VG Oldenburg, Beschluss vom 30.01.2003 - 6 A 4598/02
Fundstelle
openJur 2012, 39145
  • Rkr:

Verwaltungsgerichtliche Verfahren, in denen Kläger die Rechtswidrigkeit von Teilzeitanordnungen gemäß § 80 c NBG geltend machen, müssen nicht gemäß § 94 VwGO ausgesetzt werden, weil ein Antrag auf Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist, da die Verfassungsmäßigkeit der Norm wegen möglicher und den Fachgerichten vorbehaltener verfassungskonformer Auslegung nicht zweifelhaft ist.

Gründe

Dem Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens analog § 94 VwGO ist nicht zu entsprechen. Die Entscheidung über diesen Antrag obliegt gemäß § 87 a VwGO der Berichterstatterin.

Die Klägerin hat am 19. September 2000 Klage erhoben  mit dem Begehren, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Oktober 1999 hinsichtlich der Anordnung von Teilzeitbeschäftigung und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2000 zu verurteilen, die Klägerin vollzeitig mit der regelmäßigen Arbeitszeit zu beschäftigen, ihr die Gehaltsdifferenz zwischen 80 % der Bezüge nach Besoldungsgruppe A 12 BBesO und 100 % dieser Bezüge rückwirkend zum 21. Oktober 1999 nebst 8,42 v.H. Zinsen seit Rechtshängigkeit zu  zahlen und sie versorgungsrechtlich so zu stellen, als wäre sie seit ihrer Einstellung vollzeitig beschäftigt worden. Mit Bescheid vom 21. Oktober 1999, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt gewesen ist, wurde die Klägerin als Grundschullehrerin, Besoldungsgruppe A 12 BBesO, in den Schuldienst eingestellt und der ...schule in ... zugewiesen. Auf der Grundlage von § 80 c NBG wurde eine Teilzeitbeschäftigung mit 80 v.H. der Regelstundenzahl angeordnet. Die Klägerin hatte demnach 22,5 Unterrichtsstunden zu leisten bei einer Regelstundenzahl von 28 Unterrichtsstunden.

Unter dem 26. März 2000 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2000 als unbegründet zurück wies. Nach Ansicht der Beklagten war die Teilzeitanordnung rechtmäßig, zumal sie spätestens nach vier Jahren in eine Vollzeitbeschäftigung umgewandelt werden sollte.

Auf übereinstimmende Anträge der Beteiligten hin wurde mit Beschluss vom 20. November 2001 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Im Oktober 2002 beantragte die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens, nachdem das Bundesverwaltungsgericht und das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in vergleichbaren Verfahren den Klagebegehren entsprochen hatten. Nach den Entscheidungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteile vom 13. Dezember 2001, Az.: 5 LB 2418/01 und 5 LB 2723/01, letztere veröffentlicht in Nds. VBl. 2002, S. 130) ist eine Teilzeitbeschäftigung gegen den Willen des Beamten mit dem hergebrachten Grundsatz (Art. 33 Abs. 5 GG) der hauptberuflichen vollen Dienstleistungspflicht des Beamten, der die Pflicht des Dienstherrn zur Gewährung des vollen amtsangemessenen Unterhalts gegenübersteht, sowie mit dem Leistungsprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG) nicht zu vereinbaren und ist § 80 c NBG verfassungskonform dahin auszulegen, dass er es ermöglicht, auf Wunsch eines Einstellungsbewerbers eine Teilzeitbeschäftigung anzuordnen. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Beschluss vom 18. Juni 2002 (Az.: 2 B 12.02, Dokumentarische Berichte 2002 S. 309) die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2001 zurück, weil die mit der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen geklärt seien.

Da jede Partei das prozessuale Recht zur Aufnahme eines gerichtlichen Verfahrens hat, in dem das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden ist, hatte das Gericht auf die Schriftsätze der Klägerin vom 18. und 30. Oktober 2002 das Verfahren wieder aufzunehmen.

Die Beklagte beantragte demgegenüber, das Verfahren analog § 94 VwGO auszusetzen, weil die Niedersächsische Landesregierung am 23. Juli 2002 beschlossen hatte, die Vereinbarkeit des § 80 c NBG mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG im Rahmen eines Normbestätigungsverfahrens feststellen zu lassen. Dieses Verfahren ist beim Bundesverfassungsgericht unter dem Az: 2 BvF 3/02 anhängig.

94 VwGO ermächtigt das Gericht zur Aussetzung des Verfahrens auch ohne Zustimmung der Beteiligten, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Die Verfassungsmäßigkeit einer aus § 80 c NBG abgeleiteten Ermächtigung, bei der Einstellung eines Bewerbers um eine Beamtenstelle gegen dessen Willen die Teilzeitarbeit zu verfügen, ist kein Rechtsverhältnis, nämlich keine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung eines Rechtssubjekts zu einem anderen Rechtssubjekt oder zu Gegenständen, sondern eine Rechtsfrage. Deshalb ist das Normbestätigungsverfahren kein Grund, das Verfahren unmittelbar auf der Grundlage des § 94 VwGO auszusetzen. Auch analog § 94 VwGO ist das Verfahren nicht auszusetzen, denn ausweislich der bereits angesprochenen Entscheidungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ist § 80 c NBG verfassungsgemäß, da diese Vorschrift verfassungskonform so auszulegen ist, dass sie es ermöglicht, auf Wunsch eines Einstellungsbewerbers eine Teilzeitbeschäftigung anzuordnen, aber diese Anordnung nicht gegen den Willen des Beamten aus verfassungsrechtlichen Gründen zulässig ist. § 80 c NBG regelt, dass bis zum 31. Dezember 2007 Bewerber in Laufbahnen des gehobenen und des höheren Dienstes auch unter der Voraussetzung einer Teilzeitbeschäftigung von mindestens ? der regelmäßigen Arbeitszeit in ein Beamtenverhältnis eingestellt werden können. Die Teilzeitbeschäftigung nach § 80 c Abs. 1 NBG ist nur dann zulässig, wenn die in § 80 c Abs. 2 NBG genannten Voraussetzungen gegeben sind. Da § 80 c Abs. 1 NBG die Einstellung in ein Beamtenverhältnis unter der Voraussetzung einer Teilzeitbeschäftigung in das Ermessen der einstellenden Behörde stellt, und dieses Ermessen aus verfassungsrechtlichen Gründen gebunden ist, weil eine Teilzeitbeschäftigung gegen den Willen des Beamten nicht zulässig und deshalb § 80 c NBG verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass er es ermöglicht, auf Wunsch eines Einstellungsbewerbers eine Teilzeitbeschäftigung anzuordnen, steht die Unvereinbarkeit des § 80 c NBG mit dem Grundgesetz nicht im Raum.

Der Antrag der Landesregierung auf Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. § 13 Nr. 6, § 76 Abs. 1 Nr. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz betreffend § 80 c NBG ist darauf gerichtet, das Bundesverfassungsgericht möge die Vereinbarkeit des § 80 c NBG mit dem Grundgesetz, insbesondere den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums feststellen. Die Vereinbarkeit des § 80 c NBG mit dem Grundgesetz ist aber weder vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht noch vom Bundesverwaltungsgericht in Frage gestellt worden. Soweit die Landesregierung vom Bundesverfassungsgericht geklärt haben möchte, dass § 80 c NBG insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als eine Teilzeitanordnung gegen den Willen des Beamten zulässig ist, berührt der Antrag eine bestimmte Auslegung der landesrechtlichen Vorschrift. Da die Auslegung von einfach gesetzlichen Vorschriften den Fachgerichten vorbehalten ist, besteht kein Grund, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Antrag auf Normenkontrolle abzuwarten und das anhängige verwaltungsgerichtliche Verfahren auszusetzen.

Da nach § 76 Abs. 1  Nr. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz der Antrag einer Landesregierung gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG nur zulässig ist, wenn der Antragsteller Bundes- oder Landesrecht für gültig hält, nachdem ein Gericht, eine Verwaltungsbehörde oder ein Organ des Bundes oder eines Landes das Recht als unvereinbar mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht nicht angewendet hat, diese Voraussetzung aber gerade nicht gegeben ist, besteht auch unter diesem Gesichtspunkt kein Grund, das Verfahren auszusetzen.

11Im Übrigen gebieten die eine analoge Anwendung der Vorschrift rechtfertigenden Gesichtspunkte der Prozesswirtschaftlichkeit und Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen im Widerstreit mit dem gegebenenfalls artikulierten Parteiinteresse an effektivem und zeitnahem Rechtsschutz eine Aussetzung nur, wenn das aussetzungswillige Gericht sich keine abschließende Meinung über die Verfassungsmäßigkeit der im Normenkontrollverfahren zu überprüfenden Gesetzesbestimmung gebildet hat und das Verfahren vor dem Normenkontrollgericht nicht offensichtlich aussichtslos erscheint. Hierauf hat das VG Osnabrück in seinem Urteil vom 15. Januar 2003 (Az.: 3 A 132/00) zutreffend hingewiesen und weiter ausgeführt: "Letzteres anzunehmen gibt es hier gute Gründe: Die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte; sie sind der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen (BVerfG, B. v. 09.02.2001 - BvR 781/98 -, DVBl. 2001, 892; st. Rspr. seit BVerfGE 18, 85). Die Anwendung eines Gesetzes mit einer bestimmten Auslegung prüft das Bundesverfassungsgericht nur an von der Verfassung vorgegebenen Maßstäben, etwa der richtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts (vgl. B. v. 04.08.2000 - 1 BvR 1510/99 -, NVwZ 2001, 190) oder dem Willkürverbot (vgl. B. v. 09.02.2002, a.a.O.). Das hier allein in den Blick zu nehmende Willkürverbot ist verletzt, wenn ein Richterspruch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die getroffene Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht. Die Auslegung, mit welcher das Nds. Oberverwaltungsgericht § 80 c NBG für verfassungskonform anwendbar hält, verdient ein solches Verdikt nicht. Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 80 c NBG und der Gesamtzusammenhang der Vorschriften des Nds. Beamtengesetzes über die Teilzeitbeschäftigung mögen eine Auslegung in dem vom Land Niedersachsen mit seinem Normenkontrollantrag beschriebenen Sinne zulassen oder auch nahe legen. Ein verfassungsrechtlich jedenfalls nicht von vornherein unbedenklicher Wille des Gesetzgebers (vgl. d. Hinweis auf die vom Ausschuss für öffentliches Dienstrecht nicht geteilten Bedenken des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, Seite 12 der Antragsschrift an das Bundesverfassungsgericht vom September 2002), der sich aus der Entstehungsgeschichte der Nom ableiten lässt, im Wortlaut des Gesetzes jedoch keinen eindeutigen Niederschlag gefunden hat, vermag aber nicht eine vom Wortlaut des Gesetzes gedeckte, aus Bestimmungen des Verfassungsrechts (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) abgeleitete Auslegung als eine krasse Verkennung der Rechtslage kennzeichnen."