VG Lüneburg, Urteil vom 08.07.2004 - 2 A 272/03
Fundstelle
openJur 2012, 41640
  • Rkr:
Tatbestand

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihm einen planungsrechtliche Bauvorbescheid für zwei Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe bis 150 m im Gebiet der Gemeinde Böhme zu erteilen.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2003 stellte der Kläger eine Bauvoranfrage für zwei Windkraftanlagen, die er in der Gemeinde Böhme, Flur D., Flurstücksnr. E. und F. errichten wollte. Dazu führte er aus, es handele sich um zwei Anlagen des Typs Enercon-66 mit einer Nennleistung von 1800 KW, einer Nabenhöhe von 114,09 m und einer Gesamthöhe von 149,09 m.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2003 teilt der Beklagte dem Kläger mit, er beabsichtige den Antrag abzulehnen. Zur Begründung führte er aus: Das Vorhaben widerspreche dem öffentlichen Baurecht. Bei den geplanten Windkraftanlagen handele es sich um ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB. Dem Vorhaben stünden jedoch öffentliche Belange entgegen. Die geplanten zwei Windkraftanlagen seien wegen ihrer Größe und ihres Standortes als raumbedeutsam einzustufen. Das geplante Bauvorhaben liege im Geltungsbereich des Regionalen Raumordnungsprogramms für den Landkreis Soltau-Fallingbostel (RROP). Das RROP weise Vorrangstandorte für Windenergienutzung aus und enthalte die Zielaussage, dass außerhalb dieser genannten Vorrangstandorte keine raumbedeutsamen Windenergieanlagen errichtet werden dürften. Als weiteres Ziel der Raumordnung sei festgelegt worden, dass unter Berücksichtigung der jeweiligen topographischen natürlichen Gegebenheiten, Belange des Städtebaus, der Erholung, des Fremdenverkehrs sowie des Landschaftsschutzes die Nabenhöhe der einzelnen Anlagen so zu wählen seien, dass eine Tages- und Nachtkennzeichnung im Rahmen des Luftverkehrsgesetzes zur Flugsicherung vermieden werde. Eine solche Kennzeichnung sei jedoch angesichts der Größe der Anlagen erforderlich. Sie befänden sich auch nicht in den Vorranggebieten, so dass die Ziele der Raumordnung dem Vorhaben als öffentlicher Belang entgegen stünden.

Am 24. Dezember 2003 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Er trägt vor, das Regionale Raumordnungsprogramm 2000 des Beklagten sei unwirksam. Die Planung des Beklagten sei angesichts der Ausweisung von gerade einmal zwei Vorrangstandorten für Windenergienutzung in der Stadt G. und in der Gemeinde H. als Verhinderungsplanung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzusehen. Zwar sei anzuerkennen, dass das Kreisgebiet des Beklagten hohe Anteile landschaftlich oder naturschutzfachlich schützenswerter Bereiche aufweise. Die Potentialflächenuntersuchung des Beklagten selbst und verschiedene Untersuchungen kreisangehöriger Städte und Gemeinden und von privaten Vorhabenträgern wiesen aber aus, dass der Beklagte aus einem Pool darstellbarer Flächen sich ohne nachvollziehbare Gründe auf die Ausweisung der beiden Vorrangstandorte in der Stadt G. und in der Gemeinde H. beschränkt habe, die zudem im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Regionalen Raumordnungsprogramms bereits bebaut gewesen seien.

Mit Bescheid vom 22. Januar 2004 hat der Beklagte den Antrag vom 10. Juni 2003 abgelehnt und zur Begründung ergänzend ausgeführt, auch das im Abstand von 1100 bis 1400 m befindliche Baudenkmal „Rittergut I.“ werde beeinträchtigt.

Am 2. Februar 2004 hat der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt, den die Bezirksregierung Lüneburg mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2004 unter ausführlicher Darstellung entgegenstehender Belange des Denkmal- und Naturschutzes zurückgewiesen hat.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 22. Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. März 2004 zu verpflichten, ihm einen planungsrechtlichen Bauvorbescheid für zwei Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe bis 120 m und einer Gesamthöhe bis 150 m zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, nach dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 17. Dezember 2002 (2 A 73/01) sei das Regionale Raumordnungsprogramm uneingeschränkt genehmigt. Aufgrund der Ausschlusswirkung sei es unerheblich, welche Schutzwürdigkeit der Standort des Bauvorhabens habe.

Die Beigeladene hat erklärt, sie unterstütze den Vortrag des Beklagten.

In der mündlichen Verhandlung am 8. Juli 2004 hat die Beigeladene erklärt, die Samtgemeinden J., K. und L. hätten einen gemeinsamen Flächennutzungsplan entwickelt, der zuletzt am 5. Juli 2004 von Rat der Samtgemeinde J. beschlossen worden sei. Dieser Plan solle im Juli 2004 der Bezirksregierung Lüneburg zur Genehmigung vorgelegt werden. Er weise eine Vorrangfläche für Windenergieanlagen an der A 7 im Gebiet der Samtgemeinde L. mit einer Größe von 370 ha aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten in diesem Verfahren und im Parallelverfahren 2 A 271/03 verwiesen.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf einen planungsrechtlichen Bauvorbescheid für die von ihm in der Gemeinde Böhme geplanten zwei Windkraftanlagen.

Nach § 74 Abs. 1 NBauO ist auf Antrag (Bauvoranfrage) über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbstständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden. Der Kläger hat eine Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit seines Vorhabens beantragt.

Das vom Kläger geplante Vorhaben ist an dem vorgesehenen Standort im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zulässig, da öffentliche Belange nicht entgegenstehen.

191. Das Vorhaben des Klägers - zwei Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von jeweils 149,09 m - ist als raumbedeutsam einzustufen. Die Kammer geht nach ihrem grundlegenden Urteil vom 8. Juli 2003 (2 A 62/02, Berufungsverfahren noch nicht abgeschlossen) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Schwelle der Raumbedeutsamkeit für einzelne Windenergieanlagen im Flachland in der Regel bei einer Gesamthöhe von 100 m erreicht wird. Es wird hier auch von keinem der Beteiligten vertreten, die beiden knapp 150 m hohen Anlagen seien nicht raumbedeutsam.

2. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehen öffentliche Belange einem Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 6 BauGB in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

a) Den Festsetzungen im Regionalen Raumordnungsprogramm 2000 des Beklagten kommt keine Ausschlusswirkung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu.

aa) Die Kammer hat die Festsetzungen dieses Regionalen Raumordnungsprogramms bislang für wirksam gehalten. Sie hat dazu in ihrem rechtskräftigen Urteil vom 17. Dezember 2002 (2 A 73/01) u.a. ausgeführt:

„2 c. Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe mit den Standorten M. -Nord (Stadt G.) und N. (Gemeinde H.) lediglich „Alibistandorte“ ausgewiesen, überzeugt als Begründung für einen Abwägungsfehler daher schon deshalb nicht, weil es - wie dargelegt - an quantitativen Vorgaben für den Umfang der Windenergiegewinnung und damit an einem Kriterium für die Bestimmung, wann Standortausweisungen unzureichend wären, fehlt. Zutreffend weist das Oberverwaltungsgericht Koblenz in seiner Entscheidung vom 28. Februar 2002 im übrigen darauf hin, dass der Gesetzgeber der Regionalplanung gerade die Möglichkeit eröffnen wollte, durch positive Standortausweisung den übrigen Planungsraum von privilegierten Anlagen freizuhalten (OVG Koblenz, Urteil v. 28.2.2002 - 1 A 11625/01 - UPR 2002,196). Bei der gegebenen Gesetzeslage reicht die Ausweisung eines Vorrangstandortes für raumbedeutsame Windenergieanlagen, was nach gegenwärtiger Auffassung bei einer Fläche gegeben ist, die die Errichtung von fünf Windenergieanlagen zulässt, in den Regionalen Raumordnungsprogrammen aus, um die Rechtsfolge des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB herbeizuführen. Dass beide Vorrangflächen in M. -Nord (Stadt G.) und N. (Gemeinde H.) nicht groß und nur für die Aufnahme einer begrenzten Anzahl von Anlagen mit Kapazitäten von derzeit 6,75 MW bzw. 10 MW geeignet sind, begründet daher auch im Hinblick auf das Ziel des Klägers, hierdurch die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB herbeizuführen, keinen Abwägungsfehler.“

bb) Im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verhinderungsplanung vermag die Kammer dem Raumordnungsprogramm des Beklagten nach heutigem Erkenntnisstand keine Ausschlusswirkung mehr beizumessen.

25Zu den Anforderungen an die Regionalplanung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 13. März 2003 (BVerwG 4 C 4.02 , NVwZ 2003, 738) ausgeführt:

“§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stellt die Errichtung von Windenergieanlagen (sowie anderer Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB) im gemeindlichen Außenbereich unter einen Planungsvorbehalt, der sich an die Gemeinden als Träger der Flächennutzungsplanung und an die Träger der Raumordnungsplanung, insbesondere der Regionalplanung, richtet. Der Planungsvorbehalt setzt gebietsbezogene Festlegungen des Plangebers über die Konzentration von Windenergieanlagen an bestimmten Standorten voraus, durch die zugleich ein Ausschluss der Anlagen an anderer Stelle im Plangebiet angestrebt und festgeschrieben wird. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verleiht derartigen Festlegungen rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Bauantragsteller mit der Folge, dass Vorhaben außerhalb der Konzentrationszonen in der Regel unzulässig sind.

Die negative und die positive Komponente der festgelegten Konzentrationszonen bedingen einander. Der Ausschluss der Anlagen auf Teilen des Plangebiets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers nur rechtfertigen, wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird. Die Abwägung aller beachtlichen Belange muss sich auf die positiv festgelegten und die ausgeschlossenen Standorte erstrecken. Eine normative Gewichtungsvorgabe, der zufolge ein Planungsträger der Windenergienutzung im Sinne einer speziellen Förderungspflicht bestmöglich Rechnung zu tragen habe, ist der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen. Eine gezielte (rein negative) "Verhinderungsplanung" ist dem Plangeber jedoch verwehrt. Er muss die Entscheidung des Gesetzgebers, Windenergieanlagen im Außenbereich zu privilegieren (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB), beachten und für die Windenergienutzung im Plangebiet in substantieller Weise Raum schaffen. Eine "Verhinderungsplanung" liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn die Festlegung von Konzentrationsflächen im Ergebnis zu einer Art Kontingentierung der Anlagenstandorte führt.

Wo die Grenze zur unzulässigen "Negativplanung" verläuft, lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Ob diese Grenze überschritten ist, kann nur angesichts der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Planungsraum entschieden werden. Entgegen der Revision ist allein der Umstand, dass der Träger der Regionalplanung den gesamten Außenbereich einzelner Gemeinden zur Ausschlussfläche erklärt hat, noch kein Indiz für eine "Verhinderungsplanung". Die Sperrung eines oder mehrerer Außenbereiche für die Windenergienutzung kann aus Sicht der Regionalplanung, die großräumigen und übergreifenden Leitvorstellungen der Raumentwicklung verpflichtet ist und wirtschaftliche Ansprüche mit den sozialen und ökologischen Erfordernissen der Siedlungs- und Freiraumstruktur in Einklang zu bringen hat (vgl. §§ 1 und 2 ROG), gerechtfertigt sein, um die Errichtung von Windkraftanlagen im Planungsraum so zu steuern, dass das übergemeindliche Konzept zum Tragen kommt.“

Zum Begriff der Verhinderungsplanung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 2002 (BVerwG 4 C 15/01, NVwZ 2003, 733) für einen gemeindlichen Flächennutzungsplan ausgeführt:

“Der Gemeinde ist es daher verwehrt, den Flächennutzungsplan als Mittel zu benutzen, das ihr dazu dient, unter dem Deckmantel der Steuerung Windkraftanlagen in Wahrheit zu verhindern. Mit einer bloßen "Feigenblatt"-Planung, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinausläuft, darf sie es nicht bewenden lassen. Vielmehr muss sie der Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tragen und für die Windenergienutzung in substantieller Weise Raum schaffen. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bietet keine Handhabe dafür, die Zulassung von Windkraftanlagen in der Weise restriktiv zu steuern, dass die Gemeinde sich einseitig von dem Ziel leiten lässt, die Entfaltungsmöglichkeiten dieser Nutzungsart auf das rechtlich unabdingbare Minimum zu beschränken. Der Gesetzgeber gestattet es, das durch § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB rechtlich geschützte Nutzungsinteresse in der Konkurrenz mit anderen Abwägungsbelangen ggf. zurückzustellen. Ein solches "Wegwägen" ist indes rechtfertigungsbedürftig. Ist die Planung nicht durch Abwägungsoffenheit gekennzeichnet, sondern in einer bestimmten Richtung vorgeprägt, so sind Abwägungsdefizite vorprogrammiert. Wo die Grenze zur Verhinderungsplanung verläuft, lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Beschränkt sich die Gemeinde darauf, eine einzige Konzentrationszone auszuweisen, so ist dies, für sich genommen, noch kein Indiz für einen fehlerhaften Gebrauch der Planungsermächtigung. Auch Größenangaben sind, isoliert betrachtet, als Kriterium ungeeignet. Die ausgewiesene Fläche ist nicht nur in Relation zu setzen zur Gemeindegröße, sondern auch zur Größe der Gemeindegebietsteile, die für eine Windenergienutzung, aus welchen Gründen immer, nicht in Betracht kommen. Dazu gehören nicht zuletzt die besiedelten Bereiche, zusammenhängende Waldflächen sowie Flächen, die aufgrund der topographischen Verhältnisse im Windschatten liegen. Eignet sich nur ein geringer Teil des Gemeindegebiets für eine Windenergienutzung, so lässt sich eine im Vergleich zur Gesamtgröße kleine Konzentrationszone schon aus diesem Grunde nicht als Indikator für eine missbilligenswerte Verhinderungstendenz werten.“

An diesen vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten neueren Maßstäben gemessen stellt sich das Regionale Raumordnungsprogramm 2000 des Beklagten in mehrfacher Hinsicht als abwägungsfehlerhaft dar.

32(1) Das Ergebnis des Abwägungsprozesses ist angesichts des vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Maßstabes des Verhältnisses von Gesamtfläche und Potentialfläche zur letztendlich ausgewiesenen Vorrangfläche als fehlerhaft anzusehen.

Angesichts der Größe des Kreisgebietes von 1.873,36 km² ist die Planung des Beklagten, nur zwei Vorrangstandorte für Windenergienutzung in M. Nord (Stadt G.) und N. (Gemeinde H.) für 5,25 MW bzw. 7,5 MW darzustellen, nicht ausreichend; auch nach Abzug der Ausschlussflächen (vgl. Arbeitskarte des Beklagten für die Windkraftnutzung von 1997) verbleiben noch Flächen im Umfang von etwa 1/3 des Kreisgebietes, deren Verhältnis zur Größe der ausgewiesenen Flächen Indiz für eine Verhinderungstendenz ist. Auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Kreisgebiets, zu denen neben der besonderen Bedeutung des Fremdenverkehrsgewerbes und der besonders schutzwürdigen Heidelandschaft auch die überwiegend eher geringen Windgeschwindigkeiten gehören, hält die Kammer die im Regionalen Raumordnungsprogramm des Beklagten ausgewiesenen Vorranggebiete für Windenergieanlagen nicht für ausreichend, um eine Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bewirken zu können. Dieses Ergebnis drängt sich um so mehr auf, als sich die Samtgemeinden L., J. und K. bei der Aufstellung eines gemeinsamen Flächennutzungsplanes nunmehr in der Lage gesehen haben, ein Gebiet in der Größe von 370 ha als Sonderbaufläche für Windenergieanlagen zu planen, das wegen seiner Größe und Bedeutung für raumbedeutsame Vorhaben geradezu prädestiniert ist und bei der Planung des Beklagten keinerlei Berücksichtigung gefunden hat. Bei der Bewertung des Regionalen Raumordnungsprogramms des Beklagten kann die Kammer insgesamt nicht feststellen, dass der Windenergienutzung im Plangebiet „in substanzieller Weise Raum geschaffen“ wird.

(2) Auch der dem Raumordnungsprogramm zugrundeliegende Abwägungsprozess erweist sich als fehlerhaft, da der Beklagte die selbst gewählten Prüfschritte, die er abstrakt in seinem Programm benennt (S. 175 - 177 RROP), nicht hinreichend dokumentiert hat und das festgesetzte Ergebnis im Widerspruch zu diesen Prüfschritten steht.

Der Beklagte hat weder in der mündlichen Verhandlung noch in den vorgelegten Unterlagen nachvollziehbar darlegen können, auf welche Weise er die ausgewiesenen Standorte gewonnen hat. Die Erläuterungen im Text seines Regionalen Raumordnungsprogrammes beschränken sich auf eine abstrakte Beschreibung der Prüfschritte, ohne dass auch deren konkrete Umsetzung in den vorgelegten Akten nachvollziehbar dokumentiert würde. In den vorgelegten Akten findet sich zwar eine Darstellung der Ausschlusskriterien in Kartenform (Arbeitskarte Windkraftnutzung 1999), in der die verschiedenen Ausschlusskriterien in mehreren Karten nebeneinander dargestellt sind. Ob und welche Restflächen sich danach ergeben, ist jedoch nicht erkennbar, da die Ausschlusskriterien nicht zusammen dargestellt sind. Die vom Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung als Darstellung der Potentialflächen angesehene Arbeitskarte 1997 soll nach den Ausführungen des Beklagten nur ein internes Arbeitspapier in einem Vorstadium sein und keine Abwägungsrelevanz haben. Die abstrakt dargestellten Prüfschritte zwei (Abwägung) und drei (Positivkriterien) sind nicht durch weitere Unterlagen belegt. Es fehlt insbesondere an einer Darstellung der Potentialflächen mit den vom Beklagten genannten Eignungskriterien. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, welche Potentialflächen überhaupt ermittelt wurden und auf welche Weise der Beklagte von diesen Potentialflächen zu den festgesetzten Flächen gelangt ist. Das von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Kriterium der Vorbelastung der Landschaft durch Hochspannungsleitungen findet sich in weiten Teilen des Kreisgebiets wieder und trägt diese Entscheidung nicht; warum weitere vorbelastete Flächen etwa entlang der A 7, wie sie als Vorranggebiete nicht nur von den o.g. Samtgemeinden geplant, sondern auch von der Stadt O. nunmehr ausgewiesen worden sind, keine Berücksichtigung gefunden haben, kann nicht nachvollzogen werden.

Vielmehr setzt sich der Beklagte durch die von ihm schließlich getroffenen Festsetzungen in Widerspruch zu dem von ihm im dritten Prüfschritt (S. 177) selbst gewähltem Eignungskriterium der Flächengröße über 30 ha, mit dem er die von ihm später festgesetzten Vorranggebiete eigentlich als ungeeignet hätte ausscheiden müssen. Nach welchen Kriterien er dann - aus den im dritten Prüfungsschritt ausgeschiedenen Gebieten - doch noch auf die schließlich ausgewiesenen Vorrangstandorte gekommen ist, lässt sich weder der abstrakten Darstellung des Verfahrens im Raumordnungsprogramm noch den weiteren vorgelegten Unterlagen entnehmen.

(3) Die Abwägungsentscheidung des Beklagten erweist sich zudem als in sich widersprüchlich. Der Beklagte geht einerseits in den Erläuterungen seines Raumordnungsprogrammes (D 3.5. S. 175) davon aus, die Nabenhöhen von Windenergieanlagen seien so zu wählen, dass eine Tages- und Nachtkennzeichnungspflicht vermieden werde. Diese an sich unverbindliche Erläuterung des Raumordnungsprogramms, die sich in der Festsetzung in Kartenform nicht wieder findet, wird in der Verwaltungspraxis der Beklagten wie eine verbindliche Festsetzung behandelt, da sie in diesem und weiteren bei der Kammer anhängigen Verfahren vom Beklagten in seinen Bescheiden als zwingender Ablehnungsgrund behandelt wird. Damit werden die nach der Rechtsprechung der Kammer erst raumbedeutsamen Vorhaben ab 100 m Höhe vom Beklagten bereits von vorneherein ausgeschlossen. Bereits dies hat in Ansehung der geringen Größe der beiden Vorranggebiete Verhinderungscharakter, zumal auch raumbedeutsame Windparks mit kleineren Einzelanlagen nur am Standport N. mit maximal 5 Anlagen gerade eben möglich sind.

Andererseits weicht der Beklagte aber vom selbst gewählten Eignungskriterium Flächengröße 30 ha nach unten ab, weil „wirtschaftlich betriebene Windenergieanlagen im Binnenland sowohl als Einzelanlagen als auch in Gruppen bis zu 5 Windenergieanlagen im Einzelfall als raumbedeutsame Windenenergieanlagen beurteilt werden können“ (Erläuterung D 3.5. S. 178). Angesichts dieser nicht miteinander vereinbaren Aussagen vermag die Kammer ein „schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird“ (vgl. BVerwG, Urt. v. 13. März 2003, s.o.) nicht festzustellen, zumal der Beklagte tatsächlich weder besonders große Einzelanlagen (> 100 m) noch größere Windparks zulässt.

b) Auch dem noch nicht der Bezirksregierung Lüneburg zur Genehmigung vorgelegten gemeinsamen Flächennutzungsplan der Samtgemeinden J., K. und L. kommt noch nicht die in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB vorgesehene Ausschlusswirkung zu.

40Zur Ausschlusswirkung von (ungenehmigten) Flächennutzungsplänen hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil v. 13.3.2003 ( - BVerwG 4 C 3.02 - NVwZ 2003, 1261) ausgeführt:

„Gegen die Annahme, dass im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auch Planentwürfe beachtlich sein könnten, spricht schon der Wortlaut dieser Vorschrift. In ihr ist von Darstellungen im Flächennutzungsplan und von Zielen der Raumordnung und nicht - wie sinngemäß in § 33 BauGB - von Planentwürfen die Rede. Ferner setzt die rechtliche Möglichkeit, im Außenbereich privilegierte Vorhaben gleichwohl gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB an bestimmten Standorten auszuschließen, voraus, dass diese Vorhaben durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder durch Ausweisung als Ziele der Raumordnung an anderer Stelle zugelassen worden sind. Hierfür bedarf es, wie bereits ausgeführt worden ist, einer abgewogenen Planung auf der Grundlage eines gesamträumlichen Planungskonzepts. Nur wenn durch Planung sichergestellt ist, dass die in § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB genannten Vorhaben in Teilbereichen des Plangebiets errichtet werden können, lässt sich ihr Ausschluss an anderer Stelle rechtfertigen. Deshalb folgt aus dem Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, dass seine Ausschlusswirkung nicht nur von einer materiell rechtmäßigen Planung abhängt, sondern dass die Pläne auch formell in Kraft getreten sein müssen (im Ergebnis so auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Januar 1999 - 1 L 5538/97 - NuR 1999, 289 - BRS 62 Nr. 111; OVG Bautzen, Urteil vom 18. Mai 2000 - 1 B 29/98 - NuR 2002, 162 = SächsVBl. 2000, 244).“

3. Auch die in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten öffentlichen Belange stehen dem Vorhaben nicht entgegen.

43Hinsichtlich der weiterhin vom Beklagten aufgeführten öffentlichen Belange - insbes. der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Ziffern 1, 4 und 5 BauGB aufgeführten - ist zunächst noch einmal darauf hinzuweisen, dass sie nicht nur „beeinträchtigt“ werden dürfen, sondern „entgegenstehen“ müssen. Die Privilegierung wirkt sich in einem stärkeren Durchsetzungsvermögen gegenüber den berührten öffentlichen Belangen aus (OVG Lüneburg, Beschluss v. 20. 12. 2001 - 1 MA 3579/01 -, BauR 2002, S. 592). Die unter § 35 Abs. 1 BauGB fallenden Vorhaben sind im Außenbereich bevorzugt zulässig. Diese Bevorzugung ist allerdings nicht von quantitativer Art in dem Sinne, dass in einem Verstoß gegen entgegenstehende öffentliche Belange (Abs. 1) ein im Vergleich zur Beeinträchtigung öffentlicher Belange (Abs. 2) höherer Grad der Verletzung zu sehen wäre. Kennzeichnend sind vielmehr Unterschiede im erforderlichen Abwägungsvorgang. Für die Anwendung des ersten und zweiten Absatzes von § 35 BauGB gilt übereinstimmend, dass es jeweils einer Abwägung zwischen dem beabsichtigten Vorhaben und den von ihm etwa berührten öffentlichen Belangen bedarf. Bei dieser Abwägung muss jedoch - darin unterscheiden sich die beiden Absätze - zugunsten der von § 35 Abs. 1 BauGB erfassten Vorhaben die ihnen vom Gesetz zuerkannte Privilegierung gebührend in Rechnung gestellt werden. Das hat zwar nicht immer, aber doch im Regelfall zur Folge, dass sich ein privilegiertes Vorhaben zu Lasten von öffentlichen Belangen und insofern zu Lasten der Allgemeinheit auch dann noch durchsetzen kann, wenn unter gleichen Voraussetzungen ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB wegen dieser von ihm beeinträchtigten öffentlichen Belange (schon) unzulässig ist (BVerwG, Urteil vom 14. März 1975 - 4 C 41.73 -, BauR 1975, 261; seitdem st. Rspr. )

a) Das Vorhaben widerspricht nicht den Darstellungen eines Flächennutzungsplanes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB).

45Zu den Auswirkungen eines noch in der Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplanes hat das BVerwG (Urt. v. 13.03.2003 - BVerwG 4 C 3/02 - ,a.a.O.) ausgeführt:

„Ob die Darstellungen eines Flächennutzungsplanentwurfs einem im Außenbereich privilegierten Vorhaben als öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen können, braucht nicht entschieden zu werden. Gegen diese Möglichkeit spricht zwar nicht schon, dass der Entwurf eines Flächennutzungsplans in dem Katalog der öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht ausdrücklich erwähnt wird. Denn diese Aufzählung ist nicht abschließend (BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1997 - BVerwG 4 C 23.95 - ZfBR 1997, 322). Fraglich ist aber, ob nach der Wertung des Gesetzgebers, wie sie sich aus den Regelbeispielen der Vorschrift ergibt, nicht nur die Darstellungen eines wirksamen Flächennutzungsplans, sondern bereits die eines Planentwurfs für die Zulassung von Vorhaben im Außenbereich beachtlich sein sollen. In seinem Beschluss vom 9. August 1976 - BVerwG 4 B 153.75 - (Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 129) hat der erkennende Senat entschieden, dass sich Flächennutzungspläne, die sich in der Aufstellung befinden, als hinderlicher öffentlicher Belang jedenfalls dann nicht auswirken, wenn das Anregungsverfahren nach § 2 Abs. 6 Satz 2 BBauG (= § 3 Abs. 2 BauGB) noch nicht durchgeführt worden ist. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, diesen Fragen weiter nachzugehen. Denn der Entwurf eines Flächennutzungsplans kann jedenfalls nur dann ein öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB sein, wenn er im Sinne von § 33 BauGB "planreif" ist. Daran fehlt es hier aber. Zwar hat die Verbandsgemeinde N. am 25. Februar 2003 die Fortschreibung des Flächennutzungsplans beschlossen und dabei die Darstellungen über die Zulässigkeit von Windkraftanlagen für das Gebiet der beigeladenen Ortsgemeinde gebilligt. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten hat sie jedoch auch beschlossen, den Planentwurf für eine andere Ortsgemeinde zu ändern und ihn insoweit erneut auszulegen. Wenn es Aufgabe der Verbandsgemeinde ist, für ihre Mitglieder einen einheitlichen Flächennutzungsplan aufzustellen, so muss die Planreife für das gesamte Verbandsgebiet gegeben sein. Wegen der angestrebten Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB lässt sich die Planung der Windenergieanlagen nicht auf Teilbereiche des Verbandsgebiets beschränken.“

47Auch im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Planreife des Flächennutzungsplanes, die voraussetzt, dass der Plan, so wie er als Entwurf vorliegt, voraussichtlich wird in Kraft treten können. Dazu gehört nicht zuletzt, dass er den Anforderungen genügt, die sich aus dem Abwägungs- und Plangebot ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.8.2002 - BVerwG 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25). Die 12. Änderung des Flächennutzungsplans der Samtgemeinde L. und der Samtgemeinden J. und K. ist nach Einschätzung der Kammer mit der ihr erst in der mündlichen Verhandlung in groben Zügen bekannt gegebenen Planung noch nicht planreif, zumal im - noch nicht begonnenen - Genehmigungsverfahren erhebliche Änderungen zu erwarten stehen. Die Ausweisung eines Sondergebietes für Windkraftanlagen in der Größe von 370 ha für nicht raumbedeutsame Windkraftanlagen begegnet rechtlichen Bedenken, da die Entstehung eines raumbedeutsamen Windparks kaum vermeidbar sein dürfte und das Regionale Raumordnungsprogramm des Beklagten an dieser Stelle andere Festsetzungen aufweist.

48Zudem folgt die Kammer der vom Verwaltungsgericht Göttingen vertretenen Ansicht, dass Entwürfe von Flächennutzungsplänen noch keinen öffentlichen Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB darstellen können. Zur Begründung dieser Ansicht hat das Verwaltungsgericht Göttingen in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2003 (2 B 341/03 , juris NR MWRE 119610300) ausgeführt:

„Nach § 245 b Abs. 1 Satz 1 BauGB hatte die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB bis längstens zum 31. Dezember 1998 auszusetzen, wenn die Gemeinde beschlossen hatte, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen und beabsichtigt hatte zu prüfen, ob Darstellungen zu Windenergieanlagen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 in Betracht kommen. Sinn und Zweck der Übergangsregelung ist es (gewesen), den Gemeinden im Anschluss an die Privilegierung von Windkraftanlagen im Außenbereich, die der Gesetzgeber in dem Änderungsgesetz zum BauGB vom 30. Juli 1996 (Bundesgesetzblatt I, 1189) eingeführt hatte, hinreichend Zeit einzuräumen, die Frage von Standortzuweisungen für Windkraftanlagen im Flächennutzungsplan im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zur Steuerung der Zulassung von solchen Anlagen zu klären. Der Gesetzgeber ist allerdings davon ausgegangen, dass die Überlegungen der Gemeinden längstens bis zum 31. Dezember 1998 in eine entsprechende Planung eingeflossen sein mussten. Dem Zweck dieser Übergangsregelung würde nicht Rechnung getragen, sofern einem Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB auch über den 31. Dezember 1998 hinaus Standortzuweisungen für Windkraftanlagen entgegengehalten werden könnten, die in einem noch nicht rechtsverbindlichen oder - wie hier - noch gar nicht genehmigten Flächennutzungsplan getroffen werden sollen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss v. 12.9.2003 - 1 ME 212/03). Der Gesetzgeber hat somit in § 245 b Abs. 1 Satz 1 BauGB eine Sonderregelung für solche Flächennutzungspläne getroffen, die die Ausweisung von Sondergebieten für Windenergie betreffen. Diese Sonderregelung hat der Gesetzgeber bewusst bis zum 31. Dezember 1998 befristet und damit den planbetroffenen Gemeinden ausreichend Zeit für entsprechende Planungen gegeben. Diese Vorschrift wäre überflüssig und gegenstandslos, wenn man Entwürfen von Flächennutzungsplänen die Bedeutung eines öffentlichen Belanges im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB zumessen würde. Denn es hätte ihrer dann nicht bedurft. Die Kammer gelangt folglich zu dem Ergebnis, dass Entwürfe von Flächennutzungsplänen im Rahmen des § 35 BauGB die Bedeutung eines zu beachtenden öffentlichen Belangs nicht zukommt.“

50b) Es kann vorliegend offen bleiben, ob durch die beiden Windkraftanlagen die in § 35 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 5 BauGB aufgeführten öffentlichen Belange beeinträchtigt werden, soweit sie den Schutz von Natur und Landschaft auch für ihren Erholungswert und ihr Erscheinungsbild bezwecken, weil diese öffentlichen Belange dem Vorhaben jedenfalls nicht entgegenstehen. Dabei soll nicht in Abrede gestellt werden, dass Windkraftanlagen durch ihre Höhe und die Bewegung der Rotoren das Landschaftsbild deutlich verändern. Diese Beeinträchtigungen können auch durch Ausgleichsmaßnahmen nicht ungeschehen gemacht werden, weil die Dimensionen der Anlagen es ausschließen, sie beispielsweise so einzugrünen, dass sie nicht mehr zu sehen sind. Die Privilegierung von Windkraftanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB schließt aber ein, dass Windkraftanlagen nicht nur an Standorten zugelassen werden müssen, an denen die Landschaft "unwiederbringlich verschandelt" ist. Das Gewicht der Privilegierung äußert sich vielmehr darin, dass Windkraftanlagen wegen ihrer Auswirkungen auf das Landschaftsbild nur dort unzulässig sind, wo dem Landschaftsbild ein besonderer Wert zukommt. Von einer Verunstaltung des Landschaftsbildes kann in diesem Zusammenhang nur dann die Rede sein, wenn es sich um eine wegen ihrer Schönheit oder Funktion besonders schutzwürdige Umgebung oder um einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handelt. Bloße nachteilige Veränderungen oder Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes können ein solches Vorhaben nicht unzulässig machen (OVG Lüneburg: Urteil vom 30. 10. 1997 - 6 L 6400/95 -, zitiert nach juris; Beschluss vom 20. Dezember 2001, a.a.O.; ).

Die geplanten Anlagen stellen sicherlich einen Blickfang dar, weil sie den Landschaftsraum an dieser Stelle wegen ihrer Höhe von knapp 150 m beeinflussen, mit den Drehbewegungen des Rotors optische Unruhe erzeugen und auf das Erscheinungsbild einer ruhigen, weithin unberührten Landschaft einwirken. Das allein macht jedoch nicht die Verunstaltung aus. Ein „grober Eingriff“ kann nicht allein daraus abgeleitet werden, dass Windkraftanlagen angesichts ihrer Größe markant in Erscheinung treten. Wenn der Gesetzgeber die Windenergieanlagen dem Außenbereich als privilegierte Anlagen zugewiesen hat, hat er auch ihr typisches Erscheinungsbild mit den hohen Masten und den sich drehenden Rotoren mitbedacht. Dasselbe gilt für die Tatsache, dass die Windkraftanlagen an vergleichsweise exponierter Stelle und nicht etwa in einem Tal oder an sonst verdeckten Orten errichtet werden sollen. Auf einen solchen Standort sind sie im Hinblick auf eine wirtschaftlich sinnvolle Windausbeute angewiesen. Damit setzen sich die im Streit befindlichen Anlagen vorliegend auch gegenüber einem Vorsorgegebiet für Erholung und dem in einiger Entfernung Landschaftsschutzgebiet „I. tal“ durch, zumal in der überwiegend landwirtschaftlich genutzten unmittelbaren Umgebung für Erholung wenig Raum bleibt und sie auch keine besonderen landschaftlichen Reize aufweist.

Gleiches gilt für die vom Beklagten geltend gemachten Belange des Naturschutzes; angesichts des Abstandes von mindestens 1500 m zu den südöstlich und südlich von Böhme ausgewiesenen Vogelschutzgebieten steht die nur für möglich gehaltene Beeinflussung der Avifauna dem Vorhaben jedenfalls nicht entgegen. Die Kammer folgt insoweit den Darlegungen des Klägers, dass die von den Anlagen möglicherweise ausgehende „Riegelwirkung“ allenfalls dazu führt, dass Zug- und Rastvögel einen angesichts der nahen Schutzgebiete mit Nahrungsquellen unschädlichen kurzen Umweg fliegen. Die Gefahr von Kollisionen der Vögel mit den Windkraftanlagen besteht nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht.

53c) Denkmalpflegerische Belange stehen dem Vorhaben ebenfalls nicht entgegen. Gemäß dem hier zur Beurteilung heranzuziehenden § 8 NdSchG darf die jeweilige besondere Wirkung eines Baudenkmals, die es als Kunstwerk, Zeugnis der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element hat, durch eine hinzutretende Bebauung nicht beeinträchtigt werden (Schmaltz/Wiechert, NdSchG, Komm. 1998, § 8 Rdn. 6). In der Rechtsprechung ist dabei regelmäßig auf die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes abgestellt worden. Die Vorschrift geht damit über das allgemeine Verunstaltungsgebot des § 53 NBauO hinaus. Es genügt nicht, dass nur ein hässlicher, Unlust erregender Kontrast zwischen der benachbarten Anlage und dem Denkmal vermieden wird. Vielmehr darf die jeweilige besondere Wirkung eines Baudenkmals, die es als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element auf den Beschauer ausübt, nicht geschmälert werden. So können beispielsweise hohe Richtfunktürme und Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe historischer Altstädte eine Beeinträchtigung von herausragenden Kirchen und einer Stadtsilhouette darstellen. Entscheidend ist mithin, inwieweit der Schauwert des Denkmals beeinträchtigt wird, was wiederum von den jeweiligen Größen und Entfernungen und damit den Blickbeziehungen zwischen geschützter Anlage und hinzutretender Bebauung abhängt (Schmaltz/ Wiechert, a.a.O., § 8 Rdn. 7; OVG Schleswig, Urteil v. 20. 7. 1995 - 1 L 38/94 - NuR 1996, 364 [Meldorfer Dom]).

Nach Überzeugung der Kammer ist nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung der geschützten Baudenkmäler durch die beiden Windkraftanlagen auszugehen. Die Abstände liegen nach dem Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg von der hochrangigen barocken Gutsanlage (Herrenhaus, Gutskapelle, Scheune an der K 114) bei mindestens 900 m zur näheren Anlage Ost, während lediglich das ehemalige Bahnhofs- und Gaststättengebäude etwa 650 m von der Anlage Ost entfernt ist. Die Gutsanlage kann als solche vom Betrachter nur von der Mitte der Anlage, also vom Hof aus, als Gesamtanlage mit allen wesentlichen Teilen wahrgenommen werden; bei einer solchen Betrachtung sind die noch zu errichtenden Windkraftanlagen in etwa 1 km Entfernung jedoch durch die Gebäude und den vorhandenen Baumbestand weitgehend verdeckt. Auch für einen Betrachter, der im Nahbereich vor der Gutsanlage steht, ist es angesichts des dichten Gebäude- und Baumbestandes kaum möglich, das Gut und die Windkraftanlagen gleichzeitig in den Blick zu nehmen. Angesichts der Art der Gutsanlage ist ihre Wirkung auf die nähere Umgebung beschränkt; ein Schauwert noch im Umkreis mehrerer Kilometer, wie ihn das schleswig-holsteinische Oberverwaltungsgericht dem Dom und dem Stadtbild von Meldorf beigemessen hat, ist bei der von der Bedeutung her deutlich geringer einzustufenden Gutsanlage nicht gegeben. Die Kammer teilt auch nach den Erfahrungen von Ortsterminen in ähnlich gelagerten Verfahren nicht die Einschätzung der Bezirksregierung Lüneburg (S. 4 des Widerspruchsbescheides) , für die Authentizität denkmalwerter Hofanlagen seien landwirtschaftliche/naturnahe Flächen in so weitem Umkreis erforderlich. Gleiches gilt für das immerhin noch 650 m von der östlichen Windkraftanlage entfernte ehemalige Bahnhofs- und Gaststättengebäude, dessen Wirkung angesichts der ohnehin geringeren denkmalschutzrechtlichen Bedeutung wie auch seiner Art nach auf die unmittelbare Umgebung beschränkt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Berufung ist durch das Verwaltungsgericht zuzulassen, da die Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung haben, nach welchen Kriterien sich die Raumbedeutsamkeit von Windkraftanlagen bestimmt und wann bei einem Raumordnungsprogramm eine Verhinderungsplanung im Sinne der o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen ist, insbesondere, in welchem Verhältnis die ausgewiesenen Flächen zu den ermittelten Potentialflächen stehen müssen (§ 124a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).