AG Rendsburg, Urteil vom 13.09.2007 - 3 C 218/07
Fundstelle
openJur 2009, 933
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die zur Mobilfunknummer ... gespeicherten personenbezogenen Daten des Klägers zu Zwecken der Werbung, Markt- oder Meinungsforschung zu nutzen oder nutzen zu lassen, insbesondere im Wege des Versands unverlangter elektronischer Werbung, von Newslettern oder ähnlichen Mailings, Gewinnspielen, Prämien-/Geschenkangeboten, Eigen- , Fremd- oder Freundschaftswerbung jeder Art und Form an die E-Mail-Adresse "...@...com" des Klägers; jeweils auch anlässlich von Jubiläen, Geburtstagen oder Feiertagen oder ähnlichen Anlässen, deren Eintritt nicht vom oben bezeichneten Vertragsverhältnis unmittelbar abhängt.

II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff I die Festsetzung ein Ordnungsgeld bis € 250.000,00, ersatzweise von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (insgesamt jedoch nicht mehr als 2 Jahren) angedroht.

III. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Aufwendungsersatz von 4,75 € zu zahlen.

IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Bekiagte kann die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Versendung von Werbe-E-Mails.

Die Parteien schlossen einen Mobilfunkvertrag im Sinne eines Dienstvertrages. Die Vertragsnummer des Klägers lautet ... Mit Vertragsschluss erhielt der Kläger von der Beklagten eine E-Mail-Adresse. Mit der E-Mail vom 28.06. 2006 gab der Kläger bekannt, dass er der Nutzung oder Übermittlung seiner personenbezogenen Daten zum Zweck der Werbung, Markt- oder Meinungsforschung seitens der Beklagten widerspreche. Die Beklagte versicherte sodann mittels einer E-Mail vom 04.07. 2006, dass keinerlei Werbung an den Kläger weitergeleitet werde. Im Folgenden versendete die Beklagte am 09.02.2007 und 04.04.2007 erneut Werbe-E-Mails an den Kläger, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob letztere E-Mail werbenden Charakter beinhaltet. Daraufhin forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Dieser kam die Beklagte nicht nach.

Der Kläger ist der Ansicht,

dass sein allgemeines Persönlichkeitsrecht in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts beeinträchtigt sei. Die wiederholt versandte Werbung der Beklagten, mit der sie sein Konsumverhalten zu beeinflussen suche, störe die gesetzlich geschützte Privatsphäre Entgegen des Vortrags der Beklagten, dass die E-Mail vom 04.04.2007 lediglich eine E-Mail zur "Beratung der Teilnehmer" sei und dieser einen eigenen Erlaubnistatbestand darstelle, wird bestritten, da diese Werbung im Sinne des Widerspruchs des Klägers darstelle.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die zur Mobilfunknummer ... gespeicherten personenbezogenen Daten des Klägers zu Zwecken der Werbung, Markt- oder Meinungsforschung zu nutzen oder nutzen zu lassen, insbesondere im Wege des Versands unverlangter elektronischer Werbung, von Newslettern oder ähnlichen Mailings, Gewinnspielen, Prämien-/Geschenkangeboten, Eigen- , Fremd- oder Freundschaftswerbung jeder Art und Form an die E-Mail-Adresse "...@...com" des Klägers; jeweils auch anlässlich von Jubiläen, Geburtstagen oder Feiertagen oder ähnlichen Anlässen, deren Eintritt nicht vom oben bezeichneten Vertragsverhältnis unmittelbar abhängt.

2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1 die Festsetzung ein Ordnungsgeld bis € 250.000,00, ersatzweise von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (insgesamt jedoch nicht mehr als 2 Jahren) anzudrohen.

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Aufwendungsersatz von 4,75 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht,

dass die E-Mail vom 04.04. 2007 eine E-Mail zur "Beratung der Teilnehmer" sei. Diese sei von § 95 Abs 2 TKG, der einen eigenen Erlaubnistatbestand darstelle, gedeckt und habe ein aus Sicht der Beklagten vernünftiges, weil sparsames Nutzungsverhalten zum Gegenstand und damit die Beratung des Kunden. Bisher habe der Kläger nur der Nutzung seiner Daten zu Zwecken der Werbung, Markt- oder Meinungsforschung widersprochen, nicht jedoch der Nutzung zur Beratung des Klägers. Ferner sei eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog BGB.

Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Zusendung von unverlangter Werbung mittels E-Mails zu, denn die Vorschrift des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB schützt in entsprechender Anwendung nicht nur das Eigentum, sondern auch alle absoluten Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Damit ist auch der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus den Art. 1 und 2 GG erfasst.

Die Zusendung unverlangter Werbung mittels E-Mails stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht folgende Befugnis des Einzelnen, selbst zu entscheiden, ob und inwieweit er auf seiner elektronischen Mailbox Werbung empfangen will. Wegen des zeitlichen und finanziellen Aufwands, der mit dem Abrufen und Löschen von E-Mail-Werbung verbunden ist, kann der Absender nicht annehmen, der Empfänger billige die Werbesendung oder stehe ihr zumindest indifferent gegenüber. Anders als bei gewöhnlicher Briefkastenwerbung muss er daher auch ohne ausdrücklichen Sperrvermerk davon ausgehen, dass die Zusendung von Werbung grundsätzlich unerwünscht ist Missachtet er dies, liegt eine rechtswidrige Beeinträchtigung der Individualsphäre des Empfängers vor, die einen Unterlassungsanspruch aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet (vgl. LG Hamburg, MMR 1999, 248; AG Brakel, NJW 1998, 3209; Sprau in Palandt, § 823 BGB, Rn. 117).

So liegt es hier. Der persönliche Lebensbereich des Klägers ist hier betroffen. Der Kläger hat mit der E-Mail vom 28.06.2006 der Nutzung oder Übermittlung der personenbezogenen Daten von diesem zum Zweck der Werbung, Markt- oder Meinungsforschung seitens der Beklagten widersprochen.

Mit der E-Mail von der Beklagten vom 04 07.2006 erhielt der Kläger eine Bestätigung des Eingangs seiner E-Mail mit der Versicherung, dass in Zukunft keine Werbung an ihn versendet würde.

Der Kläger erhielt sowohl am 09.02.2007 als auch am 04.04.2007 E-Mails, die wiederum Werbung beinhalteten, so dass eine rechtswidrige Beeinträchtigung der Individualsphäre des Empfängers vorliegt, da der Kläger bereits mit der oben genannten E-Mail vom 28.06.2006 deutlich machte, dass er keine Werbung empfangen möchte. Folglich musste die Beklagte nicht nur davon ausgehen, dass ihre Werbung unerwünscht ist, sondern sie wusste dies auch.

Die Beklagte kann darüber hinaus nicht damit gehört werden, dass die E-Mail vom 04.04.2007 zwecks Beratung des Kunden versandt wurde und durch § 95 Abs. 2 TKG gerechtfertigt ist. Denn diese Email fällt nicht unter den Erlaubnistatbestand des § 95 Abs. 2 TKG, da er lediglich auf das konkrete Vertragsverhältnis zum Kunden Bezug nimmt. Ein solcher Bezug ist hier nicht gegeben.

In der oben genannten E-Mail wurde dem Kläger nahe gelegt, andere Kunden zu werben, um eine Prämie von 10 € zu erhalten. Eine solche Information stellt keine Beratung des Kunden dar, da diese nicht das eigentliche Vertragsverhältnis des Kunden betrifft, sondern den Zweck hat, neue Kunden zu gewinnen. Der Kläger selbst sollte damit ausschließlich als Vermittler dienen.

Des weiteren besteht eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der für den Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB erforderlichen Wiederholungsgefahr.

Widerholungsgefahr ist die auf Tatsachen begründetet objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Störungen (Bassenge in Palandt, § 1004 BGB, Rn. 32).

Dies ist hier der Fall. Denn mit der unverlangt zugesandten Werbung mittels E-Mails vom 09.02.2007 und 04.04.2007 ist die Störung bereits eingetreten.

Diese Vermutung hat die Beklagte zur Überzeugung des Gerichts nicht widerlegen können. Es besteht weiterhin das Indiz der Widerholungsgefahr allein dadurch, dass die Beklagte nicht auf die Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung reagierte und somit davon auszugehen ist, dass sie diese ablehnt.

Allein der Hinweis, dass etwaige Zusendungen von Werbung an den Kläger beendet worden seien, reicht für die Widerlegung der Vermutung nicht aus, da an diese hohe Anforderungen zu stellen sind.

Die Beklagte ist auch Handlungsstörerin, da sie die Beeinträchtigung durch die Versendung von Werbung per E-Mail selbst herbeigeführt hat.

Der Kläger ist auch nicht zur Duldung der Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Mahnkosten in Höhe von 4,75 € gemäß § 280 Abs. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 1. Halbsatz, 708 Nr. 11, 711 ZPO.