Niedersächsisches FG, Urteil vom 25.11.2003 - 1 K 354/01
Fundstelle
openJur 2012, 40651
  • Rkr:
Tatbestand

Streitig ist, ob ein vom Arbeitgeber ausgesprochenes Verbot, den Firmenwagen für private Zwecke zu nutzen, dem Ansatz eines entsprechenden geldwerten Vorteils auch dann entgegensteht, wenn seine Einhaltung nicht überwacht wurde.

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Ehemann ist als Außendienstmitarbeiter bei der Fa. ... beschäftigt. Aufgrund einer Zusatzvereinbarung (Bl. 84 der Einkommensteuerakte 1999 zur Steuernummer ...) stellte ihm diese einen Pkw zur Verfügung, den er auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzen durfte. Im Übrigen war eine Verwendung für private Zwecke untersagt und eine Haftung des Arbeitnehmers für die Folgen einer evtl. Missachtung vorgesehen. Das dem Kläger überlassene Kraftfahrzeug war von der Arbeitgeberin geleast worden. Der auf die Dauer von 36 Monaten abgeschlossenen Leasingvereinbarung lag eine Fahrleistung von 90.000 km zugrunde. Für jeden Mehrkilometer hatte die Leasingnehmerin ... DM zusätzlich zu zahlen, für jeden Minderkilometer waren ihr ... DM zu erstatten. Im Rahmen des Lohnsteuerabzugs wurde weder ein geldwerter Vorteil für die private Nutzung des Firmenfahrzeugs noch für die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erfasst. Neben seiner nichtselbständigen Tätigkeit erzielt der Kläger noch Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Betrieb eines Reitstalls.

Im Rahmen einer bei der Arbeitgeberin durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung stellte sich der Prüfer auf den Standpunkt, dass die Lohnversteuerung eines geldwerten Vorteils zu Unrecht unterblieben sei, weil die Arbeitgeberin keinerlei Vorkehrungen getroffen habe, um die Einhaltung des vereinbarten Nutzungsverbots zu überwachen. Der Prüfer ermittelte auf der Grundlage der in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 und in § 8 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Pauschalbeträge geldwerte Vorteile in folgender Höhe:

Private Nutzung

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

Am 1. Juni 2001 erteilte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) unter Berücksichtigung dieser Prüfungsfeststellung einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr.

Der hiergegen eingelegte Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, dass wegen des von der Arbeitgeberin ausgesprochenen Verbots keine private Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs stattgefunden habe, hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Mit Rücksicht darauf, dass der Kläger im Betrieb offenbar keinen festen Arbeitsplatz habe, verzichtete das FA auf die Berücksichtigung der zusätzlichen geldwerten Vorteile für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und setzte die Steuer entsprechend herab. Im Übrigen wies es den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2001 als unbegründet zurück. Es vertrat die Ansicht, dass nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises von einer Mitbenutzung des betrieblichen Kraftfahrzeugs auch für private Zwecke auszugehen sei. Da der Kläger das Fahrzeug mit nach Hause habe nehmen dürfen, habe er auch außerhalb der Arbeitszeit eine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit bestanden. Die Wahrnehmung dieser Möglichkeit habe um so näher gelegen, als der Kläger im Streitjahr mit der Errichtung einer Reithalle zum Betrieb eines Reit- und Pensionsstalles begonnen habe, was nach der Lebenserfahrung die Wahrnehmung zahlreicher Termine mit Handwerkern und Unternehmern erforderlich gemacht habe.

Hiergegen richtet sich die am 17. Juli 2001 erhobene Klage. Die Kläger machen geltend, dass eine private Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs tatsächlich nicht stattgefunden habe und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände auch der Lebenserfahrung widerspreche. Dem Ehemann habe für private Fahrten ein ... zur Verfügung gestanden. Dessen Fahrleistung belaufe sich auf etwa 25.000 bis 30.000 km. Auch der Bau und der Betrieb des Reitstalles hätten keine Nutzung des Firmenfahrzeugs notwendig gemacht. Die Baustoffe seien von den Lieferanten auf den Hof angeliefert worden. Die in dem Stall untergebrachten Pferde würden von den Kunden selbst gebracht und abgeholt. Ebenso wenig mache die familiäre Situation eine Privatnutzung des Firmenfahrzeugs erforderlich. Die Ehefrau sei nicht erwerbstätig und die Kinder seien in einem selbständigen Alter; das älteste Kind habe überdies einen eigenen Pkw. Einer privaten Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs stehe zudem die Tatsache entgegen, dass dieses mit einem Werbeschriftzug der Arbeitgeberin versehen und regelmäßig mit Werbematerial und ...modellen vollgepackt sei.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 vom 1. Juni 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2001 die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich ergibt, wenn die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers um ... DM vermindert werden

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an der seiner Einspruchsentscheidung zugrunde liegenden Auffassung fest.

Gründe

Die Klage ist begründet. Das FA hat die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers zu Unrecht um Einnahmen aus der Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Zwecken erhöht.

1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Darunter fallen auch geldwerte Vorteile, die mit der Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Zwecken verbunden sind. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG sind diese in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kalendermonat mit 1 v.H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Statt dieses Betrages kann nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG der auf die private Nutzung entfallende Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

Daraus, dass der Kläger ein solches Fahrtenbuch für das Streitjahr nicht geführt hat, folgt jedoch nicht, dass er wegen der privaten Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs einen geldwerten Vorteil in der sich aus § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG ergebenden Höhe zu versteuern hat. Bei dieser Vorschrift handelt es sich lediglich um eine Bewertungsregel. Ihre Anwendung setzt die vorherige Feststellung voraus, dass eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hat. Diese Feststellung vermag der Senat im Streitfall nicht zu treffen.

Von den Klägern selbst wird eine Nutzung zu privaten Zwecken unter Hinweis auf das von der Arbeitgeberin ausgesprochene Verbot bestritten. Das FA hat keine konkreten - d.h. auf den Streitfall bezogenen - Feststellungen getroffen, die diese Sachdarstellung widerlegen könnten. Es stützt den Ansatz eines geldwerten Vorteils allein auf Abschnitt I. 5. des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 28. Mai 1996 (BStBl. I 1996, 654). Danach kann - wenn dem Arbeitnehmer ein Kraftfahrzeug mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt wird, es für Privatfahrten nicht zu nutzen - von dem Ansatz des pauschalen Wertes nur abgesehen werden, wenn der Arbeitgeber die Einhaltung seines Verbotes überwacht oder wenn wegen der besonderen Umstände des Falles die verbotene Nutzung so gut wie ausgeschlossen ist, z.B. deshalb, weil der Arbeitnehmer das Fahrzeug nach seiner Arbeitszeit und am Wochenende auf dem Betriebsgelände abstellt und den Schlüssel abgibt.

Die in dem BMF-Schreiben getroffene Regelung geht offensichtlich von der Annahme aus, dass ein Arbeitnehmer, dem ein betriebliches Kraftfahrzeug unter Umständen überlassen wird, die eine Nutzung zu privaten Zwecken ermöglichen, von dieser Möglichkeit auch dann Gebrauch machen wird, wenn er sich damit über ein arbeitsvertragliches Verbot hinwegsetzt. In dieser Allgemeinheit vermag sich der Senat diese Annahme nicht zu eigen zu machen.

2. Von einer privaten Mitbenutzung des Fahrzeugs kann nur dann ohne weiteres ausgegangen werden, wenn feststeht oder nach den Umständen anzunehmen ist, dass das entsprechende Verbot nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten nur zum Schein ausgesprochen wurde, der Arbeitgeber tatsächlich also mit der privaten Nutzung einverstanden ist und dies gegenüber dem Arbeitnehmer auch zum Ausdruck gebracht hat. Eine solche Feststellung lässt sich im Streitfall nicht treffen.

Der Umstand allein, dass es sich bei dem überlassenen Fahrzeug um ein Leasingfahrzeug handelte und die Höhe des bei Vertragsablauf erzielbaren Wiederverkaufspreises in die Risikosphäre des Leasinggebers fiel, rechtfertigt nicht den Schluss, dass der Arbeitgeberin des Klägers die Höhe der Gesamtfahrleistung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gleichgültig sein konnte und sie aus diesem Grund kein Interesse an der Einhaltung des Privatnutzungsverbots hatte. Abgesehen davon, dass jeder über die vereinbarte Fahrleistung hinaus gefahrene Kilometer von ihr zusätzlich zu vergüten war, während sie im umgekehrten Fall eine Erstattung beanspruchen konnte, hatte die Gesamtfahrleistung unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe der von ihr zu tragenden Betriebs- und Wartungskosten. Darüber hinaus beeinflusste sie auch das Maß des Unfallrisikos. Wegen der möglichen Auswirkungen auf die Höhe der von ihr zu zahlenden Versicherungsprämien hätten die wirtschaftlichen Konsequenzen eines Unfalls die Arbeitgeberin selbst dann berührt, wenn sie für das Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen haben sollte.

Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Arbeitgeberin des Klägers deshalb mit einer privaten Mitbenutzung einverstanden war, weil sie diesem durch die Überlassung des Fahrzeugs eine - zusätzliche - Entlohnung gewähren wollte. Weder aus dem Bericht über die bei der Arbeitgeberin durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung noch aus dem sonstigen Inhalt der Steuerakten ergeben sich Hinweise darauf, dass die Überlassung des Fahrzeugs anstelle einer anderenfalls anstehenden Barlohnerhöhung oder zur Umwandlung bereits bestehender Gehaltsansprüche erfolgte.

3. Hiernach käme der Ansatz eines geldwerten Vorteils nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG im Streitfall nur dann in Betracht, wenn sich der Kläger über das - ernstgemeinte - Verbot seiner Arbeitgeberin hinweggesetzt hätte. Der Senat kann offen lassen, ob ein geldwerter Vorteil, den sich der Kläger auf diese Weise eigenmächtig verschafft hätte, ihm überhaupt im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG "gewährt" worden wäre. Denn nach den Umständen des Falles besteht kein hinreichender Grund, von einer eigenmächtigen Privatnutzung des Fahrzeugs auszugehen.

Dagegen spricht zunächst die Tatsache, dass der Kläger bei einem Bekanntwerden der darin liegenden Pflichtverletzung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen seitens seiner Arbeitgeberin hätte rechnen müssen. Selbst wenn diese keine Vorkehrungen für eine systematische Überwachung des Nutzungsverbots getroffen hatte, ließ sich diese Möglichkeit schon wegen des bei jeder Fahrt - und damit auch bei jeder Privatfahrt - bestehenden Unfallrisikos nicht ausschließen.

Gegen die von dem FA unterstellte Privatnutzung spricht ferner, dass das dem Kläger überlassene Fahrzeug mit einem Werbeschriftzug der Arbeitgeberin versehen war, durch den es auf den ersten Blick als betriebliches Fahrzeug erkennbar war, und der Umfang des darin aus betrieblichen Gründen mitgeführten Materials die Mitnahme anderer Personen nicht oder nur in sehr eingeschränktem Umfang zuließ.

Schließlich erforderten auch die persönlichen und familiären Verhältnisse des Klägers keine private Mitbenutzung des betrieblichen Fahrzeugs. In Gestalt eines privaten ... stand diesem ein objektiv zumindest gleichwertiges Fahrzeug zur Verfügung, auf das er auch zur Wahrnehmung von Terminen im Zusammenhang mit der Errichtung des Reitstalls zurückgreifen konnte. Seine Ehefrau ging keiner Erwerbstätigkeit nach und war damit aus beruflichen Gründen nicht auf ein Fahrzeug angewiesen. Das älteste Kind verfügte im Streitjahr bereits über ein eigenes Kraftfahrzeug.

4. Hiernach ist die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich ergibt, wenn die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um den als geldwerten Vorteil aus der privaten Nutzung des betrieblichen Kraftfahrzeugs angesetzten Betrag von ... DM gemindert werden (§ 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein vom Arbeitgeber ausgesprochenes Privatnutzungsverbot dem Ansatz eines geldwerten Vorteils auf Seiten des Arbeitnehmers entgegensteht, hat grundsätzliche Bedeutung.

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