OLG Celle, Beschluss vom 22.03.2005 - 12 WF 80/05
Fundstelle
openJur 2012, 42642
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hameln vom 23. Februar 2005 geändert und die öffentliche Zustellung der Scheidungsantragsschrift vom 16. September 2004 bewilligt.

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt die öffentliche Zustellung der Antragsschrift vom 16. September 2004. Er beantragt, die Ehe der Parteien zu scheiden. Die Ehefrau wird seit dem 10. August 2000 vermisst. Die Staatsanwaltschaft hat unter dem 13. Juni 2002 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Tötung der Ehefrau eingestellt. In der Einstellungsverfügung ist ausgeführt, dass nicht aufgeklärt werden konnte, ob die Antragsgegnerin noch lebt oder - was leider wahrscheinlich sei - ob sie Opfer eines Tötungsdeliktes geworden sei.

Das Familiengericht hat den Antrag auf Bewilligung der öffentlichen Zustellung zurückgewiesen. Da der Antragsteller selbst vortrage, dass seine Ehefrau verstorben sei, könne eine öffentliche Zustellung nicht erfolgen.

Mit seiner fristgerechten eingelegten sofortigen Beschwerde erstrebt der Antragsteller die Bewilligung der öffentlichen Zustellung. Er weist darauf hin, dass er nicht weiß, ob die Antragsgegnerin lebe oder nicht.

Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II. Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung der Antragsschrift gem. § 186 ZPO liegen vor. Der Aufenthaltsort der Antragsgegnerin ist unbekannt. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Tatbestandsmerkmal „unbekannt“ nur bei Beachtung strenger Voraussetzungen als erfüllt anzusehen ist, liegen hier diese Voraussetzungen vor. Es hat umfangreiche ergebnislose polizeiliche Ermittlungen zum Aufenthalt der Ehefrau gegeben. Es ist nicht zu erkennen, dass weitere private Ermittlungen des Antragstellers möglich und erfolgversprechend sein könnten.

6Die öffentliche Zustellung hat nur dann zu unterbleiben, wenn der Tod der Zustellungsadressaten feststeht (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl. § 185 Rn 2; Stein-Jonas/Herbert Roth, ZPO, 22. Aufl., § 185 Rn 13). Dabei kann jedoch von dem Antragsteller kein Nachweis verlangt werden, dass der Adressat noch lebt (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 185 Rn 7). Der Tod der Antragsgegnerin steht nicht fest. Ihr Tod ist nicht im Familienbuch eingetragen. In der vom Antragsgegner vorgelegten amtlichen beglaubigten Ablichtung aus dem Familienbuch vom 22. September 2004 ist eine entsprechende Eintragung nicht enthalten.

Die Ehefrau des Antragstellers gilt als verschollen im Sinne von § 1 Abs. 1 VerschG. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VerschG liegen nicht vor. Danach ist nicht verschollen, wessen Tod nach den Umständen nicht zweifelhaft ist. Wann zweifelsfrei aus den Umständen zu entnehmen ist, dass jemand, dessen Tod nicht unmittelbar von Augenzeugen festgestellt ist, verstorben sein muss, bestimmt sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung (Staudinger/Norbert Habermann, Bearb. 2004, § 1 VerschG Rn 11). Nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände dürfen für einen vernünftig Denkenden keine Zweifel an dem Tode bestehen (OLG Stuttgart, Rpfleger 1965, 372). Solche Feststellungen haben hier insbesondere die Ermittlungsbehörden nicht getroffen. Soweit der Antragsteller seine persönliche Überzeugung, dass seine Ehefrau nicht mehr lebe, geäußert hat, reicht diese persönliche Überzeugung nicht aus, um zweifelsfrei den Tod der Frau festzustellen. Wenn aber die Ehefrau des Antragstellers als verschollen gilt und nicht für tot erklärt worden ist, kommt die Lebendvermutung des § 10 VerschG zur Anwendung.

Soweit das Familiengericht Zweifel geäußert hat, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe vorliegen, ist diese Frage im Hauptverfahren durch Anhörung des Antragstellers aufzuklären, § 616 Abs. 1 ZPO.