OLG Hamburg, Beschluss vom 09.10.2009 - 2 VAs 1/09
Fundstelle
openJur 2009, 1204
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 OBL 6/09
Tenor

1. Auf den Antrag des Antragstellers wird der Bescheid der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 30. Januar 2009 aufgehoben, soweit darin abgelehnt worden ist, im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister („MESTA“) die zu dem gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahren 7204 Js 31/07 unter „Delikt“ vermerkte Eintragung „176 4 1 StGB“ zu löschen. Die Staatsanwaltschaft wird verpflichtet, die Löschung vorzunehmen.

2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

3. Die Gerichtsgebühr wird nach einem Geschäftswert von Euro 1.500,-- erhoben. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers sind nach einem Geschäftswert von Euro 3.000,-- zur Hälfte aus der Staatskasse zu erstatten.

Gründe

I.

1. Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat mit Bescheid vom 9. Juli 2007 das gegen den Antragsteller als Beschuldigten geführte Ermittlungsverfahren 7204 Js 31/07 mangels Beweises nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Dem Antragsteller war zur Last gelegt worden, sexuelle Handlungen vor einem Kind vorgenommen zu haben, indem er seiner Tochter E. H., geboren , pornographische Ausdrucke aus dem Internet zugänglich machte, die die Kindesmutter J. K., Inhaberin einer „Escort-Agentur“, unter http://... ins Netz gestellt hatte und die sie beim Geschlechts- und Oralverkehr zeigten (§ 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB). Der Tatverdacht war in den Ermittlungen nicht erhärtet worden; insbesondere war die Kindesmutter J. K. von ihrer gegen den Antragsteller aufgebrachten Verdächtigung später wieder abgerückt.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat in ihrem Verfahrensregister („MESTA“) aus Anlass des gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahrens folgende Daten über diesen gespeichert:

Aktenzeichen:

7204 Js 31/07

Eing. Datum:

08.03.2007

Delikt:

176 4 1 StGB

Tatzeit:

01.02.2007

Erledigung/Entscheidung:

Einst. - § 170 II StPO

Erled. Datum:

09.07.2007

Als Aufbewahrungsfrist wurde in den Akten „zehn Jahre“ notiert.

Den Antrag des Antragstellers, die gespeicherten Daten gemäß § 489 Abs. 2 StPO zu löschen und die Aufbewahrungsfrist von zehn auf fünf Jahre zu verkürzen, lehnte die Staatsanwaltschaft mit Bescheiden vom 25. Februar 2008 und 28. Februar 2008 ab.

In dem Bescheid der Staatsanwaltschaft Hamburg – Leitender Oberstaatsanwalt – vom 25. Februar 2008 wurde ausgeführt: Die Staatsanwaltschaft sei gemäß § 485 StPO berechtigt, personenbezogene Daten zum Zwecke der Vorgangsverwaltung zu speichern. Nach § 489 Abs. 2 Nr. 3 StPO seien personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich sei. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Die Staatsanwaltschaft sei auf Grund der auf den Verjährungsfristen basierenden Aufbewahrungsbestimmungen für Akten (Allgemeine Verfügung der Justizbehörde Nr. 16/2004 vom 1. September 2004, HmbJVBl. 2004, S. 59) verpflichtet, auch im Falle der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens die entsprechenden Akten mindestens fünf Jahre aufzubewahren, da die Akten bis zum Ablauf der Verjährungsfristen für die Verfolgung von Straftaten auffindbar und verfügbar sein müssten. Der Sinn der Verfahrensdatei bestehe u.a. darin, die bei der Staatsanwaltschaft bearbeiteten Verfahren jederzeit wieder aufzufinden, wobei der Name des Beschuldigten Kriterium für das Wiederauffinden eines Verfahrens sei. Bei der Löschung des Datensatzes würde das Auffinden des Verfahrens im Rahmen der Vorgangsverwaltung nicht mehr ohne weiteres möglich sein. Die Löschung der in der Zentralkartei enthaltenen Daten erfolge jedoch spätestens zum Zeitpunkt der Vernichtung der Akten. Dieser sei abhängig von der Art des Vorwurfs und des Ausganges des Verfahrens und richte sich nach den Bestimmungen über die Aufbewahrungsfristen für das Schriftgut der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Staatsanwaltschaften und der Justizvollzugsbehörden (Aufbewahrungsbestimmungen-, Bearbeitungsstand: März 2007, zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung der Justizbehörde Nr. 1/2007 vom 28. Dezember 2006 – AufbewBest. –). Danach komme eine Löschung des Verfahrens zurzeit noch nicht in Betracht. Hinsichtlich des insoweit gestellten Antrages, die derzeit notierte Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren auf fünf Jahre zu korrigieren, sei das Schreiben des Antragstellers an die zuständige Ermittlungsdezernentin zur Entscheidung weitergeleitet worden.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2008 teilte die zuständige Ermittlungsdezernentin dem Antragsteller mit: Die Aufbewahrungsfristen für eingestellte Ermittlungsverfahren richteten sich nach der Verjährungsfrist des jeweiligen Delikts. Ausnahmen seien nicht vorgesehen. Gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB betrage die Verjährungsfrist für Vorwürfe nach § 176 Abs. 4 StGB fünf Jahre. Die Verjährung ruhe allerdings gemäß § 78 b Abs. 1 StGB bis zum 18. Lebensjahr des Opfers. Eine Aufbewahrungsfrist von fünf Jahren komme hier somit nicht in Betracht, vielmehr müssten die Akten bis zum Jahr 2030 verwahrt werden.

Auf den von dem Antragsteller bei dem Senat gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG, den Bescheid der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 28. Februar 2008, soweit er die Ablehnung der Verkürzung der Aktenaufbewahrungsfrist für das Verfahren 7204 Js 31/07 auf fünf Jahre enthalte, aufzuheben und die Staatsanwaltschaft zu verpflichten, spätestens am 31. Dezember 2012 die Ermittlungsakten dieses Verfahrens zu vernichten und die darauf bezogenen Einträge im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister „MESTA“ zu löschen, hat der Senat mit Beschluss vom 24. Oktober 2008 (Az.: 2 VAs 5/08, abgedruckt in OLGSt StPO § 483 Nr. 1= StV 2009, 234 ff. = StraFo 2009, 24 ff.) den Bescheid der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 28. Februar 2008, soweit er die Ablehnung der Verkürzung der Aktenaufbewahrungsfrist für das Verfahren 7204 Js 31/07 auf fünf Jahre enthielt, aufgehoben und die Staatsanwaltschaft Hamburg insoweit verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts neu zu bescheiden, sowie im Übrigen den Antrag zurückgewiesen.

Zur Begründung hat der Senat u.a. folgendes ausgeführt:

Der Antrag hat auch in der Sache teilweise – nämlich vorläufig – Erfolg. Er führt zur Aufhebung des staatsanwaltschaftlichen Bescheides. Außerdem spricht der Senat – mangels Spruchreife der Sache – die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, und verweist die Sache an die Staatsanwaltschaft Hamburg zurück (§ 28 Abs. 2 S. 2 EGGVG).

Ein Anspruch des Antragstellers auf Löschung der bei der Staatsanwaltschaft gespeicherten Daten kann sich aus der Regelung des § 489 Abs. 2 S. 1 StPO ergeben. Nach dieser Vorschrift sind personenbezogene Daten in staatsanwaltschaftlichen Dateien dann zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist oder sich aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung ergibt, dass die Kenntnis der Daten für die in den §§ 483, 484, 485 StPO jeweils bezeichneten Zwecke nicht mehr erforderlich ist. Zweck des § 485 StPO ist die Vorgangsverwaltung.

Dass die Speicherung der Daten des Antragstellers in der staatsanwaltschaftlichen Datei unzulässig wäre, ist nicht ersichtlich. Ob hingegen die Kenntnis der Daten für den in § 485 StPO bezeichneten Zweck nicht mehr erforderlich ist, vermag der Senat zurzeit nicht zu beurteilen, weil insoweit Spruchreife nicht vorliegt. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Staatsanwaltschaft eine Einzelfallbearbeitung zur Prüfung der Erforderlichkeit der weiteren Datenspeicherung durchgeführt hat. § 489 Abs. 2 StPO enthält zwar dem Wortlaut nach einen Hinweis darauf, wann die speichernde Stelle eine Einzelfallbearbeitung durchzuführen hat, nicht. Angesichts des mit der Verpflichtung korrespondierenden Löschungsanspruchs des Betroffenen hat die Staatsanwaltschaft aber jedenfalls dann eine Einzelfallbearbeitung vorzunehmen, wenn der Betroffene – wie hier – einen konkreten Löschungsantrag an sie richtet; beantragt der Betroffene konkret die Löschung seiner bei der Staatsanwaltschaft gespeicherten Personen- und Verfahrensdaten, ist diese zur Durchführung einer echten Einzelfallbearbeitung zur Prüfung der Erforderlichkeit der weiteren Datenspeicherung nach Maßgabe des § 489 Abs. 2 StPO verpflichtet....

Eine derartige Einzelfallbearbeitung hat die Staatsanwaltschaft Hamburg bislang nicht vorgenommen. Den Anforderungen des § 489 Abs. 2 StPO wird der angefochtene Bescheid selbst dann nicht gerecht, wenn die Erwägungen des Bescheides vom 25. Februar 2008 in ihn miteinbezogen werden. Auch in dem Bescheid vom 25. Februar 2008 wird lediglich allgemein dargelegt, auf welcher Grundlage und mit welcher Dauer eine Speicherung von Personen- und Verfahrensdaten bei der Staatsanwaltschaft Hamburg erfolgt. An einem individuellen Eingehen auf den konkreten Tatvorwurf und die Erforderlichkeit von Speicherungsumfang und dauer angesichts der gegen den Antragsteller konkret geführten Ermittlungsmaßnahmen in Abwägung mit der hieraus resultierenden Rechtsbeeinträchtigung des Antragstellers und der Besonderheit der nach der Eigenart des Deliktsvorwurfs von ihm geltend gemachten registerlichen Diskreditierung fehlt es. ...

In Ermangelung einer solchen an sich gebotenen Einzelfallbearbeitung ist folglich nach allem zurzeit Spruchreife, die eine Entscheidung des Senats in der Sache ermöglichen würde, nicht gegeben ....

Die Staatsanwaltschaft Hamburg wird bei der noch durchzuführenden Einzelfallbearbeitung des Löschungsantrages nach Auffassung des Senats folgendes zu beachten haben:

Ausgegangen werden kann – im Grundsatz – von dem durch die AufbewBest. aufgestellten Fristrahmen. Nach Lfd. Nr. 622 lit. d (`sonstige Angelegenheiten, in denen das Verfahren eingestellt ist´) beträgt die Aufbewahrungsfrist fünf Jahre; nach den Bemerkungen Spalte 6 zu Lfd. Nr. 622 sind jedoch Akten, aus denen sich ergibt, dass der objektive Tatbestand eines Verbrechens oder Vergehens vorliegt (gemeint: Gegenstand des [Ermitt-lungs-]Verfahrens war; Anm. Senat), der Täter aber nicht zur Aburteilung zu bringen ist, in allen Fällen mindestens solange aufzubewahren, als nicht die Strafverfolgung durch Verjährung ausgeschlossen ist. Zu prüfen sind danach also stets sämtliche Voraussetzungen der §§ 78, 78 a, 78 b und 78 c StGB, soweit diese in Betracht kommen. Dass dabei, wie der Antragsteller meint, in Spalte 6 zu Lfd. Nr. 622 AufbewBest. nur Unbekanntsachen erfasst sein sollen, erschließt sich dem Senat schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (`der Täter aber nicht zur Aburteilung zu bringen ist´) nicht.

Der Senat folgt dem Antragsteller auch darin nicht, dass im hier in Rede stehenden Fall der Deliktsvorwurf des § 176 Abs. 4 Nr. 4 außer Betracht zu bleiben habe (mit der Folge des Entfallens der gegenüber § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestehenden Verlängerung der Verjährungsfrist wegen Ruhens nach § 78 b Abs. 1 Nr. 1 StGB), weil dem Antragsteller nicht sexuelle Motivation, sondern lediglich die Absicht der Diskreditierung der Kindesmutter unterstellt worden sei. Ob das `Einwirken´ im Sinne des § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB eine sexuelle Motivation voraussetzt (so Lenckner/Perron/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 176 Rdn. 17;

Fischer, StGB, 55. (jetzt 56.)Aufl. § 176 Rdn. 16) oder ob es auf eine Tendenz, in dem Kind sexuelle Interessen oder sonst sexuelle Impulse auszulösen, nicht ankommt (so Wolters in SK-StGB, § 176 Rdn. 24, unklar a.a.O., Rdn. 26; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl., § 176 Rdn. 5 m.w.N.) und wie das ursprünglich dem Antragsteller angelastete Verhalten insoweit zu beurteilen gewesen wäre, kann im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen. Wie vorstehend wiedergegeben heben nämlich die AufbewBest. Spalte 6 zu Lfd. Nr. 622 – naheliegender Weise – allein auf den objektiven Tatbestand eines Verbrechens oder Vergehens ab.

Im Übrigen wird – mit der Möglichkeit im Ergebnis gegenüber vorstehend aa) u.U. auch verkürzter Frist – weiter insbesondere folgendes zu beachten sein ...:

Der Maßstab der Erforderlichkeit der (weiteren) Speicherung der Daten muss dem vom Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 65, 1 ff. entwickelten Recht auf informationelle Selbstbestimmung gerecht werden. Auf Grund des Zweckbindungsgrundsatzes – es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Speicherung und konkretem Verwendungszweck bestehen – darf die speichernde Stelle nur die Daten speichern, die für ihre Aufgabenerfüllung geeignet und erforderlich sind (vgl. §§ 14, 20 BDSG). Die Speicherung personenbezogener Daten ist nur dann erforderlich, wenn die Aufgabe sonst nicht, nicht vollständig oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllt werden kann. Wesentliche Bestimmungsfaktoren für die Erforderlichkeit der Speicherung sind Datenumfang und Zeitaspekt.

Dass die Datenspeicherung im vorliegenden Fall zum Zweck der ordentlichen Archivierung und einer daran anknüpfenden späteren möglichen Aktenauffindung geeignet ist, ist offensichtlich. Gleichwohl kann eine weitere Speicherung von Daten dann unzulässig sein, wenn nichts dafür spricht, dass die Eintragung auch in Zukunft praktische Bedeutung hat und deshalb ausgeschlossen werden kann, dass die vorhandenen Daten die Arbeit der zuständigen Behörde noch fördern können. Insofern kann von Bedeutung sein, ob es nach Person und Lebensumfeld des Betroffenen ausgeschlossen erscheint, dass dieser erneut strafrechtlich in Erscheinung treten wird.

Auch mögliche mildere Rechtsbeeinträchtigungen sind gegebenenfalls in den Abwägungsprozess einzustellen. In diesem Zusammenhang wird namentlich zu prüfen sein, warum zur Vorgangsverwaltung – nämlich zu bloßer Archivierung und daran anknüpfender möglicher Fristenkontrolle sowie späterer Auffindung der Akten – im Register auch der einschlägige Tatbestand des Strafgesetzbuches, auf Grund dessen die Ermittlungen geführt wurden, enthalten sein muss. Die Erforderlichkeit einer solchen Eintragung, der trotz erfolgter Verfahrenseinstellung eine gewisse Stigmatisierungswirkung zukommen kann, erschließt sich im Hinblick auf eine bloße Vorgangsverwaltung nicht ohne weiteres. Dem Erfordernis bloßer Vorgangsverwaltung könnte möglicherweise auch ohne Registrierung dieser zusätzlichen Information genügt sein. Unbegründet geblieben ist bislang schließlich auch, auf welcher Grundlage der im staatsanwaltschaftlichen Vermerk vom 26. Mai 2008 angeführte `übliche Sicherheitszuschlag von einem Jahr beruht´ (vgl. die ausdrücklich geregelte Überliegefrist des § 29 Abs. 7 StVG).

2. Mit Schreiben unter dem 30. Januar 2009 hat daraufhin die zuständige Dezernentin der Staatsanwaltschaft Hamburg den Antragsteller wie folgt beschieden:

Nach Durchführung der Einzelfallbearbeitung unter Berücksichtigung der Ausführungen des Oberlandesgerichts bleibe es im Wesentlichen bei der bisher verfügten Weglegefrist. Wie bereits von verschiedener Seite dargelegt diene die Speicherung von Daten der Vorgangsverwaltung, die Dauer der Speicherung richte sich überwiegend nach den Verjährungsvorschriften. Dies gelte auch in den Fällen, in denen das Ermittlungsverfahren mangels Beweises eingestellt worden sei, und unabhängig davon, ob in der Zukunft neue Taten von einem Beschuldigten zu erwarten seien. Durch dieses Vorbringen seien alle Beschuldigten gleichermaßen in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt.

Ein Anlass, im Falle des Antragstellers von diesem Vorgehen abzuweichen, sei nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Insbesondere könne nicht nach Person und Lebensumfeld des Antragstellers ausgeschlossen werden, dass dieser künftig strafrechtlich in Erscheinung treten werde. Dieser Rückschluss müsse auch nicht aus der Tatsache gezogen werden, dass er bisher straffrei gelebt habe. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb der Antragsteller durch die Datenspeicherung stärker in seinen Rechten beeinträchtigt sein sollte als andere Beschuldigte, gegen die die Ermittlungen mangels Beweises eingestellt worden seien.

Des Weiteren sei es auch erforderlich, den einschlägigen Tatbestand bei der Datenspeicherung zu erfassen. Sollten vor Ablauf der Speicherungsfrist erneute Ermittlungen gegen den Antragsteller wegen eines Sexualdelikts geführt werden, so werde dieses eingestellte Verfahren auf Grund des einschlägigen Tatbestands beigezogen und als Hintergrundinformation – zu Gunsten oder zu Lasten des Antragstellers – ausgewertet werden.

Lediglich auf den üblich gewordenen Sicherheitszuschlag von einem Jahr habe verzichtet werden und ein konkretes Löschungsdatum vermerkt werden können.

Dieses Datum sei ausgehend vom Geburtstag der Geschädigten auf den 18. Mai 2024 festgelegt worden.

Gegen diesen spätestens am 4. Februar 2009 bei dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers eingegangenen Bescheid stellt der Antragsteller wiederum Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG.

Er beantragt,

den Bescheid der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 30. Januar 2009 aufzuheben, die Staatsanwaltschaft zu verpflichten, im Verfahrensregister („MESTA“) die zu dem Ermittlungsverfahren 7204 Js 31/07 in der Spalte „Delikt“ vermerkten Eintragungen sowie spätestens am 31. Dezember 2012 die im Zusammenhang mit diesem Ermittlungsverfahren gespeicherten (weiteren) Daten zu löschen.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg – der Leitende Oberstaatsanwalt – hat darauf unter dem 9. April 2009 entgegnet:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei unbegründet. Der Antragsteller habe weder einen Anspruch auf Löschung des gespeicherten Straftatbestands noch auf Löschung des Verfahrens im staatsanwaltschaftlichen Register zu dem von ihm begehrten Zeitpunkt.

Die Speicherung von Verfahrensdaten sei grundsätzlich zum Zwecke der ordentlichen Archivierung und einer hieran anknüpfenden Sicherstellung einer späteren Auffindbarkeit der Akten nach § 485 StPO (Vorgangsverwaltung) erforderlich. Dies gelte auch für den Straftatbestand, der Gegenstand des Verfahrens gewesen sei. Erfahrungsgemäß gingen bei der Staatsanwaltschaft vielfach noch mehrere Jahre nach Verfahrenserledigung Anfragen von Beschuldigten oder sonstigen Verfahrensbeteiligten zum Ausgang oder Gegenstand von Verfahren ein, wobei den Anfragenden oftmals das staatsanwaltschaftliche Aktenzeichen nicht mehr bekannt sei und lediglich grobe Angaben zur Natur des Deliktes und gegebenenfalls zum Tatzeitraum erfolgten. In diesen Fällen sei insbesondere bei Vorliegen einer Vielzahl von Verfahren, die Geschädigte oder den Beschuldigten beträfen, bei denen unter Umständen die zu Grunde liegenden Taten zudem in gleichen oder sich überschneidenden Zeiträumen „begangen w(o)rden“ seien, die Speicherung eines Straftatbestands im Register notwendig, da anderenfalls das Auffinden des fraglichen Verfahrens mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand nicht zu leisten sei. Es bestünden insoweit keine hinreichenden Anhaltspunkte, die vorliegendenfalls ausnahmsweise die Speicherung des Straftatbestands entbehrlich erscheinen ließen. Insbesondere unter Berücksichtigung der noch gut fünfzehn Jahre andauernden Speicherungsfrist des Verfahrens könne nicht ausgeschlossen werden, dass in diesem langen Zeitraum entweder eine Vielzahl weiterer Verfahren zum Nachteil der E. H. und/oder aber weitere Verfahren gegen den Antragsteller eingetragen werden würden, die auch den hier in Rede stehenden Zeitraum betreffen könnten. Vor diesem Hintergrund sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die derzeit siebenjährige E.H. in Bezug auf den Ablauf des hier in Rede stehenden Verfahrens kaum auf eigene Erinnerungen werde zurückgreifen können, sondern auf Erzählungen Dritter angewiesen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie insbesondere zu einem späteren, innerhalb der Verjährungsfrist liegenden Zeitpunkt eine Anfrage zu dem Verfahren stellen werde.

Darüber hinaus sei die Speicherung nach § 484 Abs. 1 Nr. 3 StPO für zukünftige Strafverfahren zulässig. Es fehle an Anhaltspunkten dafür, dass diese Eintragung in Zukunft keine praktische Bedeutung haben werde. Die Gesamtwürdigung der Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren lasse es insbesondere nicht vollständig ausgeschlossen erscheinen, dass die Speicherung des Straftatbestands zukünftig noch benötigt werde. Es erscheine nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller zukünftig erneut Beschuldigter eines Ermittlungsverfahrens sein werde. Hierbei werde nicht verkannt, dass der fast 50-jährige Betroffene bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Allerdings sei aktenkundig, dass er und die Mutter J. K. sich das Sorgerecht für das gemeinsame Kind E. H. weiter teilten. Vor diesem Hintergrund sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die verfahrensgegenständliche Bezeichnung des Antragstellers als Täter durch J. K. erfolgt sei und weiterhin ein Kontakt des Antragstellers zu ihr und dem Kind im Rahmen der Kindessorge bestehe, könne nicht ausgeschlossen werden, dass es zukünftig zu weiteren – gegebenenfalls auch ähnlich gelagerten – Anzeigen kommen werde. Ob in derartigen Verfahren regelmäßig ein Anfangsverdacht von vornherein ausgeschlossen sein werde, da es sich möglicherweise nicht stets um schlüssige Anzeigen handeln werde, könne derzeit nicht sicher beurteilt werden. Insoweit sei von Bedeutung, dass der mit dem zukünftigen Verfahren betraute Staatsanwalt sich durch Einsichtnahme in das Register den erforderlichen Überblick verschaffen könne, ob es einschlägige oder gegebenenfalls ähnlich gelagerte Vorverfahren gegeben habe, um dann entscheiden zu können, ob er die Verfahrensakten als Erkenntnisquelle benötige.

Auch für die beantragte Löschung des Verfahrens aus dem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister spätestens am 31. Dezember 2012 fehle es an einer Rechtsgrundlage. Ausgehend von dem auf den Verjährungsfristen basierenden Fristrahmen der Aufbewahrungsbestimmungen für Akten unter Berücksichtigung insbesondere der Ruhensvorschrift der § 78 b Abs. 1 Nr. 1 StGB beginne die Verjährungsfrist mit dem 18. Geburtstag der E. H. am und laufe bis zum 18. Mai 2024. Da die Speicherung des Verfahrens nach § 485 StPO für die Zwecke der Vorgangsverwaltung erforderlich sei, könne eine Löschung erst mit Vernichtung der Akten erfolgen.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,

den Antrag des Antragstellers als unbegründet zurückzuweisen.

Nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft ist insbesondere auch die Speicherung der Deliktsbezeichnung, namentlich mit Rücksicht auf § 484 Abs. 1 Nr. 4 StPO, weiterhin zulässig und erforderlich.

Der Antragsteller hält das durch die nunmehrige Bezugnahme der Staatsanwaltschaften auf § 484 StPO erfolgte Nachschieben einer abweichenden Begründung auf neuer Rechtsgrundlage „nach den vom Bundesverwaltungsgericht zu § 114 VwGO aufgestellten Grundsätzen“ für unzulässig.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und nach Maßgabe des Tenors dieses Beschlusses teilweise begründet.

1. Der Antrag ist gemäß §§ 23 ff. EGGVG zulässig.

Der Antragsteller begehrt die Aufhebung eines Bescheides einer Justizbehörde und Verpflichtung dieser Behörde zum Erlass eines abgelehnten (Justiz)Verwaltungsaktes betreffend nämlich eine Maßnahme, die die Staatsanwaltschaft als Justizbehörde zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet der Strafrechtspflege trifft.

Er macht dabei wie von § 24 Abs. 1 EGGVG erfordert als verletzt geltend ein Recht auf Löschung von Verfahrensdaten aus der staatsanwaltschaftlichen Datei gemäß § 489 Abs. 2 S. 1 StPO sowie sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG).

Der Durchführung eines Vorschaltverfahrens gemäß § 24 Abs. 2 EGGVG bedurfte es hier nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 HmbVwGOAusfG nicht.

Die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG ist gewahrt (vgl. zu allem Senat, a.a.O.).

2. Der Antrag hat in der Sache teilweise Erfolg. Er führt zur Aufhebung des staatsanwaltschaftlichen Bescheides in dem aus dem Entscheidungssatz dieses Beschlusses ersichtlichen Umfang. Außerdem spricht der Senat die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft aus, in dem den Antragsteller betreffenden Verfahrensregistereintrag den Straftatbestand zu löschen (§ 28 Abs. 2 S. 1 EGGVG).

a) Dem Antragsteller steht ein Löschungsanspruch bezüglich des gespeicherten Straf-

tatbestandes nach den §§ 489 Abs. 2 S. 1, 485 StPO zu. Die Überprüfung aus Anlass der staatsanwaltschaftlichen Einzelfallbearbeitung ergibt, dass die Kenntnis zwar der übrigen gespeicherten Daten, nicht aber die des Straftatbestandes zum Zwecke der Vorgangsverwaltung (§ 485 StPO) erforderlich ist. Das „Erforderlich-sein“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (KG, StraFo 2009, 337 f.).

aa) Die Staatsanwaltschaft hat mit dem Bescheid vom 30. Januar 2009 nunmehr – gerade noch – eine Einzelfallbearbeitung vorgenommen (zu deren Voraussetzungen Senat, a.a.O., m.w.N.).

Neben weithin allgemein gehaltenen Ausführungen wird immerhin auf Person und Lebensumfeld des Antragstellers, insbesondere dessen bisherige Unbestraftheit, abgehoben. Im Wege konkreter Abwägung wird dem gegenübergestellt die ohne registermäßige Speicherung praktisch kaum zu gewährleistende Wiederauffindbarkeit der Akten (dies durch Bezugnahme auf die vormaligen Entschließungen der Staatsanwaltschaft in dieser Sache) im Falle etwaiger künftiger neuer gegen den Antragsteller gerichteter Ermittlungsverfahren.

bb) Die Prüfung ergibt, dass die erfolgte Datenspeicherung mit Ausnahme derjenigen des Straftatbestandes weiterhin erforderlich ist.

Auszugehen ist von dem Fristrahmen, der sich aus den auf die auf Normen des Strafgesetzbuchs über die Verfolgungsverjährung abhebenden Bestimmungen über die Aufbewahrungsfristen für das Schriftgut der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Staatsanwaltschaften und der Justizvollzugsbehörden (Aufbewahrungsbestimmungen, Bearbeitungsstand: März 2007, zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung der Justizbehörde Nr.: 1/2007, vom 28. Dezember 2006 – AufbewBest. –) ergibt (dazu im Einzelnen bereits Senat, a.a.O.). Nach Lfd. Nr.: 622 lit. d („sonstige Angelegenheiten, in denen das Verfahren eingestellt ist“) beträgt die Aufbewahrungsfrist fünf Jahre; nach den Bemerkungen Spalte 6 zu Lfd. Nr. 622 sind jedoch Akten, aus denen sich ergibt, dass der objektive Tatbestand eines Verbrechens oder Vergehens vorliegt (gemeint: Gegenstand des [Ermittlungs-]Verfahrens war; Anm. Senat), der Täter aber nicht zur Aburteilung zu bringen ist, in allen Fällen mindestens so lange aufzubewahren, als nicht die Strafverfolgung durch Verjährung ausgeschlossen ist. Der maßgebliche objektive Tatbestand eines Verbrechens oder Vergehens ist hier der des § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern). Die Prüfung der Verjährungsvorschriften der §§ 78 ff. StGB ergibt, dass danach gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB die Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers ruht, so dass nach dem Geburtsdatum des Kindes E. H. die Aufbewahrungsfrist mit Ablauf des 18. Mai 2024 endet.

Der gesetzliche Grundgedanke des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB, der im Interesse des Kindes- und Minderjährigenschutzes auf das Bestehen möglicher altersbedingter und familiärer Abhängigkeiten bis zum Eintritt der Volljährigkeit abhebt, ist von hohem Gewicht (vgl. nur Fischer, StGB, 56. Aufl., § 78b Rdn. 3). Dieses Gewicht wird noch verstärkt durch den Umstand, dass bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung die Durchführung eines Klageerzwingungsverfahrens gemäß §§ 172 ff. StPO von Seiten des Kindes möglich ist (zu diesem Ge-sichtspunkt Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 483 Rdn. 3), bei fehlender praktischer Wiederauffindbarkeit der Akten die Realisierung dieser gesetzlich vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeit aber verunmöglicht würde. Die aus derzeitiger Sicht geringe Wahrscheinlichkeit eines künftigen derartigen Klageerzwingungsverfahrens rechtfertigt nicht die faktisch vollständige Abschneidung des mit diesem Verfahren gesetzgeberisch intendierten Rechtsschutzes.

Bezüglich etwaiger künftiger weiterer (nicht gegen den Antragsteller gerichteter) Verfahren zum Nachteil des Kindes E. H. gilt (durch Zuschrift des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 9. April 2009 thematisiert) bezüglich der Erschwerung derWiederauffindbarkeit der Akten Ähnliches. Nach allem kommt deshalb auch in Ansehung der (potenziell) widerstreitenden in Rede stehenden (Grund-)Rechtspositionen dem Erfordernis jederzeit möglicher Wiederauffindbarkeit der verfahrensgegenständlichen Ermittlungsakten hier ausschlaggebende Bedeutung zu. Anders als durch verfahrensregisterliche Speicherung bis zum Ablauf des 18. Mai 2024 ist letztere indes nicht zu gewährleisten. Zum Zwecke der auf bloße Wiederauffindbarkeit der Akten gerichteten Vorgangsverwaltung ist aber die Speicherung von Aktenzeichen, Eingangsdatum, Tatzeit, Erledigungsart und -datum ausreichend und somit auch nur erforderlich.

Der Speicherung des Straftatbestandes („Delikt“) bedarf es zu diesem Zwecke nicht mit der Folge, dass dieser von dem unbestraften und auch von der Anzeigenden nicht mehr belasteten Antragsteller als besonders diskreditierend und stigmatisierend empfundene Eintragungspunkt zu löschen ist. Mit dieser

Löschung ist andererseits aber auch den aus dem Grundrecht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung folgenden Anforderungen Genüge getan.

b) Aus der – von Seiten der Staatsanwaltschaft erstmals durch die Zuschrift des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 9. April 2009 im Laufe des Gerichtsverfahrens geltend gemachten – Vorschrift des § 484 Abs. 1 Nr. 3 StPO (Verwendung von Daten für künftige Strafverfahren), wonach Strafverfolgungsbehörden für Zwecke künftiger Strafverfahren die nähere Bezeichnung der Straftaten, insbesondere die Tatzeiten, die Tatorte und die Höhe etwaiger Schäden in Dateien speichern dürfen, folgt nichts Abweichendes. § 484 Abs. 1 Nr. 3 StPO ermächtigt schon nicht zu der hier in Rede stehenden Speicherung des Straftatbestandes.

Eine solche Ermächtigung zur Angabe der gesetzlichen Vorschrift kann indes aus § 484 Abs. 1 Nr. 4 StPO folgen, wie die Generalstaatsanwaltschaft bei ihrer Antragstellung unter dem 11. Mai 2009 gleichfalls erstmals im Gerichtsverfahren geltend macht.

aa) Mit der Anführung einer weiteren (behaupteten) Rechtsgrundlage erstmals im gerichtlichen Verfahren – was der Antragsteller beanstandet – läge allerdings ein „Nachschieben von Gründen“ im Sinne des § 114 S. 2 VwGO vor, wenn vorliegend ein Beurteilungsspielraum im Rahmen eines unbestimmten Rechtsbegriffs oder eine Ermessensausübung in Rede stünden. Ob ein solches „Nachschieben von Gründen“ alsdann zulässig wäre (vgl. z.B. BVerwGE 77, 352; 85, 163; 106, 351; NJW 1999, 2912; NVwZ 2007, 470; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rdn. 69 ff.; 114 Rdn. 23; Decker in Posser/Wolff, VwGO, § 114 Rdn. 40 ff.) kann bereits deshalb dahinstehen, weil – auch im Falle der Übertragung der dort maßgeblichen Grundgedanken auf die vorliegende Rechtslage – das neue Vorbringen unerheblich bliebe (dazu nachstehend bb)).

bb) Die Speicherung des Straftatbestandes ist auch unter dem Gesichtspunkt des § 484 Abs. 1 Nr. 4 StPO zu löschen, weil sich gemäß § 489 Abs. 2 S. 1 StPO aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung ergibt, dass die Kenntnis der Daten für den in § 484 bezeichneten Zweck – Verwendung für künftige Strafverfahren – nicht mehr erforderlich ist.

Dafür, dass künftig Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller eingeleitet werden würden, gibt es Anhaltspunkte nicht. Allerdings setzt § 484 Abs. 1 StPO bezüglich der dort genannten Daten – anders als Abs. 2 der Vorschrift für weitere personenbezogene Daten – eine solche konkrete Besorgnis für die Datenspeicherung nicht voraus. Gleichwohl ergibt die Prüfung des „Erforder-lichseins“, dass die Datenspeicherung vorliegend nicht erforderlich ist, weil sachliche Gründe sie nicht entscheidend zu tragen vermögen. Der Inhalt der Ermittlungsakten enthält auch von Seiten der Staatsanwaltschaften unbestritten nicht die geringsten in etwaigen künftigen Verfahren nutzbaren Beweisergebnisse oder auch nur Ermittlungsansätze. Die Akten des Verfahrens erschöpfen sich inhaltlich in einer von Seiten der Anzeigenden selbst als haltlos bezeichneten Strafanzeige. Die Förderung eines künftigen Verfahrens durch einen solchen Akteninhalt erscheint kaum vorstellbar. Bloße Kompilation ist indes Zweck auch des § 484 StPO nicht.

Dies alles gilt umso mehr im Lichte des Grundrechts des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung, welches die Auslegung des einfachen Rechts zu leiten hat (vgl. zu allem Hilger in LR-StPO, 25. Aufl., § 484 Rdn. 7 und Weßlau in SK-StPO, § 484 Rdn. 10, denen zufolge Erforderlichkeit bzw. Angemessenheit der Speicherung eine ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung sogar bereits im Rahmen des § 484 Abs. 1 StPO darstellen).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 30 Abs. 1 S. 1 EGGVG, 130 Abs. 4 KostO, die Auslagenentscheidung nach billigem Ermessen auf § 30 Abs. 2 S. 1 EGGVG. Der Geschäftswert bestimmt sich nach den §§ 30 Abs. 3 S. 1 EGGVG, 30 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 KostO (vgl. Senat, a.a.O., m.w.N.).