OLG Celle, Beschluss vom 29.10.2009 - 13 Verg 8/09
Fundstelle
openJur 2009, 1098
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. VgK22/2009
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung L. - vom 11. Juni 2009 aufgehoben.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Entsorgungsdienstleistung der Sammlung von Altpapier aus privaten Haushalten durch Einführung eines Holsystems in Form der blauen Tonne in seinem Gebiet nicht ohne ein rechtmäßiges europaweites Vergabeverfahren zu vergeben. Diesbezüglich bereits abgeschlossene Entsorgungsverträge sind nichtig.

Der Antragsgegner und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die notwendigen Auslagen der Antragstellerin als Gesamtschuldner zu tragen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Verfahren vor der Vergabekammer war notwendig.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragstellerin haben der Antragsgegner und die Beigeladene jeweils zur Hälfte zu tragen.

Der Streitwert im Beschwerdeverfahren wird auf 90.440,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner hatte die Leistungen der Müll und Wertstoffabfuhr von 2008 bis 2016 mit Bekanntmachung vom 29. Juni 2006 europaweit ausgeschrieben. Bestandteil der ausgeschriebenen Leistungen waren dabei die Abfuhr von Altpapier im Rahmen einer vierwöchigen Straßensammlung (Bündelsammlung) sowie die Gestellung von 120 Depotcontainern. Für den Bereich Gewerbe, Handel, Heime, Mehrfamilienhausbebauung und Freizeiteinrichtungen wurde die Sammlung durch ein Holsystem mittels 240l bis 1.100 l.Behälter ergänzt. Das leistungsbezogene Entgelt für die PPK Abfuhr bemaß sich nach der abgefahrenen Menge der PKKAbfälle.

Für Vertrags und Preisanpassungen enthielt § 14 Abs. 3 der Besonderen Vertragsbedingungen folgende Regelung:

„Bei anderen wesentlichen Änderungen der Leistung, etwa aufgrund von geänderten rechtlichen Bestimmungen oder aufgrund von Satzungsänderungen oder anderer Beschlüsse des Landkreises L., gelten bezüglich Vertragsanpassungen/Preisanpassungen die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere § 2 VOL/B und die §§ 313, 314 BGB, soweit in diesem Vertrag nichts abweichendes geregelt ist.“

Den Zuschlag in diesem Vergabeverfahren erhielt das Angebot der Beigeladenen. die Antragstellerin hatte sich ebenfalls mit einem Angebot um die ausgeschriebenen Leistungen beworben.

Vor dem Hintergrund der Entscheidung des OVG Niedersachsen vom 24. Januar 2008, wonach neben der öffentlichrechtlichen Entsorgung grundsätzlich auch eine gewerbliche Altpapiersammlung für zulässig erachtet wurde, und der von der Antragstellerin am 22. Februar 2008 angezeigten eigenen gewerblichen Sammlung wies der Kreisausschuss des Antragsgegners am 3. März 2008 seine Vertreter in der Gesellschaftsversammlung der Beigeladenen an, in der für denselben Tag anberaumten Sitzung der flächendeckenden Einführung angemieteter blauer Tonnen zuzustimmen, was diese einstimmig umsetzte.

Am 3. März 2009 verabschiedete der Kreistag die auf der Nachtragskalkulation der Beigeladenen vom 13. Oktober 2008 über angefallene Zusatzkosten „blaue Tonne“ basierende Kalkulation der Müll und Wertstoffabfuhr für 2009 vom 20. Januar 2009. Zwischenzeitlich - mit Schreiben vom 15. Juli 2009 - akzeptierte der Antragsgegner die bereits in der vorgenannten Kalkulation berücksichtigte Änderung der Vergütungsstruktur und die daraus resultierende Erhöhung des Entgelts um ca. 190.000 € jährlich zu Gunsten der Beigeladenen.

Mit Schreiben vom 4. März 2009 rügte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner die Beauftragung der Abfallentsorgung über die blauen Tonnen und die Erhöhung der Vergütung nebst Änderung der Vergütungsstruktur als eine vergaberechtsrelevante Änderung des ursprünglich ausgeschriebenen Entsorgungsvertrages. Ihre Forderung nach Unterlassung dieser Änderung und europaweiter Ausschreibung der Sammlung von PPK in kommunalen blauen Tonnen lehnte der Antragsgegner am 11. März 2009 schriftlich ab. Nachdem sie mit Schreiben vom 20. März 2009 unter Hinweis auf ihr eigenes Interesse an den streitgegenständlichen Entsorgungsleistungen ihre Rügen wiederholt hatte, denen in der EMail des Antragsgegners vom 2. April 2009 nicht abgeholfen worden war, leitete sie mit Antrag vom 3. April 2009 ein Nachprüfungsverfahren wegen unzulässiger Direktvergabe von zusätzlichen Entsorgungsdienstleistungen ein. Zur Begründung führte die Antragstellerin ergänzend aus, soweit die zusätzliche Erfassung von PPK in kommunalen blauen Tonnen bereits vollzogen sei, stelle dies eine unzulässige defactoVergabe dar, die sie in ihren Rechten verletze. Ihr Interesse an einem entsprechenden Auftrag habe sie bereits durch die Teilnahme an der ursprünglichen Ausschreibung im Jahr 2006 belegt. Demgegenüber vertreten der Antragsgegner und die Beigeladene die Auffassung, in der zusätzlichen Beauftragung der blauen Tonnen und der damit verbundenen Erhöhung der Vergütung liege keine ausschreibungspflichtige Vertragsänderung. Zudem sei der Nachprüfungsantrag wegen Verwirkung gemäß § 242 BGB unzulässig, weil die Antragsstellerin bereits seit März 2008 im Rahmen einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung zwischen ihrer Schwestergesellschaft und der Beigeladenen Kenntnis davon erhalten habe, dass die Einführung der blauen Tonne im Auftrag des Antragsgegners erfolgt sei. Zudem lägen die Voraussetzungen eines InhouseGeschäftes vor, weil die Beigeladene zu 100% im öffentlichen Eigentum stehe und der Anteil von Fremdumsätzen am Gesamtumsatz unter 5% liege.

Mit Beschluss vom 11. Juni 2009 hat die Vergabekammer den in erster Linie auf Ausschreibung der streitgegenständlichen Entsorgungsleistungen der Sammlung von PPK von privaten Haushalten, hilfsweise auf Untersagung einer Änderung zu Gunsten der Beigeladenen des im bezuschlagten Entsorgungsvertrag vorgesehenen Entgelts gerichteten Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Vergabekammer vorrangig ausgeführt, dass die Beigeladene auch die mit dem flächendeckenden Einsatz der blauen Tonne anfallenden Leistungen im Rahmen des ursprünglich abgeschlossenen Entsorgungsvertrages erbringe. Selbst wenn man die am

3. März 2008 vereinbarte Einführung der blauen Tonne als eine vergaberechtspflichtige Änderung ansehe, handele es sich um eine zulässige Direktvergabe, weil die Voraussetzungen für eine Anfechtung von sog. defactoVergaben mangels eines für den Antragsgegner erkennbaren Interesses der Antragsstellerin an der Auftragsvergabe nicht vorlägen. Daher könne dahin stehen, ob die Voraussetzungen eines InHouseGeschäfts gegeben seien. Das erscheine zweifelhaft, weil die Beigeladene über ihre Tochtergesellschafter nicht unerhebliche Drittumsätze erziele.

Mit ihrer am 24. Juni 2009 beim Oberlandesgericht Celle eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen diese Entscheidung der Vergabekammer. Unter Bezugnahme auf ihren bisherigen Vortrag führt sie ergänzend aus, durch die Entgelterhöhung erhalte die Beigeladene einen Mehrauftrag in Höhe von insgesamt ca. 1,5 Millionen Euro netto, der nicht als unwesentliche Preisanpassung anzusehen sei. Im Hinblick auf die über ihre Tochtergesellschaft - D. GmbH - in nicht unerheblichem Umfang zumindest mittelbar erzielten Umsatzerlöse durch Drittaufträge erfülle die Beauftragung der Beigeladenen auch nicht die Voraussetzungen einer zulässigen InhouseVergabe.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung L. - vom 11. Juni 2009 (VgK - 22/2009) aufzuheben,

2. dem Antragsgegner aufzugeben, die Entsorgungsdienstleistungen der Sammlung (Erfassung und Verwertung) von Altpapier aus privaten Haushaltungen im Gebiet des Antragsgegners im Rahmen eines transparenten Vergabeverfahrens zu vergeben, jedenfalls aber dem Antragsgegner zu untersagen, das vereinbarte Entgelt sowie die Vergütungsstruktur des bezuschlagten Entsorgungsvertrages (Vergabebekanntmachung 2007/S 32 - 038186) zu Gunsten der Beigeladenen zu ändern.

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene verweisen auf ihre Ausführungen vor der Vergabekammer und sind der Auffassung, dass der Antragsstellerin die erforderliche Antragsbefugnis fehle. Zum Zeitpunkt des Beschlusses des Kreisausschusses im März 2008 habe der Antragsgegner nicht wissen können, dass die Antragstellerin Interesse am Betrieb einer in Konkurrenz zu der privatwirtschaftlichen Sammlung ihrer Schwestergesellschaft stehenden kommunalen Sammlung von PPK gehabt habe. Zudem habe sie ihr Rechtsschutzbedürfnis gem. § 242 BGB verwirkt, weil ihr spätestens aufgrund der mündlichen Verhandlung in dem Verfahren gegen ihre Schwestergesellschaft (3 O 44/04) vor dem Landgericht Lüneburg am 4. März 2008 bekannt gewesen sei, dass die Beigeladene die blauen Tonnen nicht im eigenen Namen und für eigene Rechnung, sondern im Auftrag des Antragsgegners aufgestellt habe. Unabhängig von den Voraussetzungen einer zulässigen InhouseVergabe betreffe der vorliegende Sachverhalt einen Fall der nicht dem Vergaberechtsregime unterliegenden interkommunalen Kooperation, zu der sich der Antragsgegner und die Hansestadt L. mit der Gründung der Beigeladenen zusammengeschlossen hätten, um die im Allgemeininteresse liegende Aufgabe der Abfallentsorgung - das Einsammeln von PPK - kostendeckend zu erfüllen. Davon abgesehen stelle die beanstandete Beauftragung, neben der bisherigen Bündel und Containersammlung nunmehr auch eine Sammlung durch sogenannte „blaue Tonnen“ durchzuführen, eine vergaberechtlich irrelevante Änderung der Einsammlungsmodalität dar. Schließlich sei eine Beauftragung der Beigeladenen hier im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Vergabebekanntmachung nach § 3 a Nr. 2 lit f. VOL/A zulässig gewesen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Mit Wirkung zum 24. April 2009 ist das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 (BGBk. I 2009, S.790 ff.) in Kraft getreten, das verschiedene Änderungen des GWB sowie der VgV vorsieht. Nach der Übergangsvorschrift des § 131 Abs.8 GWB sind Vergabeverfahren, die - wie hier - vor dem 24. April 2009 begonnen haben, einschließlich der sich an diese anschließenden

Nachprüfungsverfahren, sowie am 24. April 2009 anhängige Nachprüfungsverfahren nach den bis dahin geltenden Vorschriften zu beenden.

A. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

1. Der Nachprüfungsantrag ist statthaft, obwohl ein förmliches Vergabeverfahren nicht stattgefunden hat.

Der Rechtsweg nach § 102 GWB a.F. ist bei jeder Beschaffungsmaßnahme eines öffentlichen Auftraggebers im Sinne von § 98 GWB a.F. eröffnet, wenn überhaupt ein Verfahren in Frage steht, an dem mindestens ein außenstehender Dritter (Unternehmen) beteiligt ist, und das eingeleitet ist, um einen entgeltlichen Vertrag im Sinn des § 99 GWB abzuschließen, der den Schwellenwert erreicht (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2005 - X ZB 27/04, VergabeR 2005, 328. vgl. EuGH, Urteil vom 11. Januar 2005 – 26/03, VergabeR 2005, 44). Diese Voraussetzungen liegen hier vor:

a) Der Antragsgegner ist als Gebietskörperschaft ein öffentlicher Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 1 GWB.

b) Bei der Änderung, des ursprünglichen Entsorgungsvertrages dahingehend zukünftig auch blaue Tonnen für die Sammlung des Altpapiers einzusetzen, handelt es sich um die Vergabe eines öffentlichen Auftrags i. S. des § 99 Abs. 1 GWB.

aa) Ohne Erfolg berufen sich Antragsgegner und Beigeladene darauf, dass die Einführung der „blauen Tonnen“ keine vergaberechtspflichtige Änderung des bestehenden Entsorgungsvertrages darstelle, sondern eine Vertragsanpassung bedeute, die sich innerhalb der von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen zur Ausschreibungspflicht von Vertragsänderungen halte.

(1) Grundsätzlich können auch Vertragsänderungen eine Ausschreibungspflicht begründen (vgl. Kulartz/Duikers, VergabeR 2008, 728 ff.. Eschenbruch, in: Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWBVergaberecht, § 99 Rdnr. 67 ff.). Der EuGH hat insoweit in seinem Urteil vom 19. Juni 2008 (C454/06, NJW 2008, 3341 ff. – pressetext Nachrichtenagentur GmbH/Republik Österreich u.a.) ausgeführt, dass Änderungen der Bestimmung eines öffentlichen Auftrags während seiner Geltungsdauer als Neuvergabe des Auftrags anzusehen sind, wenn sie wesentliche andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrages erkennen lassen (NJW 2008, 3341, 3342 Tz. 34). Die Änderung eines öffentlichen Auftrags während seiner Laufzeit kann danach als wesentlich angesehen werden, wenn:

sie Bedingungen einführt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären (Tz. 35),

sie den Auftrag in größerem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert (Tz. 36),

sie das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers ändert (Tz. 37).

(2) Gemessen an diesen vom EuGH sowie von der nationalen Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 20. Juni 2001 – Verg 3/01, NZBau 2001, 696, 700 und vom 8. Mai 2002 - VIIVerg 815/01, zitiert nach JURIS Tz. 53, OLG Thüringen, VergabeR 2004, 113, 115 f.) aufgestellten Kriterien ist die beschlossene Einführung der blauen Tonne als eine vergaberechtlich relevante Änderung des ursprünglichen Entsorgungsvertrages anzusehen.

Die Einführung des Holsystems „blaue Tonne“ erfüllt bereits die erste vom EuGH für die Annahme einer wesentlichen und damit vergaberechtlich relevanten Änderung gebildete Fallgruppe der Wettbewerbsrelevanz (vgl. Urteil vom 19. Juni 2008 – C454/06 a.a.O., Tz.35), weil damit Bedingungen eingeführt werden, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären.

Nach Ziffer 2.2.2 (Durchführung der Abfalleinsammlung) in Teil III: „Leistungsbeschreibung“ des ursprünglichen Entsorgungsvertrages und dort unter der Rubrik „Altpapier“ soll die Altpapiererfassung über eine monatliche Straßensammlung (Bündelsammlung) erfolgen, die durch ein Holsystem mit 240 l bis 1.100 l Behältern ergänzt wird, die im Bereich Gewerbe, Handel, Heime, Mehrfamilienhausbebauung und bei Freizeiteinrichtungen aufgestellt sind. Zudem sollen an

60 Standorten im Bereich der Antragsgegnerin insgesamt 120 Depotcontainer aufgestellt werden. Diese Vorgaben werden unter Ziffer 3.4. „Pos. 4: Altpapierabfuhr“ näher konkretisiert:

So sieht Ziffer 3.4.1. (Gegenstand der Leistung - Straßensammlung von PPK) eine vierwöchentliche Straßensammlung von Pappe, Papier und Kartonagen (PPK) vor. Ziffer 3.4.2 (Gegenstand der Leistung - PPKSammlung über ein Holsystem) umfasst das Einsammeln und den Transport der im Gebiet des Antragsgegners in 240 l bis 1.100 l.Behältern (Einzelfallregelungen) bereit gestellter PPK, während Ziffer 3.4.4 (Gegenstand der Leistung - PPKSammlung über Depotcontainer) die Beigeladene verpflichtet, Depotcontainer für die Erfassung von Altpapier zur Verfügung zu stellen und aufzustellen, sie zu entleeren und das Altpapier zur benannten Zielanlage zu transportieren.

Die Sammlung von PPK durch ein Holsystem in Gestalt der blauen Tonne, die jedem Grundstückseigentümer auf sein Grundstück gestellt und in regelmäßigen Abständen geleert wird, sieht der in 2006 ausgeschriebene Entsorgungsvertrag dagegen nicht – auch nicht optional - vor. Erst aufgrund des einstimmigen Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen vom 3. März 2008, dem eine am selben Tag erteilte Weisung des Kreisausschusses des Antragsgegners an seine Vertreter in der vorgenannten Gesellschafterversammlung vorausging, der angebotenen flächendeckenden Einführung der angemieteten blauen Tonnen zuzustimmen, ist dieses Holsystems für die Sammlung von PPK der privaten Haushalte zusätzlich eingeführt worden.

Unstreitig ist für die Umsetzung dieses Systems eine andere technische Ausrichtung der bisher entsprechend dem Entsorgungsvertrag ausgestatteten und eingesetzten Sammelfahrzeuge sowie die Aufstockung des Fuhrparks um ein Fahrzeug mit Personal erforderlich. Dass aufgrund dieser anderen technischen und organisatorischen Voraussetzungen für ein Holsystem in Form der blauen Tonne, das mehr auf den Bedarf des privaten Grundstückseigentümers abstellt, bei einer entsprechenden Ausschreibung des ursprünglichen Entsorgungsvertrages die Annahme eines anderen Angebots als das der Beigeladenen möglich gewesen wäre, ist nicht ausgeschlossen.

In jedem Fall stellt die Einführung der blauen Tonne eine wesentliche Auftragserweiterung dar. Der dagegen erhobene Einwand, dass durch die Änderung keine neue Dienstleistung hinzugekommen sei, weil die Beigeladene weiterhin die PPK privater Haushalte einsammelt und diese an die vereinbarte Zielanlage übergibt, greift zu kurz und berücksichtigt die im Einzelnen unter Ziffer 3.4. des Entsorgungsvertrages geregelten Leistungspflichten der Beigeladenen nicht. Aus ihnen ergibt sich, welche konkreten Leistungen Gegenstand des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs sein sollten. Dazu gehörte neben der Straßensammlung zwar auch ein Holsystem in Gestalt von bereit gestellten 240 l bis 1.100 l fassenden Depotcontainer. Diese sollten aber nur in dem Bereich Gewerbe, Handel, Heime, Mehrfamilienhausbebauung und Freizeiteinrichtungen eingesetzt werden. Ein Holsystem in Form von auf Wunsch bereit gestellten blauen Tonnen, durch die das Einsammeln von PPK bei jedem Grundstückseigentümer vor Ort erfolgen sollte, wird dagegen in den detailliert beschriebenen vertraglichen Leistungspflichten an keiner Stelle erwähnt. Allein das spricht für die Annahme einer substanziell anderen Leistung (a.A. VK Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2008 – VK 13/08, a.a.O. lediglich „andere Sammelvorrichtung“). Auch der Umstand, dass diese Form der Sammlung im Vergleich zu dem bislang vertraglich vereinbarten System für den Bürger wesentlich komfortabler und bequemer ausgestaltet ist und deshalb, wie sich aus den quantitativen Verschiebungen zugunsten des Holsystems „blaue Tonne“ ergibt, von der L. Bevölkerung entsprechend positiv angenommen wurde, belegt anschaulich, dass die Einführung der blauen Tonne als eine wesentliche Auftragserweiterung anzusehen ist. Zudem erfordert dieses Holsystem – wie bereits dargestellt – verschiedene technische Anpassung, eine Aufstockung des Fuhrparks und weiteres Personal, was ebenfalls für einen anderen Leistungsgegenstand spricht.

Dass eine vergaberechtlich relevante Vertragsänderung vorliegt, zeigt sich schließlich an der von der Beigeladenen wegen der Einführung der blauen Tonne mit Schreiben vom 13. Oktober 2008 in einer Nachtragskalkulation angebotenen und von dem Antragsgegner mit Schreiben vom 15. Juli 2009 akzeptierten Änderung der Vergütungsstruktur und der daraus resultierenden Erhöhung des Entgelts um ca. 190.000 € netto jährlich zu Gunsten der Beigeladenen. Diese war schon in der am 3. März 2009 vom Kreistag verabschiedeten und auf der vorgenannten Nachtragskalkulation der Beigeladenen über die angefallenen Zusatzkosten für die Einführung der „blauen Tonne“ basierenden Kalkulation der Müll und Wertstoffabfuhr des Antragsgegners für 2009 in Aussicht gestellt worden. Die Entgelterhöhung sowie die damit einhergehende Umgestaltung der Vergütungsstruktur (Erhöhung der Einheitspreise zu Pos. 4.1. „Abfuhr Straßensammlung“ um beinahe das Doppelte von 29,50 auf 55,54 € und Umstellung der Pos. 4.2. „Gestellung und Abholung von Depotcontainer“ vom Einheits auf einen Pauschalpreis von 4.570 €/Monat bei einer Papiermenge kleiner als 2.400 t) des ursprünglichen Entsorgungsvertrages sind erhebliche Preisänderungen und belegen ebenfalls, dass es sich bei den streitgegenständlichen Leistungen um eine neue Auftragsvergabe i. S. der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungen handelt. Denn der Preis ist eine wesentliche Bedingung eines öffentlichen Auftrags (EuGH, 3. Kammer, Urteil vom 19. Juni 2008 - C458/06, NJW 2008, 3341, 3344 Tz. 59 - Pressetext Nachrichtenagentur GmbH/Republik Österreich u. a.). Überschreitet der absolute Wert der Vertragsänderung den maßgeblichen Schwellenwert, ist der Anwendungsbereich des Vergaberechts grundsätzlich bereits deswegen eröffnet (so auch Kulartz/Duikers, VergabeR 2009, 728, 734). Das ist hier der Fall, weil der absolute Wert der Vertragsänderung umgerechnet auf die gesamte Vertragslaufzeit bis einschließlich 2016 mit über 1.500.000 € zu beziffern ist und damit den Schwellenwert isoliert betrachtet eindeutig übersteigt. Zudem stellt eine jährliche Entgelterhöhung in Höhe von ca. 12 % des gesamten Entgeltbetrages eine Größenordnung dar, bei der regelmäßig eine Änderung des wirtschaftlichen Gleichgewichts des Vertrages in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers anzunehmen ist, die die Gefahr eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter in sich birgt (so auch: Kulartz/Duikers, VergabeR 2009, 728, 734 f.).

Eine andere Beurteilung wäre ausnahmsweise nur dann möglich, wenn die Preisänderung während der Laufzeit des Auftrages nach den Bestimmungen des ursprünglichen Auftrags ausdrücklich erlaubt ist (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2008 C454/06, a. a. O. Tz. 60). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben: Nach § 14 Abs. 3 der „Besonderen Vertragsbedingungen“ des Entsorgungsvertrages gelten bei „anderen wesentlichen Änderungen der Leistung, etwa aufgrund von ... oder anderer Beschlüsse des Kreistages des Landkreises L., bezüglich Vertragsanpassungen/Preisanpassungen die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere § 2 VOL/B (...)“. Eine solche wesentliche Vertragsänderung stellt aber schon begriffsnotwendig eine vergaberechtlich relevante Änderung dar und ist folglich als Neuvergabe von Leistungen anzusehen. Unabhängig davon sieht § 2 Nr. 3 Satz 1 VOL/B vor, dass ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr und Minderkosten zu vereinbaren ist, wenn durch Änderungen in der Beschaffenheit der Leistungen die Grundlagen des Preises für die im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden. Darunter sind nicht – wie hier - Änderungen von Art und Umfang der Leistungen, sondern qualitative Änderungen in der Sache selbst, wie z. B. ein anderer Ausführungstermin, ein anderer Ort der Leistungserbringung oder eine Veränderung der im Zusammenhang stehenden Rechte sowie alle nach der Verkehrssitte branchenüblichen Nebenleistungen zu verstehen (Müller, in: Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/B, 3. Aufl. § 2 Rdnr. 20 ff.). Die Einführung eines in dem ursprünglichen Entsorgungsvertrag aus dem Jahre 2006 nicht vorgesehenen Holsystems in Form der blauen Tonnen wird davon aber –aus den bereits dargestellten Erwägungen - nicht erfasst.

bb) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und der Beigeladenen ist der Fall eines vergaberechtsfreien InhouseGeschäfts nicht gegeben.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH fehlt es für die Zwecke des Vergaberechts an einer Vereinbarung zwischen zwei verschiedenen Personen, die Voraussetzung für die Annahme eines ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrags ist, wenn zwei Vorraussetzungen erfüllt sind. Zum einen muss der öffentliche Auftraggeber allein oder mit anderen öffentlichen Stellen eine ähnliche Kontrolle über das Unternehmen ausüben wie über seine eigenen Dienststellen. Zum zweiten muss das Unternehmen seine Tätigkeit im Wesentlichen für die öffentliche Körperschaft oder die öffentlichen Körperschaften verrichten, die seine Anteile inne haben (EuGH, Urteile vom 18. November 1999 - C107/98, Slg. 1999, I8121, Rdn. 50 - Teckal. vom 11. Januar 2005 - C26/03, Slg. 2005, I1, Rdn. 49 - Stadt Halle und RPL Lochau. vom 11. Mai 2006 - C340/04, Slg. 2006, I4137, Rdn. 33 Carbotermo und Consorzio Alisie und vom 19. April 2007 - C295/05, Slg. 2007, I2999, Rdn. 55 - Asemfo und Tragsa. BGHZ 148, 55, 62). Als Ausnahmen von den allgemeinen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts sind diese Vorschriften eng auszulegen (EuGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - C26/03, Slg. 2005, I1, Rdn. 49 - Stadt Halle und RPL Lochau. BGHZ 177, 150 ff.).

(1) Anders als die Antragstellerin meint, übt der Antragsgegner mit der Hansestadt L. über die Beigeladene allerdings eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle aus.

Dem steht nicht entgegen, dass an der Beigeladenen nicht nur der Antragsgegner, sondern auch die Hansestadt Lüneburg beteiligt ist (EuGH, Urteil vom 19. April 2007, a. a. O. Rdn. 57 ff. - Asemfo und Tragsa). Der Umstand, dass der öffentliche Auftraggeber allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Stellen das gesamte Kapital einer Auftrag nehmenden Gesellschaft hält, deutet grundsätzlich – ohne allein entscheidend zu sein - darauf hin, dass er über diese Gesellschaft eine Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt (EuGH, Urteile vom 11. Mai 2006 - C340/04, a. a. O. Rdn. 37 - Carbotermo und Consorzio Alisie und vom 19. April 2007 - C295/05, a. a. O. Rdn. 57 - Asemfo und Tragsa). Neben den Beteiligungsverhältnissen sind jedoch alle Rechtsvorschriften und maßgebenden Umstände zu berücksichtigen, wobei entscheidend ist, dass der öffentliche Auftraggeber sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wichtigen Entscheidungen der Gesellschaft ausschlaggebenden Einfluss nehmen und diesen ohne nennenswerte Einschränkungen durchsetzen kann (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005 - C458/03, Slg. 2005 - I8585 ff., Rdn. 65 - Parking Brixen und vom 11. Mai 2006 - C340/04, a. a. O. Rdn. 36 - Carbotermo und Consorzio Alisie). Dabei bietet die Rechtsform der GmbH dem Antragsgegner und der Hansestadt L. aufgrund ihrer Organisationsstruktur umfassende Einfluss und Steuerungsmöglichkeiten auf die als Eigengesellschaft anzusehende Beigeladene (BGHZ 148, 55, 63 f.), die vorliegend durch Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages, insbesondere durch die Regelungen in § 7 Abs.5, § 8 Abs.6 und § 10 Abs.2, gewahrt wurden.

(2) Jedoch fehlt es an der zweiten Voraussetzung für die Annahme eines InHouseGeschäftes. Das Erfordernis, im Wesentlichen nur für die öffentlichen Auftraggeber tätig zu sein, die sie kontrollieren, soll nach der Rechtsprechung des EuGH sicherstellen, dass die Gemeinschaftsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen anwendbar bleiben, wenn ein von einer oder mehreren Körperschaften kontrolliertes Unternehmen auf dem Markt tätig ist und daher mit anderen Unternehmen in Wettbewerb treten kann. Ist das Unternehmen auf dem Markt tätig und erhält es ohne Ausschreibung an sich dem Vergaberecht unterliegende Aufträge, tritt eine Verfälschung des Wettbewerbs ein. Um dies zu vermeiden, setzt ein vergaberechtsfreies InhouseGeschäft voraus, dass das Unternehmen hauptsächlich für die öffentlichen Körperschaften, die seine Anteile innehaben, tätig wird und jede andere Tätigkeit rein nebensächlich ist (EuGH, Urteile vom 11. Mai 2006 - C340/04, a. a. O. Rdn. 69 f. - Carbotermo und Consorzio Alisie und vom 19. April 2007 - C295/05, a. a. O. Rdn. 62 - Asemfo und Tragsa. OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 343, 345). Während der EuGH bei einem Unternehmen der öffentlichen Hand, das insgesamt 90 % seiner Tätigkeit für den oder die öffentlichen Auftraggeber erbringt, das Wesentlichkeitskriterium noch als erfüllt angesehen hat (EuGH, Urteil vom 19. April 2007 - C295/05, a. a. O. Rdn. 63 - Asemfo und Tragsa) und der Bundesgerichtshof die Erfüllung dieser Vorgabe bereits bei einer Fremdauftragsquote von 10 % bezweifelt (BGHZ 177, 150, 160 - Kommunalversicherer), geht der erkennende Senat von einer erheblichen Tätigkeit für Dritte bereits dann aus, wenn das für den Auftrag vorgesehene Unternehmen 7,5 % seines Umsatzes aus Drittgeschäften erzielt (OLG Celle, VergabeR 2007, 79, 81).

Nach diesen Maßstäben ist festzustellen, dass die Beigeladene nicht im Wesentlichen für den Antragsgegner und die Hansestadt L. tätig ist.

(a) Stellt man dabei allerdings lediglich auf die von der Beigeladenen erzielten Umsätze für „Dieselverkäufe, Analysen, Wasser, Abwasser an/für Unternehmer auf dem Grundstück“, „Verkaufsstrom aus BHKW“, „Vermietung Flächen GFA“, „Maschinenvermittlung wie Radlader etc.“ in Höhe von 355.789,54 € ab, woraus sich gemessen am Gesamtumsatz in Höhe von 9.691.420,50 € lediglich eine Quote von 3,67 % ergibt, wäre das Wesentlichkeitskriterium als erfüllt anzusehen.

(b) Daneben sind aber bei der Beurteilung des Wesentlichkeitskriteriums auch die von der Tochtergesellschaft der Beigeladenen, der D. GmbH, erzielten Umsatzerlöse in Höhe von 6.919.000 € mit zu berücksichtigen. Denn um das Vorliegen des Wesentlichkeitskriteriums festzustellen, müssen alle quantitativen wie qualitativen Umstände des Falles in den Blick genommen werden (EuGH a. a. O.). Die von der Beigeladenen im Jahr 2004 gegründete 100 %ige Tochtergesellschaft D. GmbH ist ausweislich der Informationen auf der Homepage der Beigeladenen in der Rubrik „Über uns“ und der folgenden Unterrubrik „Was macht die GfA? Was macht die D.?“ für die gewerblichen Abfälle zuständig. Weiter heißt es dort: „Für die Region bietet die D. die verschiedensten abfallbezogenen Dienstleistungen an, wie z. B. die Erfassung von Verpackungsabfällen im L. Raum und deren korrekter Weitergabe an die Verwerter. Einen immer größeren Stellenwert bekommt darüber hinaus die Entsorgung überregional anfallender Abfälle.“. Danach sind die Tätigkeit der Beigeladenen und ihrer Tochtergesellschaft, der sie zum 1. April 2006 die Entsorgung von gewerblichen Abfällen, die nicht der Andienungspflicht unterliegen, übertragen hat, und die daraus erzielten Umsätze in einer Gesamtbetrachtung einzustellen. Gegen eine getrennte Betrachtungsweise spricht bereits, dass ausweislich des Geschäftsberichts der Beigeladenen aus dem Jahr 2007 ein konsolidierter Abschluss für beide Gesellschaften seit 2005 stattgefunden hat. Folglich wurde auch im Geschäftsbericht 2007 die Ertragslage beider Gesellschaften zusammengefasst und gruppeninterne Vorgänge eliminiert. Danach entfielen ca. 30% des für die Beigeladene ausgewiesenen Gesamtumsatzes von über 14 Millionen € auf ihre Tochtergesellschaft D.. Diese ist ohne die personelle und sachliche Ausstattung der Beigeladenen nicht arbeitsfähig. Das zeigt sich daran, dass für die D. GmbH selbst kaum allgemeine Betriebskosten, Verwaltungskosten etc. geltend gemacht wurden. Zudem wird unter Frage 14 a des Fragenkatalogs zum Geschäftsbericht ausgeführt, dass im Rahmen des Vertrages vom 27. März 2006 zur Übertragung von Aufgaben auf die D. vereinbart wurde, dass alle für die Erfüllung der Aufgaben erforderlichen Anlagen und Gerätschaften der D. kostenfrei überlassen werden und die Beigeladene auch deren Verwaltung kostenfrei übernimmt. Der Hinweis im Geschäftsbericht, dass der Rückgang des Personalaufwandes um 172.000 € auf 3.238.000 € bei der Beigeladenen überwiegend auf das Ausscheiden von vier Mitarbeitern bei der D. zurückzuführen ist, bestätigt diese Handhabung.

Der Einwand der Beigeladenen, die InhouseFähigkeit einer Kommune als öffentlichrechtlicher Körperschaft werde nicht dadurch in Zweifel gezogen werden, dass sie gewerblich tätig werdende Tochtergesellschaften gründe, weshalb auch eine gewerblich agierende Tochtergesellschaft einer im Übrigen Inhousefähigen Gesellschaft nicht dazu führen könne, dass diese „Muttergesellschaft“ ihre InhouseFähigkeit verliere, greift schon im Ansatz nicht. Führt ein öffentlicher Auftraggeber Leistungen, die er auch im Rahmen eines Vergabeverfahrens ausschreiben könnte, durch eigene Dienststellen selbst aus, fehlt es von vorneherein an einem Anknüpfungspunkt für einen Auftrag i.S. des § 99 GWB. Die Frage einer InhouseFähigkeit kann sich in einer solchen Fallgestaltungen überhaupt nicht stellen, so dass auch eine Vergleichbarkeit mit dem hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht besteht.

cc) Entgegen der Auffassung von Beigeladener und Antragsgegner ist auch kein Fall vergaberechtsfreier interkommunaler Zusammenarbeit gegeben.

In Erweiterung vergaberechtsfreier Konstellationen hat der EuGH entschieden, dass eine öffentliche Stelle ihre im allgemeinen Interesse liegende Aufgabe mit ihren eigenen Mitteln und auch in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen erfüllen kann, ohne gezwungen zu sein, sich an externe Einrichtungen zu wenden, die nicht zu ihren Dienststellen gehören (EuGH, Urteil vom 9. Juni 2009 – C480/06, zitiert nach juris Tz. 45). Für die gemeinsame Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben schreibt das Gemeinschaftsrecht den öffentlichen Stellen keine spezielle Rechtsform vor. Zudem kann eine solche Zusammenarbeit öffentlicher Stellen das Hauptziel der Gemeinschaftsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen – einen freien Dienstleistungsverkehr und die Eröffnung eines unverfälschten Wettbewerbs in allen Mitgliedstaaten – nicht in Frage stellen, solange die Umsetzung dieser Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, und der in der Richtlinie 92/50 genannten Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten gewährleistet ist, so dass kein privates Unternehmen besser gestellt wird als seine Wettbewerber (EuGH, a.a.O. Tz.47).

Diese für einen Vertrag von vier niedersächsischen Landkreisen mit der Stadtreinigung H. als Anstalt des öffentlichen Rechts über die Zusammenarbeit bei der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Abfallentsorgung aufgestellten Grundsätze einer vergaberechtsfreien, rein interkommunalen Kooperation sind auf den hiesigen Sachverhalt nicht übertragbar. Der Kooperationsvertrag, über den der EuGH entschieden hat, war das Ergebnis und die Umsetzung einer Initiative der dortigen Vertragsparteien zur interkommunalen Zusammenarbeit, um der Stadt H. die Errichtung und den Betrieb einer Abfallsentsorgungsanlage unten den besten wirtschaftlichen Bedingungen zu ermöglichen. Er betraf – wie auch der EuGH betont (EuGH, a.a.O. Tz. 31) - gerade nicht den Vertrag zur Regelung der Verhältnisse zwischen der Stadtreinigung H. und dem (privatwirtschaftlichen) Betreiber der Müllverwertungsanlage, also die Beschaffung auf dem Markt. Im Gegensatz dazu geht es hier aber ausschließlich um den Beschaffungsvorgang selbst. Zu dieser Frage verhält sich die vorgenannte Entscheidung des EuGH ausdrücklich nicht (EuGH a.a.O. Tz.31).

Eine Übertragung der dortigen Erwägungen des EuGH rechtfertigt sich entgegen der Auffassung der Beigeladenen und des Antragsgegners auch nicht deshalb, weil letztgenannter und die Hansestadt L. die Beigeladene zum Zwecke der Abfallentsorgung und mithin zur Wahrnehmung einer ihnen obliegenden öffentlichen Aufgabe gegründet haben. Daraus folgt nicht, dass jeder Vertrag des Antragsgegners oder der Hansestadt L. mit der Beigeladenen über eine von ihr zu erbringende Versorgungsleistung als ein vergaberechtsfreier Fall der interkommunalen Kooperation anzusehen wäre. Dies verkennt, dass der EuGH für die Annahme einer rein verwaltungsinterner Kooperation daneben die Wahrnehmung gegenseitiger Verpflichtungen, die über eine reine Leistungsbeziehung (Leistung gegen Entgelt) hinausgeht, und den Ausschluss einer Ungleichbehandlung Privater fordert (EuGH, a.a.O. Tz. 47). Davon kann hier angesichts der Ausgestaltung des in 2006 ausgeschriebenen Entsorgungsvertrages, in dessen Regelungen sich die streitgegenständlichen zusätzlichen Entsorgungsleistungen nach dem Willen der Parteien mit den entsprechenden Änderungen bei zwei Positionen der Vergütung einfügen sollen, als klassischer Vertrag über die Beschaffung einer Leistung am Markt nicht die Rede sein. Gleiches gilt, soweit der EuGH den Ausschluss einer Ungleichbehandlung Privater fordert (EuGH, a.a.O.). Wie bereits ausgeführt, generiert die Beigeladene über ihre 100%ige Tochter D. erhebliche Umsätze am Markt durch das Geschäft mit Dritten. Sie ist also nicht nur im staatlichen Bereich tätig. Der in der Richtlinie 92/50 genannte Gleichbehandlungsgrundsatz wäre daher im vorliegenden Fall bei Annahme einer rein interkommunalen Zusammenarbeit entgegen der vom EuGH in seiner vorgenannten Entscheidung aufgestellten Vorgaben gerade nicht gewahrt.

Vor diesem Hintergrund besteht für den Senat keine Veranlassung, die Sache gem. Art. 234 Abs. 3 EGV dem EuGH vorzulegen. Seine Entscheidung entspricht der gesicherten Rechtsprechung des EuGH, die keine vernünftigen Zweifel daran aufkommen lässt, wie dieser die im vorliegenden Fall auftretenden Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts beantworten würde.

c) Der für eine europaweite Ausschreibung maßgebliche Schwellenwert ist überschritten. Dieser beträgt gem. § 2 Nr. 3 VgV i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 1422/2007 ab dem 1. Januar 2008 € 200.000 (vgl. jurisPKVergR/Laussen 2. Aufl. § 2 VgV Rdnr. 3). Bei Umlegung der zunächst für das Jahr 2009 vorgesehenen Entgelterhöhung von ca. 190.000 € netto bis zum Ende der Vertragslaufzeit in 2016 ergibt sich mit ca. 1,5 Millionen € netto ein deutlich darüber liegender Betrag.

2. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Nach § 107 Abs. 2 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. An die Darlegung, dass das Unternehmen ein „Interesse am Auftrag“ hat, dürfen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2004 - 2 BvR 2248/03, VergabeR 2004, 597, 599. BGHZ 162, 116, 122 f.).

Von einem Interesse der Antragstellerin am Auftrag ist auszugehen. Sie hatte sich bereits an der im Jahr 2006 europaweit erfolgten Ausschreibung von Müll und Wertstoffabfuhrleistungen des Antragsgegners beteiligt und ein entsprechendes Angebot abgegeben. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin die freihändige Vergabe gerügt hat und das wirtschaftliche Risiko eines Nachprüfungsverfahrens eingegangen ist, spricht für ihr Interesse an dem Auftrag (OLG Celle, VergabeR 2007, 79, 81). Dass ihre Schwestergesellschaft seit Februar 2008 eine eigene gewerbliche Sammlung von PPK betreibt, ist hierfür ohne Belang. Die Antragstellerin hat auch dargelegt, dass ihr aufgrund der unterbliebenen Ausschreibung der Altpapiersammlung durch ein Holsystem in Form der „blauen Tonnen“ bzw. die dadurch erforderliche Modifizierung des Preises ein Schaden entstanden ist. Insoweit genügt es, dass nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, dass die Antragstellerin in einem Vergabeverfahren den Zuschlag erhalten hätte. Das ist vorliegend anzunehmen, weil nicht insbesondere ersichtlich ist, welche Wertungskriterien der Antragsgegner seiner Ausschreibung in einem förmlichen Vergabeverfahren zu Grunde gelegt hätte (OLG Celle, a. a. O.).

3. Der Zulässigkeit des Begehrens der Antragstellerin steht auch nicht § 107 Abs. 3 S. 1 GWB a.F. entgegen, wonach der Nachprüfungsantrag unzulässig ist, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und nicht unverzüglich gerügt hat. Der als Präklusionsvorschrift ausgestaltete § 107 Abs.3 Satz 1 GWB a.F. sollte nach der Vorstellungen des Gesetzgebers unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben der Einleitung unnötiger Nachprüfungsverfahren durch Spekulationen mit Vergabefehlern entgegenwirken. Schon nach seinem Wortlaut war § 107 Abs.3 Satz 1 GWB a.F. auf Verstöße im Vergabeverfahren bezogen und beschränkt. Das schließt es aus, eine zur Präklusion führende Rügeobliegenheit anzunehmen, wenn der öffentliche Auftraggeber überhaupt kein Vergabeverfahren durchführt (BayObLG, VergabeR 2002, 244, 247. OLG Düsseldorf, NZBau 2001, 696, 703. OLG Frankfurt, NZBau 2004, 692, 693). Diese Beschränkung der Rügepräklusion nach § 107 Abs.3 Satz 1 GWB a.F. auf Vergabeverfahren wird auch durch die Neufassung des § 107 Abs.3 GWB aufgrund des Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 bestätigt, wonach die Rügepräklusion für die Fälle der defactoVergabe (§ 101b GWB ) nun ausdrücklich ausgeschlossen ist (§ 107 Abs.3 Satz 2 GWB n.F.).

4. Anders als der Antragsgegner und die Beigeladene annehmen, ist der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nicht gemäß § 242 BGB wegen Verwirkung unzulässig.

Selbst wenn man die positive Kenntnis der Geschäftsführer der Antragstellerin von einer durchgeführten Auftragserweiterung des ursprünglichen Entsorgungsvertrages bereits im März 2008 aufgrund der im wettbewerbsrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht L. zwischen der ebenfalls von ihnen als Geschäftsführer vertretenen Schwestergesellschaft der Antragstellerin und der Beigeladenen gewechselten Schriftsätze unterstellte, aus denen sich ergab, dass die Beigeladene nicht eigenständig gehandelt hat, sondern durch die öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger zur Sammlung der PPKAbfälle mittels blauer Tonne beauftragt worden war, hatte die Antragstellerin ihr Recht auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens im April 2009 nicht verwirkt (vgl. dazu OLG Dresden, Beschluss vom 11. September 2003 – WVerg 7/03, zitiert nach juris Tz. 26 ff.). Für eine ausnahmsweise anzunehmende Verwirkung genügt allein der Ablauf eines längeren Zeitraums seit der positiven Kenntnis nicht. Vielmehr erfordert eine Verwirkung zudem, dass der Auftraggeber wegen des Verhaltens des von der Vergaberechtsverletzung betroffenen Unternehmens darauf vertrauen darf, dass das Unternehmen seine Schutzansprüche nicht mehr geltend machen wird, dass er tatsächlich darauf vertraut hat und dass deswegen der Nachprüfungsantrag gegen Treu und Glauben verstößt. Dabei kommt es auch darauf an, ob der Auftraggeber aufgrund seines berechtigten Vertrauens, ein Nachprüfungsantrag werde nicht mehr gestellt, bereits weitreichende Maßnahmen durchgeführt hat, so dass ihm durch die späte Geltendmachung der Ansprüche mittels eine Nachprüfungsverfahrens ein unzumutbarer Nachteil entsteht (Wiese, in: Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWBVergaberecht, § 107 Rdn.112).

Eine solche Sachverhaltskonstellation ist hier nicht gegeben. Nach dem Beschluss seines Kreisausschusses am 3. März 2008 sind in der Folgezeit weitere für die (kommunal)rechtliche Wirksamkeit einer Auftragserweiterung erforderlichen Maßnahmen bis zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens vor dem erkennenden Senat unterblieben. Allein der Beschluss des Kreisausschusses stellt nach den kommunalrechtlichen Vorschriften keine rechtsverbindliche Willenserklärung des Antragsgegners dar. Nach § 58 Abs.2 der Niedersächsischen Landkreisordnung (NLO) bedürfen Erklärungen, durch die der Landkreis verpflichtet werden soll, für ihre Rechtsverbindlichkeit der handschriftlichen Unterzeichnung des Landrats bzw. müssen mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden. Um Geschäfte der laufenden Verwaltung i.S. des § 57 Abs.1 Nr.6 NLO, die regelmäßig wiederkehren und nach feststehenden Grundsätzen behandelt werden (vgl. dazu Engel, in: KVR Nds/NLO, § 57 Rdn.9 ff.) und für die gemäß § 58 Abs.4 NLO diese Formvorschrift daher nicht gilt, handelt es sich bei der zusätzlichen Beauftragung der Altpapiersammlung in blauen Tonnen nicht. Ein den kommunalrechtlichen Vorgaben genügender Vertrag mit der Beigeladenen über diese Auftragserweiterung des Ursprungsvertrags und die entsprechende Anpassung der Vergütungsstruktur ist daher allenfalls mit dem in Vertretung des Landrats gezeichneten Schreiben des Antragsgegners vom 15. Juli 2009 wirksam zustande gekommen. Weiteren Schriftverkehr zu der vereinbarten Ergänzung des Entsorgungsvertrages durch Einführung der blauen Tonnen haben der Antragsgegner und die Beigeladne mit Ausnahme des Nachtragsangebots der Beigeladenen vom 13. Oktober 2008 nicht geführt. Folglich konnte ein wirksamer Vertrag über die durchgeführte Ergänzung des Entsorgungsvertrages erst mit dem Schreiben vom 15. Juli 2009 und nicht - wie Antragsgegner und Beigeladene meinen - bereits konkludent ohne Einhaltung der nach NLO vorgesehenen Förmlichkeiten im März 2008 geschlossen worden sein. Eine Beseitigung des Formmangels ist auch nicht durch Genehmigung nach § 177 Abs.1 BGB, sondern lediglich durch Neuvornahme der maßgeblichen Verpflichtungserklärung unter Einhaltung der Förmlichkeiten möglich (BGHZ 147, 381, 388 f.). Bestand somit vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens durch die Antragstellerin im März 2009 noch keine wirksame kommunalrechtliche und damit rechtsverbindliche Vereinbarung zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen, ohne dass dies in irgendeiner Weise auf die Antragstellerin zurückzuführen war, fehlte es aber an einem Anknüpfungspunkt für einen ausreichenden Vertrauenstatbestand, auf den sich der Antragsgegner verlassen haben könnte und wegen dessen die späte Einleitung des Nachprüfungsverfahrens für ihn als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen muss.

5. Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner die Beigeladene mit der Einführung der blauen Tonnen inzwischen - unterstellt - kommunalrechtlich wirksam beauftragt und eine entsprechende Vergütungsanpassung beschlossen hat.

a) Zwar kann die Vergabekammer in zulässiger Weise nicht mehr angerufen werden, sobald der Vertrag bereits abschlossen worden ist, weil gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB ein erteilter Zuschlag nicht mehr aufgehoben werden kann. Ein rechtlich wirksamer Vertragsschluss kann hier - wie bereits ausgeführt - überhaupt erst am 15. Juli 2009 und damit während des laufenden Beschwerdeverfahrens erfolgt sein. Jedoch wäre auch dieser unwirksam, weil der Antragsgegner die Antragstellerin entgegen § 13 VgV nicht mindestens 14 Kalendertage vor dem Vertragsschluss darüber informiert hat, dass die Beigeladene mit der Aufstellung der blauen Tonnen beauftragt, die Vergütungsstruktur des ursprünglichen Entsorgungsvertrages geändert und aus welchem Grund die Antragstellerin nicht berücksichtigt werden soll.

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 13 VgV entsprechend anzuwenden, wenn zwar ein förmliches Vergabeverfahren nicht stattgefunden hat, die Beschaffung aber immerhin zur Beteiligung mehrerer Unternehmen, zu verschiedenen Angeboten und schließlich zur Auswahl durch den öffentlichen Auftraggeber geführt hat. Denn dann gibt es neben dem in Aussicht genommenen Unternehmen bestimmte andere „Bieter“ sowie Gründe für ihre Nichtberücksichtigung. Diese Gegebenheiten kann der öffentliche Auftraggeber wie bei einem geregelten Vergabeverfahren zu einer sachgerechten Information der Unternehmen nutzen, deren Angebot nicht zum Zuge kommen sollen (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2005 - X ZB 27/04, VergabeR 2005, 328). Der „Bieterstatus“ wird dadurch begründet, dass das Unternehmen gegenüber dem Auftraggeber ein Interesse am Erhalt des Auftrags bekundet. Das geschieht in einem förmlichen Vergabeverfahren durch Abgabe eines Angebots zu einem bestimmen Beschaffungsvorhaben. Ein konkretes Angebot ist allerdings keine notwendige Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung des § 13 VgV. Denn bei freihändigen Vergaben sind die nicht berücksichtigten Unternehmen regelmäßig gar nicht in der Lage, ein konkretes Angebot abzugeben, weil sie den Beschaffungsbedarf des Auftraggebers im Einzelnen nicht kennen. Jedenfalls in diesen Fällen reicht es aus, dass der öffentliche Auftraggeber von dem Interesse des Unternehmens an dem Auftrag Kenntnis erlangt hat, und dass er dem Unternehmen die Vorabinformation über die beabsichtigte Vergabe erteilen kann (OLG Celle, Beschluss vom 14. September 2006 – 13 Verg 2/06, zitiert nach juris Tz.24). Diese Kenntnis vom Interesse der Antragstellerin an den in Rede stehenden Entsorgungsaufträgen hatte der Antragsgegner spätestens durch die entsprechenden Rügen der Antragstellerin und ihren Hinweis im Vergabenachprüfungsverfahren.

B. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

1. Der Antragsgegner hat gegen die §§ 97 Abs. 1, 100 Abs.1 GWB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 VgV und § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A 2. Abschnitt verstoßen, indem er die Einführung der blauen Tonnen ohne förmliches europaweites Vergabeverfahren vergeben hat, obwohl der Schwellenwert gem. § 2 Nr. 3 VgV i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 1422/2007 von 200.000 € überschritten wird.

a) Der Einwand des Antragsgegners und der Beigeladenen, nur unter Verzicht auf die in § 18 a VOL/A vorgesehenen Fristen habe man auf die Einführung der blauen Tonnen im Rahmen der gewerblichen Sammlung der Schwestergesellschaft der Antragsstellerin rechtzeitig reagieren und einen Einbruch bei dem Erlösen aus der Verwertung des von der Beigeladenen im Bringsystem gesammelten Papiers verhindern können, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dringende Gründe im Sinne von § 3a Nr. 2 d) VOL/A, die eine Auftragsvergabe ausnahmsweise ohne vorherige Vergabebekanntmachung zugelassen hätten, sind darin nicht zu sehen. An das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 3a Nr.2 d) VOL/A sind hohe Anforderungen zu stellen. Als zwingende und dringende Gründe kommen nur akute Gefahrensituationen und höhere Gewalt in Betracht, die zur Vermeidung von Schäden für Leib und Leben der Allgemeinheit ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen ausschließendes Handeln erfordern. Bloße finanzielle Gründe bzw. wirtschaftliche Erwägungen werden diesen Anforderungen regelmäßig nicht gerecht (VgK Saarland, Beschluss vom 24. Oktober 2008 – 3 VK 2/2008, zitiert nach juris Tz.88). Ebenso hohe Anforderungen sind an die Unvorhersehbarkeit des Ereignisses zu stellen. Dass angesichts der seinerzeit stetig steigenden Preise für die Verwertung von Altpapier der Markt auch für private Anbieter stark an Attraktivität gewinnen würde und diese versuchen würden, mit eigenen gewerblichen Sammlungen auf den Markt zu drängen, war dem Antragsgegner bekannt oder zumindest vorhersehbar, so dass er sich nicht mit Erfolg auf ein unvorhersehbares Ereignis im Sinne von § 3a Nr.2 d) VOL/A berufen kann.

b) Gleiches gilt im Ergebnis für den geltend gemachten Ausnahmetatbestand gemäß § 3a Nr. 2f) VOL/A. Hierfür fehlt es ebenfalls – wie bereits dargelegt – an einem unvorhergesehenen Ereignis, aufgrund dessen das nun zusätzlich beauftragte Holsystem für die Sammlung von PPK privater Haushalte zur Durchführung der ursprünglich geschuldeten Leistung erforderlich war (Kaeble, in: MüllerWrede, VOL/A, 2 Aufl. § 3a Rdn.222). Dass die Einführung des Holsystems „Blaue Tonne“ auch nicht aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen ohne wesentliche Nachteile für den Auftraggeber vom Hauptauftrag zu trennen oder für dessen Vollendung unbedingt erforderlich ist (Kaeble, in: MüllerWrede, VOL/A, 2 Aufl. § 3a Rdn. 226), zeigt sich bereits an dem der Entscheidung des OLG Rostock vom 6. März 2009 (17 Verg 1/09, VergabeR 2009, 600 ff.) zugrunde liegenden Sachverhalt, der die Ausschreibung eines Holsystems (blauen Tonnen) parallel zu dem bestehenden Bringsystem betraf.

c) Davon abgesehen ist zu Lasten des Antragsgegners als öffentlichen Auftraggeber davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 3a N.2 VOL/A nicht vorliegen, weil er es entgegen § 3a Nr.3 VOL/A unterlassen hat, die Gründe für die Einleitung eines Verhandlungsverfahrens ohne öffentliche Vergabebekanntmachung zu dokumentieren (Weyand, ibronlineKommentar Vergaberecht, Stand: 12.10.2009, § 97 GWB Tz. 6.3.3.1.3.25).

2. Durch die fehlende Ausschreibung wurde die Antragstellerin in ihrem Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren gemäß § 97

Abs. 7 GWB verletzt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 128 Abs. 3, 4 GWB, 91, 100 Abs. 1,

101 ZPO analog. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt gemäß § 50 Abs.2 GKG 5% der Bruttoauftragssumme. Dabei wurde ausgehend von der Erhöhung des jährlichen Entgeltbetrages von 190.000 € netto ein auf die restliche Vertragslaufzeit ergebenden Auftragswert von 1.520.000 € netto, mithin 1.808.800 € brutto zugrunde gelegt, nachdem die Antragstellerin selbst kein Angebot abgegeben hat.