VG Lüneburg, Urteil vom 27.07.2004 - 4 A 160/02
Fundstelle
openJur 2012, 41669
  • Rkr:
Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Rückforderung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.

Der am 22. November 1989 geborene Kläger zu 1. und der am 30. November 1988 geborene Kläger zu 2. leben seit der Trennung ihrer Eltern im März 1995 bei ihrer Mutter A. B.. Auf Antrag der Mutter der Kläger gewährte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 29. Januar 1997 Unterhaltsvorschussleistungen ab dem 1. August 1996 in Höhe von jeweils 225,50 DM monatlich und ab dem 1. Januar 1997 in Höhe von jeweils 215,50 DM monatlich. Dabei setzte der Beklagte von dem Regelbedarf der Kläger in Höhe von jeweils 424,00 DM die Hälfte des Kindergeldes in Höhe von 100,00 DM bzw. ab dem 1. Januar 1997 in Höhe von 110,00 DM sowie die Hälfte der Zahlung ihres Vaters C. B. auf ein HEW-Baudarlehn in Höhe von 98,50 DM ab. Mit Schreiben vom 29. Januar 1997 teilte der Beklagte dem Vater der Kläger mit, dass er für die Kläger Unterhaltsvorschussleistungen gewähre und dass deren Ansprüche gegen ihn - den Vater - in Höhe der gewährten Unterhaltsleistungen auf das Land Niedersachsen übergegangen seien. Er wies außerdem darauf hin, dass er - der Vater - Zahlungen an die Kinder mit befreiender Wirkung nicht mehr leisten könne. Ab dem 1. Januar 1999 erhielten die Kläger Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von jeweils monatlich 200,50 DM.

Die Mutter der Kläger gab gegenüber dem Beklagten am 5. Februar 1999 an, dass der Vater der Kläger seit Juni 1997 Unterhalt in Höhe von jeweils 244,50 DM monatlich leiste. Daraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 12. Februar 1999 die Unterhaltsvorschussleistungen für beide Kläger ab dem 1. Juni 1997 auf monatlich 69,50 DM und ab dem 1. Januar 1999 auf monatlich 54,50 DM fest. Dabei setzte er jeweils von dem Regelbetrag in Höhe von 424,00 DM die Hälfte des Kindergeldes in Höhe von 110,00 DM ab dem 1. Juni 1997 und in Höhe von 125,00 DM ab dem 1. Januar 1999 sowie Unterhalt in Höhe von 244,50 DM ab. Der Beklagte machte außerdem eine Rückforderung in Höhe von 3.066,00 DM je Kläger geltend.

Die Kläger legten am 24. Februar 1999 Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 1999 ein. Zur Begründung beriefen sie sich darauf, dass der Unterhaltsbetrag in Höhe von jeweils 244,50 DM die Differenz zwischen dem Regelsatz nach der Düsseldorfer Tabelle und der Leistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sei. Diesen Betrag habe ihr Vater auf ihre Unterhaltsklage anerkannt, so dass ein entsprechendes Anerkenntnisurteil ergangen sei. Der Vater der Kläger teilte dem Beklagten mit, dass er monatlich 489,00 DM Barunterhalt für beide Kläger sowie 197,00 DM und 248,00 DM für Darlehen für das Haus zahle, in dem die Kläger mit ihrer Mutter wohnten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2002 änderte die Bezirksregierung Hannover den Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 1999 dahingehend ab, dass die Unterhaltsleistungen für die Kläger zu 1. und 2. jeweils in Höhe von 3.055,50 DM (= 1.562,25 EUR) zurückgefordert wurden. Im Übrigen wies sie den Widerspruch der Kläger zurück. Sie führte aus, dass eine Aufstockung der Unterhaltszahlungen des Vaters der Kläger durch die Leistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz auf den Regelsatz der fünften Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle nicht zulässig sei. Denn die Leistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sei eine subsidiär eintretende Sozialleistung, die dazu diene, Kinder von alleinstehenden Elternteilen durch die Gewährung eines Mindestunterhalts gegen Verzögerungen oder Ausfall der monatlichen Kindesunterhaltszahlungen abzusichern. Der Beklagte habe allerdings übersehen, dass die auszuzahlenden Unterhaltsvorschussleistungen auf volle Deutsche Mark aufzurunden gewesen seien, so dass die Kläger vom 1. Juni 1997 bis zum 31. Dezember 1998 Anspruch auf monatliche Leistungen von jeweils 70,00 DM (35,79 EUR) und vom 1. Januar 1999 bis zum 28. Februar 1999 von jeweils 55,00 DM (28,12 EUR) gehabt haben. Es seien daher nicht 3.066,00 DM (1.567,62 EUR) sondern 3.055,50 DM (1.562,25 EUR) je Kläger zurückzuzahlen.

Die Kläger haben am 14. Mai 2002 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 11. April 2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen und bezieht sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung Hannover verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 11. April 2002, mit dem Unterhaltsvorschussleistungen für den Zeitraum vom 1. Juni 1997 bis zum 28. Februar 1999 neu festgesetzt und erhaltene Leistungen von den Klägern zurückgefordert worden sind, ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für das Rückforderungsbegehren ist § 5 Abs. 2 des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 ( BGBl. I S. 2615). Haben die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht vorgelegen, weil der Berechtigte nach Stellung des Antrages auf Unterhaltsleistungen Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 3 erzielt hat, das bei der Bewilligung der Unterhaltsleistung nicht berücksichtigt worden ist, so hat der Berechtigte insoweit den geleisteten Betrag zurückzuzahlen.

Nach § 1 Abs. 1 UVG hat Anspruch auf Unterhaltsvorschuss - oder -ausfall - Leistung u.a.

wer das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UVG),

im Geltungsbereich des Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet, geschieden ist oder von seinem Ehegatten getrennt lebt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG),

und nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil mindestens in der in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 bezeichneten Höhe erhält (§ 1 Abs. 1 Nr. 3a UVG),

d.h. in der Höhe der Regelbeträge, wie sie nach der Regelbetrag - Verordnung jeweils gelten, abzüglich eines Betrages in Höhe der Hälfte des für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergeldes, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, Anspruch auf volles Kindergeld hat.

Nach § 2 Abs. 3 UVG werden auf die sich nach den Absätzen 1 und 2 ergebende Unterhaltsleistung folgende in demselben Monat erzielte Einkünfte des Berechtigten angerechnet:

1. Unterhaltszahlungen des Elternteils, bei dem der Berechtigte nicht lebt,

2. Waisenbezüge einschließlich entsprechender Schadensersatzleistungen, die wegen des Todes des in Nummer 1 bezeichneten Elternteils oder eines Stiefelternteils geleistet werden.

Hier haben die Kläger in dem umstrittenen Zeitraum vom 1. Juni 1997 bis zum 28. Februar 1999 von ihrem Vater Unterhalt in Höhe von jeweils 244,50 DM monatlich erhalten. Diese Unterhaltszahlungen sind aber nur teilweise als Einkünfte der Kläger gem. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG anzusehen und führen hier nicht zu einem Rückzahlungsanspruch gegen die Kläger aus § 5 Abs. 2 UVG.

25Soweit den Klägern von dem Beklagten Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von jeweils 215,50 DM monatlich und ab dem 1. Januar 1999 in Höhe von jeweils 200,50 DM monatlich gewährt worden sind, sind die Unterhaltsansprüche der Kläger gegen ihren Vater gem. § 7 Abs. 1 UVG auf das Land Niedersachsen übergegangen. Dieser gesetzliche Forderungsübergang bewirkt, dass in Höhe der gewährten Unterhaltsvorschussleistungen Gläubiger des Unterhaltsanspruchs nicht mehr das Kind sondern das Land Niedersachsen ist. Von der Bewilligung der Unterhaltsleistungen und dem Forderungsübergang hat der Beklagte den Vater der Kläger auch mit Schreiben vom 29. Januar 1997 in Kenntnis gesetzt. Gem. §§ 412, 407 Abs. 1 BGB muss der neue Gläubiger eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung - bzw. dem gesetzlichen Forderungsübergang - an den bisherigen Gläubiger bewirkt, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung - bzw. den gesetzlichen Forderungsübergang - bei der Leistung kennt. Bei einer Leistung des Schuldners an den alten Gläubiger trotz Kenntnis vom Forderungsübergang wird er somit nicht von der Leistung an den neuen Gläubiger frei. Daraus folgt, dass der Vater der Kläger in Höhe des auf das Land Niedersachsen übergegangenen Anspruchs nicht mit befreiender Wirkung Unterhalt leisten konnte, so dass der Anspruch des Landes Niedersachsen gegen den Vater der Kläger nach wie vor besteht und gegen diesen durchzusetzen ist. Wenn - wie hier - infolge der Kenntnis vom Anspruchsübergang die Unterhaltszahlung an das Kind nicht mit befreiender Wirkung erfolgen kann, so gehört diese auch nicht zu den Einkünften, die gem. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG auf die Unterhaltsleistung des Kindes anzurechnen sind. Die Auseinandersetzung findet dann zwischen dem Land und dem zahlungspflichtigen Elternteil nach § 7 UVG statt. Eine Rückzahlungspflicht des Kindes nach § 5 Abs. 2 UVG besteht in diesem Fall nicht (Scholz, UVG, Kommentar, 4. Auflage, § 5 Rn. 9, § 7 Rn. 3).

Dadurch, dass der Vater der Kläger diesen höheren Unterhalt gezahlt hat als ihnen Unterhaltsvorschussleistungen gewährt worden sind, haben die Kläger zwar in Höhe der sich daraus ergebenden Differenz anzurechnendes Einkommen gem. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG erzielt. Dies führt aber nicht zu einem Rückzahlungsanspruch nach § 5 Abs. 2 UVG. Den Klägern wären unter Berücksichtigung der anzurechnenden Unterhaltszahlungen ihres Vaters ab dem 1. Juni 1997 Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 283,00 DM (424,00 DM Regelbetrag abzüglich 110,00 DM Kindergeld abzüglich 29,00 DM Unterhalt) und ab dem 1. Januar 1999 in Höhe von 255,00 DM (424,00 DM Regelbetrag abzüglich 125,00 DM Kindergeld abzüglich 44,00 DM Unterhalt) zu gewähren gewesen. Da den Klägern durch die in dem Ausgangsbescheid fehlerhaft erfolgte Anrechnung der Darlehnszahlungen ihres Vaters als Unterhalt in Höhe von jeweils 98,50 DM nur Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 215,50 DM bzw. ab dem 1. Januar 1999 in Höhe von 200,50 DM gewährt worden sind, haben sie geringere Leistungen erhalten als ihnen zugestanden haben, so dass eine Rückzahlungspflicht nicht besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Zitate0
Referenzen0
Schlagworte