OLG Bremen, Beschluss vom 22.06.2009 - 2 Sch 1/09
Tenor

Der Antrag vom 09.01.2009, gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO die ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts für die dem Antrag beigefügte Klage festzustellen wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Hilfsantrag auf Verweisung des Rechtsstreits an die ordentlichen Gerichte wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern auferlegt.

Gründe

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beschlüssen, die auf einer Gesellschafterversammlung vom 10. Dezember 2008 jeweils gegen die Stimmen der Antragsteller gefasst wurden. Die Antragsteller sind die alleinigen Geschäftsführer und waren gemeinsam mit den Antragsgegnerinnen zu 2. bis 5. alleinige Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1., einer GmbH, was sie nach ihrer Auffassung auch verblieben sind. U.a. wurden die Geschäftsanteile der Antragsteller eingezogen und im Anschluss daran weitere Beschlüsse gefasst, deren Wirksamkeit von der Berechtigung der Antragsteller zur Abstimmung über die entsprechenden Tagesordnungspunkte nach Einziehung ihrer Anteile abhängig ist. Die Antragsteller beabsichtigen die Erhebung einer Klage gegen die Antragsgegner, mit der sie die Feststellung erstreben, dass die Gesellschafterbeschlüsse sämtlich nicht gefasst sind, hilfsweise, dass der Einziehungsbeschluss und der Beschluss über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Antragsteller nichtig, äußerst hilfsweise, dass die Beschlüsse unwirksam sind.

Im vorliegenden Verfahren begehren die Antragsteller gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO die Feststellung, dass für die dem Antrag als Anlage beigefügte Klage ausschließlich ein Schiedsgericht zuständig ist.

Die Satzung der Antragsgegnerin zu 1. enthält eine Schiedsklausel (§ 14) mit folgendem Wortlaut:

„Alle Streitigkeiten, die sich aus und im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag oder über seine Gültigkeiten ergeben, werden — soweit in dem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist — nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden. Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern, die die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Das Schiedsgericht kann auch über die Gültigkeit dieses Schiedsvertrages bindend entscheiden.“

Alle Antragsgegnerinnen haben nach Zustellung des Antrages die Zuständigkeit des Schiedsgerichts ausdrücklich anerkannt. Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen zu 1., 3., 4. und 5. haben ihr Einverständnis im Verlaufe des Verfahrens vorsorglich auch im Namen der N. Siebte Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG (im Folgenden: N. 7.) erklärt, nachdem die Antragsgegnerin zu 2. im Anschluss an die Gesellschafterversammlung nach Vortrag der Antragsgegner dieser ihren Geschäftsanteil abgetreten hat.

Zur Begründung ihres Antrages machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, dass mit Rücksicht auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 29.03.1996 (BGHZ 132, 278 ff.), nach denen der generellen Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten weiterhin Bedenken entgegenstünden, die nur durch eine gesetzliche Regelung überwunden werden könnten, ein Interesse an einer verbindlichen Feststellung der Zuständigkeit bestehe. Allein aufgrund der Anerkennung seitens der Antragsgegner, mit der zudem vorgerichtlich nicht habe gerechnet werden können, könne in Ermangelung einer Dispositionsbefugnis der Parteien über die Schiedsfähigkeit der beabsichtigten Klage die Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht festgestellt werden. § 307 ZPO sei auf dieses Verfahren nach §§ 1032 ff. ZPO nicht anwendbar. Das Anerkenntnis sei zudem missbräuchlich. Die Antragsgegner hätten außerdem Anlass zur Antragstellung gegeben, weshalb ihnen die Verfahrenskosten aufzuerlegen seien. Dies gelte auch für den Fall der Ablehnung des Antrages, weil ohne eine Veräußerung von Geschäftsanteilen an die N. 7. dem Antrag stattzugeben gewesen wäre. Nunmehr bestünden aber im Hinblick darauf, dass - anders als von den Antragstellern ursprünglich angenommen - nicht alle Beteiligten am Verfahren beteiligt seien, wegen der Problematik der Rechtskrafterstreckung auf Dritte im Beschlussmängelstreit Bedenken gegen die Schiedsfähigkeit der beabsichtigten Klage. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragsgegnerin zu 5. ihren Geschäftsanteil an ein Kreditinstitut verpfändet habe. Auch insoweit könnten also Rechte Dritter vom Ausgang des Schiedsverfahrens abhängen. Hilfsweise beantragen die Antragsteller für den Fall, dass die Klage nicht als schiedsfähig angesehen werden sollte, die Verweisung des Rechtsstreits an die ordentlichen Gerichte.

Die Antragsgegnerinnen halten die beabsichtigte Klage für ohne weiteres schiedsfähig. Sie meinen, den Antragstellern seien die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie, die Antragsgegnerinnen, die Zuständigkeit des Schiedsgerichts sofort anerkannt und keinen Anlass zur Antragstellung nach § 1032 Abs. 2 ZPO gegeben hätten.

II.

1.

Der Antrag ist gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO zulässig. Das angerufene Gericht ist gemäß § 1062 Abs. 3 ZPO für die Entscheidung über den Antrag zuständig. Die von den Antragsgegnerinnen erklärten Anerkenntnisse lassen das aus dem Streit um die Wirksamkeit der Beschlüsse folgende Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller schon deswegen nicht entfallen, weil diese Anerkenntnisse die Zulässigkeit des Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO gerade voraussetzen.

2.

Die Durchführung eines Schiedsverfahrens ist unzulässig. Das Schiedsgericht ist nicht aufgrund der in § 14 des Gesellschaftsvertrages enthaltenen Schiedsklausel für die von den Antragstellern beabsichtigte Klage zuständig.

a)

Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts folgt nicht bereits aus den im vorliegenden Verfahren erklärten Anerkenntnissen der Antragsgegnerinnen:

Allerdings finden auf die in § 1062 ZPO genannten Verfahren die allgemeinen Vorschriften über das Erkenntnisverfahren im ersten Rechtszug Anwendung, sofern sich aus der ratio legis nichts Abweichendes ergibt (Geimer in Zöller 27. Aufl. § 1063 ZPO Rz. 7). Dabei ist bereits streitig, ob bei zwingender mündlicher Verhandlung bei Säumnis des Antragstellers ein „Versäumnisbeschluss“ analog § 330 ZPO ergehen kann (vgl. Zöller a.a.O. Rz. 8 m.w.N.; Voit in Musielak 6. Aufl. § 1063 ZPO Rz. 5). Die – analoge - Anwendbarkeit des § 307 ZPO mit der Folge eines „Anerkenntnisbeschlusses“ scheidet im vorliegenden Verfahren jedenfalls schon deshalb aus, weil es sich nicht um ein Verfahren mit zwingender, sondern um ein solches mit lediglich fakultativer mündlicher Verhandlung handelt. Zudem kann Grundlage einer auf einem Anerkenntnis beru henden Entscheidung nur ein zur Disposition der Parteien stehender Prozessgegenstand sein. Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen eine auf Beschlussmängel gerichtete Klage schiedsfähig ist, richtet sich aber — wie gleich noch näher erläutert wird — danach, ob im Hinblick auf die im GmbH-Recht analog angewendeten §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG die Rechte aller Gesellschafter und Gesellschaftsorgane hinreichend gewahrt sind, auch wenn sie nicht am konkreten Schiedsverfahren beteiligt sind.

b)

Das Schiedsgericht ist für die von den Antragstellern beabsichtigte Klage nicht zuständig, weil die Bestimmung in § 14 des Gesellschaftsvertrages keine Beschlussmängelstreitigkeiten wirksam einschließende Schiedsvereinbarung enthält. Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 29.03.1996 — II ZR 124/95 - (BGHZ 132, 278, 285 ff. = NJW 1996, 1753 ff) gegen die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten grundlegende Bedenken im Hinblick auf die in §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG vorgesehene, über § 325 Abs. 1 ZPO hinausgehende Rechtskrafterstreckung auf nicht am Verfahren Beteiligte geäußert hat, hat er diese inzwischen allerdings aufgegeben. In seinem zum Az. II ZR 255/08 am 06.04.2009 verkündeten Urteil („Schiedsfähigkeit II“, NZG 2009, 620 ff.) hat der 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs dazu - in Übereinstimmung mit der jetzt im Schrifttum herrschenden Meinung - ausgeführt, dass Beschlussmängelstreitigkeiten auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung der Wirkungen der §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1 S. 1 AktG grundsätzlich „schiedsfähig“ seien, sofern und soweit das schiedsgerichtliche Verfahren in einer dem Rechtsschutz durch staatliche Gerichte gleichwertigen Weise ausgestaltet sind, d.h. unter Einhaltung eines aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Mindeststandards an Mitwirkungsrechten und damit an Rechtsschutzgewährung für alle ihr unterworfenen Gesellschafter. Die mit einer Schiedsklausel getroffene Anordnung des schiedsrichterlichen Verfahrens auch für Beschlussmängelstreitigkeiten muss sich dabei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs am Maßstab des § 138 BGB messen lassen. Die Schiedsklausel hat die Belange der von der Rechtskraftwirkung analog §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1 S. 1 AktG potentiell berührten Gesellschafter in einer den Geboten des Rechtsstaatsprinzips genügenden Weise zu sichern. Die Schiedsabrede muss zunächst grundsätzlich mit Zustimmung aller Gesellschafter in der Satzung verankert sein. Jeder Gesellschafter muss — neben den Gesellschaftsorganen — über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten. Sämtliche Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl und Bestellung durch eine neutrale Stelle erfolgt. Schließlich muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht konzentriert werden (BGH a.a.O. Tz. 20).

Diesen Anforderungen wird die Bestimmung in § 14 des Gesellschaftsvertrages nicht gerecht. Die Schiedsklausel selbst regelt nur die Zusammensetzung des Schiedsgerichts (drei Schiedsrichter jeweils mit der Befähigung zum Richteramt), der sie zudem die Befugnis zuweist, über die Gültigkeit des Schiedsvertrages bindend zu entscheiden. Letzteres steht aber einer Entscheidung nach § 1032 Abs. 2 ZPO nicht entgegen (siehe § 1032 Abs. 3 ZPO sowie § 1040 Abs. 3 ZPO). Im Übrigen wird auf die Schiedsgerichtsordnung der deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) verwiesen. Die DIS enthält zwar in § 13 Regelungen für die Bestimmung der Schiedsrichter im Falle einer Mehrheit von Parteien auf der Kläger- und oder auf der Beklagtenseite des Schiedsverfahrens. Den Umfang der am Schiedsverfahren Beteiligten bestimmen aber allein die Schiedskläger mit ihrer Entscheidung, dass sie eine Schiedsklage erheben bzw. sich am Schiedsverfahren auf Klägerseite beteiligen wollen und gegen wen die Schiedsklage gerichtet werden soll. Die DIS enthält dagegen keine Bestimmung, mit der die Information aller Gesellschafter und Gesellschaftsorgane über Einleitung und Verlauf des Schiedsverfahrens und deren mögliche Beteiligung am Schiedsverfahren gesichert ist etwa durch eine Bestimmung, dass der Antrag auf Einleitung des Verfahrens ohne Festlegung auf einen Schiedsrichter bei der Gesellschaft einzureichen und von dort aus allen Mitgesellschaftern mit der Aufforderung zuzustellen sei, in einer bestimmten Frist über einen Beitritt auf Seiten des Antragstellers oder der Gesellschaft zu entscheiden (siehe BGH a.a.O., Tz. 26). Zudem ist die vom Bundesgerichtshof verlangte Zusammenfassung sämtlicher einen Beschluss betreffenden Schiedsverfahren mit „Sperrwirkung“ für spätere Anträge bei einem Schiedsgericht nicht gewährleistet (siehe BGH a.a.O., Tz. 24 f.).

c)

Entgegen der — offenbar auch nicht mehr aufrecht erhaltenen — Darstellung der Antragsteller in der Antragsschrift handelt es sich bei der beabsichtigten Klage auch nicht lediglich um einen bedenkenlos und unstreitig schiedsfähigen Rechtsstreit zwischen einzelnen Gesellschaftern über die „einfache“ Feststellung (§ 256 ZPO) der Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen inter partes (vgl. zu deren Schiedsfähigkeit Zöller a.a.O. Rz.1O m.w.N.) Angestrebt ist vielmehr eine — auch — gegen die Gesellschaft und auf Gestaltung der gesellschaftlichen Rechtsverhältnisse gerichtete Klage mit inter omnes Wirkung.

d)

Da die Sittenwidrigkeit der Schiedsklausel nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihrer Einführung in den Gesellschaftsvertrag zu beurteilen ist, nicht nach den Verhältnissen in dem Zeitpunkt, in dem sie ihre Rechtswirkungen entfaltet, kommt es auch nicht darauf an, dass und ob im konkreten Fall die Beteiligung der Gesellschaft und aller Gesellschafter sowie die Verfahrenskonzentration bei einem Schiedsgericht gewährleistet sind. Ob eine Schiedsklausel wirksam ist oder nicht und damit die Schiedseinrede eröffnet ist oder nicht, darf nicht nachträglich von Fall zu Fall entschieden werden (BGH a.a.O. Tz. 28 m.w.Nw.).

e)

Angesichts der Ausführungen der Antragsteller, die - trotz Aufrechterhaltung ihres auf Feststellung der Zuständigkeit gerichteten Antrages - die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes wieder in Zweifel gezogen haben und die Dispositionsbefugnis der Parteien oder einer Partei gerade in Abrede nehmen, kann auch das Zustandekommen einer wirksamen Schiedsabrede im Rahmen dieses Verfahrens nicht festgestellt werden.

3.

Da nach allem das Schiedsgericht für die von den Antragstellern beabsichtigte Klage nicht zuständig ist, ist der auf Feststellung der Zuständigkeit gerichtete Antrag mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Für eine Auferlegung der Kosten auf die Antragsgegner besteht bei dieser Sachlage keine gesetzliche Grundlage.

4.

Der Hilfsantrag, den Rechtsstreit an das ordentliche Gericht zu verweisen, ist von vornherein gegenstandslos, weil der Senat nicht mit einem durch ein Schiedsgericht oder ein ordentliches Gericht zu entscheidenden Streitverfahren, das einer Verweisung oder einer Abgabe zugänglich sein könnte, befasst ist. Für den an den Senat gestellten Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist dieser — wie die Antragsteller nicht verkennen — gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. ZPO zuständig.