Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.11.2003 - 16 K 329/03
Fundstelle
openJur 2012, 40647
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Tatbestand

In Streit steht, ob der Beklagte im Wege der Billigkeit auf die Nachforderung von Umsatzsteuerberichtigungsbeträgen nach § 15 a Umsatzsteuergesetz (UStG) zu verzichten hat.

Der Kläger ist Landwirt. Bis zum 31. Dezember 1991 versteuerte er seine Umsätze nach § 24 UStG. Ab 1992 wechselte er zur Regelbesteuerung. Wegen dieses Wechsels der Besteuerungsform standen ihm Vorsteuerberichtigungsbeträge nach § 15 a UStG in Höhe von 2.648,88 DM für 1992 und 2.311,13 DM für 1993 zu. Der Beklagte erließ entsprechende Umsatzsteuer(Änderungs)-bescheide am 25.09.1996. Diese Bescheide wurden bestandskräftig.

Der Kläger optierte rechtzeitig für 1997 erneut zur Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG. Dieser Wechsel der Besteuerungsform führte materiell-rechtlich zu Umsatzsteuerberichtigungen nach § 15 a UStG zu seinen Lasten. Die Beträge wurden zwischen den Beteiligten einvernehmlich aufgrund einer Außenprüfung mit Vorsteuerberichtigungen von 7.896,88 DM für 1997, 6.304,86 DM für 1998 und 6.235,66 DM für 1999 ermittelt. Entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre erließ der Beklagte am 19. Juli 2001.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht der Kläger geltend, der Beklagte müsse im Wege der Billigkeit die Steuer unter Verzicht der Vorsteuerberichtigungen festsetzen. Dass ein Wechsel der Besteuerungsform zu Änderungen nach § 15 a UStG führe, weil bereits hierin eine Änderung der Verhältnisse liege, habe der Bundesfinanzhof erstmals mit dem so genannten Mähdrescher-Urteil vom 16. Dezember 1993 V R 79/91 (BStBl II 1994, 339) entschieden. Das Bundesministerium der Finanzen habe durch mehrere Schreiben zur Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung Stellung genommen. So ergebe sich aus dem Schreiben vom 29. Dezember 1995, dass die Rechtsprechung erstmals auf Wirtschaftsgüter anzuwenden sei, die nach dem 31. Dezember 1995 verwendet werden. Durch ein weiteres Schreiben vom 22. Februar 1996 habe das Bundesministerium der Finanzen der Verwaltung vorgegeben, dass bei Vorsteuerberichtigungen zu Gunsten des Unternehmers diese Einschränkung nicht gelte. Die Übergangsregelungen seien auf der Rechtsgrundlage der §§ 163, 227 Abgabenordnung (AO) erlassen. Sie dienten der Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Der Kläger berufe sich hierauf. Er dürfe auch nicht wegen des BMF-Schreibens vom 13. Februar 1997 schlechter behandelt werden. Ihm dürfe insbesondere nicht zum Nachteil gereichen, dass für die Jahre 1992 und 1993 Vorsteuerberichtigungen zu seinen Gunsten in den bestandskräftigen Steuerbescheiden festgesetzt sind. Diese Beträge könnten im Wege der Billigkeit gegen die vom Finanzamt nachgeforderten Umsatzsteuerberichtigungen für die Streitjahre gegengerechnet werden.

Der Kläger beantragt,

der Beklagte möge verpflichtet werden, die Umsatzsteuer 1997 bis 1999 im Wege der Billigkeit nach § 163 AO insoweit herabzusetzen, als die Umsatzsteuer 1997 um 2.937 DM, die Umsatzsteuer 1998 um 6.304,12 DM und die Umsatzsteuer 1999 um 6.235 DM geringfügiger festgesetzt wird.

Der Beklagte hat schriftsätzlich vorgetragen, dass er die Abweisung der Klage beantrage.

Zur Begründung hat der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung Bezug genommen. Dort hat er insbesondere unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 13.02.1997, Az.: IV C 3 -S 7316 - 3/97 ausgeführt: "Es sei nicht Sinn der Übergangsregelungen, zusätzliche Steuervergünstigungen zu gewähren. Den Übergangsregelungen könne nicht entnommen werden, dass ein Landwirt, bei dem die Anwendung des so genannten Mähdrescher-Urteils beim Wechsel der Besteuerungsform sowohl zu Vorsteuerrückzahlungen an das Finanzamt als auch zu Vorsteuererstattungen führe, die Vorsteuererstattungen geltend macht und die Vorsteuerrückzahlungen außer Betracht bleiben können. Wer die vorteilhaften Auswirkungen der BFH-Rechtsprechung in Anspruch nehme, müsse auch die für ihn negativen Auswirkungen gegen sich gelten lassen". Der Kläger habe im vorliegenden Falle die vorteilhaften Auswirkungen der Rechtsprechung für die Jahre 1992 und 1993 in Anspruch genommen. Aufgrund dessen müsse er beim nunmehr umgekehrten Wechsel der Besteuerungsform die negativen Auswirkungen gegen sich gelten lassen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Beklagte muss die Umsatzsteuer im Umfang der im Urteilstenor angegebenen Beträge niedriger festsetzen. Dies folgt aus § 163 AO.

Nach dieser Vorschrift können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuer erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Durch die genannte Regelung werden bereits im Festsetzungsverfahren Billigkeitsmaßnahmen berücksichtigt. Eine derartige Billigkeitsmaßnahme stellen die Übergangsregelungen dar, die das Bundesministerium der Finanzen durch die Schreiben vom 29. Dezember 1995 und vom 22. Februar 1996 erlassen hat. Hieraus ergibt sich, dass die Finanzverwaltung die Rechtslage, die sich aufgrund des BFH-Urteils vom 16. Dezember 1993 ergibt, zu Lasten der Steuerpflichtigen erst auf Wirtschaftsgüter anwenden will, die nach dem 31. Dezember 1995 erstmals verwendet werden bzw. bei Investitionen, die vor dem 01.01.1996 begonnen worden sind und in 1996 noch abgeschlossen wurden. Eine Einschränkung der Anwendbarkeit der BFH-Rechtsprechung zu Gunsten des Steuerpflichtigen enthalten die BMF-Schreiben ausdrücklich nicht. Aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung, die aus den BMF-Schreiben ersichtlich ist, hatte der Beklagte die dort genannten Regelungen auf den Streitfall anzuwenden. Insoweit war auch das Ermessen zur Ausübung der abweichenden Steuerfestsetzung auf Null reduziert.

Der Beklagte irrt, wenn er in seiner Einspruchsentscheidung darauf abstellt, dass der Kläger für die Jahre 1992 und 1993 die vorteilhaften Auswirkungen der BFH-Rechtsprechung für sich in Anspruch genommen habe. Dabei übersieht nämlich der Beklagte, dass die Anwendung des § 15 a UStG nicht etwa auf Antrag des Steuerpflichtigen erfolgt. Vielmehr handelt es sich um die Anwendung gebundenen Rechts. Mithin konnte der Kläger sich nicht anders verhalten, als dass er die rechtmäßigen Änderungsbescheide für die Jahre 1992 und 1993 vom 25. September 1996 hinnahm und sie bestandskräftig werden ließ.

Etwas anderes lässt sich auch nicht aus dem BMF-Schreiben vom 13. Februar 1997 herleiten. Dieses Schreiben enthält keine eigenständige Übergangsregelung, sondern allenfalls eine Interpretation, wie sich aus dem dritten Absatz des Schreibens ergibt.

Im Streitfall ist zu bedenken, dass der Kläger durch seine Antragstellung im Prozess hinreichend dargelegt hat, dass er nicht die Vorsteuerkorrekturen zu seinen Gunsten aus den Jahren 1992 und 1993 endgültig behalten will und andererseits sämtliche Vorsteuerkorrekturen der Streitjahre abwehren möchte. Die mit dem Antrag verknüpfte Idee, dass im Wege der Billigkeitsmaßnahme eine Saldierung stattfindet, ist sachlich billig und entspricht nach Auffassung des Gerichts wohl auch dem, was im BMF-Schreiben vom 13. Februar 1997 als Interpretation enthalten ist. Denn es ist zu berücksichtigen, dass verfahrensrechtlich eine Änderung der materiell-rechtlich zutreffenden Steuerfestsetzungen für die Jahre 1992 und 1993 nicht mehr erreichbar war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.