VG Lüneburg, Urteil vom 24.09.2003 - 1 A 370/01
Fundstelle
openJur 2012, 40324
  • Rkr:

1. Der in § 9 Abs. 7 Satz 3 BhV geregelte Ausschluss der Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung einschließlich der Investitionskosten gewährleistet bei einem verheirateten Soldaten der Besoldungsgruppe A 11 BBesO mit Netto-Besoldungsbezügen in Höhe von rund 3.000 EUR monatlich nicht eine amtsangemessene Lebensführung und ist deshalb mit der in § 31 SG geregelten Fürsorge- und Alimentationspflicht nicht zu vereinbaren, wenn der Beihilfeberechtigte zu den Unterbringungskosten seiner schwerstpflegebedürftigen Ehefrau in einem Pflegeheim monatlich rund 922 EUR zuzahlen muss.

2. Der Dienstherr hat aber ein weites Ermessen, wie er in einem solchen Fall der Verpflichtung zur Sicherstellung eines amtsangemessenen Lebensunterhaltes des Beihilfeberechtigten und seiner Familie nachkommt. Ein Anspruch des Beihilfeberechtigten gerade darauf, dass auf ihn die bis zum 30. Juni 1996 geltenden Beihilfevorschriften auch über diesen Zeitpunkt hinaus angewendet werden, besteht daher nicht.

Tatbestand

Der Kläger begehrt für die Zeit ab dem 1. Juli 2001 die Gewährung einer Beihilfe für die dauernde Heimunterbringung seiner schwerstpflegebedürftigen Ehefrau nach den für ihn bis zum 30. Juni 2001 geltenden Beihilfevorschriften.

Der Kläger ist Hauptmann der Bundeswehr (Besoldungsgruppe A 11 BBesO), er ist verheiratet und hat eine Tochter, die studiert. Seine Ehefrau wurde 1987 am Gehirn operiert; hierbei kam es zur Ruptur eines Basilarisaneurysmas, weshalb sie sich seit dem 26. August 1987 ununterbrochen als körperlich und geistig Schwerstbehinderte und vollständig Gelähmte in einem Pflegeheim in ... befindet. Die Beklagte gewährte dem Kläger jeweils Beihilfe für die monatlichen Kosten der Heimunterbringung seiner Ehefrau, wobei der Beihilfebemessungssatz aufgrund der hohen Kosten der Heimunterbringung gemäß § 14 Abs. 6 der seinerzeit geltenden Beihilfevorschriften von 70 v. H. auf 82 v. H. erhöht wurde.

Nach Einführung der Pflegeversicherung zum 1. April 1995 erhielt der Kläger von seiner privaten Pflegeversicherung, der ..., monatlich 840 DM, was 30 v. H. des Höchstsatzes für die stationäre Pflege in der Pflegestufe III (2.800 DM) entsprach. Die von der Pflegeversicherung gewährten Leistungen wurden von der Beklagten auf die Beihilfegewährung angerechnet. Der Kläger hatte wegen der zwischenzeitlich gestiegenen Heimkosten noch einen Eigenanteil in Höhe von ca. 800 DM zu erbringen. Nachdem die Beihilfevorschriften zum 1. Juli 1996 dahingehend geändert worden waren, dass eine Erhöhung des Bemessungssatzes in diesen Fällen - abgesehen von einer fünfjährigen Übergangsregelung für sog. Altfälle - nicht mehr möglich war, entschied der Kläger sich aufgrund der bis zum 30. Juni 2001 geltenden Übergangsregelung für die für ihn günstigere alte Regelung.

Da nach Auffassung der Beklagten die zum 1. Juli 1996 geänderten Beihilfevorschriften nach Auslaufen der fünfjährigen Übergangsregelung seit dem 1. Juli 2001 auch auf den Kläger anzuwenden sind, gewährte die Wehrbereichsverwaltung II dem Kläger mit Bescheid vom 17. September 2001 lediglich nur noch eine Beihilfe in Höhe von 70 % der auf die Behandlungspflege anfallenden Heimkosten für seine Ehefrau, die im September 2001 insgesamt 4.432,50 DM betrugen; dies ergab einen Betrag in Höhe von 1.960 DM monatlich. Eine Beihilfegewährung für Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten wird dagegen seitdem nicht mehr gewährt, da insoweit der nach § 9 Abs. 7 Satz 5 BhV sog. Eigenbehalt von 2.574,28 DM nicht überschritten wird. Diesen errechnete die Wehrbereichsverwaltung II wie folgt: Bei einem monatlichen Brutto-Durchschnittsein- kommen des Klägers in Höhe von 6.435,71 DM ergebe sich für die auf die Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionen anfallenden Kosten gem. § 9 Abs. 7 Satz 5 Nr. 2 a BhV ein zumutbarer monatlicher Eigenbehalt von 2.574,28 DM (40 v. H. von 6.435,71 DM). Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung einschließlich der Investitionen betrügen dagegen nur 53,52 DM/Tag x 30 Tage = 1.605,60 M, so dass der zumutbare Eigenbehalt von 2.574,28 DM nicht überschritten werde. Im Vergleich zu der bisherigen Regelung steht sich der Kläger nunmehr schlechter: Während in der Vergangenheit zu den monatlichen Unterbringungskosten ein beihilfefähiger Betrag in Höhe von 3.401,98 DM anerkannt worden war (4.416,98 DM - 840 DM - 175 DM), wird nunmehr eine Beihilfeleistung zu den Unterbringungskosten abgelehnt.

Hiergegen legte der Kläger Beschwerde ein, den die Wehrbereichsverwaltung Nord mit Beschwerdebescheid vom 29. Oktober 2001 - zugestellt am 5. November 2001 - als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, ab dem 1. Juli 2001 habe eine Beihilfegewährung ausschließlich nach neuem Recht zu erfolgen, da die bisher angewandte Übergangsregelung zum 30. Juni 2001 ausnahmslos ausgelaufen sei. Bei der neuen Regelung des § 9 Abs. 7 BhV sei nun u. a. ein prozentualer Anteil des monatlichen Brutto-Einkommens des Beihilfeberechtigten zu ermitteln und den tatsächlich entstandenen Pflegekosten gegenüberzustellen. Eine Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes sei nunmehr nicht mehr möglich. Bei stationärer Pflege seien nach dem Hinweis Nr. 1 zu § 9 Abs. 7 Satz 1 BhV für pflegebedingte Aufwendungen die Aufwendungen dieser sozialen Betreuung sowie der medizinischen Behandlungspflege pauschal für Pflegebedürftige der Pflegestufe III in Höhe von 2.800 DM monatlich angemessen. Für Unterkunft und Verpflegung einschließlich der Investitionskosten könne nach § 9 Abs. 7 Satz 3 BhV dagegen nur eine Beihilfe gewährt werden, wenn die Unterbringungskosten einen Eigenanteil des Einkommens überstiegen; in diesem Fall würden die den Eigenanteil übersteigenden Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung einschließlich der Investitionskosten als Beihilfe gewährt. Nach 9 Abs. 7 Satz 4 BhV zählten zum Einkommen die Brutto-Dienst- und Versorgungsbezüge ohne den kinderbezogenen Anteil im Familienzuschlag sowie Renten des Beihilfeberechtigten und seines Ehegatten einschließlich dessen laufenden Erwerbseinkommens. Der Eigenanteil des Einkommens betrage gemäß § 9 Abs. 7 Satz 5 Nr. 2 b BhV bei Beihilfeberechtigten mit einem höheren Einkommen als das des Grundgehaltes der Besoldungsgruppe A 9 BBesO - wenn nur ein berücksichtungsfähiger Angehöriger vorhanden sei - 40 v. H. Wenn - wie hier - mehr als ein berücksichtigungsfähiger Angehöriger vorhanden sei, betrage der Eigenanteil 35 v. H. Zwar enthalte der Bescheid der Festsetzungsstelle vom 17. September 2001 in zweifacher Hinsicht einen Fehler, da zum einen der Eigenanteil nicht 40 v. H., sondern 35 v. H. betrage und zum anderen das Jahreseinkommen für das Jahr 2000 zu hoch angesetzt sei. Das Brutto-Jahreseinkommen des Klägers habe im Jahre 2000 nur 71.217,36 DM betragen. Der Eigenanteil im Sinne von § 9 Abs. 7 Satz 5 Nr. 2 b BhV betrage daher richtigerweise 35 v. H. des durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommens von 5.934,78 DM, mithin 2.077,17 DM. Da die monatlichen Pflegekosten sich auf 1.628,08 DM beliefen und mithin diese Kosten den vorgenannten richtig ermittelten Eigenanteil nicht überstiegen, scheide im Ergebnis die Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung sowie der Investitionskosten in der stationären Einrichtung gleichwohl aus. Eine Beihilfe könne nach alledem nur pauschal zu den Kosten der medizinischen Behandlungspflege bzw. der Betreuung der Ehefrau des Klägers gewährt werden. Dies seien 70 v. H. von 2.800 DM. Der Kläger sei in der Vergangenheit auf das Ende der Übergangsregelung hingewiesen worden, er hätte im Vorfeld für eine ausreichende Absicherung Sorge tragen müssen. Unter Umständen bestünden weitergehende Ansprüche gegenüber dem Träger der Sozialhilfe.

Daraufhin hat der Kläger am 5. Dezember 2001 Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt, die Beklagte habe die ihm für den Monat September 2001 gewährte und festgesetzte Beihilfe nach den nunmehr geltenden neuen Beihilfevorschriften zwar richtig errechnet, die ab dem 1. Juli 2001 geltenden Beihilfevorschriften seien allerdings rechtswidrig, weil sie gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen das Fürsorge- und Alimentationsprinzip, verstießen mit der Folge, dass auf ihn weiterhin die bis zum Juni 2001 geltenden alten Beihilfevorschriften anzuwenden seien. Der von ihm nach den neuen Beihilfevorschriften zu erbringende Eigenanteil habe sich verdoppelt. Er müsse monatliche Unterhaltsleistungen in Höhe von 540,12 DM bzw. 590,60 DM (Stand: Oktober 2001) und nunmehr (Stand: September 2003) in Höhe von 350 EUR an seine im Studium befindliche Tochter zahlen, so dass ihm bei monatlichen Eigenaufwendungen für die Heimunterbringung seiner Ehefrau in Höhe von 1.632,50 DM (Stand: 2001) bzw. nunmehr 922,81 EUR (Stand: August 2003) kein ausreichender Betrag für eine amtsangemessene Lebensführung bleibe. Er erhalte zur Zeit monatliche Nettobezüge in Höhe von 2.980 EUR einschließlich Kindergeld und Familienzuschlag. Für seine Doppelhaushälfte zahle er zur Zeit 800 EUR Warmmiete. Diese Situation werde sich noch dadurch verschärfen, dass mit stetig steigenden monatlichen Heimkosten gerechnet werden müsse. Darüber hinaus müsse er als 51-jähriger Soldat in absehbarer Zeit mit seiner Versetzung in den Ruhestand rechnen, wodurch sich sein monatliches Einkommen um über 800 EUR verringern werde, was seine wirtschaftliche Situation erneut erheblich verschlechtern werde. Der Hinweis der Wehrbereichsverwaltung im Beschwerdebescheid, er möge sich an den Träger der Sozialhilfe wenden, sei rechtlich nicht vertretbar, insbesondere sei er mit dem Alimentationsgrundsatz nicht vereinbar. Zudem habe ihm die Stadt ... als zuständiger Sozialhilfeträger auf seine Anfrage hin bereits schriftlich mitgeteilt, sie lehne die Gewährung der von ihm ergänzend beantragten Sozialhilfe ab. Die Beklagte sei als Dienstherr aufgrund des nach § 31 SG bestehenden Dienst- und Treueverhältnisses ihm gegenüber zur Fürsorge und zur angemessenen Alimentation verpflichtet. Die Alimentationspflicht schließe es aus, dass ein Soldat sozialhilfebedürftig werde, denn der Dienstherr sei zur amtsangemessenen Besoldung und Fürsorge verpflichtet, so dass im Falle einer Sozialhilfeberechtigung seine Alimentations- und Fürsorgepflicht verletzt werde. Die Beklagte sei verpflichtet, ihm einen insgesamt amtsangemessenen Unterhalt zu gewähren, d.h., sie müsse den Unterhalt der sozialen Lebensstellung des Soldaten entsprechend sichern und bei außergewöhnlichen wirtschaftlichen Belastungen Hilfe leisten. Dieser standesgemäße und amtsangemessen Unterhalt werde ihm bei Anwendung der ab dem 1. Juli 2001 geltenden geänderten Beihilfevorschriften versagt. Durch die Anwendung der geänderten Beihilfevorschriften werde die Fürsorge- und Schutzpflicht des § 31 SG in ihrem Wesenskern verletzt, so dass sie gegen geltendes Recht verstoße. Aus der fünfjährigen Übergangsregelung folge nichts anderes. Denn Sinn und Zweck der Übgangsregelung sei es gewesen, den Beihilfeberechtigten den Abschluss einer Pflegezusatzversicherung zu ermöglichen, um sich auf die neuen Beihilfevorschriften einzustellen und einen Härtefall verhindern zu können. Ihm sei es aber zum Zeitpunkt der Änderung der Beihilfevorschriften in der Übergangszeit nicht mehr möglich gewesen, eine Pflegezusatzversicherung abzuschließen, da seine Ehefrau zu diesem Zeitpunkt bereits ein Schwerstpflegefall gewesen sei und sich keine Versicherung bereit erklärt habe, dieses Risiko zu übernehmen. Es habe für ihn daher keine realisierbare Möglichkeit bestanden, Vorsorgemaßnahmen im Hinblick auf das sich ändernde Beihilferecht zu treffen. Diese Situation des bereits bestehenden Pflegefalles zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der geänderten Beihilfevorschriften sei bei der zeitlichen Begrenzung der Übergangsregelung auf fünf Jahre nicht berücksichtigt worden. Diese Lücke sei durch richterliche Rechtsfortbildung dahingehend zu schließen, dass auf ihn weiterhin die Beihilfevorschriften anzuwenden seien, die für ihn aufgrund der Übergangsvorschrift bis einschließlich Juni 2001 gegolten hätten. Sein Klageantrag zu 2. auf Feststellung sei nach § 43 VwGO zulässig und geboten. Sein Feststellungsinteresse ergebe sich aus der Tatsache, dass die geänderten Beihilfevorschriften nicht nur für die Berechnung der Beihilfe für den Monat September 2001 angewandt worden seien, sondern auch für die folgenden Monate angewendet würden. Der Subsidiaritätsgrundsatz des § 43 Abs. 2 VwGO stehe der Zulässigkeit trotz der Möglichkeit, künftig monatlich nach Erhalt der entsprechender Beihilfebescheide jeweils gegen diese mit der Beschwerde und einer anschließenden Verpflichtungsklage vorzugehen, nicht entgegen. Die Feststellungsklage sei in diesem Fall effektiver, da ansonsten eine Vielzahl von Prozessen geführt werden müsse, es ihm aber um die grundsätzliche Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten der Beklagten überhaupt gehe.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Wehrbereichsverwaltung II vom 17. September 2001 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 29. Oktober 2001 zu verpflichten, ihm für den Monat September 2001 Beihilfe für die dauernde Heimunterbringung seiner pflegebedürftigen Ehefrau in Höhe von 2.802,35 DM zu gewähren,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab Juli 2001 die ihm zu gewährende Beihilfe für die dauernde Heimunterbringung seiner pflegebedürftigen Ehefrau nach den bis Juni 2001 für ihn geltenden Beihilfevorschriften zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie zunächst Bezug auf den Beschwerdebescheid und trägt ergänzend vor, die Abzugsfähigkeit der Kosten, die der Kläger monatlich seiner Tochter zu gewähren habe, sei in § 9 Abs. 7 BhV nicht vorgesehen. Hierbei sei zudem zu bedenken, dass der Kläger für seine Tochter Kindergeld sowie einen kinderbezogenen Anteil im Familienzuschlag erhalte. Er könne seine Aufwendungen steuerlich geltend machen und sein Eigenanteil sei nach den Beihilfevorschriften mit 35 v. H. geringer, als wenn er keine Kinder zu unterhalten hätte. Die Übergangsregelung sei am 30. Juni 2001 ausgelaufen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Besserstellung gegenüber allen Neufällen. Eine solche Vorgehensweise würde Art. 3 GG widersprechen. Die Übergangsregelung sei mit einer Dauer von fünf Jahren sehr moderat gehalten gewesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Die Klage ist insgesamt zulässig, und zwar auch hinsichtlich des Feststellungsantrages zu 2. Insbesondere steht diesem Feststellungsantrag im Ergebnis nicht § 43 Abs. 2 VwGO entgegen. Trotz der allgemeinen Fassung dieser Bestimmung wird die Feststellungsklage durch die dort genannten, grundsätzlich weiterreichenden Klagen - hier: Verpflichtungsklage - nur dann ausgeschlossen, wenn durch diese Rechtsschutz in zumindest gleichem Umfang und mit gleicher Effektivität erreicht würde. Dies ist z. B. nicht der Fall, wenn sonst eine Vielzahl von Prozessen geführt werden müsste, es dem Kläger aber um die grundsätzliche Zulässigkeit eines bestimmten Verhaltens oder - wie hier - um die grundsätzliche Verpflichtung der beklagten Behörde zu einem bestimmten Tun überhaupt geht (Kopp/ Schenke, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2000, § 43 Rdnr. 29 m. w. N.).

2. Die Klage ist auch teilweise begründet.

Der Kläger hat einen weitergehenden Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für die dauernde Heimunterbringung seiner pflegebedürftigen Ehefrau, der über die seit dem 1. Juli 2001 geleistete Beihilfe hinausgeht (dazu a). Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung II vom 17. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2001 ist daher teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Rechtsstreit ist aber nicht insgesamt entscheidungsreif, da der Kläger keinen Anspruch dahingehend hat, dass in seinem Fall ab Juli 2001 die Beihilfevorschriften in der bis zum 30. Juni 1996 geltenden Fassung anzuwenden sind, d. h. dass sein Beihilfebemessungssatz weiterhin statt 70 v. H. nach § 14 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BhV 82 v. H. beträgt (dazu b).

In Ausfüllung der in § 31 SG normierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn erhalten Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit für ihre Familienangehörigen Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen. Maßgebend für die Gewährung sind die zur Zeit der Entstehung der Aufwendungen (hier: ab Juli 2001) geltenden Beihilfevorschriften des Bundes vom 10. Juli 1995 (GMBl. 1995, 470) in der ab dem 1. Juli 1996 geltenden Fassung (GMBl. 1996, 627) - BhV -.

19Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen bei dauernder Pflegebedürftigkeit ist in § 9 BhV geregelt. Bei stationärer Pflege in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung i. S. d. § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sind gemäß § 9 Abs. 7 Satz 1 BhV die nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit entstehenden pflegebedingten Aufwendungen i. S. d. § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB XI beihilfefähig. Diese sind abhängig vom Grad der Pflegebedürftigkeit und betragen - wie hier - bei Personen in der Pflegestufe III pauschal 2.800 DM bzw. ab 1. Januar 2002 1.432 EUR monatlich. Bei einem Beihilfebemessungssatz von 70 v. H. gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BhV sind dies 1.960 DM monatlich, die der Kläger aufgrund des Auslaufens der bis zum 30. Juni 2001 geltenden fünfjährigen Übergangsregelung seit dem 1. Juli 2001 auch erhält. Nach § 9 Abs. 7 Satz 3 BhV sind Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung einschließlich der Investitionskosten dagegen grundsätzlich nicht beihilfefähig, es sei denn, sie übersteigen einen Eigenanteil des Einkommens. Das anzusetzende Einkommen (nach den Hinweisen des BMI zu § 9 Abs. 7 BhV sind dies die Bruttobezüge - Grundgehalt, allgemeine Stellenzulage sowie Familienzuschlag ohne kinderbezogene Anteile -) wird in Satz 4, der Eigenanteil wird in Satz 5 dieser Bestimmung näher definiert. Hiernach hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung einer Beihilfe für Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung. Die Richtigkeit der aufgrund dieser Bestimmungen erstellten Berechnung der Beklagten im Beschwerdebescheid der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 29. Oktober 2001 zieht er nicht in Zweifel; solche Fehler sind auch nicht ersichtlich. Die Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes nach § 14 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 BhV auf wie bisher 82 % ist nach § 14 Abs. 6 Nr. 2 Satz 2 BhV in den Fällen des § 9 BhV nunmehr nach Auslaufen der Übergangsfrist ausgeschlossen. Vielmehr ist der Beihilfeberechtigte offenbar nach Vorstellung der Beihilfevorschriften und demzufolge auch der Beklagten hinsichtlich der ungedeckten Restkosten der Heimunterbringung auf die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz zu verweisen. Dies begegnet rechtlichen Bedenken, weil das beamtenrechtliche Fürsorgeprinzip des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten und Soldaten gebietet, dass der Dienstherr in originärer Weise für eine amtsangemessene Alimentation einschließlich einer ausreichenden Beihilfegewährung zu sorgen hat und seine Beamten nicht auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG verweisen darf.

a) Mit dem Kläger ist die Kammer der Ansicht, dass die Nichtgewährung einer weiteren Beihilfe aufgrund der abgelaufenen Übergangsregelung (vgl. dazu Art. 2 Abs. 1 Satz 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift v. 4.7.1996, GMBl. 1996, 627, 628) ab dem 1. Juli 2001 rechtswidrig ist, da dies in seinem Fall gegen höherrangiges Recht verstößt.

Von Verfassungs wegen hat der Beamte, Richter oder Soldat Anspruch darauf, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und andere besondere Situationen, die bei ihm selbst oder seinen berücksichtigungsfähigen Familienangehörigen bestehen, finanziell bewältigen zu können, ohne dass ein amtsangemessener Lebensunterhalt beeinträchtigt wird. Diese Pflicht zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhaltes ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums und beruht unmittelbar auf Verfassungsrecht (Art. 33 Abs. 5 GG). Sie ist nicht beschränkt auf gewöhnliche Lebenssituationen, sondern erstreckt sich auch auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen. Die Alimentationspflicht gebietet dem Dienstherrn, Vorkehrungen zu treffen, dass die notwendigen und angemessenen Maßnahmen im Falle von Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt und Tod nicht aus wirtschaftlichen Gründen unterbleiben oder dass der amtsangemessene Lebensunterhalt wegen der finanziellen Belastungen in diesen Ausnahmesituationen nicht gefährdet wird (BVerwG, Urt. v. 3.7.2003 - 2 C 36.02 -). Eine Verweisung des Beamten oder Soldaten in diesen Fällen auf die Inanspruchnahme von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz, wie er vielfach für nicht beihilfeberechtigte (pflegebedürftige) Personen gewährt wird, verbietet sich daher. Auch wenn das gegenwärtig praktizierte System der Beihilfen in Krankheits- und Pflegefällen nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört und deshalb nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet wird, so dass Unterstützungsleistungen in besonderen Lebenssituationen nicht von der nach Art. 33 Abs. 5 GG geschuldeten Alimentation umfasst werden, muss der Dienstherr jedenfalls aus Fürsorge dafür sorgen, dass der Beamte oder Soldat in die Lage versetzt wird, einen Teil seiner Bezüge zur Eigenvorsorge einzusetzen. Besoldung und Versorgung sind demnach so zu gestalten, dass unter Berücksichtigung der Eigenvorsorge der angemessene Lebensunterhalt des Beamten oder Soldaten und seiner Familienangehörigen sichergestellt bleibt. In welcher Form der Dienstherr die erforderlichen Vorkehrungen trifft, bleibt seiner Gestaltungsfreiheit überlassen. Es besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Beamten oder Soldaten in Krankheits- und Verpflegungsfällen oder in vergleichbaren Notsituationen Unterstützungen in Form gerade von Beihilfen oder gar von Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren. Wenn der Dienstherr dem Beamten oder Soldaten aber eine Eigenvorsorge in vollem Umfang, insbesondere in Krankheits- und Pflegefällen, zumutet, die nach den heutigen Verhältnissen im Gesundheits- und Pflegewesen vernünftigerweise nur durch den Abschluss von Kranken- und Pflegeversicherungen erreicht werden kann, müssen die Bezüge so bemessen sein, dass die zu zahlenden Versicherungsprämien den amtsangemessenen Lebensunterhalt nicht beinträchtigen. Sind - wie nach der gegenwärtigen Rechtslage - die Bezüge des Beamten oder Soldaten so zugeschnitten, dass sie eine zumutbare Eigenvorsorge nur im Hinblick auf einen Teil der durch Krankheit und Pflegebedürftigkeit begründeten Belastungen ermöglichen, so hat der Dienstherr zusätzliche Vorkehrungen zu treffen, dass die Belastungen, die den Umfang der Eigenvorsorge überschreiten, ebenfalls getragen werden können. Beihilfen zu derartigen Aufwendungen finden ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die ihrerseits als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet ist. Die Zuschüsse ergänzen die aus der gewährten Alimentation zu bestreitende Eigenvorsorge. Entscheidet sich der Dienstherr für ein „Mischsystem“ aus Eigenleistungen des Beamten oder Soldaten, so muss gewährleistet sein, dass dieser nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht abzusichern vermag (BVerwG, a. a. O).

22Sowohl die Bestimmungen über die Besoldung und Versorgungsbezüge als auch die Bestimmungen über den Schutz bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit haben Rücksicht zu nehmen auf die finanzielle Belastbarkeit des Beamten oder Soldaten, um den amtsangemessenen Lebensunterhalt sicher zu stellen. Insoweit sind allerdings keine starren Grenzen vorgegeben. Die Bezüge der Beamten und Soldaten enthalten keinen exakt bestimmbaren Satz oder proportionalen Anteil, mit dem die Eigenvorsorge betrieben werden kann und soll. Verfassungsrechtlich ist die Grenze der dem Beamten oder Soldaten zumutbaren Belastung im Hinblick auf die Eigenvorsorge erst erreicht, wenn der amtsangemessene Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet ist. Im Rahmen seiner Verpflichtung zur amtsangemessenen Alimentation hat der Gesetzgeber die Attraktivität des Dienstverhältnisses für qualifizierte Kräfte und das Ansehen des Amtes in der Gesellschaft zu festigen, Ausbildungsstand, Beanspruchung und Verantwortung des Amtsinhabers zu berücksichtigen und dafür Sorge zu tragen, dass jeder Bedienstete außer den Grundbedürfnissen ein „Minimum an Lebenskomfort“ befriedigen und seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner Familie erfüllen kann (BVerwG, a. a. O.).

Die Fürsorgepflicht verlangt nicht, dass durch Beihilfe und Versicherungsleistung die Aufwendungen in Krankheits- und Pflegefällen vollständig gedeckt werden, dass der Dienstherr in jedem Fall einen Teil der Aufwendungen übernimmt oder dass das von der Beihilfe nicht gedeckte Risiko in vollem Umfang versicherbar ist. Allerdings darf die Beihilfe als eine die Eigenvorsorge ergänzende Leistung nicht ohne Rücksicht auf die vorhandenen Versicherungsmöglichkeiten ausgestaltet werden. Daraus folgt des Weiteren aber nicht, dass das Beihilfesystem und die private Versicherung lückenlos aufeinander abgestimmt sein müssen. Das Alimentationsprinzip verbietet es, dem Beamten oder Soldaten Risiken aufzubürden, deren wirtschaftliche Auswirkungen unüberschaubar sind. Das ist nicht zu besorgen, wenn das nicht versicherbare finanzielle Risiko auf einen Betrag begrenzt ist, der die amtsangemessene Lebensführung nicht beeinträchtigt. Der Dienstherr hat dabei auch zu beachten, dass er angesichts der gegenwärtigen Struktur und des gegenwärtigen Niveaus der Besoldung und Versorgung prinzipiell in die Verantwortung bei Krankheits- und Pflegefällen der Beamten und Soldaten und deren Familienangehörigen mit einbezogen ist und die hieraus resultierenden Belastungen nicht beliebig auf die Bezügeempfänger abwälzen darf. Das Fürsorgeprinzip gebietet, für das Wohl und Wehe des Beamten oder Soldaten und seiner Familienangehörigen zu sorgen und Schaden von ihnen abzuwenden. Damit wären Lenkungsmaßnahmen unvereinbar, die den Beamten oder Soldaten dazu verleiten, in Zukunft von medizinischen Behandlungen aus finanziellen Erwägungen abzusehen (BVerwG, a. a. O).

Im vorliegenden Fall sind diese Grundsätze verletzt. Angesichts der Höhe des Eigenanteils von fast 1.000 EUR monatlich kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass der Kläger als Hauptmann der Bundeswehr der Besoldungsgruppe A 11 BBesO noch einen amtsangemessenen Lebensunterhalt für sich und seine Familienangehörigen sicherstellen kann.

Der Kläger muss aufgrund des jetzigen Beihilfesystems einen Eigenanteil an den Pflegekosten für seine Ehefrau in Höhe von zunächst 1.632,50 DM und mittlerweile 922,81 EUR monatlich selbst tragen. Dieser Eigenanteil wird in Zukunft noch stetig ansteigen. Er erhält als Hauptmann Besoldungsbezüge nach Besoldungsgruppe A 11 BBesO mit einem möglichen Brutto-Endgrundgehalt nach der Besoldungstabelle in Höhe von monatlich 3.124,64 EUR (Stand: 1. April 2003). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist bei der Frage nach der Amtsangemessenheit der Dienstbezüge des Beamten oder Soldaten aber nicht vom Bruttoeinkommen, sondern vom Nettoeinkommen auszugehen (BVerfG, Beschl. v. 24.11.1998 - 2 BvL 26/91 u. a. -, NJW 1999, 1013, 1014 unter C I 1 c). Überdies berücksichtigen die Beklagte und die Beihilfevorschriften nicht in hinreichendem Umfang, dass der Kläger das bereits im Jahre 1987 eingetretene Risiko der vollständigen Pflegebedürftigkeit seiner Ehefrau realistischerweise nicht mehr versichern und daher insoweit gar keine eigene Risikoabsicherung mit noch zumutbaren Belastungen mehr treffen kann. Der Hinweis der Wehrbereichsverwaltung Nord im Beschwerdebescheid vom 29. Oktober 2001, der Kläger habe innerhalb der fünfjährigen Übergangsfrist für eine ausreichende Absicherung Sorge tragen müssen, geht daher fehl. Auch die Ansicht der Beklagten, der Kläger könne ggf. ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialgesetz und seine Eigenaufwendungen steuerlich geltend machen, ist nach dem oben Gesagten nicht zutreffend.

26Ob der Dienstherr mit den Beihilfevorschriften eine ausreichende Alimentation von Beamten sichergestellt hat, beurteilt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG, Beschl. v. 24.11.1998 - 2 BvL 26/91 u. a. -, NJW 1999, 1013, 1016 zu der Frage des amtsangemessenen Lebensbedarfes für Beamte mit mehr als zwei Kindern) auf der Basis des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs. Die Alimentation des Beamten ist demgegenüber aber etwas qualitativ anderes, dieser Unterschied muss bei der Bemessung der Besoldung sichtbar werden. Die somit vorzunehmende Gegenüberstellung der monatlichen Netto-Besoldungsbezüge des Klägers und seinem fiktiven sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf führt zu dem Ergebnis, dass in seinem Fall ein amtsangemessener Lebensunterhalt nicht gewährleistet ist. Dabei ist zunächst von der Grundannahme des Bundesverfassungsgerichtes in dem genannten Beschluss auszugehen, dass ein um 15 v. H. über dem sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf liegender Betrag den verfassungsrechtlich gebotenen Unterschied zwischen der der Sozialhilfe obliegenden Befriedigung eines äußersten Mindestbedarfes und dem dem Beamten und seiner Familie geschuldeten Unterhalt derzeit hinreichend deutlich werden lässt (sog. „15 %-Betrag“).

Der den monatlichen Nettobezügen gegenüber zu stellende fiktive sozialhilferechtliche Mindestbedarf berechnet sich wie folgt: Auszugehen ist im Fall des Klägers nicht von einem Durchschnitts-Regelsatz nach § 22 BSHG, sondern von einem Grundbetrag in Höhe von 853 EUR (Stand ab 1.7.2003) gemäß § 81 Abs. 1 Nr. 5 BSHG, weil die Ehefrau des Klägers bei einer Pflegestufe III seit langem durchgängig ständiger Pflege wegen Pflegebedürftigkeit i. S. v. § 68 Abs. 1 BSHG in einem Pflegeheim bedarf. Diesem Betrag sind nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes die angemessenen monatlichen Unterkunftskosten (ohne Heizung) in Höhe von hier rund 700 EUR, der monatliche Familienzuschlag für die Ehefrau des Klägers in Höhe von gerundet 230 EUR (pauschal 80 % des Regelsatzes des Haushaltsvorstandes gemäß § 22 BSHG) sowie die monatlichen Unterhaltskosten für seine Tochter in Höhe von 350 EUR hinzuzurechnen; des Weiteren ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ein durchschnittlicher Zuschlag von 20 v. H. (hier) vom Grundbetrag des § 81 Abs. 1 Nr. 5 BSHG in Höhe von gerundet 170 EUR zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt hinzuzurechnen. Dies ergibt für den Kläger einen fiktiven sozialhilferechtlichen Mindestbedarf in Höhe von 2.303 EUR.

Darüber hinaus ist diesem Mindestbedarf ein weiterer Prozentsatz hinzuzusetzen, der den verfassungsgebotenen Unterschied zwischen der Alimentation und der Deckung des sozialhilferechtlichen Mindestbedarfes deutlich zum Ausdruck bringen muss. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen gebotenen Unterschied im Fall der amtsangemessenen Besoldung von Beamten mit mehr als zwei Kindern einheitlich für alle Besoldungsgruppen auf 15 v. H. angesetzt, weil die Kinder von Beamten unabhängig von der rechtlichen und sozialen Stellung ihrer Eltern bei der Berechnung in gleichem Umfang zu berücksichtigen sind. Im Fall der hier zu entscheidenden Frage, ob die gewährte Beihilfe noch einen amtsangemessenen Lebensunterhalt gewährleistet, kann hingegen von einem derartigen einheitlichen Prozentsatz nicht ausgegangen werden. Denn der amtsangemessene Lebensunterhalt beurteilt sich nicht bei allen Beamten gleich, sondern ist abgestuft nach den Besoldungsgruppen. Mit anderen Worten ist der amtsangemessene Lebensunterhalt eines Beamten wie hier etwa der Besoldungsgruppen des gehobenen Dienstes höher als der von Beamten des einfachen und mittleren Dienstes. Der „15 %-Betrag“ stellt deshalb vielmehr einen absoluten Mindestbetrag dar, der gestaffelt nach den einzelnen Besoldungsgruppen noch zu erhöhen ist. Die Kammer kann indes offen lassen, wie hoch dieser Unterschiedsbetrag im Fall des Klägers ist. Denn jedenfalls halten die Netto-Besoldungsbezüge des Klägers auch den verfassungsrechtlich gebotenen äußersten Mindestabstand von 15 v. H. zum sozialhilferechtlichen Bedarf, d. h. hier in Höhe von rund 2.648 EUR (2.303 EUR plus 345 EUR), nicht ein.

Der Kläger erhält nach seinen von der Beklagten nicht widersprochenen Angaben in der mündlichen Verhandlung zur Zeit Besoldungsbezüge von monatlich 2.980 EUR netto. Hiervon abzusetzen sind nach Auffassung der Kammer die monatliche Eigenbeteiligung des Klägers für die Heimunterbringung seiner Ehefrau in Höhe von zur Zeit gerundet 922 EUR. Der Kläger hat mithin monatlich einen Netto-Betrag von nur rund 2.058 EUR zur Bestreitung des Lebensunterhaltes für sich und seine Familie zur Verfügung. Dieser Betrag liegt weit unter dem verfassungsrechtlich gebotenen Mindestabstand zum sozialhilferechtlichen Bedarf in Höhe von 2.648 EUR.

Im Ergebnis ist mithin der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch des Klägers darauf, auch Krankheit und andere besondere Situationen wie hier Schwerstpflegebedürftigkeit eines berücksichtigungsfähigen Familienangehörigen finanziell bewältigen zu können, ohne dass sein amtsangemessener Lebensunterhalt beeinträchtigt wird, verletzt.

b) Gleichwohl kann die Klage auf Verpflichtung und Feststellung im Ergebnis aber nicht in der vom Kläger beantragten Weise Erfolg haben. Denn die Beklagte hat nach den obigen Grundsätzen ein weites Ermessen, wie sie ihrer Verpflichtung nachkommt. Eine Ermessensreduzierung auf Null, dass dies in genau der vom Kläger gewünschten Weise geschieht, ist nicht gegeben. Die Sache ist mithin noch nicht spruchreif (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Kammer lässt die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob § 9 Abs. 7 BhV in den „Altfällen“ der Schwerstpflegebedürftigkeit von Familienangehörigen von Beihilfeberechtigten und deren Unterbringung in einem Pflegeheim noch eine amtsangemessene Lebensführung ermöglicht, zu.