Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 25.09.2002 - 8 MA 18/02
Fundstelle
openJur 2012, 38570
  • Rkr:
Gründe

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die Beschwerdezulassungsgründe, die der Antragsteller geltend gemacht hat, nicht vorliegen.

Entgegen der Annahme des Antragstellers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses (§ 146 Abs. 4 VwGO a. F. i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Denn das Verwaltungsgericht hat seinen Antrag, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den angefochtenen Bescheid anzuordnen, im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil dieser Bescheid, mit dem der Antragsgegner die Verlängerung der dem Antragsteller befristet erteilten Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und ihm die Abschiebung nach Jugoslawien angedroht hat, bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage offensichtlich rechtmäßig ist.

Die Entscheidung über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO setzt eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Diese Abwägung fällt in der Regel zu Lasten des Antragstellers aus, wenn bereits im Aussetzungsverfahren zu erkennen ist, dass sein Rechtsbehelf offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet (BVerfG, Beschl. v. 11.2.1982 - 2 BvR 77/82 - NVwZ 1982 S. 241; BVerwG, Beschl. v. 9.9.1996 - 11 VR 31/95 -). Dagegen überwiegt das Interesse an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in aller Regel, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich begründet erweist (BVerwG, Beschl. v. 20.10.1995 - 1 VR 1/95 -). Bleibt der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache bei der im Aussetzungsverfahren nur möglichen summarischen Prüfung (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 11.9.1998 - 11 VR 6/98 -) jedoch offen, kommt es auf eine bloße Abwägung der widerstreitenden Interessen an (BVerwG, Beschl. v. 29.4.1974 - IV C 21.74 - DVBl. 1974 S. 566; Senatsbeschl. v. 11.4.2002 - 8 ME 66/02 -).

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen, unter denen die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs anzuordnen ist, nicht erfüllt, weil sich sowohl die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als auch die Abschiebungsandrohung bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweisen.

Nach § 23 Abs. 2 Satz 2 AuslG wird eine Aufenthaltserlaubnis, die dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen für die Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 AuslG befristet erteilt worden ist, befristet verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht und die Voraussetzungen für eine unbefristete Verlängerung noch nicht vorliegen. Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AuslG ist die dem Ehegatten eines Deutschen erteilte Aufenthaltserlaubnis in der Regel nach drei Jahren unbefristet zu verlängern, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen fortbesteht und die in § 24 Abs. 1 Nr. 4 und 6 AuslG bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Danach kommt weder die befristete noch die unbefristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, die dem Antragsteller am 23. Juli 1999 zur Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit Frau E. erteilt worden ist, in Betracht, weil erhebliche Zweifel am Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft des Antragstellers und seiner Ehefrau bestehen. Außerdem steht der vom Antragsteller ausdrücklich beantragten unbefristeten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entgegen, dass die Aufenthaltserlaubnis am 19. Januar 2001 ablief und daher weniger als drei Jahre gegolten hat. 

Eine eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne der Bestimmungen des Ausländergesetzes setzt neben dem formalen rechtlichen Band der Ehe eine tatsächliche Verbundenheit der Ehegatten voraus, die u. a. in einer Pflege der häuslichen Gemeinschaft zum Ausdruck kommen kann (BVerwG, Beschl. v. 30.9.1998 – 1 B 92/98InfAuslR 1999, S. 72; Beschl. v. 15.12.1995 – 1 B 160/95 – Buchholz 402.42 § 17 AuslG 1990 Nr. 5). Die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer solchen Lebensgemeinschaft trägt der Ausländer, so dass sein Antrag auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft schon dann abzulehnen ist, wenn nach einer Gesamtwürdigung der äußerlich erkennbaren Umstände des Einzelfalls erhebliche Zweifel am Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft bestehen (Nds. OVG, Beschl. v. 15.12.1999 - 11 M 460/99 -; Beschl. v. 21.7.1999 - 11 M 2699/99 -; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, § 17 AuslG Rn. 26; GK-AuslG, § 18 AuslG Rn. 67). Derartige Zweifel sind bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung offensichtlich.

Dagegen, dass der Antragsteller und seine Ehefrau eine eheliche Lebensgemeinschaft führen, spricht insbesondere das Ergebnis der Befragung, die der Antragsgegner am 27. Mai 1999, d. h. kurz nach der Eheschließung, durchgeführt hat. Die Befragung hat ergeben, dass dem Antragsteller nicht bekannt war, wo seine Ehefrau zuvor gewohnt hatte. Er konnte auch keine Angaben über den von ihr erlernten Beruf machen, obwohl er behauptet hat, seine Ehefrau schon zwei Jahre lang zu kennen. Außerdem hat er seine Ehefrau, die nach eigenem Bekunden als Altenpflegerin ausgebildet worden ist und damals in diesem Beruf auch gearbeitet hat, fälschlicherweise als Schülerin bezeichnet. Dem Antragsteller war zudem der Name der Eltern und der Geschwister seiner Ehefrau nicht bekannt. Er konnte überdies keine Angaben zu ihren Hobbys machen. Darüber hinaus waren seine Angaben zu den von ihr beherrschten Sprachen und den bei ihrer Hochzeit anwesenden Trauzeugen unvollständig. Schließlich war er auch nicht in der Lage mitzuteilen, wann er und seine Ehefrau sich zur Heirat entschlossen hatten, obwohl seine Ehefrau behauptet hat, dass sie oft über die Heirat gesprochen und sich vor ein paar Monaten dazu entschlossen hätten. Die Ehefrau des Antragstellers hat bei ihrer Befragung gleichfalls unzutreffende Angaben gemacht. So hat sie z. B. erklärt, dass der Antragsteller nur ein Kind habe, was nicht den Tatsachen entspricht. Außerdem hat sie seine Hobbys falsch bezeichnet, obwohl sie den Antragsteller schon ca. zwei Jahre gekannt haben will. Diese Angaben legen den Schluss nahe, dass der Antragsteller und seine Ehefrau keine eheliche Lebensgemeinschaft, die neben dem formalen rechtlichen Band der Ehe eine tatsächliche Verbundenheit der Ehegatten voraussetzt, führen.

Weitere Indizien gegen das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft lassen sich der Befragung der Eheleute entnehmen, die der Antragsgegner am 10. Mai 2001 durchgeführt hat. Damals haben der Antragsteller und seine Ehefrau nicht nur teilweise voneinander abweichende Angaben über den angeblich gemeinsam verbrachten Vorabend gemacht, sondern auch erklärt, noch keinen gemeinsamen Urlaub verlebt und geplant zu haben, nur selten gemeinsame Unternehmungen durchzuführen, keine Geburtstage zu feiern und sich auch zu besonderen Anlässen wie dem Hochzeitstag niemals zu beschenken. Auch diese Angaben lassen auf eine fehlende tatsächliche Verbundenheit der Eheleute schließen.

Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung des Antragstellers, dass er mit seiner Ehefrau eine eheliche Lebensgemeinschaft führe, ergeben sich schließlich auch daraus, dass der Antragsteller in der Vergangenheit offenbar wiederholt unzutreffende Angaben über das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner früheren Ehefrau F. gemacht hat. Denn diese falschen Angaben stellen seine Glaubwürdigkeit erheblich in Frage. Außerdem hat die Bezirksregierung Weser-Ems in ihrem Widerspruchsbescheid weitere Umstände aufgeführt, die Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Antragstellers begründen.

Demnach ist bei summarischer Prüfung ernstlich zu bezweifeln, dass zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau E. eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht. Dass der Antragsteller und seine Ehefrau in einer Wohnung leben, steht dem nicht entgegen, weil sich die eheliche Lebensgemeinschaft nicht auf das gemeinsame Wohnen beschränkt, sondern eine darüber hinausgehende tatsächliche Verbundenheit der Ehegatten voraussetzt. Schließlich werden die aufgezeigten Zweifel auch nicht dadurch entkräftet, dass der Antragsteller im Beschwerdezulassungsverfahren erklärt hat, dass seine Ehefrau anlässlich der Eheschließung seine Landessprache erlernt habe. Die Ehefrau des Antragstellers hat nämlich schon bei ihrer Befragung am 27. Mai 1999 angegeben, ein bisschen Jugoslawisch zu sprechen. Daher sind ihre Sprachkenntnisse entgegen der Darstellung des Antragstellers kein eindeutiges Indiz für das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft. Außerdem kann dieser Einwand des Antragstellers in dem hier anhängigen Beschwerdezulassungsverfahren nicht berücksichtigt werden, weil er ihn nicht innerhalb der Frist des § 146 Abs. 5 Satz 1 VwGO a. F. erhoben hat, in der die Gründe, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist, nach § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO a. F dargelegt werden mussten.

Die Beschwerde kann auch nicht wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten nach § 146 Abs. 4 VwGO a. F. i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden. Der Antragsteller hat diesen Beschwerdezulassungsgrund zwar geltend gemacht, aber nicht erläutert, aus welchen konkreten Gründen die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Fragen besondere, d.h. überdurchschnittliche Schwierigkeiten verursachen soll. Abgesehen davon ist die Klärung der im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Fragen nicht mit besonderen Schwierigkeiten verbunden.