VG Stade, Urteil vom 18.03.2004 - 3 A 1563/03
Fundstelle
openJur 2012, 41226
  • Rkr:

Der einmalige Rauschgiftkonsum rechtfertigt die Entlassung eines Soldaten auf Zeit jedenfalls dann, wenn es sich um einen Vorgesetzen handelt und die Pflichtverletzung in Anwesenheit der ihm unterstellten Soldaten erfolgt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Entlassung aus der Bundeswehr.

Der 1980 geborene Kläger war als Zeitsoldat (SaZ 4) Stabsunteroffizier in der 2./PzBtl 74 in Cuxhaven. Seine Dienstzeit hätte regulär mit dem 31.10.2004 geendet.

Am 09.02.2003 fuhr der Kläger mit dem Zug von Hamburg kommend zurück zu seinem Standort. Im Zug traf er zwei zu seiner Kompanie gehörende Soldaten im Mannschaftsdienstgrad. Alle Soldaten waren zu diesem Zeitpunkt alkoholisiert bzw. tranken im Verlauf der Fahrt nicht unerhebliche Mengen Bier. Während der weiteren Fahrt bot einer der Soldaten dem Kläger einen Marihuana enthaltenden Joint an, von dem der Kläger ein bis zwei Züge nahm und anschließend einschlief. Der zweite anwesende Soldat war zu diesem Zeitpunkt alkoholbedingt ebenfalls bereits eingeschlafen.

Zwischen dem 13.03. und dem 18.03.2003 wurde der Kläger mehrfach durch seinen Kompaniechef zu dem vorstehenden Ereignis vernommen; Gegenstand einer Vernehmung war auch, dass der Kläger an einem anderen Tag im Februar 2003 Soldaten seiner Einheit im Zug zwischen Hamburg und Cuxhaven angetroffen hatte, die einen "Joint" rauchten, wobei der Kläger diesen Vorfall seinen Vorgesetzten nicht gemeldet hatte. Mit Schreiben an den Kommandeur der 1. Panzerdivision vom 21.03.2003 - der Kläger war hierzu vorher angehört worden - beantragte der Kompaniechef der Einheit des Klägers, ihn vorzeitig zu entlassen. Auf diesen Antrag erging der angegriffene Bescheid des Kommandeurs der 1. Panzerdivision vom 02.04.2003, mit dem der Kläger auf der Grundlage des § 55 Abs. 5 SG aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit aus der Bundeswehr entlassen wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger durch den eigenen Betäubungsmittelmissbrauch und das Unterlassen einer Meldung über den weiteren Missbrauch von Betäubungsmitteln durch Soldaten seiner Kompanie seine Dienstpflichten verletzt habe. Das Verbleiben in der Bundeswehr würde die militärische Ordnung ernsthaft gefährden, so dass eine mildere Maßnahme als die Entlassung nicht in Betracht komme. Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Beschwerde ein, die mit Beschwerdebescheid des Befehlshabers des Heeresführungskommandos vom 28.08.2003 zurückgewiesen wurde.

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Der Kläger weist zunächst darauf hin, dass er sich an das ihm vorgeworfene Verhalten aufgrund des erheblichen Alkoholkonsums von ca. 2,5 Litern Bier nicht erinnern könne. Dessen ungeachtet stelle der Betäubungsmittelmissbrauch, die Richtigkeit des Vorwurfs unterstellt, einen Einzelfall dar, wie auch der am 24.03.2003 im Standortsanitätszentrum vorgenommene Drogentest belege. Zudem stelle der Konsum in dem vorgeworfenen Umfang nicht die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr in Frage. Diese Erwägungen sowie die Auswirkungen für die berufliche Zukunft des Klägers habe die Beklagte im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt, so dass sich die Entscheidung aus diesem Grunde als fehlerhaft erweise. Gleichzeitig verstoße die Entscheidung damit auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Kommandeurs der 1. Panzerdivision vom 02.04.2003 und den Beschwerdebescheid des Befehlshabers des Heeresführungskommandos vom 28.08.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den Vortrag des Klägers, sich an den Vorfall nicht erinnern zu können, für eine Schutzbehauptung, weil er in der Lage gewesen sei, in seinen Vernehmungen insoweit detaillierte Angaben zu machen. Durch sein Verhalten habe der Kläger, der aktenkundig über die rechtlichen Folgen des Missbrauchs von Betäubungsmitteln belehrt worden war, ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Zudem habe er sich dadurch als Vorgesetzter disqualifiziert. Damit sei auch die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr betroffen, wobei dies weniger durch die Menge der Rauschmittel, die der Kläger persönlich zu sich genommen habe, der Fall sei, sondern vielmehr durch die Gefährdung der militärischen Ordnung, die mit dem Verhalten des Klägers einhergehe. Wenn, wie hier, die militärische Ordnung ernstlich gefährdet sei, sei nach der Rechtsprechung für weitere Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kein Raum; ebenso wenig komme es im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG auf die Frage der Angemessenheit der Maßnahme oder auf die persönlichen Umstände des Soldaten an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der angegriffenen Verfügung ist § 55 Abs. 5 SG. Danach kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat uns sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.

Der Bay. VGH hat zu dieser Vorschrift, die Rechtsprechung des BVerwG zusammenfassend, in seiner Entscheidung vom 25.07.2001 (3 B 96.1876; zitiert nach juris) ausgeführt:

"Danach ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die fristlose Entlassung eines Soldaten auf Zeit (während der ersten vier Dienstjahre) neben der Verletzung der Dienstpflichten, dass sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Schutzgut der "militärischen Ordnung" ist die innerbetriebliche Funktionsfähigkeit der Streitkräfte und zwar in dem Umfang, wie dies zur Aufrechterhaltung der personellen und materiellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erforderlich ist (s. Fürst/Arndt, Soldatenrecht, RdNr. 18 zu § 55 SG; Scherer/Alff, SG, 6. Aufl., RdNr. 21 zu § 55, jeweils m. Nachw. d. Rspr. d. BVerwG). Bei dem "Ansehen der Bundeswehr" geht es um den guten Ruf der Streitkräfte oder einzelner Truppenteile bei außenstehenden Personen, namentlich in der Öffentlichkeit (s. Scherer/Alff, a.a.O., RdNr. 22; Fürst/Arndt, a.a.O., RdNr. 19, jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen). Eine ernsthafte Gefahr liegt regelmäßig dann vor, wenn die Dienstpflichtverletzung nach Art und Schwere Kernbereiche der militärischen Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr so erheblich schädigt, dass der Soldat zumindest als Soldat auf Zeit für die Bundeswehr nicht mehr tragbar ist (vgl. Scherer/Alff, a.a.O., RdNr. 23 m. Rspr. nachw.).

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, hat das Gesetz mit der Voraussetzung einer "ernstlichen Gefährdung" insoweit bereits selbst die Frage der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zum erstrebten Zweck entschieden. Es hat in dieser Weise (und auch noch durch die Begrenzung der Entlassungsmöglichkeit auf die ersten vier Dienstjahre) den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit konkretisiert. Für zusätzliche Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist kein Raum (vgl. BVerwG vom 24.9.1992 = BVerwGE 91, 62 m.w.N.), so dass unter diesem Gesichtspunkt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) zur Frage der Strafbarkeit des Konsums von Cannabisprodukten nicht herangezogen werden kann.

Alleiniger Zweck der fristlosen Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 SG ist es, die dort genannten drohenden Gefahren für die Bundeswehr abzuwenden. Sie soll künftigen Schaden verhindern und dient allein dem Schutz der Bundeswehr. Die nach § 55 Abs. 5 SG gebotene Entlassung ist keine Disziplinarmaßnahme; vielmehr kann die Entlassung zu einer bereits verhängten Disziplinarmaßnahme hinzutreten. Die das Disziplinarverfahren bestimmenden Grundsätze finden sonach keine Anwendung. Deshalb ist im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG kein Raum für Erwägungen darüber, ob die Sanktion der dienstlichen Verfehlung angemessen ist und ob der Soldat auf Zeit im Hinblick auf die Art und Schwere der Dienstpflichtverletzung noch tragbar oder untragbar ist (BVerwG a.a.O.). Auch unter diesem Gesichtspunkt können sich die oben angestellten Erwägungen zur Strafbarkeit nicht zu Gunsten des Klägers auswirken.

c) Die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O. m.w.N.; vgl. auch die Entscheidung vom 15.3.2000 NVwZ 2000, 1186) beurteilt den gesetzeswidrigen Gebrauch von Cannabisprodukten (und Entsprechendes muss auch für die Einnahme von Ecstasy gelten) durch Soldaten sehr streng. Sie betrachtet zum einen jede Art von Rauschgiftkonsum in den Streitkräften als unvereinbar mit den Erwartungen der Bevölkerung an die Integrität der Bundeswehr als einer Wehrpflichtarmee. Zum anderen sieht diese Rechtsprechung den Haschischkonsum unter dem Gesichtspunkt einer erheblichen Gefahr für die militärische Ordnung der Bundeswehr, die regelmäßig dann gefährdet ist, wenn deren Einsatzbereitschaft vermindert wird. Diese Einsatzfähigkeit wird erheblich beeinträchtigt, wenn in der Truppe der Rauschgiftkonsum verbreitet ist. Entscheidend ist die Gefahr, die der Verteidigungsbereitschaft jeder einzelnen Einheit und der Bundeswehr im ganzen droht, wenn vielfach von Soldaten Rauschgift konsumiert wird (BVerwGE 91, 62/64f.). Insofern kann auch der einmalige Haschischkonsum eines Soldaten andere Soldaten zur Nachahmung, auch in der Form des regelmäßigen Konsums, anreizen und so einer allgemeinen Disziplinlosigkeit und damit einer allgemeinen Gefährdung der militärischen Ordnung Vorschub leisten.

d) Diese, in Auswirkung von Dienstpflichtverletzungen eines Soldaten der Bundeswehr künftig drohende Gefahr ist aber nicht gewissermaßen "unausweichlich" gegeben. Sie ist von den Verwaltungsgerichten in einer "objektiv nachträglichen Prognose" nachzuvollziehen. Im Rahmen dieser Prüfung namentlich des Vorliegens einer ernstlichen Gefahr für die militärische Ordnung ist nach der oben zitierten Rechtsprechung z.B. zu berücksichtigen, ob ihr auch durch eine Disziplinarmaßnahme als milderes Mittel begegnet werden kann mit der Folge, dass Schaden für die militärische Ordnung nicht zu befürchten sei. In der Entscheidung vom 24.9.1992 - a.a.O. - werden als möglicher Anwendungsbereich dieser Einschränkung Affekthandlungen bei geringer Vorbildfunktion genannt, wenn Wiederholungsgefahr typischerweise nicht besteht und die Dienstpflichtverletzung nicht Teilstück einer als allgemeine Erscheinung auftretenden Neigung zu Disziplinlosigkeit zu werten ist."

Eine Dienstpflichtverletzung des Klägers liegt vor. Der Kläger hat durch den Konsum des Rauschmittels gegen seine sich aus den §§ 7 (Pflicht zum treuen Dienen), 11 (Gehorsamspflicht aufgrund der aktenkundig am 04.11.2000 durchgeführten Belehrung, Bl. 18 BA B) und 17 Abs. 2 S. 2 SG (Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten) ergebenden Pflichten verstoßen; durch die unterlassene Meldung des Rauschmittelkonsums durch weitere Soldaten seiner Einheit im Zusammenhang mit dem zweiten Vorfall hat der Kläger gegen seine Pflichten als Vorgesetzter (§ 10 Abs. 2 und 3 SG) verstoßen.

Der Darstellung der Klägers, er sei zum Zeitpunkt des Rauschmittelkonsums stark betrunken gewesen und könne sich daher an sein Verhalten nicht erinnern, folgt die Kammer nicht. Sie ist vielmehr der Überzeugung, dass es sich um eine Schutzbehauptung handelt, wie die Beklagte zutreffend hervorhebt. Dafür sprechen nicht nur die späteren Angaben des Klägers im Rahmen seiner Vernehmungen und seiner handschriftlichen Stellungnahme, auf die die Beklagte abstellt. Zu berücksichtigen ist zudem die Aussage des beteiligten Mannschaftsdienstgrades, der die zunächst gemachte Aussage des Klägers inhaltlich bestätigt. An der Richtigkeit der Angaben dieses Soldaten bestehen insoweit keine Bedenken, weil etwa ein Anschwärzen des Klägers, wenn dieser den Rauschmittelkonsum des Panzerschützen angezeigt hätte, ausgeschlossen ist; gerade das hatte der Kläger nicht getan. Bedenken bestehen vielmehr an der Richtigkeit der Angabe des Zeugen insoweit, als er, wie der Kläger selbst auch, den Bierkonsum mengenmäßig mit ca. 2,5 Litern angibt. Diese Angabe erscheint jedenfalls für die Fahrtstrecke zwischen Hamburg und Cuxhaven zweifelhaft, weil beide anwesende Mannschaftsdienstgrade, wie sich aus der Vernehmung des zweiten Zeugen ergibt, sich auf dem Weg in die Kaserne bereits in Berlin getroffen hatten und sich im Zug "nach Hamburg" "auf dem Weg dorthin" betrunken haben. Damit spricht erhebliches dafür, dass der Alkoholkonsum der Mannschaftsdienstgrade im wesentlichen auf der längeren Fahrtstrecke zwischen Berlin und Hamburg stattgefunden hat. Das hat zur Konsequenz, dass die vom Kläger als sein Verbrauch angegebene Menge als erheblich zu hoch anzusehen ist, denn dass er während der Fahrt zwischen Hamburg und Cuxhaven wesentlich mehr getrunken hätte als die Soldaten seiner Kompanie oder dass er eine erhebliche Menge alkoholischer Getränke vor Hamburg getrunken hätte (der Kläger stammt aus Himbergen, Kreis Uelzen), hat er selbst nicht geltend gemacht. Damit war der Alkoholisierungsgrad des Klägers geringer als von ihm angegeben, was die Annahme einer Schutzbehauptung stützt.

Im Zusammenhang mit der unterlassenen Meldung des zweiten Vorfalles kann sich der Kläger nicht darauf berufen, er habe den Rauschmittelkonsum nicht beweisen können und deswegen eine Meldung unterlassen. Im Zusammenhang mit einer derartigen Meldung geht es nicht um den Beweis einer Dienstpflichtverletzung durch die Soldaten. Vielmehr wird lediglich die Tatsache gemeldet, dass aufgrund des Verdachts des Rauschmittelkonsums, der sich auf bestimmte Umstände gründete (hier: süßlicher Geruch und ein Weiterreichen der Rauchware), ein entsprechender Befehl zum Unterlassen gegeben und befolgt worden ist. Die konkrete (Weiter-)Ermittlung hätte den zuständigen Disziplinarvorgesetzten oblegen, wobei anzumerken ist, dass ohne Vorliegen der geschilderten Verdachtsmomente wohl kaum der entsprechende Befehl (zum Ausmachen des Joints) des Klägers ergangen und befolgt worden wäre.

Durch das (einheitliche) Dienstvergehen werden, im Sinne der obigen Ausführungen, Kernbereiche der militärischen Ordnung erheblich geschädigt. Dabei ist weniger auf die Einsatzbereitschaft des Klägers nach einem ein- oder zweimaligen Ziehen an einem Joint abzustellen. Ihm ist einzuräumen, dass er selbst, zumal es sich um einen Einzelfall gehandelt hat, wie seine eigene Aussage und der durchgeführte Drogentest bestätigt, insoweit nicht betroffen ist. Maßgeblich ist vielmehr "die Gefahr, die der Verteidigungsbereitschaft jeder einzelnen Einheit und der Bundeswehr im ganzen droht, wenn vielfach von Soldaten Rauschgift konsumiert wird" (so der Bay. VGH in der zitierten Entscheidung unter ausdrücklichem Hinweis auf BVerwGE 91, 62/64f.). Dass diese Gefahr realistisch ist, zeigt der vorliegende Fall, denn mindestens drei Mannschaftsdienstgrade - einer anlässlich des Vorfalles am 09.02.2003 und zwei weitere anlässlich des weiteren Vorfalles, wobei einer der Betroffenen in seiner Vernehmung einen regelmäßigen ausserdienstlichen Rauschmittelkonsum eingeräumt hat - allein aus der Einheit des Klägers haben Rauschgift konsumiert. Wenn sich der Kläger als Vorgesetzter an dem Rauschmittelkonsum einerseits beteiligt oder andererseits die entsprechenden Vorfälle nicht meldet, obwohl den betroffenen Soldaten die Pflichtwidrigkeit ihres Handelns aufgrund ihrer eigenen Belehrung bewusst ist, erweckt er den Eindruck, dass der Missbrauch von Rauschgift "nicht so schlimm" sei, so dass sich die bestehende Gefahrenlage durch Nachahmer oder Intensivierung des Konsums verschärft und Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit jedenfalls der eigenen Einheit hat.

Ein weiterer erheblicher Gesichtspunkt tritt hinzu:

Wesentliche Voraussetzung der militärischen Ordnung als innerbetriebliche Funktionsfähigkeit der Streitkräfte ist das Prinzip von Befehl und Gehorsam. Ohne dieses Prinzip sind militärische Strukturen nicht denkbar. Dieses Prinzip hat der Kläger durch sein Verhalten bzw. Unterlassen als Vorgesetzter gegenüber den ihm unmittelbar unterstellten Soldaten seiner Einheit in Frage gestellt. Diesen Soldaten gegenüber ist der Kläger berechtigt, Befehle zu erteilen. Den Gehorsam seiner Untergebenen kann der Kläger nicht mehr (unbedingt) erwarten, nachdem er selbst einen für ihn und für seine Untergebenen verbindlichen Befehl missachtet und dadurch die Gehorsamsbereitschaft seiner Untergebenen beeinträchtigt hat. Dabei ist seine Pflichtverletzung durch den Rauschgiftkonsum in Anwesenheit seiner Untergebenen erfolgt. Auch das pflichtwidrige Unterlassen der Meldung haben die untergebenen Mannschaftsdienstgrade unmittelbar wahrgenommen, denn aufgrund ihrer eigenen Belehrung (vgl. die bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Beschlüsse aus den truppendienstgerichtlichen Verfahren) wussten sie um die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens und mussten daher mit einer Meldung durch den Kläger rechnen. Die unmittelbare Betroffenheit der dem Kläger unterstellten Soldaten führt auch dazu, dass die Vorfälle, die sich nicht in dienstlichen Gebäuden oder Anlagen abgespielt haben, jedenfalls als an der Grenze zum dienstlichen Bereich liegend einzuordnen sind. Insbesondere insoweit hat der Kläger den Kernbereich der militärischen Ordnung so erheblich geschädigt, dass er für die Bundeswehr nicht mehr tragbar ist.

Zwar hat die Rechtsprechung bei der Prüfung der Frage, ob eine ernstliche Gefahr für die militärische Ordnung besteht, Ausnahmen in dem Sinne zugelassen, dass auf dieser Stufe auch zu prüfen sei, ob dieser Gefahr mit milderen Mitteln begegnet werden könne (BVerwG, Urteil vom 24.09.1992, 2 C 17/91 = BVerwGE 91, 62ff.). Darauf kann sich der Kläger ungeachtet weiterer Fragen jedoch nicht berufen, denn ein derartiger Sachverhalt (vgl. insoweit in der erwähnten Entscheidung den Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 20.06.1983, 6 C 2/81) liegt allein deswegen nicht vor, weil der Kläger aufgrund seines Dienstgrades - in jener Entscheidung war ein Hauptgefreiter betroffen - nicht nur eine geringe Vorbildfunktion hat.

Hinweise auf Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Auszugehen ist in diesem Zusammenhang allerdings davon, dass nach der zitierten Entscheidung des Bay. VGH vom 25.07.2001 die Vorschrift des § 55 Abs. 5 SG eine sog. intendierte Entscheidung vorsieht, eine Entlassung also trotz der Formulierung erfolgen soll, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und ein besonders begründeter Ausnahmefall nicht gegeben ist. Dies scheint auch die Auffassung des BVerwG zu sein, denn ungeachtet der vom Bay. VGH zur Stützung seiner Annahme zitierten Entscheidungen heißt es auch in der Entscheidung des BVerwG vom 24.09.1992 (vgl. oben) am Ende:

"Es ist danach nichts dafür ersichtlich, daß wegen etwa vorliegender Besonderheiten im Falle des Klägers von einer fristlosen Entlassung hätte abgesehen werden müssen."

Danach käme es auf die vom Kläger geltend gemachten Nachteile für seine berufliche Entwicklung nicht an; dass die fristlose Entlassung aus der Bundeswehr - wie übrigens aus einem zivilen Arbeitsverhältnis auch - mit Nachteilen für das künftige Berufsleben verbunden ist, liegt auf der Hand.

Dieses Ergebnis ergibt sich allerdings auch dann, wenn § 55 Abs. 5 SG die Beklagte uneingeschränkt zur Ermessensausübung verpflichtet. In diesem Fall ist die Ermessensausübung durch den Zweck der Ermächtigung (vgl. § 40 VwVfG) beschränkt. Da, wie eingangs erwähnt, Schutzzweck der Vorschrift die Aufrechterhaltung der innerbetrieblichen Funktionsfähigkeit der Streitkräfte ist, hat sich die Ermessensausübung an diesem Zweck zu orientieren. In diesem Zusammenhang spielen berufliche Nachteile des (ehemaligen) Zeitsoldaten keine Rolle. Denkbar ist insoweit etwa die Berücksichtigung von Zusammenhängen, wie sie in dem vom Bay. VGH entschiedenen Verfahren (vgl. oben) eine Rolle gespielt haben; in jenem Verfahren hatte der Kläger selbst, bevor gegen ihn der Vorwurf des Drogenmissbrauchs erhoben wurde, den Feldjägern gemeldet, dass mehrere Soldaten seiner Einheit Drogen konsumierten. Diese Meldung, mit der der Kläger jenes Verfahrens freiwillig Maßnahmen zur Verteidigung der in § 55 Abs. 5 SG geschützten Rechtsgüter unternommen hatte, war durch den Senat als Besonderheit des Falles, die eine ausdrückliche Ermessensentscheidung fordert, angesehen worden. Derartige Umstände liegen hier nicht vor.

Schließlich kann sich der Kläger auch nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit berufen. Wie sich aus den eingangs dargestellten Grundsätzen ergibt, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bereits im Gesetz selbst konkretisiert. Für zusätzliche Erwägungen hierzu, insbesondere etwa auch für zusätzliche Erwägungen dahingehend, ob der Verfehlung mit den Mitteln des Disziplinarrechts zu begegnen gewesen wäre, ist damit kein Raum.

Ebenso wenig kommt es auf die vom Kläger erwähnte Entscheidung des Bay. VGH (in NVwZ 2000, 1203) an. Abgesehen davon, dass in den Veröffentlichungen dieser Entscheidung (= IÖD 2000, 99) keine weiteren Angaben zum Dienstgrad des Klägers jenes Verfahrens enthalten sind, ist, wie oben dargestellt, der Kernbereich der Verfehlung des Klägers nicht in dem einmaligen geringfügigen Rauschgiftkonsum zu sehen, sondern - damit und mit dem Unterlassen der Meldung über den weiteren Vorfall - in seiner Verletzung seiner Pflichten als Vorgesetzter. Dazu verhält sich die genannte Entscheidung nicht.

Hiernach war die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Ein Grund, die Berufung zuzulassen, bestand nicht.