LAG Niedersachsen, Urteil vom 29.03.2005 - 1 Sa 1429/04
Fundstelle
openJur 2012, 42647
  • Rkr:

1. Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des bereits mehrere Monate an einem Wirbelsäulenleiden erkranken, nicht schwerbehinderten Arbeitnehmers ist ungewiss, wenn dieser auf Anfrage des Arbeitgebers zum einen mitteilt bei nicht leidensgerechter Umgestaltung seines Arbeitsplatzes werde er wieder arbeitsunfähig erkrankten und zum anderen ausführt, er wolle den bisher ausgeübten Beruf als Dreher (Zerspanungstechniker) zukünftig nicht ausüben, da er dazu körperlich nicht mehr in der Lage sei.

2. Vor Inkrafttreten des § 84 Abs. 2 SGB IX zum 1. Mai 2004 gab es für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer nach krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf leidensgerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes (vgl. § 81 Abs. 4 Nr. 4, 5 SGB IX) oder Präventionsmaßnahmen i. S. v. § 84 Abs. 2 SGB IX, die einer personenbedingten Kündigung vorauszugehen hatten.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 20. Juli 2004 – 1 Ca 6/04 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die personenbedingte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15. Dezember 2003 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Januar 2004 sozial gerechtfertigt aufgelöst hat.

Der 1975 geborene Kläger ist bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern seit dem 1. August 1993 zunächst zum Zerspanungstechniker (Dreher) ausgebildet und danach als solcher beschäftigt worden. Seit dem 27. Januar 2003 war der Kläger wegen einer Wirbelsäulenerkrankung über den Ausspruch der Kündigung hinaus arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte erhielt mit Schreiben vom 7. Mai 2003 dazu folgende Mitteilung der Krankenkasse (Bl. 42 d. A.):

"Aus uns vorliegenden ärztlichen Unterlagen geht hervor, dass Herr W... nur noch Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, ohne regelmäßiges schweres Heben und Tragen und Arbeiten in einseitiger Zwangshaltung durchführen kann.

Sofern der jetzige Arbeitsplatz nicht diesen Anforderungen entspricht, bitten wir um Prüfung und Mitteilung, ob ein entsprechender Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden kann.

Darüber hinaus gibt es ggf. weitere Möglichkeiten der beruflichen Rehabilitation, die wir unter Einbeziehung des beruflichen Rehabilitationsträgers (z. B. Rentenversicherung) gern mit ihnen besprechen würden."

Die Beklagte wandte sich unter dem 28. November 2003 an den Kläger und schrieb ihm folgendes (Bl. 44 d. A.):

"Sie sind nunmehr seit dem 27. Januar 2003 arbeitsunfähig krank. In der Hoffnung auf eine baldige Genesung haben wir bis heute Ihren Arbeitsplatz freigehalten. Dieses können wir aus produktionstechnischen Gründen nun nicht mehr weiter aufrechterhalten. Bitte setzen Sie sich mit unserem Betriebsleiter Herrn A..., zumindest telefonisch, in Verbindung um die weitere Vorgehensweise zu erörtern."

Wenige Tage später kam es auf Initiative der Beklagten zu einem Telefonat zwischen dem Kläger und dem Betriebsleiter der Beklagten, den Zeugen A..., dessen Inhalt im Einzelnen streitig ist. Mit Anhörungsbogen vom 9. Dezember 2003 wurde der Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört. Im Anhörungsbogen (Bl. 45 d. A.) heißt es:

"Herr W... ist seit dem 27.01.2003 arbeitsunfähig krank. Nach eigenen Aussagen ist er nicht mehr fähig und gewillt, seinen Beruf als Dreher auszuüben. Ein anderer Arbeitsplatz steht in unserem Unternehmen für ihn nicht zur Verfügung."

Der Betriebsrat entschied in seiner Sitzung vom 11. Dezember 2003, dass er keine Stellungnahme gegenüber dem Arbeitgeber abgeben wolle. Der Betriebsratsvorsitzende teilte noch am selben Tag gegenüber dem Betriebsleiter A... mit, dass kein Einspruch erhoben werde und der Betriebsrat sich abschließend mit der Kündigungsangelegenheit des Klägers befasst habe. Daraufhin wurde die Kündigung vom 15. Dezember 2003 (Bl. 9 d. A.) gefertigt und noch am selben Tag dem Kläger durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt. Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 2004 selbständig tätig und betreibt einen Fahrzeugteilehandel.

Die Parteien führen den Rechtsstreit im Wesentlichen darüber, ob die zur Arbeitsunfähigkeit führende Wirbelsäulenerkrankung des Klägers Folge eines nicht vorschriftsmäßig ausgestatteten Arbeitsplatzes war und ob die Beklagte nicht verpflichtet ist, nach entsprechender Umgestaltung des Arbeitsplatzes die Wiederaufnahme der Arbeit für den Kläger zu ermöglichen. Der Kläger hat in der Sitzung des Arbeitsgerichts vom 20. Juli 2004 die ihn behandelnden Ärzte Dr. G... und Dr. D... von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden.

Das Arbeitsgericht Hildesheim hat mit Urteil vom 20. Juli 2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es u. a. ausgeführt, dass der Kläger selbst dargelegt habe, aufgrund seines Rückenleidens die Tätigkeit der Beklagten aufgrund der vorherrschenden Zwangshaltung und anfallenden Hebetätigkeit auf Dauer nicht mehr ausüben zu können. Sei aber mit der Wiederherstellung der Arbeitsunfähigkeit für die geschuldete Tätigkeit im Zeitpunkt der Kündigung nicht zu rechnen oder sei diese völlig ungewiss, dann sei eine Kündigung ohne Rücksicht auf die zusätzlichen wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe selbst nicht behauptet, dass bei der Beklagten ein anderer freier Arbeitsplatz vorhanden sei, den er unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Soweit der Kläger die Beklagte für verpflichtet halte, ihm einen leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, sei nicht ersichtlich, wo und wie ein solcher Arbeitsplatz einrichtbar sein solle. Der Kläger sei nicht schwerbehindert. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht sei nicht erkennbar, da im Betrieb der Beklagten unstreitig Hebehilfen vorhanden seien. Der Umstand, dass die zu bedienenden Maschinen teilweise älterer Bauart seien, reiche für den Vorwurf eines Verstoßes gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht aus. In der Interessenabwägung sei zwar die lange Beschäftigungsdauer des Klägers zu berücksichtigen, andererseits sei der Kläger noch jung an Jahren und könne noch erfolgreich Umschulungsmaßnahmen durchführen. Da eine Fürsorgepflichtverletzung der Beklagten nicht ersichtlich sei, könne die vom Kläger behauptete betriebliche Veranlassung seiner Erkrankung nicht zu einer positiven Interessenabwägung in seinem Sinne führen. Was die Entscheidungsgründe im Einzelnen und das Vorbringen der Parteien 1. Instanz im Weiteren angeht, wird auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts (Bl. 251 – 257 d. A.) und den Akteninhalt Bezug genommen.

Gegen das ihm am 10. August 2004 zugegangene Urteil des Arbeitsgerichts (Bl. 259) hat der Kläger am 9. September 2004 (Bl. 262 d. A.) Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11. November 2004 (Bl. 282 d. A.) am 11. November 2004 begründet (Bl. 284 d. A.).

Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen 1. Instanz. Er behauptet, die negative Prognose zu seiner Wiedergenesung sei Folge unzureichender Arbeitsbedingungen, insbesondere von Verstößen gegen die Lastenhandhabungsverordnung in Verbindung mit der Hattinger Tabelle. Die Beklagte habe seine Arbeitsunfähigkeit vorhersehbar verursacht. Als Arbeitgeberin sei sie zur Schaffung eines vorschriftsmäßig ausgestatteten Arbeitsplatzes verpflichtet. In einem solchen Fall, sei er nach erfolgter Ausheilung des Bandscheibenvorfalls zur Wiederaufnahme der bisherigen Arbeit in der Lage (Beweis: Sachverständigengutachten). Mit der Wiederherstellung seiner uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit sei bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung seitens der Beklagten zu rechnen gewesen (Beweis: Zeugnis der behandelnden Ärzte Dr. G... und Dr. D..., ärztliches Sachverständigengutachten). In der Interessenabwägung komme es entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts nicht auf ein arbeitgeberseitiges Verschulden an der Betriebsbedingtheit der arbeitsunfähigen Erkrankung an. Es sei schließlich nicht seine Sache, sondern Sache der Beklagten, genaue Vorschläge zur Ausgestaltung seines Arbeitsplatzes zu unterbreiten. Die Beklagte hätte unter Beteiligung des Betriebsarztes unter der Beachtung der Lastenhandhabungsverordnung entsprechende Maßnahmen ergreifen müssen. Obwohl der Kläger beim Betrieb seines Fahrzeugteilehandels nunmehr teilweise schwere körperliche Tätigkeiten verrichten müsse, habe er keine Beschwerden, und sei voll arbeitsfähig, da die entsprechenden Werkzeuge und Hilfen dort vorhanden seien (Beweis: Sachverständigengutachten). Zu dem mit Schriftsatz vom 17. März 2005 gestellten Auflösungsantrag führt der Kläger aus, eine Weiterführung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten sei ihm nicht zumutbar, da diese sich nicht zu ihrer Verpflichtung bekenne, seinen Arbeitsplatz leidensgerecht auszugestalten. Eine Rückkehr auf den nicht umgestalteten Arbeitsplatz sei für ihn gesundheitsgefährdend. Schließlich habe die Beklagte im Termin vor dem Arbeitsgericht erklären lassen, dass das Vertrauensverhältnis zu ihm zerstört sei und keine Basis mehr für eine weitere Zusammenarbeit bestehe.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 15.12.2003 nicht beendet worden ist.

2. das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung, die 11.500,- € nicht unterschreiten sollte, aufzulösen.

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen.

2. den Auflösungsantrag des Klägers zurückzuweisen.

Sie tritt den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts bei und trägt vor, dass der vom Kläger inne gehabte Arbeitsplatz voll den arbeitsmedizinischen und arbeitssicherheitsrechtlichen Vorschriften entspreche (Beweis: Zeugnis des Betriebsleiters A...; Zeugnis der externen Arbeitssicherheitsbeauftragten Frau W...; Fa. B... GmbH). Die körperlichen Einschränkungen des Klägers seien durch das Schreiben der Krankenkasse vom

7. Mai 2003 deutlich geworden. Für die vom Kläger verlangte leidensgerechte Anpassung seines Arbeitsplatzes gebe es keine Anspruchsgrundlage; dies gelte auch für die von ihm verlangten Umsetzungs- und Rotationsmöglichkeiten. Die nun von ihm behauptete grundsätzliche Arbeitsfähigkeit werde bestritten. Der dazu angetretene Beweis unter Entbindung seiner behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht sei verspätet. Es sei darauf hinzuweisen, dass in der Vergangenheit die übrigen Mitarbeiter auf denselben oder gleichen Arbeitsplätzen keine körperlichen Einschränkungen oder Bandscheibenvorfälle erlitten hätten. Der Auflösungsantrag des Klägers sei nicht begründet. Es sei nicht richtig, dass die Beklagte erklärt habe, ihr Vertrauensverhältnis zum Kläger sei zerstört und es gebe keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze vom 11. November und 16. Dezember 2004 sowie vom 17. Februar, 28. Februar und 17. März 2005 verwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat im Termin vom 29. März 2005 den Betriebsleiter der Beklagten, den Zeugen A..., zur Behauptung der Beklagten als Zeugen vernommen, der Kläger habe in der ersten Dezemberwoche 2003 telefonisch gegenüber ihm ausgeführt, er könne nicht mehr als Dreher wegen seines Rückenleidens arbeiten und wolle eine Umschulung über das Arbeitsamt zu einer kaufmännischen Ausbildung beginnen. Eine Tätigkeit als Zerspanungstechniker könne er wegen seiner Wirbelsäulenerkrankung nicht mehr ausführen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 29. März 2005 (Bl. 334 – 337 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend seine Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die Berufung des Klägers und damit zugleich sein Auflösungsantrag waren daher zurückzuweisen.

1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen. Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht dabei einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann. Für die Prognose kommt es auf den Zeitpunkt der Kündigung an (zuletzt BAG vom 29. April 1999  2 AZR 431/98 und vom 12. April 2002 2 AZR 148/01 = EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 46, 49).

b)Die Beklagte konnte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung von einer negativen Zukunftsprognose zur arbeitsplatzbezogenen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers ausgehen. Das Arbeitsgericht hat hierzu den Vortrag des Klägers zutreffend bewertet. Der Kläger bindet eine Rückkehr an seinen früheren Arbeitsplatz und eine dauerhafte Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit daran, dass die Beklagte den aus seiner Sicht "gesundheitsgefährdenden" Arbeitsplatz umrüstet. Damit räumt er zugleich ein, dass nach eigener Einschätzung ein unveränderter Arbeitsplatz erneut zu langfristigen Arbeitsunfähigkeitszeiten führen würde. Sein Vorbringen ist deshalb widersprüchlich, wenn er zum einen davon spricht, er sei grundsätzlich arbeitsfähig und mit der Wiederherstellung seiner uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit sei schon bei Ausspruch der Kündigung zu rechnen gewesen, und hierzu erstmals im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht seine ihm behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet sowie zusätzlich ein ärztliches Sachverständigengutachten anbietet, und andererseits immer wieder verdeutlicht, dass die bisherige Arbeitsplatzausstattung sein Wirbelsäulenleiden nicht nur verursacht habe, sondern auch in Zukunft Arbeitsunfähigkeit auslösen werde und daher die Beklagte verpflichtet sei, seinen Arbeitsplatz leidensgerecht umzugestalten. Damit gesteht er nach § 138 Abs. 3 ZPO zu, dass die negative Prognose der Beklagten zutreffend war. Aus diesem klägerischen Vorbringen ist in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht zu schlussfolgern, dass auch aus der Sicht des Klägers zum Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ungewiss war.

c) Dies deckt sich mit den Anfragen der Krankenkasse an die Beklagte vom 7. Mai 2003, aus denen die körperlichen Einschränkungen des Klägers deutlich hervorgehen. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass sein Wirbelsäulenleiden durch die Zwangshaltung an dem bisher inne gehabten Arbeitsplatz im Betrieb der Beklagten gefördert wurde. Damit ist indessen nicht gesagt, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten in der Vergangenheit ursächlich auf eine unvorschriftsmäßige Ausstattung seines Arbeitsplatzes zurückzuführen sind. Der Kläger stellt nämlich nicht in Abrede, dass es Hebewerkzeuge im Betrieb der Beklagten gab. Er kann auch keine Arbeitskollegen anführen, die auf gleichen oder ähnlichen Arbeitsplätzen infolge der behaupteten "mangelhaften Arbeitsplatzausstattung" arbeitsunfähig krank geworden sind. Auf entsprechendes Befragen im Termin wusste er darauf keine präzise Antwort zu geben. Der Kläger hat ferner nicht substantiiert bestritten, dass der Arbeitsplatz den arbeitsmedizinischen und arbeitssicherheitsrechtlichen Vorschriften entspreche. Die Behauptung unzureichender Arbeitsbedingungen allein reicht dafür nicht aus. Konkrete Anhaltspunkte für ein einzuholendes Sachverständigengutachten benennt er nicht. Letztlich verlangt der Kläger eine Anpassung der Arbeitsplatzbedingungen, die seiner persönlichen körperlichen Konstitution entspricht. Zu einer solchen Optimierung der Arbeitsplatzausstattung wäre die Beklagte aber nur verpflichtet, wenn der Kläger im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung schwerbehindert war (§ 81 Abs. 4 Nr. 4 und 5 SGB IX).

d) Letztlich ist jedoch entscheidend, dass der Kläger sich selbst nicht mehr in der Lage sah, an seinen bisher angestammten Arbeitsplatz zurückzukehren. Dies hat zur Überzeugung der Berufungskammer die Einvernahme des Zeugen A... ergeben, der als Betriebsleiter für die Beklagte tätig ist. Der Zeuge hat glaubhaft bekundet, dass ihm der Kläger Anfang Dezember 2003 auf telefonische Nachfrage erklärt habe, dass er nicht mehr als Zerspanungstechniker (Dreher) arbeiten könne und wolle. Er habe einen Umschulungsantrag beim Arbeitsamt gestellt. Die Aussage des Zeugen A... ist glaubwürdig und widerspruchsfrei. Die Tatsache des Telefonats wird als solche vom Kläger nicht bestritten. Vor dem Hintergrund des Schreibens der Beklagten an den Kläger vom 28. November 2003 liegt die fernmündliche Behandlung der Frage, ob mit einer Rückkehr des Klägers auf den Arbeitsplatz gerechnet werden könne, auf der Hand. Zur Aussage des Zeugen passt auch die Mitteilung im Anhörungsbogen der Beklagten an den Betriebsrat vom 9. Dezember 2003. Bekundet ein Arbeitnehmer vor Ausspruch einer beabsichtigten krankheitsbedingten Kündigung aber in aller Deutlichkeit gegenüber einem Vertreter des Arbeitgebers, dass er seinen bisher ausgeübten Beruf nicht mehr fortführen wolle, da er dazu körperlich nicht in der Lage sei, ist eine negative Prognose zur dauerhaften Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers begründet. Eine ärztliche Begutachtung ist in einer solchen Situation überflüssig. Damit rundet die Aussage des Zeugen A... das Bild einer völlig ungewissen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers ab. Die Berufungskammer verkennt nicht, dass der Zeuge im Lager der Beklagten steht. Seine klare Aussage setzt indessen keine Zweifel an dem bekundeten Geschehensablauf.

1. a) Die Beklagte war bei Ausspruch der Kündigung am 15. Dezember 2003 auch nicht verpflichtet, den Arbeitsplatz leidensgerecht auf die Bedürfnisse des Klägers umzugestalten. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass ein solcher Anspruch Ende 2003 allenfalls von einem schwerbehinderten Arbeitnehmer nach § 81 Abs. 4 Nr. 4 und 5 SGB IX hätte gestellt werden können. Der Kläger ist aber kein schwerbehinderter Arbeitnehmer. Die seit dem 1. Mai 2004 nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23. April 2004 BGBl. I S. 606) geltende Regelung sieht vor, dass der Arbeitgeber mit Zustimmung der betroffenen Person die Schwerbehindertenvertretung auch einzuschalten hat, wenn ein schwerbehinderter Mensch länger als 3 Monate ununterbrochen arbeitsunfähig ist oder das Arbeitsverhältnis oder sonstige Beschäftigungsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen gefährdet ist. Zwar gilt die Neuregelung nicht nur für Schwerbehinderte sondern für alle Arbeitnehmer im Betrieb ("Beschäftigte"). Anstelle der Schwerbehindertenvertretung wäre bei einem nicht schwerbehinderten Arbeitnehmer dann nach § 84 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 93 SGB IX der Betriebsrat am "betrieblichen Eingliederungsmanagement" zu beteiligen. Da die Bestimmung indessen zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gegenüber dem Kläger noch nicht in Kraft war, kommt sie auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zur Anwendung.

b) Ein nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer kann nach bisheriger Rechtslage vom Arbeitgeber eine Umgestaltung der Arbeitsabläufe oder eine Rotationslösung nicht verlangen. Dies wäre ein Eingriff in die Rechte anderer Arbeitnehmer und in die betriebliche Organisationsmacht des Arbeitgebers (vgl. BAG 29. Januar 1997 – 2 AZR 9/96 – EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 42; KR-Etzel, 7. Aufl. § 1 KSchG Rz 376 m.w.N.).

Eine andere Frage ist, ob der Arbeitgeber aus Gründen der Fürsorgepflicht zu geringfügigen Veränderungen des Arbeitsplatzes ohne zusätzlichen Kostenaufwand verpflichtet wäre, wenn dadurch Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit für die Zukunft vermieden werden könnten. Dies kann jedoch dahinstehen, da der Kläger letztlich nicht gewillt war als Dreher weiterzuarbeiten (oben 1. d) und er darüber hinaus eine aufwendige Umgestaltung seines Arbeitsplatzes einforderte.

1. Im Übrigen kann auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen werden. Diese macht sich die Berufungskammer zu eigen. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen freien nicht aufgezeigten Arbeitsplatz fällt demnach aus. Die abschließende Interessenabwägung kann zugunsten der beklagten Arbeitgeberin hier berücksichtigen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung noch keine 30 Jahre alt, unverheiratet und keiner Person zum Unterhalt verpflichtet war. Die einschließlich der Berufsausbildung etwa 10-jährige Betriebszugehörigkeit fällt dagegen nicht ins Gewicht.

2. Über den Auslösungsantrag des Klägers ist nur zu befinden, wenn zuvor festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet worden ist (§ 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, so dass eine Bewertung der vom Kläger vorgetragenen Auflösungsgründe außer Betracht bleibt.

1. Der Kläger hat die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO). Die Berufungskammer folgt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Ein Grund für die Zulassung der Revision für den Kläger ist deshalb nicht ersichtlich. Anderweitige Zulassungsgründe sind nicht erkennbar.

Prof. Dr. Lipke,..... Sinn,.....Kuechler,.....