hier zu entscheidenden Sachverhalt auf.
Während Klägerin jenes Rechtsstreits eine Erwachsene war, handelt es sich bei der hiesigen Antragstellerin um ein Kind.
Für den Bildnisschutz von Kindern (§§ 22, 23 KUG) ist deren besondere Schutzbedürftigkeit zu beachten, wie in dem angefochtenen Urteil (dort Ziffer I.1. der Entscheidungsgründe) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ausgeführt wird. Das erkennende Gericht hat bereits in Entscheidungen aus den Jahren 1995 und 1996 (3 U 216/94, Urteil vom 12.1.1995; 7 U 46/95, Urteil vom 31.10.1995, 7 U 177/95, Urteil vom 25.6.1996), die sich sämtlich auf Abbildungen von Kindern bezogen, generelle Verbote mit lediglich klarstellenden Einschränkungen für begründet gehalten. Das Bedürfnis eines Minderjährigen nach einem generalisierenden Verbot zwecks effektiven Rechtsschutzes ist nunmehr erst recht als gewichtig anzusehen, nachdem das Bundesverfassungsgericht insbesondere mit den Entscheidungen vom 31.3.2000 (NJW 2000, 2191ff) die Schutzbedürftigkeit des Kindes hervorgehoben und die so genannten Begleiterrechtsprechung für Fälle der Begleitung einer „absoluten Person der Zeitgeschichte“ für die Kinder prominenter Erwachsener im Hinblick auf § 23 Abs.2 KUG als nicht angemessen bezeichnet hat. Danach ist die Veröffentlichung von Fotos, die Kinder in Begleitung prominenter Eltern abbilden, nur dann zulässig, wenn diese die Eltern bei öffentlichen Auftritten begleiten und damit gleichsam der Öffentlichkeit präsentiert werden. Damit sind die Möglichkeiten einer einwilligungsfreien zulässigen Bildberichterstattung über Kinder prominenter Eltern äußert beschränkt.

Des weiteren unterscheidet sich die vom Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 13.11.2007 entschiedene Fallgestaltung von der hiesigen darin, dass die Betroffene jenes Rechtsstreits als frühere Leistungssportlerin bei sportlichen Veranstaltungen und aus anderen Anlässen häufig in das Licht der Öffentlichkeit geraten war, während im vorliegenden Fall nicht ersichtlich ist, dass die Antragstellerin als minderjährige Tochter von Franz B. etwa durch die Freigabe von sie zeigenden Fotos oder die Teilnahme bei offiziellen Anlässen der Öffentlichkeit präsentiert worden wäre.
Eine derartige bewusste Hinwendung zur Öffentlichkeit ist auch bei den von der Antragstellerin in diesem Verfahren beanstandeten Fotos, die die Antragsgegnerin so genannten öffentlichen Anlässen zuordnet, nicht zu erkennen. Auf dem als Anlage K1 vorgelegten Foto scheinen die Eltern der Antragstellerin zwar freundlich lächelnd für einen Fotografen zu posieren, unbekannt ist jedoch, bei welchem Anlass, zu welchen Zweck und von wem das Bild aufgenommen wurde.

Auch bezüglich der als Anlagen K4 und K7 eingereichten Fotos ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass sich die abgebildete Personen und insbesondere die Antragstellerin der Öffentlichkeit präsentiert hätten.

In Bezug auf die Antragstellerin ist somit festzuhalten, dass unter dem Einfluss der genanten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Einschränkung ihres Bildrechtsschutzes – trotz des hohen Bekanntheitsgrades ihrer Eltern – auf wenige Ausnahmen beschränkt ist, so dass die Veröffentlichung von sie zeigenden Abbildungen nur in seltenen Ausnahmefällen als rechtmäßig hinzunehmen sein wird.
Hier liegt der wesentliche Unterschied zu der vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13.11.2007 entschiedenen Fallgestaltung. Während nämlich im Falle einer erwachsenen Prominenten jeweils nach Gegenstand der Abbildung und Begleittext im einzelnen offen abzuwägen ist, ob persönlichkeitsrechtliche Interessen überwiegen, kann bei der auch bezüglich der Abbildung Minderjähriger vorzunehmenden Abwägung von vornherein davon ausgegangen werden, dass Abbildungen nur im Ausnahmefall, nämlich bei Einwilligung oder öffentlicher Präsentation durch die Eltern, gezeigt werden dürfen.
Diese Beschränkungen der Ausnahmen auf wenige Fallkonstellationen rechtfertigt es, der Antragstellerin als Minderjähriger einen generellen Unterlassungsanspruch zuzusprechen, d es deren Rechtsschutz aushöhlen würde, wenn ihr in Fällen wiederholter hartnäckiger Rechtsverstöße nur die Möglichkeit bliebe, bei weiteren Rechtsverletzungen durch nachfolgende Unterlassungsanträge ihrem Bildnisrecht gleichsam „hinterherzulaufen“.
Dabei unterliegt dieses Gebot der immanenten Beschränkung, dass es jedenfalls nicht für Fälle von Veröffentlichungen gilt, in die die Eltern ihre Einwilligung erteilt haben oder für Bildnisse, die die Antragstellerin bei offiziellen Anlässen gemeinsam mit ihren Eltern zeigt. Ob die Voraussetzungen dieser Beschränkung vorliegen, ist im Vorfeld einer künftigen Veröffentlichung durch die Antragsgegnerin und gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren unschwer festzustellen.
Da sich das ausgesprochene generelle Verbot – wie ausgeführt – auf das im Kindesalter der Antragstellerin begründete Schutzbedürfnis stützt, ist es in zeitlicher Hinsicht auf die Dauer ihrer Minderjährigkeit beschränkt. Der Klarstellung halber ist der Tenor mit einer entsprechenden Maßgabe versehen worden. Eine teilweise Zurückweisung des Antrags ist damit nicht verbunden, da die Klarstellung lediglich eine dem Verbot bereits immanente Beschränkung zum Ausdruck bringt.

Diese Ausführungen, denen sich die Kammer anschließt, gelten uneingeschränkt auch für das vorliegend zu entscheidende Hauptsacheverfahren. Insoweit wird auf die vorstehenden Erwägungen Bezug genommen.

II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 709 S.1, 2 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 3 ZPO.