OLG Celle, Beschluss vom 26.10.2004 - 3 W 96/04
Fundstelle
openJur 2012, 42040
  • Rkr:

Die Androhung nach § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB muss den Hinweis enthalten, dass der Darlehensgeber bei Nichtzahlung innerhalb der Frist vom Darlehensnehmer die gesamte Restschuld verlangen wird.

Die bloße Androhung der Kündigung für den Fall nicht rechtzeitiger Zahlung genügt nicht und führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts wird wie folgt geändert:

1. Die Antragsgegnerin wird mit sofortiger Wirkung dazu verpflichtet, die Abtretungsanzeige vom 6. September 2004 gegenüber dem ..., zurückzunehmen und dieses dem ... unverzüglich anzuzeigen.

2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 500.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten dieses Verfahrens nach einem Wert von bis zu 7.000 € zu tragen.

Gründe

I.

Im März 2002 schlossen die Antragstellerin und die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin einen Darlehensvertrag. Der Kredit wurde besichert durch eine Abtretung eines Teils der laufenden Bezüge der Antragstellerin. Auf Grund finanzieller Schwierigkeiten bot die Antragstellerin der Antragsgegnerin eine auf drei Monate befristete Reduzierung der Darlehensraten an. Die Antragsgegnerin antwortet darauf mit Schreiben vom 13. August 2004, in dem ein rückständiger Betrag von insgesamt 551 € eingefordert wird und es weiter heißt: „Zahlen Sie bitte diesen Gesamtbetrag innerhalb von zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens. Sollte der Betrag nicht fristgerecht gezahlt werden, sehen wir uns gezwungen, den Vertrag zu kündigen. Dadurch werden weitere Unannehmlichkeiten und Kosten für Sie entstehen, die Sie bei fristgerechter Zahlung vermeiden können.“ Mit weiterem Schreiben vom 26. September 2004 kündigte die Antragsgegnerin den Vertrag und forderte die Antragstellerin zur Zahlung von insgesamt 7.994,77 € auf. Die Abtretung zeigte sie dem Arbeitgeber der Antragstellerin an.

Den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat das Landgericht mit Beschluss vom 29. September zurückgewiesen. Ein Verfügungsanspruch sei nicht gegeben. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. August 2004 werde den Anforderungen des § 498 Abs. 1 BGB gerecht. Die offene Restschuld müsse nicht angegeben werden. In dem Schreiben habe auch nicht ausdrücklich die Erklärung enthalten sein müssen, dass im Falle der Nichtzahlung innerhalb der gesetzten Frist die gesamte Restschuld verlangt werde; die Wiederholung des Gesetzeswortlauts sei nicht zwingend geboten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 8. Oktober 2004, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

Der vor dem Landgericht nicht am Verfahren beteiligten Antragsgegnerin hat der Senat rechtliches Gehör gewährt. Eine Stellungnahme ist hier nicht eingegangen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, § 567 Abs. 1 ZPO. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Entgegen der Annahme des Landgerichts bejaht der Senat einen Verfügungsanspruch der Antragstellerin.

a) Ob die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 13. August 2004 die noch offene Restschuld angeben musste (§ 498 Abs. 2 BGB n.F.), kann dahingestellt bleiben. Die Frage war bereits für § 12 Abs. 2 VerbrKrG strittig (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, WM 1995, 1530, 1532 einerseits, Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, 13. Aufl., Rn. 18 zu § 12 VerbrKrG andererseits). Der Senat neigt der Auffassung zu, dass auch unter Verbraucherschutzgesichtspunkten keine Notwendigkeit erkennbar ist, dem Kreditgeber bereits dann eine unter Umständen komplizierte Berechnung der Restschuld aufzuerlegen, obwohl möglicherweise auf Grund des Abmahnschreibens oder aus anderem Grund es zur Kündigung letztlich gar nicht kommt.

b) Die Kündigung der Antragsgegnerin ist aber unwirksam, weil das der Kündigung vorausgehende Schreiben vom 13. August 2004 im Hinblick auf die Vorgaben des § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB n.F. nicht ausreichend klar gefasst ist. Es heißt dort, dass wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers der Darlehensgeber den Verbraucherdarlehensvertrag bei einem Teilzahlungsdarlehen nur kündigen darf, wenn der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer erfolglos eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrags mit der Erklärung gesetzt hat, dass er bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld verlange. Davon, dass die Antragsgegnerin bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld verlangen werde, ist in dem genannten Schreiben vom 13. August 2004 aber nicht die Rede. Es heißt dort lediglich, dass die Antragsgegnerin sich im Falle der nicht fristgerechten Zahlung gezwungen sehe, den Vertrag zu kündigen. Für einen Juristen mag damit ohne weiteres feststehen, dass die Kündigung die Pflicht zur Zahlung der gesamten Restschuld zur Folge hat. Zum Schutze des Verbrauchers aber hat der Gesetzgeber dem Darlehensgeber zur Pflicht gemacht, dem Darlehensnehmer vor Kündigung klar zu machen, dass er im Falle seines Zahlungsverzugs damit rechnen muss, dass von ihm die gesamte Restschuld verlangt wird. Von dieser klaren gesetzgeberischen Vorgabe abzuweichen sieht der Senat keinen Anlass. Der Senat hält es auch nicht für eine „übertriebene Förmelei“, wenn einer Bank aufgegeben wird, den Gesetzeswortlaut abzuschreiben.

In Ermangelung einer ordnungsgemäßen Kündigung war der Antragsgegnerin zu untersagen, von der Abtretung Gebrauch zu machen.

2. Wegen der weiter drohenden Nachteile für die Antragstellerin hält der Senat auch eine Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren für geboten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Zum Streitwert hat der Senat die Erwägungen der Kammer in dem angefochtenen Beschluss zu Grunde gelegt.