Niedersächsisches FG, Urteil vom 08.12.2004 - 3 K 59/02
Fundstelle
openJur 2012, 42348
  • Rkr:

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt - BFH-Az. III B 48/05

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger für seinen Sohn S, geboren am x.x.1979, für das Streitjahr 2000 ein Kinderfreibetrag, ein Ausbildungsfreibetrag, ein Haushaltsfreibetrag sowie das Baukindergeld i.S.v. § 34 f EStG zusteht und ob er Aufwendungen für Unterhaltszahlungen i.H.v. 3.600 DM an seinen Sohn steuermindernd geltend machen kann.

Der Kläger ist bei der Stadt X beschäftigt und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sein Sohn S hat vom 01.03.1999 bis einschließlich 31.12.1999 den 10-monatigen Grundwehrdienst abgeleistet (hierzu Urteil vom 16. Januar 2003 III K 347/01, bestätigt durch BFH-Beschluss vom 22. Juni 2004 VIII B 43/03). In der Zeit vom 01.01.2000 bis 31.07.2000 leistete er freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Seit dem 01.08.2000 steht der Sohn S in einem Dienstverhältnis bei der Bundeswehr als Soldat auf Zeit.

Während der Zeit der Verlängerung des freiwilligen Wehrdienstes (01.01. bis 31.07.2000) erhielt der Sohn nach eigenen Angaben einen monatlichen steuerfreien Wehrsold i.H.v. 1.900 DM. Während der Ausbildung zum Berufsoffizier ab 01.08.2000 erzielte der Sohn in der Zeit vom 01.08. bis 31.12.2000 nach der in Kopie vorgelegten Lohnsteuerkarte einen Arbeitslohn von 14.398,90 DM.

Der Kläger beantragte mit der Einkommensteuererklärung die Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages (§ 32 Abs. 4 EStG), eines Ausbildungsfreibetrages (§ 33 a Abs. 2 EStG), eines Haushaltsfreibetrages (§ 32 Abs. 7 EStG), die Gewährung von Baukindergeld (§ 34 f EStG) sowie Abzug von Unterhaltsleistungen an den Sohn (§ 33 a Abs. 1 EStG). Das Finanzamts gewährte die beantragten Freibeträge nicht.

Dem Kläger stehe für den Sohn S für das Streitjahr 2000 kein Kinderfreibetrag zu, so dass weder die anderen Freibeträge zu gewähren seien, noch das beantragte Baukindergeld. Auch Unterhaltsleistungen an den Sohn seien nicht zu berücksichtigen, da der Sohn über genügend eigene Einkünfte verfüge.

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage.

Der Kläger ist der Rechtsansicht, dass ihm die beantragten Freibeträge nebst Baukindergeld für seinen Sohn im Streitjahr 2000 zustehen. Der Sohn des Klägers befinde sich seit dem 01.08.2000 in einer Berufsausbildung bei der Bundeswehr. Ein Offiziersanwärter befinde sich in Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG. Dies gelte auch für die Zeit vom 01.01.2000 bis 01.08.2000, in der sich der Sohn während eines freiwilligen Wehrdienstes auf die Ausbildung als Unteroffizier vorbereitet habe. Auch dieser Zeitraum sei als Berufsausbildung anzusehen.

Dabei werde insbesondere auch die Einkommensgrenze bei dem Sohn nicht überschritten. Zu berücksichtigen seien insbesondere die hohen Werbungskosten des Sohnes.

Diese hat der Sohn zunächst mit Schreiben vom 20. März 2001 gegenüber dem Finanzamt dargelegt. Danach machte er für die Zeit vom 01.01.2000 bis 31.12.2000 Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für 170 Tage, insgesamt 11.662 DM geltend. Für die Zeit der Ausbildung zum Berufsoffizier machte er daneben gesondert Fahrtkosten für die Zeit vom 04.10.2000 bis 15.12.2000 zwischen A und B i.H.v. 1.586,20 DM geltend. Die Gesamtaufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bezeichnete er mit 13.248,20 DM. Er führte weiter an, steuerfreie Erstattungen vom Bund i.H.v. 270 DM erhalten zu haben.

In der mündlichen Verhandlung legte der Prozessbevollmächtigte für den Kläger noch eine Anlagensammlung vor. Aus dieser Anlage folgt hinsichtlich der Fahrtkosten, dass diese zunächst weiter geltend gemacht werden wie bisher die Fahrtkosten von 11.662 DM für die Zeit vom 01.01.2000 bis 31.12.2000, ferner bezogen auf die Zeit vom 04.10.2000 bis 15.12.2000 DM 1.586,20. Daneben macht der Sohn weiter Verpflegungsmehraufwendungen geltend i.H.v. 1.978 DM sowie 220 DM für die Zeit der Berufsausbildung bei der Bundeswehr (insgesamt für die Zeit vom 04.10. bis 15.12.2000  3.785 DM).

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2000 für den Sohn S einen Kinderfreibetrag, einen Ausbildungsfreibetrag, einen Haushaltsfreibetrag sowie Baukindergeld zu gewähren, ferner den Abzug von Unterhaltsleistungen i.H.v. 3.600 DM an seinen Sohn S zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt Klagabweisung.

Dem Kläger sei zwar darin zuzustimmen, dass sich der Sohn ab August 2000 in einer Berufsausbildung zum Offizier befunden habe, gleichwohl lägen die Voraussetzungen für die Gewährung der Freibeträge nicht vor. Da dem Kläger ein Kinderfreibetrag nicht zustehe, seien auch die anderen Freibeträge sowie das Baukindergeld nicht zu gewähren. Daran scheitere auch der Abzug von Unterhaltsleistungen. Der Sohn des Klägers verfüge über genügend eigene Einkünfte.

In der mündlichen Verhandlung überreichte der Vertreter des Finanzamtes den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für den Sohn für das Jahr 2000. Danach beträgt unter Berücksichtigung von Werbungskosten der Gesamtbetrag der Einkünfte 9.621 DM.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

1. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG können über 18 Jahre alte Kinder (wie im Streitfall) nur noch dann berücksichtigt werden, wenn besondere Voraussetzungen erfüllt sind, wenn sie z.B. arbeitslos sind oder für einen Beruf ausgebildet werden oder ein freiwilliges soziales Jahr i.S.d. Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres leisten. Weder die Ableistung eines gesetzlichen Grundwehrdienstes noch die Ableistung eines freiwilligen Wehrdienstes bis zur Dauer von 3 Jahren allerdings ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut begünstigt (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2001 VI B 176/00, BStBl II 2001, 675; BFH-Beschluss vom 22. Juni 2004 VIII B 43/03 n.v.). Der BFH hat aber entschieden, dass für Kinder, die den Grundwehrdienst leisten, nach den §§ 32, 62 und 63 des Einkommensteuergesetzes weder Kindergeld noch ein Kinderfreibetrag zusteht und diese Beurteilung auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Die bis 1995 geltende gesetzliche Regelung, wonach über 16 Jahre alte Kinder berücksichtigt werden konnten, wenn sie den gesetzlichen Grundwehrdienst leisteten, sofern durch die Aufnahme des Dienstes eine Berufsausbildung unterbrochen worden war, wurde durch das Jahressteuergesetz 1996 beseitigt. Statt dessen ist nunmehr der Verlängerungstatbestand des § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, 2 EStG eingefügt worden. Eltern von Kindern, die ihren gesetzlichen Grundwehrdienst ableisten, oder die sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als 3 Jahren verpflichten (§ 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG) erhalten danach nur noch ausnahmsweise einen Kinderfreibetrag bzw. das Kindergeld, wenn das Kind das27-igsteLebensjahr erreicht hat und arbeitslos ist oder sich noch in Berufsausbildung oder in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet. Der Gesetzgeber geht dabei typisierend davon aus, dass Eltern von Kindern, die den gesetzlichen Grundwehrdienst oder den freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst ableisten, wirtschaftlich nicht belastet sind und deshalb keinen Anspruch auf einen Kinderfreibetrag haben. Wehrpflichtige Soldaten nämlich haben Anspruch auf Geld und Sachbezüge sowie auf Heilfürsorge nach Maßgabe besonderer Gesetze. Der Bund hat nach § 31 Satz 2 des Soldatengesetzes für das Wohl des Soldaten, der Wehrdienst leistet, zu sorgen. Soldaten haben daher Anspruch auf Wehrsold, auf Heilfürsorge, auf besondere Zuwendungen, auf Unterbringung und Verpflegung, die als Gemeinschaftsverpflegung unentgeltlich bereitgestellt wird. Zudem erhält der Sohn einen Freifahrtschein der deutschen Bundesbahn für seine Fahrten zwischen der Kaserne und seinem Heimatort nach § 2 ff. des Wehrsoldgesetzes. Wenn der Gesetzgeber allerdings angesichts der umfassenden Versorgung der Wehrdienst leistenden Soldaten typisierend davon ausgeht, dass Eltern während des Wehrdienstes wirtschaftlich nicht derart belastet sind, dass ein Kinderfreibetrag bzw. Kindergeld zu gewähren ist, so ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der freiwillige Wehrdienst ist deshalb keine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2001 VI B 176/00, a.a.O.).

In Berufsausbildung allerdings befindet sich derjenige, der als Soldat auf Zeit eine Ausbildung als Offiziersanwärter macht (BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BStBl II 2002, 523). In dieser Entscheidung hatte der Bundesfinanzhof zudem ausdrücklich bestätigt, dass es den eingangs dargelegten Grundsätzen nicht widerstreitet, dass nach den Regelungen des § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG Kinder, die den gesetzlichen Grundwehrdienst leisten, oder die sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als 3 Jahren zum Wehrdienst verpflichtet haben, über das21-igsteoder27-igsteLebensjahr hinaus berücksichtigt werden. Der BFH hat daher ausdrücklich daran festgehalten, dass für die Zeit des gesetzlichen Wehrdienstes oder des freiwilligen Dienstes, sofern dieser einen Zeitraum von 3 Jahren nicht übersteigt, eine Berufsausbildung i.S.d. § 32 EStG nicht vorliegt.

2. Nach diesen Grundsätzen hat sich der Sohn S, solange er freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst bis einschließlich Juli 2000 geleistet hat, nicht in einer Berufsausbildung befunden.

Er hat diese Berufsausbildung vielmehr erst zum 01.08.2000 begonnen; seit dieser Zeit nämlich befindet er sich als Offiziersanwärter (Soldat auf Zeit) in einer Berufsausbildung zum Offizier.

Damit liegen grundsätzlich die Voraussetzungen einer Berufsausbildung erst ab August 2000 vor. Bei den Monaten Januar bis einschließlich Juli 2000 handelt es sich um sogenannte Kürzungsmonate i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG. Einkünfte und Bezüge des Kindes sind deshalb nur insoweit anzusetzen, als sie auf die Zeit der Berufsausbildung ab August 2000 entfallen. Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG ermäßigt sich dabei der Grenzbetrag (im Streitjahr 13.500 DM) um 7/12. Nach § 32 Abs. 4 Satz 8 EStG bleiben Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf die Kürzungsmonate entfallen, außer Ansatz.

Danach ergibt sich im Streitjahr folgende Berechnung. Die Einkünfte und Bezüge des Sohnes für die Zeit von Januar bis einschließlich Juli von monatlich 1.900 DM sind bei der Berechnung der Bemessungsgrenze außer acht zu lassen. In der Zeit von August bis Dezember 2000 hat der Sohn S nach der vorgelegten Kopie der Lohnsteuerkarte sowie nach dem damit übereinstimmenden Einkommensteuerbescheid 2000 Einkünfte i.H.v. 14.398 DM bezogen. Unter Berücksichtigung der Kürzungsmonate von Januar bis Juli 2000 beträgt der anteilige Grenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz EStG 5/12 von 13.500 DM, mithin für die Zeit von August bis Dezember 2000 DM 5.625.

Bei dem Sohn sind dabei für die Zeit von August bis Dezember 2000 folgende Werbungskosten zu berücksichtigen:

Der Sohn hat nach der vorliegenden Erklärung für die Zeit vom 01.01. bis 03.10., 16.12. bis 31.12. für insgesamt 291 Tage Fahrtkosten von 11.662 DM geltend gemacht. Unter Berücksichtigung, dass er vom 01.08. bis 03.10. sowie vom 16.12. bis 31.12. sich an 79 Tagen sich in Berufsausbildung befunden hat, sind von den geltend gemachten Werbungskosten für die Zeit der Berufsausbildung 79/291, mithin 3.165,97 DM zu berücksichtigen. Des Weiteren hat er ausdrücklich für die Zeit der Berufsausbildung geltend gemacht weitere Fahrtkosten von 1.586,20 DM. Zu berücksichtigen ist weiterhin eine Kontoführungspauschale von 30 DM. Die Gesamtwerbungskosten nach der zunächst anlässlich der Einkommensteuererklärung des Klägers für das Jahr 2000 eingereichten Aufstellung beträgt 4.782,17 DM. Unter Berücksichtigung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 14.398 DM verblieb demnach ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 9.615,83 DM. Nach dem vorliegenden Steuerbescheid hat das Finanzamt den Gesamtbetrag der Einkünfte mit 9.621 DM ermittelt und ist somit fast deckungsgleich mit der vom Gericht vorgenommenen Berechnung.

Aus den nunmehr im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Anlagen ergibt sich, dass der Sohn daneben weitere Verpflegungsmehraufwendungen von insgesamt 2.198 DM geltend macht. Selbst unter Berücksichtigung dieser weiteren Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. 2.198 DM allerdings verbleibt ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 7.418 DM. Dieser Betrag von 7.418 DM übersteigt damit den Grenzbetrag für die Monate August bis Dezember 2000 i.H.v. 5.625 DM.

Da der Sohn mithin im Streitjahr während der Ausbildungszeit über hinreichende eigene Einkünfte und Bezüge verfügt, ist er gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu berücksichtigen.

Ein Kinderfreibetrag ist danach nicht zu gewähren. Da ein Kinderfreibetrag nicht zu gewähren ist, steht dem Kläger auch weder ein Ausbildungsfreibetrag noch ein Haushaltsfreibetrag für das Streitjahr zu.

Dieses gilt auch für das geltend gemachte Baukindergeld gemäß § 34 f EStG. Nach § 34 f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG ist Voraussetzung für die Gewährung von Baukindergeld, dass es sich um ein Kind i.S.d. § 2 Abs. 1 bis 5 oder Satz 6 EStG handelt.

Im Streitfall allerdings ist hier der Sohn S nicht als Kind i.S.d. § 32 EStG zu berücksichtigen. Damit lagen im Streitjahr auch nicht die Voraussetzungen für die Gewährung des Baukindergeldes gemäß § 34 f EStG i.H.v. DM 1.000 vor.

Die Klage ist auch insoweit unbegründet, als der Kläger Unterhaltsleistungen von monatlich 300 DM an den Sohn S geltend macht. Der Kläger hat in der Zeit von Januar bis Juli 2000 über monatliche Steuerfreibeträge von 1.900 DM verfügt, in der Zeit von August bis Dezember betrug der Gesamtbetrag der Einkünfte, wie dargelegt, zumindest DM 7.418. Damit hat der Sohn S so hohe Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhaltes bestimmt sind, dass die Voraussetzungen des § 33 a Abs. 1 EStG nicht erfüllt sind.