LG Stade, Beschluss vom 11.03.2005 - 3 T 38/05
Fundstelle
openJur 2012, 42645
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Stade vom 08.02.2005 wirdaufgehoben. Die Vergütung für die vorläufige Verwaltung wird auf33.066,15 € festgesetzt.

2. Die Beschwerdegegnerin trägt die Kosten desBeschwerdeverfahrens.

3. Beschwerdewert: 33.066,15 €

Gründe

I.

Die Schuldnerin betrieb ein Unternehmen, welches die Vermietungund den Handel von Grundstücken zum Gegenstand hatte. DerBeschwerdeführer wurde durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom07.07.2000 zum vorläufigen Insolvenzverwalter in demInsolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerinbestellt. In dem Beschluss wurde angeordnet, dass Verfügungen derSchuldnerin für ihre Wirksamkeit der Zustimmung desBeschwerdeführers bedurften. Der Beschwerdeführer sollte fernergemäß § 22 Absatz 2 InsO das Vermögen der Schuldnerin sichern underhalten und das Unternehmen mit der Schuldnerin bis zu einerEntscheidung über die Eröffnung fortführen. Er wurde zusätzlichbeauftragt, als Sachverständiger das Vorliegen einesInsolvenzgrundes, die Deckung der Verfahrenskosten sowie dieAussichten für die Fortführung des Unternehmens zu prüfen. Im Zugedes Insolvenzeröffnungsverfahrens ermittelte der Beschwerdeführerdie Aktiva des Unternehmens, namentlich diverse Grundstücke,Forderungen aus Warenlieferung sowie Kontenforderungen, bewertetediese und stellte sie den Passiva gegenüber. Ferner beantragte erdie Eintragungen von Sperrvermerken für Grundbesitz. DasInsolvenzeröffnungsverfahren endete am 04.08.2000 mit der Eröffnungdes Insolvenzverfahrens. Der Antragsteller wurde zumInsolvenzverwalter ernannt.

Für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalterberechnete der Antragsteller eine Vergütung (incl. Auslagenersatz)von 33.066,15 €, die sich aus einer Regelvergütung von 25 %auf einen Berechnungswert von 112.021,22 € (Berechnungsmasse:4.213.516,90 €), einer Auslagenpauschale von 500 € sowieder Umsatzsteuer auf beide Positionen zusammensetzte. DerFestsetzungsantrag ging am 21.12.2004 beim Amtsgericht ein. DieSchuldnerin machte demgegenüber geltend, dass der Anspruch zwar derHöhe nach keinen Bedenken begegne, aber verjährt wäre. Mit demangefochtenen Beschluss hat das Insolvenzgericht die Festsetzungder Vergütung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass derAnspruch auf Vergütung für den vorläufigen Insolvenzverwalter derRegelung des § 196 Absatz 1 Nr. 15 BGB a.F. unterfalle und derAnspruch deshalb verjährt sei. Hiergegen richtet sich die sofortigeBeschwerde des Beschwerdeführers, der zur Begründung ausführt, dassdie Regelverjährung des § 195 BGB a.F. maßgeblich gewesen sei, sodass sein Antrag noch rechtzeitig erfolgt wäre.

II.

Die Beschwerde ist nach § 11 Absatz 1 RpflG, § 64 Absatz 3 InsOzulässig und auch begründet.

1. Die Einrede der Verjährung, zu derenGeltendmachung die Schuldnerin berechtigt war (vgl. MünchenerKommentar/Nowak, § 63 InsO, Rn. 10), greift im Ergebnis nichtdurch. Das Amtsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass dieFälligkeit der Vergütung für die Tätigkeit als vorläufigerInsolvenzverwalter spätestens mit der Eröffnung desInsolvenzverfahrens am 04.08.2000 eintrat (vgl. LG Göttingen,Beschluss vom 01.02.2001, Az. 10 T 1/01 = ZinsO 2001, 317;Münchener Kommentar/Nowak, § 11 InsVV, Rn. 3). Allerdings findetentgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung dieRegelung des § 196 Absatz 1 Nr. 15 BGB a.F. auf denInsolvenzverwalter keine Anwendung. Eine solche Anwendung käme dannin Betracht, wenn und soweit der Insolvenzverwalter vorwiegendaufgrund seiner anwaltlichen Sachkunde tätig geworden wäre (vgl. §5 InsVV). Wenn aber der vorläufige Insolvenzverwalter Tätigkeitenausgeübt hat, die seine besondere Sachkunde als Rechtsanwalt nichtzwingend erforderten, ist eine Gleichstellung mit eineranwaltlichen Tätigkeit i.S.v. § 196 Absatz 1 Nr. 15 BGB nichtvorzunehmen (vgl. Münchener Kommentar/Nowak, § 63 InsO, Rn. 9;Palandt/Heinrichs, § 196 BGB a.F., Rn. 28). Genau dies trifft aufden vorliegenden Fall indes zu. Der Beschwerdeführer war mit derSicherung sowie der Sichtung und Bewertung vonVermögensgegenständen betraut. Dass er seine Kenntnisse alsRechtsanwalt bereits im Vorfeld der Eröffnung des Verfahrens,namentlich zur prozessualen Durchsetzung von Ansprüchen, benötigthätte, ist nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass ihmrechtliche Kenntnisse die Durchführung seiner Tätigkeitmöglicherweise erleichtert haben sollten, genügt insoweitnicht.

Der Beschwerdeführer war auch nicht im Sinne von § 196 Absatz 1Nr. 15 BGB öffentlich bestellt. Dies würde einenöffentlich-rechtlichen Zulassungsakt für ein Tätigwerden in einernoch unbestimmten Vielzahl von Fällen erfordern (vgl. § 36 GewO;siehe auch die Nachweise bei Zöller/Greger, § 404 ZPO, Rn. 2). Einsolcher allgemeiner Zulassungsakt ist für die Person desInsolvenzverwalters aber gerade nicht vorgesehen, sondern dieserwird in einem konkreten Fall vom Gericht bestellt undbeauftragt (vgl. § 56 Absatz 1 InsO; siehe auch LG Meiningen,Beschluss vom 10.09.1997, Az. 4 T 303-97 = VIZ 1998, 341 = ZIP1997,1848 für den vergleichbaren Fall des Sequesters in einemGesamtvollstreckungsverfahren). Auf die Anwaltszulassung darf indiesem Zusammenhang nicht abgestellt werden, da diese, wie bereitsausgeführt, für die Person des Insolvenzverwalters nicht zwingendist.

Anwendbar war schließlich auch nicht die Verjährungsregelung des§ 196 Absatz 1 Nr. 17 BGB. Der Insolvenzverwalter war zwar auch alsSachverständiger bestellt. Diese Aufgabe oblag ihm aberneben der Sicherung des Vermögens und der Fortführung desUnternehmens. Insoweit mag zwar die nach § 11 Absatz 2 InsVVgesondert geschuldete Vergütung nach den (für diesen Fall gemäß §24 JVEG noch maßgeblichen) Vorschriften des ZSEG verjährt sein,nicht jedoch die nach § 11 Absatz 1 InsVV geschuldete Vergütung fürseine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter.

Die gegenteilige Auffassung (vgl. Jaeger, § 84 KO, Rn. 5),wonach eine Verjährungsfrist von 2 Jahren gelten soll, lässt sichauch nicht durch eine analoge Anwendung des § 196 Absatz 1 Nr. 15oder 17 BGB a.F. rechtfertigen. Der Beschwerdeführer hat zu Rechtdarauf hingewiesen, dass der ursprüngliche Zweck der Regelung,wonach bei Leistungen aus den Geschäften des täglichen Lebens inder Regel schon nach kurzer Zeit Beweisschwierigkeiten auftreten,denen durch eine kurze Verjährung Rechnung getragen werden muss(vgl. Palandt/Heinrichs, § 196 BGB a.F., Rn. 1 mit Hinweis auf Mot.I 297), für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nichtpassend ist, weil sich die für die Berechnung maßgeblichenGrundlagen in den Gerichtsakten befinden (vgl. auch LG Meiningen,Beschluss vom 10.09.1997, Az. 4 T 303-97 = VIZ 1998, 341 = ZIP1997,1848). Auch dann, wenn man berücksichtigt, dass derAnwendungsbereich des § 196 BGB gegenüber dem bei seiner Entstehunggenannten Zweck hinaus auf wirtschaftlich bedeutsamere Geschäfte,z.B. Immobiliengeschäfte, erweitert ist (vgl. Palandt/Heinrichs, §196 BGB a.F., Rn. 1), lässt sich ein Bedarf für eine analogeAnwendung nicht erkennen, weil, wie dargelegt,Beweisschwierigkeiten wegen der Aktenkundigkeit der Vorgänge in derRegel nicht auftreten. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dassnach Art. 229 § 6 Absatz 4 Satz 1 EGBGB die nunmehr maßgeblicheRegelverjährungsfrist des § 195 BGB n.F. lediglich 3 statt 30 Jahrebeträgt, so dass auch aus diesem Grund keine erheblichen, eineAnalogie gebietenden Beweisschwierigkeiten zu befürchten sind.

Durch seinen Festsetzungsantrag vom 21.12.2004 hat derBeschwerdeführer seinen Vergütungsanspruch auch vor Ablauf der nachArt. 229 § 6 Absatz 4 Satz 1 EGBGB i.V.m. § 195 BGB n.F.maßgeblichen Regelverjährungsfrist und im Ergebnis rechtzeitig beiGericht geltend gemacht. Eine ausdrückliche Regelung für dieUnterbrechung bzw. Hemmung der Verjährung durch einen Antrag aufVergütungsfestsetzung durch den vorläufigen Insolvenzverwalterfindet sich zwar weder im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 204 Absatz 1Nr. 10 BGB n.F. ist nicht einschlägig, da hiermit lediglichForderungen i.S.v. § 174 ff InsO gemeint sind, nicht aberMasseverbindlichkeiten i.S.v. § 54 Absatz 1 Nr. 1 InsO, vgl.Ermann/Hefermehl, § 209 BGB, Rn. 12), noch in der Insolvenzordnungoder der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung. Insofernbesteht jedoch eine ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke. DieseAnnahme rechtfertigt sich zum einen daraus, dass denkostenrechtlichen Regelungen der § 2 Absatz 3 Satz 3 JVEG (= § 15Absatz 5 Satz 2 ZSEG a.F.) und § 11 Absatz 7 RVG (= § 19 Absatz 7BRAGO a.F.) der Rechtsgedanke einer verjährungshemmenden Wirkungdes Antrags auf gerichtliche Kostenfestsetzung zu entnehmen ist.Soweit der Insolvenzverwalter als Gutachter i.S.v. § 22 Absatz 1Nr. 3 InsO tätig wird, wäre die Hemmungsregelung für dieEntschädigung als Sachverständiger gemäß § 11 Absatz 2 InsVV auchdirekt zur Anwendung gekommen. Es ist kein sachlicher Grund dafürerkennbar, ihn für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalterschlechter zu stellen.

Die Annahme einer Regelungslücke wird ferner durch den Zweck des§ 64 InsO gerechtfertigt, demzufolge der Insolvenzverwalter seineVergütung und Auslagen nicht im Klagewege, sondern im gerichtlichenFestsetzungsverfahren geltend machen soll (vgl. Nerlich/Römermann,§ 63 InsO, Rn. 5; Münchener Kommentar/Nowak, § 64 InsO, Rn. 1).Wenn ihm aber (nur) diese Möglichkeit zur Verfügung gestellt wird,muss einem Antrag bei Gericht konsequenterweise auchverjährungshemmende Wirkung zukommen. Insofern kann § 204 Absatz 1Nr. 1 BGB n.F. (= § 209 Absatz 1 BGB a.F.) entsprechendherangezogen werden. Der (entsprechenden) Anwendung steht nichtentgegen, dass § 204 BGB auch in seiner Neufassung alsAusnahmeregelung aufzufassen sein dürfte und eine entsprechendeAnwendung deshalb nur zurückhaltend erfolgen sollte. Auch beidieser nunmehr als verjährungshemmend - stattverjährungsunterbrechend - ausgestalteten Regelung wird nach wievor ein aktives, auf Durchsetzung des eigenen Rechts gerichtetesVorgehen des Gläubigers kennzeichnend sein. Unter Anwendung derMaßstäbe zu § 209 BGB a.F. werden hierfür prozessuale oderprozeßähnliche Rechtsverfolgungsakte, die einen unmittelbar aufZusprechung oder Vollstreckung gerichteten Willen des Gläubigerseindeutig erkennen lassen, verlangt werden müssen (vgl. BGH, NJW-RR2002, 937 m.w.N. zu § 209 BGB a.F.). Der Antrag auf Festsetzung derVergütung nach § 64 InsO stellt indes zweifelsfrei eine solchesVorgehen dar, da der (vorläufige) Insolvenzverwalter, wie bereitsausgeführt, nicht auf anderem Wege zu seiner Vergütung gelangenkann und ihn die Festsetzung unmittelbar zur Entnahme der Vergütungaus der Masse berechtigt (vgl. Nerlich/Römermann, § 8 InsVV, Rn.13).

2. Die Höhe der geltend gemachten Vergütungnach § 11 Absatz 1 InsVV war ebenfalls nicht zu beanstanden.Maßgebliche Berechnungsgrundlage ist das gesicherte und verwalteteVermögen zum Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit des vorläufigenInsolvenzverwalters (BGH, Beschluss vom 08.07.2004, Az. IX ZB589/02 = ZinsO 2004, 909; Münchener Kommentar/Nowak, § 11 InsVV,Rn. 6). Die Vermögenswerte von umgerechnet 4.213560,90 €ergeben sich nachvollziehbar aus dem Bericht desInsolvenzverwalters vom 23.10.2000 (Bl. 140 ff Bd. I d.A.) und derdiesem Bericht beigefügten Vermögensübersicht gemäß § 153 InsO (Bl.178 Bd. I d.A.). Auf den – gemäß § 2 InsVV zutreffendermittelten –Berechnungswert von 112.021,22 € wurde innicht zu beanstandender Weise ein Bruchteil von 25 % als Regelsatzfür die Vergütung zugrundegelegt (vgl. BGH, Beschluss vom08.07.2004, Az. IX ZB 589/02 = ZinsO 2004, 909 m.w.N. zu der - hiermaßgeblichen alten Fassung des § 11 Absatz 1 InsVV; siehe auch § 11InsVV n.F.). Insoweit waren auch keine weiteren Abschlägevorzunehmen. Der Beschwerdeführer war zwar nicht als sogenannter„starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter i.S.v. § 22Absatz 1 InsO und nur über einen relativ kurzen Zeitraum von knapp1 Monat tätig. Das Insolvenzgericht hatte ihn jedoch mit nichtunerheblichen Befugnissen ausgestattet. So bestand bei Verfügungender Schuldnerin ein Zustimmungsvorbehalt und er sollte dasUnternehmen gemeinsam mit der Schuldnerin fortführen. Ferner hatteer die vorhandenen, nicht unerheblichen Vermögenswerte zu sichern,zu denen auch eine Mehrzahl von Immobilien gehörte. DieserTätigkeitsumfang rechtfertigt es, die Vergütung ohne weiterenAbschlag mit 25 % des Berechnungswertes anzusetzen (vgl. auch LGBochum, Beschluss vom 28.12.2001, Az. 7a T 267/01 = ZinsO 2002, 370für den Fall einer kurzen Verfahrensdauer).

Auch der Antrag auf Festsetzung der Auslagen und derUmsatzsteuer (§ 10 i.V.m. §§ 8 Absatz 3 und 7 InsVV) begegnet demGrunde und der Höhe nach keinen Bedenken.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Beschwerdewertfolgt aus § 3 ZPO.