VG Osnabrück, Beschluss vom 14.06.2002 - 3 B 51/02
Fundstelle
openJur 2012, 38220
  • Rkr:

Zur Rechtswidrigkeit einer Auflage, durch welche einer nicht verbotenen Partei bei einer genehmigten Versammlung im Vorfeld einer Bundestagswahl das Mitführen der satzungsgemäßen Symbole (Parteifahnen) untersagt wird.

Gründe

1Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes hält die Kammer die angegriffene Auflage (Verbot des Mitführens von Flaggen und Fahnen mit Ausnahme der Bundesflagge, der Nieders. Landesflagge etc.) jedenfalls insoweit für rechtswidrig, als die im Beschlusstenor zu Ziff. 1. und 2. bezeichneten Fahnen (Fahnen der NPD, oben und unten weiß, Mitte rot, Symbolik  schwarz-gelb, entsprechend der Fahnenordnung der NPD vom 22.11.2000, Fahnen der Jungen Nationaldemokraten, weiße Buchstaben auf rotem Grund) betroffen sind. Voraussetzung für die Beschränkungen einer öffentlichen Versammlung nach Art. 8 Abs. 2 GG ist, dass von der Art der gemeinschaftlichen Kundgabe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung auszugehen droht, die nicht auf der bloßen Äußerung der Inhalte beruht, sondern auf besonderen, beispielsweise provokativen oder aggressiven, das Zusammenleben der Bürger konkret beeinträchtigenden Begleitumständen. Art. 8 GG schützt Aufzüge, nicht aber Aufmärsche mit paramilitärischen bzw. einschüchternden Begleitumständen (BVerfG, Beschl. v. 24.03.2001 -1 BvR 13/01, DVBl. 2001 S. 897). Derartiges kann für den vorliegenden Sachverhalt auch bei Verwendung der genannten Fahnen nicht festgestellt werden. Insbesondere ist durch die nicht angegriffenen Auflagen, d. h. durch die  Beschränkung der Anzahl der Fahnen (am Ende der Ziffer 1 des Auflagenbescheids der Antragsgegnerin), das Verbot der Uniformierung und des Tragens gleichartiger Kleidungstücke, wie Springerstiefel, Bomberjacken oder militärischer Kopfbedeckungen (vgl. § 3 Abs. 1 VersG und Ziffer 2 des Auflagenbescheids), das Verbot der Fortbewegung in marschartiger Formation sowie das der Benutzung von Trommeln und Fackeln (beides ebenfalls Ziffer 2 des Auflagenbescheids) hinreichend gewährleistet, dass ein Einschüchterungseffekt durch eine sich unmittelbar aufdrängende Assoziation mit Aufmärschen der SA in der dreißiger Jahren oder der Eindruck eines paramilitärischen Aufmarsches nicht entstehen kann. Allein der Umstand, dass die Antragstellerin aktiv "Flagge zeigen" will, begründet die Auflage nicht.

Dass das Bundesverfassungsgericht in zwei Einzelfällen (Beschl. v. 24.03.2001- 1 BvQ 13/01- aaO, Beschl. v. 12.04.3001 - 1 BvQ 20/01-) unter einer Maßgabe - mit der hier angegriffenen Auflage - vergleichbar die aufschiebende Wirkung eines Widerspruches gegen ein Versammlungsverbot wiederhergestellt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. In jenen Fällen hatten sich die Antragsteller für den Fall der "Gestattung" der geplanten Demonstrationen nämlich mit der genannten Auflagen einverstanden erklärt oder sich gegenüber dem Gericht jedenfalls für Auflagen offen gezeigt, so dass das Gericht die genannte Auflage statt des durch die Verwaltung verhängten, nur als ultima ratio zulässigen Verbots als milderes Mittel angesehen hat. Eine Entscheidung über die Rechtsmäßigkeit einer solchen Auflage war damit, wie das Bundesverfassungsgericht in beiden Beschlüssen am Ende explizit ausgeführt hat, nicht verbunden. Zudem hat es im Beschluss v. 24.03.2001 (-1 BvQ 13/01- aaO) ausgeführt, dass bei der rechtlichen Beurteilung einer geplanten Versammlung einzelne je für sich unbedenkliche Verhaltensweisen in ihrer Gesamtheit der Versammlung einen die schutzfähigen Anschauungen über ein friedliches Zusammenleben der Bürger bedrohenden Charakter verschaffen können und eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dann aus dem Zusammenspiel verschiedener Umstände abgeleitet werden könne. Neben den als solchen hinzunehmenden Inhalten der Versammlung trat in dem dort zu entscheidenden Fall das Mitführen von Landsknechtstrommeln und schwarzen Fahnen, das Marschieren in Marschordnung und unter Überschreitung der deutsch-niederländischen Grenze an einem historisch belasteten Ort hinzu, wohingegen derartige Umstände im vorliegenden Fall nicht erkennbar sind. Ein den dortigen Einzelfall prägendes Zusammenwirken vieler verschiedener Faktoren ist hier, insbesondere da die Antragstellerin die übrigen Auflagen, die sich auf andere ggf. versammlungsrechtlich problematische Verhaltensweisen beziehen nicht angreift, nicht gegeben und soweit die Antragstellerin befürchtet, dass die Demonstrationsteilnehmer entgegenstehende Auflage nicht beachten und doch den Anschein eines Aufmarsche hervorrufen, rechtfertigt dies nicht die "Fahnen - Auflage", sondern berechtigt sie im Falle eines Verstoßes gegen Gesetze oder die übrigen vollziehbaren Auflagen ggfs. zum Einschreiten.

Auch die von der Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Ansicht angeführten Entscheidungen des VG (1 A 349.00) bzw. OVG Berlin (1 SN 93.00) haben einen mit dem hiesigen Fall nicht vergleichbaren Sachverhalt zum Gegenstand. Dort handelte es sich nicht, um eine Veranstaltung einer Partei im Vorfeld einer Wahl, sondern einzelner Personen, die der rechtsextremen Szene zugeordnet wurden und in der Vergangenheit unter anderem wegen Verstößen gegen des Versammlungsgesetz, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Bildung einer terroristischen Vereinigung, der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, des Landfriedensbruches und der Volksverhetzung strafrechtlich in Erscheinung getreten waren.

Dagegen tritt im Übrigen das nicht näher begründetet Interesse der Antragstellerin hinsichtlich der Verwendung der schwarz-weiß-roten und anderer nicht verbotener Fahnen im einstweiligen Rechtschutzverfahren gegenüber dem Vollzugsinteresse an der Auflage zurück. Dabei kann dahinstehen, ob mit jenen Fahnen ein Symbolcharakter in der seitens der Antragsgegnerin geltend gemachten Weise verbunden ist (so wohl VG Schwerin, Beschl. v. 19.09.2000 -1 B 803/00- ) und ob eine solche Symbolwirkung die Auflage rechtfertigen würde. Eine solche Wirkung ist nämlich jedenfalls nicht ausgeschlossen und die Antragstellerin hat nicht dargelegt, worin ihr besonderes Interesse hinsichtlich der Verwendung jener Fahnen liegt bzw. welches Kundgabeinteresse, welches durch die Parteifahnen nicht zu erreichen wäre, sie mit  jenen Fahnen verbindet. Mit Rücksicht auf die ohnehin von der Antragstellerin ggf. zu kontrollierende zahlenmäßige Beschränkung der Fahnen ist es ihr zudem zuzumuten, falls - wie telefonisch vorgetragen - einzelne Versammlungsteilnehmer diese Fahnen zur Versammlung mitbringen, für eine Einhaltung der Auflage zu sorgen.

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