Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10.05.2004 - 2 NB 856/04
Fundstelle
openJur 2012, 41446
  • Rkr:

Zur Frage der sog. patientenbezogenen Aufnahmekapazität unter Berücksichtigung außeruniversitärer Lehrkrankenhäuser.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den ihn betreffenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2003, mit der der Antragsteller bei der Antragsgegnerin weiter die (vorläufige) Zulassung auf einen Vollstudienplatz zu dem Studium der Humanmedizin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2003/2004 erreichen will, bleibt erfolglos.Der Antragsteller trägt mit seiner Beschwerde vor, das Verwaltungsgericht sei in dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht bei den Vollstudienplätzen von einer (bereits ausgeschöpften) Aufnahmekapazität von lediglich 149 Studienplätzen ausgegangen, weil es angenommen habe, die Aufnahmekapazität der Antragsgegnerin werde durch einen Ausbildungsengpass im klinischen Studienabschnitt begrenzt, und zwar betrage die patientenbezogene Kapazität nach § 17 Abs. 1 der (niedersächsischen) "Verordnung über die Kapazitätsermittlung zur Vergabe von Studienplätzen" (v. 23.6.2003, Nds. GVBl. S. 222 – KapVO -) unter Berücksichtigung der im Klinikum der Antragsgegnerin vorhandenen tagesbelegten Betten sowie gem. § 17 Abs. 1 Nr. 3 KapVO unter Hinzurechnung von 26 Studienplätzen, die aufgrund eines Vertrages mit dem Krankenhaus B. in die Ausbildung einbezogen seien, insgesamt 149 Vollstudienplätze pro klinisches Semester. Richtigerweise habe sich die Aufnahmekapazität aber nach dem verfassungsrechtlichen Gebot zur Ausschöpfung der Kapazität an der personalbezogenen Kapazität zu orientieren, weshalb die Aufnahmekapazität nicht durch die patientenbezogene Kapazität eingeengt werden dürfe. Die Antragsgegnerin sei daher verpflichtet gewesen - dies habe das Verwaltungsgericht verkannt und daher nicht erörtert - , die patientenbezogene Kapazität extern durch Vertragskliniken zu erweitern, der lediglich mit der Klinik B. abgeschlossene Vertrag sei insoweit nicht ausreichend gewesen; ein Grund dafür, warum es die Antragsgegnerin unterlassen habe, weitere Vertragskliniken heranzuziehen, sei nicht ersichtlich und auch vom Verwaltungsgericht nicht erwogen worden.

Dieses Vorbringen des Antragstellers, welches der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in diesem Beschwerdeverfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses nur zu würdigen hat, ist indessen nicht geeignet der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Es ist sachlich gerechtfertigt, dass sich die Ausbildungskapazität auch danach richtet, wie viele Patienten zu Ausbildungszwecken zur Verfügung stehen.

Zunächst berücksichtigt die Beschwerdebegründung bei ihrer Argumentation nicht hinreichend, dass beim Studiengang Humanmedizin in der klinisch-praktischen Ausbildung Patienten dazu dienen sollen, den Medizinstudenten die für die Ausbildung zum Arzt erforderlichen Anschauungen zu vermittelten, auch können ohne Patienten bestimmte ärztliche Techniken nicht eingeübt werden (vgl. Bahro, in: Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, RdNr. 1 zu § 17 KapVO). Ein Mangel an Patienten kann daher einen – sich auf die Aufnahmekapazität des Humanmedizinstudienganges auswirkenden – Ausbildungsengpass zur Folge haben (vgl. Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, RdNr. 291). Die Kapazitätsverordnungen der Länder (wie hier für Niedersachsen § 17 KapVO) sehen deshalb nicht etwa willkürlich, sondern von der Sache her geboten und damit verfassungsrechtlich in unbedenklicher Weise grundsätzlich vor, dass die patientenbezogene Kapazität das Lehrangebot und damit die Aufnahmekapazität der Hochschule in dem Studiengang Humanmedizin beeinflussen kann, und zwar auch, wie dies das Verwaltungsgericht zutreffend in dem angefochtenen Beschluss hervorgehoben hat, in begrenzender Weise. Entgegen der Ansicht des Antragstellers kann es daher vom Grundsatz her nicht beanstandet werden, wenn sich das Verwaltungsgericht bei seinen Kapazitätsberechnungen (auch) an der sog. patientenbezogenen Aufnahmekapazität (s. dazu Bahro, aaO, RdNr. 2) ausgerichtet hat.

Es bleibt im Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes offen, ob kapazitätserhöhend berücksichtigt werden muss, wenn durch zusätzliche Vereinbarungen mit Krankenhäusern weitere Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden könnten. Die bloße Behauptung, der Antragsgegner hätte dies tun müssen, genügt jedenfalls nicht der substantiierten Begründungspflicht.

Der Antragsteller kann auch nicht damit gehört werden, das Verwaltungsgericht habe sich bei seinen Berechnungen nicht mit der Anzahl der in dem Klinikum der Antragsgegnerin vorhandenen tagesbelegten Betten bzw. mit der Berücksichtigung der von dem (Vertrags-)Krankenhaus B. zusätzlich angebotenen 26 Ausbildungsplätzen begnügen dürfen. Der Senat kann in diesem Beschwerdeverfahren offen lassen, ob bei der Berechnung der Aufnahmekapazität eines Studienganges der Humanmedizin unter Berücksichtigung des Kapazitätserschöpfungsgebots für den limitierenden Faktor der patientenbezogenen Kapazität nur die an einem Universitätsklinikum vorhandenen tagesbelegten Betten sowie die bei außeruniversitären Lehrkrankenhäusern tatsächlich nutzbaren Studienplätze in den Blick zu nehmen sind – hierfür dürften die Regelungen der Kapazitätsverordnung sprechen – oder ob sich die Universität – so die Beschwerde – kapazitätserhöhend anrechnen lassen muss, dass mit außeruniversitären Einrichtungen zusätzliche Vereinbarungen hätten geschlossen werden müssen und auf diese Weise das Lehrangebot hätte erhöht werden können. Denn selbst wenn man mit der Beschwerde grundsätzlich die Berücksichtigung fiktiver Ausbildungsplätze in (zusätzlichen) außeruniversitären Lehrkrankenhäusern nach dem Kapazitätserschöpfungsgebot für geboten ansehen wollte, würde dies hier nicht zum Erfolg der Beschwerde führen. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist ein Beschwerdeführer nämlich gehalten, substantiiert die Gründe darzulegen, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern ist. Damit reichte es in Bezug auf die hier interessierende – etwaige (s. o.) – Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erschließung kapazitätserhöhender Ausbildungsplätze in außeruniversitären Lehrkrankenhäusern nicht aus, dass der Antragsteller in seinem Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 12. Januar 2004 lediglich die nicht weiter belegte, insbesondere nicht nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 929 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemachte Behauptung aufgestellt hat, die Antragsgegnerin sei ihrer Verpflichtung zur Schaffung zusätzlicher patientenbezogener Kapazitäten in externen Vertragskliniken mit dem Abschluss eines Vertrages nur mit dem Krankenhaus B. in nur unzureichendem Maße nachgekommen. Vielmehr hätte der Antragsteller konkret darlegen müssen, inwieweit und in welchem Umfang neben dem Krankenhaus B. weitere Einrichtungen für die Antragsgegnerin zur Verfügung gestanden haben, die nach ihrer Erreichbarkeit, ihrem Standard und den dortigen örtlichen Verhältnissen in der Lage gewesen wären, die Verpflichtung einzugehen, das notwendige Lehrangebot in Ergänzung des von der Antragsgegnerin in ihrem Klinikum vorgehaltenen Ausbildungsstandards für den Studiengang Humanmedizin auf Dauer zu erbringen (vgl. Bahro, aaO, RdNrn. 34f. zu § 9 KapVO), so dass diese Einrichtungen als akademische Lehrkrankenhäuser der Antragsgegnerin überhaupt in Frage gekommen wären (vgl. zu den anzulegenden Qualitätsstandards auch § 4 der Approbationsordnung für Ärzte v. 27.6.2002, BGBl. I S. 2405). Diesen nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen substantiierten Vortrag lässt das Beschwerdevorbringen aber vermissen, so dass schon von daher die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die weitere Nebenentscheidung über den Streitwert ergibt sich aus den §§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 GKG .

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